Posts mit dem Label Unwirksamkeit werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Unwirksamkeit werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Wo muss das eigenhändige Testament (bei Ergänzungen) unterschrieben werden ?

Der Beschwerdeführer überließ dem Nachlassgericht mit dem Antrag, einen Erbschein auf sich als Alleinerben auszustellen, ein handschriftliches Testament der Erblasserin, in welchen nach dem Datum „Testament“ stand, dann der Name der Erblasserin, sodann der Text „Ich vermache alles was ich habe“ mit einer Auflistung von Vermögenswerten wie Sparbuch pp. und Versicherungen. Anschließend erfolgte Unterschrift der Erblasserin. Unter der Unterschrift befand sich der Text „An Herrn“ und es folgten der Name des Erblassers und seine Anschrift. Der Antrag wurde vom Nachlassgericht zurückgewiesen. Der Beschwerde half das Nachlassgericht nicht ab und legte sie dem Beschwerdegericht (Oberlandesgericht) vor. Die von OLG als zulässig bewertete Beschwerde wurde allerdings in der Sache als unbegründet zurückgewiesen. Es schloss sich dem Nachlassgericht an, demzufolge das Testament formunwirksam sei.

§ 2247 BGB gebiete, das ein eigenhändiges Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden müsse. Es handele sich um eine zwingende Formvorschrift, deren Verstoß zur Nichtigkeit führe (§ 125 BGB). Dies selbst dann, wenn die Urheberschaft und die Ernstlichkeit des Testaments feststehen würden.

Die Regelung des § 2247 solle eine erhöhte Sicherheit vor Verfälschungen des Erblaserwillens bieten und dazu beitragen, verantwortliches Testieren zu fördern sowie Streitigkeiten der Erbprätendenten über den Inhalt letztwilliger Verfügungen hintanzuhalten (BGH, Beschluss vom 04.091981 - Iva ZB 4/80 -).

Die Unterschrift, die zwingend erforderlich sei, müsse grundsätzlich am Schluss des Textes stehen. Sie dien der Identifikation des Erblassers und dokumentiere, dass sich der Erblasser zu dem über der Unterschrift stehenden Text bekenne, den Urkundentext räumlich abschließe und so gegen nachträgliche Ergänzungen und Zusätze sichere (BayObLG, Beschluss vom 29.07.2004 - 1Z BR 039/04 -).

Allerdings sei es unschädlich, wenn sich nach der Unterschrift, mit dem der Mindestinhalt des Testaments abgeschlossen werden müsse, nicht den Inhalt des Testaments berührende Zusätze befänden, wie Orts- und Datumsangabe. Unerheblich sei auch, ob die Unterschrift zeitlich vor oder nach der Niederlegung angebracht wurde, da es für die Formgültigkeit nur darauf ankäme, dass im Todeszeitpunkt eine die gesamte Erklärung deckende Unterschrift vorhanden sei.

Sollen Ergänzungen oder Änderungen auf demselben Bogen oder Blatt aufgenommen werden, auf dem das Testament niedergeschrieben ist, die aber räumlich nicht mehr von der bereits vorhandenen Unterschrift gedeckt sind, müssten diese zusätzlich unterschrieben werden. Nur dann, wenn die Auslegung des Testamentsergäbe, dass die Ergänzungen oder Änderungen von der vorhandenen Unterschrift gedeckt würden, bedürfe es keiner Unterschrift unter die Ergänzungen oder Änderungen. Das sei anzunehmen, wenn das Testament ohne die Ergänzungen lückenhaft, unvollständig oder nicht durchführbar wäre und der wirkliche Wille des Erblassers nur aus beiden niedergeschriebenen Erklärungen ersichtlich würde.  Dabei könnten zur Feststellung, soweit Anhaltspunkte dafür aus der niedergeschriebenen und unterzeichneten Erklärung vorhanden seien, auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 20.03.1974 - IV ZR 133/73 -). Das wurde für die Zuteilung von Beträgen an Kinder angenommen, die nach der Unterschrift vorgenommen wurde, wobei vor der Unterschrift lediglich bestimmt worden sei, dass die Eltern „das geerbte Geld“ von den Kindern verwalten sollten (BayObLG, Beschluss vom 29.07.2004 - 1Z BR 039/04/04 -). Auch wurde dies bejaht in dem Fall, in dem auf einer (unterschriebenen) Seite ein „x“ mit dem Kürzel „b.w.“ verwandt wurde und auf der nicht unterschriebenen Rückseite verwiesen wurde, die mit „a a“ gekennzeichnet gewesen sei und mit der Bezifferung „2 a)“ an die Vorziffer (2) anschloss, mit der inhaltlich die auf der Seite „x“ bereits bestimmte Testamentsvollstreckung als Dauertestamentsvollstreckung für einen Erbteil konkretisiert worden sei (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.01.2021 - I-3 Wx 194/20 -).

Es könnten allerdings diese allgemeinen Grundsätze nicht auf eine Verfügung Anwendung finden, wenn sie ihrem Wesen und Inhalt nach dem Charakter und die Bedeutung einer eigenständigen ersten letztwilligen Verfügung habe (BayObLG, Beschluss vom 14.11.1974 - BReg 1 Z 73/74 -).

Zutreffend wird in diesem Zusammenhang vom OLG sodann darauf hingewiesen, dass das Testament vor der Unterschrift vorliegend lückenhaft gewesen sei, da nicht ausgeführt wurde, an wen „alles vermacht“ wird.  Damir handele es sich bei dem Text oberhalb der Unterschrift nicht um eine unvollständige Verfügung, sondern es läge gar keine Verfügung vor. Der Textzeile unter der Unterschrift „An Herrn ….“ komme im Zusammenhang mit dem Textteil oberhalb der Unterschrift einer erstmaligen Verfügung gleich, die einer eigenständigen Unterschrift bedürfe.

Die vom OLG als „Blanko-Erklärung“ angenommene Erklärung der Erblasserin im oberen, unterschriebenen Textteil gäbe nur wieder, was die Erblasserin alles vermachen wolle, während sie die Kernaussage, an wen alles vermacht werden solle, erst unter der Unterschrift aufgenommen worden sei. Die ratio der Formvorschrift, nämlich die Erblasserin zu veranlassen, sich selbst darüber klar zu werden, welchen Inhalt ihre letztwillige Verfügung haben soll, sei gerade nicht erfüllt worden. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Erblasserin bei dem Niederschreiben und Unterschreibens des ersten Textteils ihrer Verfügung über die Person, der sie alles vermachen wolle, Klarheit verschafft hätte. Auch der weitere Sinn der Unterschrift, Vorüberlegungen und Entwürfe von letztwilligen Verfügungen abgrenzen zu können, sei durch das „Blanko“ gerade nicht erfüllt worden.

Zudem habe die Erblasserin nach den Darlegungen des Beschwerdeführers einen Ratgeber zur Errichtung von Testamenten auf ihrem Wohnzimmertisch gehabt, aus dem sich das Erfordernis einer „Unterschrift mit vollen Namen“ ergäbe. Dies lasse darauf schließen, dass sich die Erblasserin sehr wohl bewusst gewesen wäre, dass die Wirksamkeit des Testaments von einer Unterschrift abhängig sei und sie hätte den zweiten Textteil auch unterschreiben können.

Die Aufbewahrung in einem Umschlag mit der Aufschrift „Testament“ reiche nicht aus, die Formwirksamkeit zu begründen. Dies stelle nur eine Inhaltsangabe dar. Hier hätte die Erblasserin zusätzlich ihre Unterschrift auf dem Umschlag anbringen können (was aber zur Wahrung der Formwirksamkeit umstritten sei).

Anmerkung: Die Entscheidung ist zutreffend. Allerdings hätte auch bei der Annahme einer Lückenhaftigkeit des unterschriebenen Teils hier der Ergänzung im nicht unterschriebene  Teil keine Bedeutung beigemessen werden können, da sich aus dem unterschriebenen Teil nicht ergab, dass gerade der Beschwerdeführer diejenige Person sein soll, der alles vermacht werden soll und die dann nur noch ergänzend, quasi zur Klarstellung, unten aufgenommen wird. Denn es kamen nach dem Sachverhalt mehrere Personen als (testamentarische) Erben in Betracht.

Zur Sicherheit sollten alle eigenhändigen Testamente, die einen wie auch immer gearteten Zusatz unter der Unterschrift enthalten, nach der Ergänzung noch einmal am Schluss der Ergänzung unterschrieben werden.

OLG München, Beschluss vom 25.08.2023 - 33 Wx 119/23 e -

Mittwoch, 27. April 2022

WEG: Beschluss zum Verbot der Nutzung der Tiefgarage mit E-Autos

Die E-Mobilität ist auch in der Rechtsprechung angekommen. So hat sich schon mancher die Frage gestellt, wie leicht ein E-Autos Feuer fangen kann und wie schwer es ist, dieses zu löschen. Und die weitergehende Frage daraus ist, ob das Fahrzeug in einer (Tief-) Garage geparkt werden sollte oder nicht. Das AG Wiesbaden musste sich nun damit auseinandersetzen, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft mit Mehrheitsbeschluss das Abstellen von E-Autos in Tiefgaragen verbieten kann. Dies wurde vom Amtsgericht verneint, welches damit den entsprechenden Beschluss für unwirksam erklärte. Es bleibt abzuwarten, ob andere Gerichte und Instanzgerichte dem folgen oder anders entscheiden.

Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der WEG und Klageerhebung wurde der der Wohnung des Klägers zugeordnete Tiefgaragenstellplatz von einem Mieter des Klägers für ein Hybrid-Fahrzeug genutzt. Nach dem angefochtenen Beschluss wurde das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt. Der Klägervertrat die Ansicht, der Eigentümerversammlung ermangele es an einer Beschlusskompetenz und zudem greife der Beschluss in sein Sondernutzungsrecht ein und verstoße gegen die gesetzgeberische Zielsetzung der Förderung der Elektromobilität. Die Beklagtenseite wies u.a. auf die Gefahr durch die Lithium-Ionen-Batterien hin, mit denen die Fahrzeuge betrieben würden und die sich entzünden könnten. Nicht nur sei die Dauer des Brandverlaufs länger als bei einem Benzinbrand, es könne nicht mit Löschschaum gelöscht werden und das Fahrzeug müsste von der Feuerwehr in einen Container zum Ausbrennen gezogen werden, wobei ein solcher Container nicht in die Tiefgarage verbracht werden könne, weshalb er mit einer weitergehenden Gefahr für das Gemeinschaftseigentum in der Tiefgarage ausbrennen müsse.

Das Amtsgericht bejahte die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung gem. § 19 Abs. 1 WEG. Es handele sich danach vorliegend um Nutzungsreglungen des Gemeinschafts- und Sondereigentums. Zwar sei ein solcher Beschluss nichtig, wenn er das Sondernutzungsrecht aushöhle, doch würde diese Grenze durch den Beschluss nicht überschritten, da nur das Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt würde.

Allerdings verstoße der Beschluss gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Gesetzgeber habe jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein individuelles Recht auf Gestattung baulicher Maßnahmen gegeben, die dem Laden elektrisch beriebener Fahrzeuge dienen, § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Dieses Recht würde mit dem Beschluss ins Leere laufen. Die einzelnen Wohnungseigentümer könnten zwar die Installation einer Ladesäule erzwingen, sie dann aber nicht nutzen. Es läge damit ein Verstoß gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der WEG-Reform vor. Vor diesem Hintergrund verstoße der Beschluss selbst dann gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn man zugunsten der Beklagtenseite die besondere Brandgefahr von Elektrofahrzeugen als wahr unterstelle.

Anmerkung: Das Amtsgericht hat sich im Hinblick auf die Grundlage einer gesetzgeberischen Intention, der Norm des § 20 Abs. 2 WEG und den Grundlagen ordnungsgemäßer Verwaltung nicht mit der Frage der akuten Brandgefahr und erhöhten Gefährdung des Gemeinschaftseigentums auseinandergesetzt. Zu fragen wäre hier, ob die gesetzgeberische Intention mit dem Grundrecht der Gewährleistung des Eigentum sin Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG vereinbar ist. Zwar steht dieses unter Gesetzesvorbehalt, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Grundsätzlich gewährleistet Art. 14 GG einen verfassungsrechtlichen Schutz gegen staatliche Eingriffe in das Eigentum und gewährleistet einen effektiven Rechtsschutz. Danach dürfen solche Sachbereiche nicht der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören (BVerfG, Urteil vom 18.12.1968 - I BvR 638/64 -). Hier geht es gerade um diesen vermögensrechtlichen Bereich, wenn seitens der Eigentümergemeinschaft eine nicht kalkulierbare Gefährdung des Gemeinschaftseigentums bei Brand derartiger Fahrzeuge geltend macht. So wird teilweise vorgegeben, dass bei Parkern mit Hebebühne der untere Parker nicht unter den Fußboden der Garage gefahren werden darf, damit die Feuerwehr im Brandfall auch Zugriff hat. Der Brandschutz ist ein wesentliches Element des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens, gerade bei Mehrfamilienhäusern, auch in Bezug auf Tiefgaragen. So gilt es auch Regelungen zur Menge der Lagerung von brennbaren Stoffen in Garagen (vgl. 17 Abs. 4 bay. GaStellV). Es dürfte zumindest fraglich sein, ob hier die gesetzgeberische Intention der Förderung der Elektromobilität zu Lasten des Eigentum Dritter vorgeht. Damit hätte sich das Amtsgericht auseinandersetzen müssen.

AG Wiesbaden, Urteil vom 04.02.2022 - 92 C 2541/21 -

Samstag, 4. Dezember 2021

Unzulässige Polizeiklausel in AGB eines Kfz-Vermieters

In den AGB der klagenden gewerblichen Autovermietung hieß es unter der Überschrift „Wesentliche Pflichten des Mieters“

„Der Mieter hat jeden Diebstahl oder Verlust (oder gegebenenfalls jeden Unfall) sofort der Polizei anzuzeigen und den Vermieter unverzüglich in Textform über die Anzeige zu unterrichten.“

Der Beklagte hatte einen Unfall nicht sofort der Polizei angezeigt. Die Kosten der Reparatur, die der Beklagte nur in Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung zahlte, waren Streitgenstand. Nach seiner Ansicht kann sich der Autovermieter nicht auf die benannte Klausel berufen, um die weiteren Reparaturkosten von ihm zu fordern, da diese Klausel AGB-widrig sei.

Das Landgericht schloss sich der Rechtsansicht des Beklagten an.

Der Klägerin stünde zwar wegen Verletzung einer Obhutspflicht ein Schadensersatzanspruch zu, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 28.02.2018 – VIII ZR 157/17 -). Dieser Anspruch sei hier aber auf die gezahlte Selbstbeteiligung begrenzt. Unabhängig davon, ob die Klausel bereits wegen Mehrdeutigkeit nach § 305c Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB nicht greife, sei sie jedenfalls nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Danach seien Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam, wenn sie den Vertragspartners des Verwenders der AGB entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, wobei sich eine Unangemessenheit auch daraus ergeben könne, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich sei.

Grundsätzlich bestünden keine Bedenken gegen eine sogen. Polizeiklausel (BGH, Urteil vom 01.12.2009 – XII ZR 117/09 -). Vorliegend weiche die Klausel aber von jener, die der BGH zu beurteilen hatte ab.

Schon die in Klammern gesetzte Formulierung „gegebenenfalls jeden Unfall“ sei nicht klar und verständlich. Die Formulierung „gegebenenfalls“ würde vom Kunden dahingehend verstanden werden können, dass die Verpflichtung nur eingeschränkt gilt. Verstärkt würde dies noch dadurch, dass dies in Klammern gesetzt wurde, demgegenüber die beiden weiteren Ereignisse, die sofort der Polizei zu melden seien (Diebstahl oder Verlust) ohne Klammern genannt seien.

Dieser Eindruck des typischerweise angesprochenen Kunden zu einem Stufenverhältnis zwischen Unfall und Diebstahl/Verlust würde sich würde sich auch dadurch verfestigen, dass es in demselben Paragrafen, einen Abschnitt darüber hieß: „Der Mieter hat dem Vermieter den Unfall, Diebstahl oder Verlust unverzüglich – gleich auf welche Weise – anzuzeigen.“ Da dort die Ereignisse gleichberechtigt nebeneinander genannt wurden, vermute der typischerweise angesprochene Mieter einen Unterschied zu der Polizeiklausel. Ansonsten hätte es heißen können: „Der Mieter hat jeden Diebstahl, Verlust oder Unfall sofort der Polizei anzuzeigen und den Vermieter unverzüglich in Textform über die Anzeige zu unterrichten.“

Es sei auch nicht fernliegend, einen Unterschied zwischen Diebstahl/Verlust und Unfall zumachen. Da Diebstahl eine Straftat sei und auch der Verlust eines Fahrzeugs fast immer auf einer Straftat beruht, mithin die Hinzuziehung der Polizei eine natürliche Erstreaktion sei, sei es bei kleineren Unfällen ohne Personenschaden, bei denen auch keine Verkehrsstraftat (z.B. § 142 StGB, § 315b StGB) in Betracht käme, oder – wie wohl vorliegend – kein Dritter beteiligt war, untypisch die Polizei hinzuzuziehen.

Die Konsequenz der Unwirksamkeit sei, dass sich das Verhältnis der Parteien nach den gesetzlichen Vorschriften orientiere, § 306 Abs. 2 BGB. Hier allerdings würde die Obliegenheit für den Mieter eines Fahrzeugs, die Polizei bei einem Unfall sofort zu informieren, nicht bestehen. Anderes könne auch nicht aus § 28 Abs. 2 und Abs. 3 VVG abgeleitet werden, denn diese Normen setzen eine wirksame und ausdrückliche vertragliche Vereinbarung der Anzeigenobliegenheit voraus, an der es hier in Ansehung der Unwirksamkeit der Polizeiklausel ermangele.

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 04.08.2021 - 2-13 O 333/20 -

Freitag, 8. Mai 2020

Sachverständigenvergütung: Unwirksame Klausel zur erfüllungshalber erfolgten Abtretung


Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ließ von dem Sachverständigen B. (SV) ein Schadensgutachten für sein Fahrzeug erstellen. In dem vom SV dem Geschädigten vorgelegten und von diesem unterschriebenen Formular heißt es u.a. unter der Überschrift „Zahlungsanweisung und Abtretung (erfüllungshalber)“:

„Ich trete hiermit meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttoendbetrages der Rechnung des … Sachverständigenbüros unwiderruflich erstrangig erfüllungshalber gegen den Fahrer, den Halter und den Versicherer des beteiligten Fahrzeugs an das Sachverständigenbüro ab.
Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen den Anspruchsgegner durchzusetzen.“

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der Sachverständige diese Forderung zum Zwecke der Einziehung weiter abtritt. Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner durchzusetzen."

Der SV erstellte eine Rechnung, auf die vorgerichtlich von der Beklagten nur ein Teil gezahlt wurde. Die Klage war teilweise beim Amtsgericht erfolgreich, die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Auf die zugelassene Revision hob er BGH das Urteil auf und wies die Klage ab. Der BGH sah in den Regelungen in dem Auftragsformular einen zur Unwirksamkeit der Regelungen führenden Verstoß gegen § 307 Abs. 1BGB.

Eine Klausel stelle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn sie nicht klar und verständlich sei. Der Vertragspartner müsse ohne fremde Hilfe in der Lage sein, seine Rechte und Pflichten feststellen zu können. Dem entspräche die hier verwandte Klausel nicht. Für den durchschnittlichen Auftraggeber (hier den Unfallgeschädigten) sei nicht hinreichend deutlich, unter welchen Voraussetzungen er den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch zurück erhalte und welche Rechte er in diesem Zusammenhang habe.  Nach der Formulierung in den letzten zwei Sätzen kämen drei Varianten in Betracht sowie ggf. eine Vorleistungspflicht:  

1.     bereits bei Zahlungsanforderung durch den SV
2.     mit der Zahlung des Auftraggebers
3.     nach der Zahlung des Auftraggebers


Es könne nicht erwogen werden, dem Auftraggeber würde ein Zurückbehaltungsrecht zustehen wenn der SV nicht in der Lage sei, den Schadensersatzanspruch in Höhe der Inanspruchnahme des Auftraggebers zurückabzutreten. Denn diese Zug-um-Zug-Leistung könnten erst Ergebnis interessensbezogener Erwägungen sein, die so von einem durchschnittlichen Auftraggeber nicht erwartet werden könnten. Damit sei aber die Klausel intransparent zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber die erfüllungshalber abgetretene Forderung (teilweise) zurückerhalte und welche Rechte er in diesem Zusammenhang habe und dies stünde im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abtretung selbst und führe daher nach § 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB zu deren Unwirksamkeit (BGH, Urteil vom 17.07.2018 -VI ZR 274/17 -).

Zur Thematik siehe auch
BGH, Urteil vom 17.07.2018 - VI ZR 274/17 -
BGH, Urteil vom 24.10.2017 - VI ZR 504/16 -

BGH, Urteil vom 18.02.2020 - VI ZR 135/19 -

Montag, 4. Februar 2019

Rechtsfolgen aus einem unauffindbaren Testament ?


Der verwitwete Erblasser war kinderlos. Rechte an dem Erbe wurden von der Tochter seiner verstorbenen Ehefrau (Beteiligte zu 4) und seinen Halbgeschwistern (Beteiligte zu 1 bis 3) geltend gemacht; die Eltern des Erblassers waren vorverstorben. Die Beteiligten zu 1 – 3 hatten unter Berufung auf die gesetzliche Erbfolge einen Erbschein beantragt, dem die Beteiligte zu 4 zunächst nicht entgegen getreten war. Am 15.06.2016 erließ das Nachlassgericht den Erbschein. Am 08.08 und am 16.08.2016 beantragte die Beteiligte zu 4 die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin und die Einziehung des Erbscheins vom 15.06.2016. Dabei berief sie sich darauf, dass der Erblasser am 13.02.2016 ein privatschriftliches Testament errichtet habe, mit welchem sie als Alleinerbin eingesetzt worden sei. Dieses habe er in einer Küchenschublade abgelegt. Dort habe sie, die Beteiligte zu 4, zwar im Mai 2016, nach dem Ableben des Erblassers, den entsprechenden, allerdings leeren Umschlag gefunden. Zum Beweis der Umstände der Testamentserrichtung berief sie sich auf das Zeugnis von zwei Freundinnen sowie ihres Lebensgefährten, die bei der Errichtung des Testaments anwesend gewesen sein sollen. Von den Beteiligten zu 1 bis 3 wurde Verwunderung geäußert, dass die Beteiligte zu 4 zunächst nichts gegen ihren Erbscheinantrag eingewandt hätten und im Übrigen Beweis dafür angeboten, dass der Erblasser ein distanziertes Verhältnis zur Beteiligten zu 4 gehabt habe.


Das Amtsgericht hörte die von den Beteiligten benannten Zeugen an und zog mit Beschluss vom 14.02.2018 den Erbschein vom 15.06.2016 ein; ferner stellte es mit Beschluss vom gleichen Tag fest, dass die Voraussetzungen zur Erteilung eines Erbscheins für die Beteiligte zu 4 vorlägen. Gegen diese Beschlüsse richtete sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3. Das Nachlassgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem OLG Köln zur Entscheidung vor. Die Beschwerden wurden vom OLG zurückgewiesen.

Zutreffend sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Erblasser wirksam ein privatschriftliches Testament aufgesetzt habe und darin die Beteiligte zu 4 als Alleinerbin eingesetzt habe. Ein solches Testament sei nicht alleine wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig. Vielmehr könnten Form du Inhalt mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden (Palandt, 77. Aufl. 2018, § 2255 Rn. 9). Die Unauffindbarkeit des Testaments begründe auch keine Vermutung dafür, dass es vom Erblasser vernichtet worden sei und deshalb gem. § 2255 BGB als widerrufen anzusehen sei (OLG Köln, Beschluss vom 26.02.2018 – 2 Wx 115/18 -; OLG Schleswig, Beschluss vom 12.08.2013 – 3 Wx 27/13). Soweit sich die Beteiligten zu 1 – 3 darauf beriefen, dass die Beteiligte zu 4 nichts bereits in deren Erbscheinantragsverfahren Einwendungen erhoben habe, sei das Amtsgericht zutreffend den Ausführungen der Beteiligten zu 4 gefolgt, sie habe als juristischer Laie nicht davon ausgegangen, dass auch ein nicht auffindbares Testament rechtlich von Bedeutung sein könne; ihr sei dies erst anlässlich einer juristischen Beratung bekannt geworden.

Ein Widerruf des Testaments sei vom Amtsgericht zutreffend negiert worden. Die fehlende Auffindbarkeit lasse dazu (und zu einer möglichen Vernichtung) keinen Rückschluss zu. Indizien, die für eine Willensänderung des Erblassers sprechen könnten, seien von den Beteiligten zu 1 bis 3 nicht vorgetragen worden. Insbesondere würde auch die Aussage der Eheleute H., denen gegenüber der Erblasser noch eine Woche vor seinem Tod von dem Testament berichtet habe, dagegen sprechen. Auch wäre nicht nachvollziehbar, dass der Erblasser das Testament zwar vernichte, den Umschlag aber in der Schublade belasse.

Anmerkung: Wenn Dritte ein privatschriftliches Testament kennen, ist die Gefahr, dass es bei willentlicher Vernichtung durch den Erblasser weiterhin gilt, groß. In diesem Fall wäre es notwendig, einen schriftlichen Widerruf zu fertigen, der auch jedenfalls gefunden  wird / werden kann und nicht „verlustig“ geht. 



OLG Köln, Beschluss vom 19.07.2018 - 2 Wx 261/18 -

Montag, 12. September 2016

Abtretung von Schadensersatzansprüchen zur Sicherung von Sachverständigenhonorar

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls beauftragte den Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens. Bei Auftragserteilung  unterschrieb er eine Sicherungs-Abtretungserklärung, mit der er seine „Ansprüche gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs zzgl. Fremdkosten einschließlich der Mehrwertsteuer des SV für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens erfüllungshalber“ an den Sachverständigen abtritt, und zwar „in der Reihenfolge: Sachverständigenkosten, Wertminderung, Nutzungsausfallsentschädigung, Nebenkosten, Reparaturkosten. Dabei wird eine nachfolgende Position nur abgetreten, wenn die zuvor genannte Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken. Sollte die Abtretung der Ansprüche den tatsächlichen Honoraranspruch übersteigen, erfolgt die Abtretung dergestalt, dass hinsichtlich der zuletzt abgetretenen Anspruchsposition ein erstrangiger Teilbetrag in Höhe des restlichen Sachverständigenhonorars abgetreten wird.“


Die Klägerin, eine über eine Inkassoerlaubnis nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG verfügende Einzugsstelle, machte die Honoraransprüche des Sachverständigen gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung geltend. Amtsgericht und Landgericht haben die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision führte zur Abweisung derselben. Der BGH verwies darauf, dass die Zession unwirksam sei. Es handele sich hier um eine überraschende Klausel gem. § 305c Abs. 1 BGB.

Die hier vorgenommene Art der Abtretung von Ersatzansprüchen stelle eine so weitgehende Sicherung des Sachverständigenhonorars dar, dass die Klausel deutlich von den Erwartungen eines Vertragspartners (abzustellen ist hier auf den typischen Personenkreis, der mit dieser Klausel konfrontiert wird) abweiche. Zwar sei nicht überraschend, dass der Geschädigte seinen möglichen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegen den Unfallgegner und seinen Versicherer abtrete. Überraschend sei aber die Abtretung der weiteren Ansprüche. Wenn, wie es in der Praxis häufiger vorkommt, die Höhe des Sachverständigenhonorars streitig ist, könne der Sachverständige bei einer Klausel wie vorliegend, statt dies gerichtlich klären zu lassen, schlicht auf die weiteren abgetretenen Ansprüche rekrutieren, um seinen Anspruch vollumfänglich durchzusetzen. Davon würde aber der Zedent nicht ausgehen, der vielmehr der Ansicht ist, dass die Höhe des Honrars in Ordnung sei und der gegnerische Haftpflichtversicherer dies akzeptiere und von daher die Einforderung durch den Sachverständigen für ihn  keine Verschlechterung bezüglich der weiteren Schadenspositionen bedeute.


BGH, Urteil vom 21.06.2016 – VI ZR 475/15 -