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Sonntag, 21. Januar 2024

Erstattung von Gutachterkosten wenn Schadensgutachter und Werkstatt eine Einheit sind ?

Der Kläger hatte nach einem Verkehrsunfall ein Sachverständigenbüro (eine Gesellschaft bürgerlichen Rechte [GbR]) mit der Erstellung eines Gutachtens zu den unfallbedingten Schäden an seinem Fahrzeug beauftragt. Das Gutachten wurde erstellt und mit € 665,26 berechnet, zuzüglich Kosten der Werkstatt für die für die Gutachtenerstellung zur Verfügung gestellte Hebebühne mit € 184,45. Die Rechnung über € 665,26 wurde von der Beklagten an den Kläger gezahlt. Die restlichen € 184,45 klagte er ein. Die Beklagte, die Klageabweisung beantragte, erhob Widerklage auf Rückzahlung der gezahlten € 665,26 mit der Begründung, zwischen dem Sachverständigen und er Reparaturwerkstatt bestünde Personenidentität. Das Amtsgericht (AG) wies die Klage ab und gab der Widerklage statt.

 Die Haftung der Beklagten nach §§ 7, 18 StVG iVm. § 115 VVG stand außer Streit. Streitig waren hier lediglich die Gutachterkosten. Zwar anerkannte das AG, dass die Kosten für das eingeholte Gutachten zu den Kosten gehören würde, die mit dem Unfall unmittelbar verbunden seien und deren Vermögensnachteile gemäß § 249 BGB auszugleichen seien, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig sei (BGH, Urteil vom 17.12.2019 - VI ZR 315/18 -). Würde das Fahrzeug repariert, diene das Gutachten eines neutralen Sachverständigen der Kontrolle der von der Werkstatt angerechneten Kosten durch den Geschädigten und den Schädiger sowie zur Überzeugung des ersatzpflichtigen Haftpflichtversicherers. Nur wenn sich das Gutachten nachträglich als ungeeignet erweise und dies vom Geschädigten zu vertreten sei (z.B.  Auswahlverschulden des Geschädigten), würde dies den Erstattungsanspruch tangieren. Dies sei dann der Fall, wenn der Geschädigte auf ein Gutachten vertraue, welches nicht frei sei von dem Verdacht unsachlicher Interessenswahrnehmung (LG München II, Beschluss vom 16.08.2017 - 8 S 2704/17 -), oder wenn ein Arbeitnehmer des an der Reparatur interessierten Betriebs oder gar dessen Geschäftsführer bzw. Gesellschafter als Sachverständiger beauftragt würde (LG Freiburg i. Breisgau, Urteil vom 25.10.2011 - 9 S 21/11 -).

Dass Amtsgericht sah hier den erheblichen Verdacht einer unsachlichen Interessenswahrnehmung als gegeben an. Dies leitete es daraus ab, dass dieselbe GbR Inhaberin sowohl des Sachverständigenbüros wie auch der Reparaturwerkstatt war. Damit könne das Gutachten seinen Zweck nicht erfüllen, die Kontrolle der von der Reparaturwerkstatt abgerechneten Kosten und die Überzeugung des Haftpflichtversicherers zu gewährleisten. Die gelte unabhängig von der Frage, ob das Gutachten inhaltlich richtig sei. Der Zweck des Gutachtens markiere den wesentlichen Unterschied zwischen einem bloßen Kostenvoranschlag bei der Reparaturwerkstatt, weshalb die Erstattungsfähigkeit der Kosten für einen Kostenvoranschlag nicht zugunsten der Erstattungsfähigkeit der regelmäßig um ein Vielfaches höheren Kosten eines Gutachtens fruchtbar gemacht werden könnten.

Hier treffe den Kläger auch ein Auswahlverschulden. Er habe zumindest fahrlässig gehandelt und die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, § 276 Abs. 2 BGB. So habe er das Gutachten, die Gutachterhilfearbeiten (Hebebühne) und die Reparatur in einem Formular beantragt, ferner am gleichen Tag in einem Auftragsformular an de Reparaturwerkstatt erneut Nebenarbeiten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens beauftragt und vorgegeben, dass die Reparatur nach Maßgabe des Gutachtens erfolgen solle. Diese einheitlichem gemeinsame und gleichzeitige Auftragserteilung der Arbeiten zur Gutachtenerstellung und Reparatur habe eine dem Kläger deutlich erkennbare enge Verbindung zwischen dem Sachverständigenbüro und der Werkstatt aufgezeigt. Das sei auch deshalb für den Kläger erkennbar gewesen, da das Sachverständigenbüro ausweislich des Gutachtens und die Werkstatt ausweislich deren Rechnung für die Gutachterhilfe unter der gleichen Anschrift firmieren würden.  Zudem sei auch der Berater des Klägers ausweislich des Formulars für die umfassende Auftragserteilung, dessen Nachname auch Teils des Namens der GbR gewesen sei, die Inhaberin des Sachverständigenbüros sei.

Damit hätte der Kläger erkennen müssen, dass das Gutachten dem Verdacht der unsachlichen Interessensausübung ausgesetzt sein würde und seinem Zweck der neutralen Schadenskalkulation nicht erfüllen könne. Auch wenn der Kläger seinen Angaben zufolge zwischenzeitlich statt der Reparatur eine fiktive Abrechnung verfolgt haben sollte, bevor er sich wieder zur Reparatur entschieden habe, würde dies das ursprünglich verwirklichte Auswahlverschulden nicht tangieren können.

Im Hinblick darauf könne der Kläger die Erstattung der € 184,45 nicht verlangen.

Die Beklagte hingegen könne nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB die Rückzahlung der gezahlten Gutachterkosten von € 665,26 verlange, da diese der Kläger ohne Rechtsgrund erhalten habe, da der Kläger vorliegend keinen Erstattungsanspruch auf Sachverständigenkosten (und damit im Zusammenhang stehenden Kosten) habe. Dabei sei unerheblich, ob die Klägerin die Zahlung an den Kläger oder den Sachverständigen geleistet habe, da auch im Falle direkter Zahlung an den Sachverständigen dies zugunsten des Klägers erfolgt wäre (der dem Sachverständigen gegenüber schuldrechtlich verpflichtet war).

Anmerkung: Das Urteil ist in der Sache zu begrüßen und stellt sich vom Ablauf leider auch nicht als Einzelfall dar. Immer häufiger werden Kfz-Reparaturwerkstätten mit Sachverständigen „aus dem eigenen Haus“ angetroffen. Da eine Überprüfung des vom Geschädigten Sachverständigengutachtens in der Regel durch den Schädiger bzw. dessen Versicherers durch eigene Begutachtung des beschädigten Kraftahrzeugs nicht möglich ist, also auf die Grundlagen in dem eingeholten Gutachten abgestellt werden muss, ist es wichtig, dass eine gewisse Neutralität des Sachverständigen vorliegt, um seien Befundungen zu Schädigungen pp. überhaupt einer Bewertung zugrunde legen zu können. An dieser Neutralität fehlt es, wenn der Sachverständige als Kfz-Werkstattinhaber bzw. Mitarbeiter oder Gesellschafter einer solchen ein eigenes Interesse an der Reparatur hat und so die Gefahr fehlerhafter Gutachten, die ggf. infolge erfolgter Reparatur nicht mehr ausreichend geprüft werden können, besteht. Richtig wird vor diesem Hintergrund vom Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass es auf eine (evtl., gar nicht mehr mögliche) Prüfung der Richtigkeit des Gutachtachtens ankommen kann, da das dem Erstattungsanspruch entgegenstehende fehlerhafte Auswahlermessen bereits vor der Gutachtenerstellung lag.

AG Hanau, Urteil vom 18.10.2023 - 39 C 30/23 -

Sonntag, 25. September 2022

Rechte des unmittelbaren Fahrzeugbesitzers nach Verkehrsunfall

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Besitzer und Halter des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs, nicht aber dessen Eigentümer und machte gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche (fiktive Reparaturkosten, Wertminderung, Sachverständigenkosten und Schadenspauschale) geltend. Während das Landgericht der Klage stattgab, wies sie das OLG ab. Die (teilweise) zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der Kläger hatte (in seinem der Revision zugrundeliegendem Hauptantrag) den Anspruch auf eigenes Recht gestützt. Unklar sei, auf welcher Grundlage der Kläger den Besitz des sicherungshalber an eine Bank (Darlehensnehmerin die Schwester des Klägers) innehalte und es könne zudem nicht beurteilt werden, welche Rechte und Pflichten er in diesem Zusammenhang habe.

Der berechtigte unmittelbare Besitz an einer Sache sei nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Das entsprechende Recht könne auch vom Besitzer der Sache geltend gemacht werden. Auch könne sich ein Anspruch des Besitzers aus § 7 StVG ergeben BGH, Urteil vom 29.01.2019 - VI ZR 481/17 -). Jedenfalls könne der in seinem unmittelbaren Besitz Verletzte Ersatz des Haftungs- und Nutzungsschadens verlangen; ob er auch den Substanzschaden begehren könne, könne auch im vorliegenden Fall auf sich beruhen.

Das OLG habe den begehrten Schadenersatz zutreffend mit der Begründung abgewiesen, es läge ein Haftungsschaden des Klägers mangels einer Instandsetzungsverpflichtung des Klägers nicht vor. Insoweit besteht die Möglichkeit, dass der Schaden des Besitzers in seiner Verpflichtung zu einer Reparatur gegenüber der Person besteht, von der er sein Recht zum Besitz ableite (BGH aaO.). Hier ergäbe sich nach den Feststellungen des OLG nicht, ob, wie und wem gegenüber er zur Instandsetzung verpflichtet gewesen wäre. Der Verweis auf die Finanzierungsbedingungen und den Sicherungsübereignungsvertrag , demgemäß das Fahrzeug instand zu setzen sei, trage nicht, da Kreditnehmerin die Schwester des Klägers sei. Die träfe die Pflicht zur Reparatur. Eine an die Haltereigenschaft anknüpfende Wertung, der Kreditvertrag sei zugunsten des Klägers geschlossen worden, finde im Vortrag des Klägers keine Grundlage.

Einen Anspruch auf den Substanzschaden habe der Kläger auch nicht, unabhängig davon, welche Voraussetzungen für die Geltendmachung durch den unmittelbaren Besitzer dafür ggf. vorliegen müssten und auf welche Weise eine etwaige Anspruchskonkurrenz aufzulösen wäre (zum Schaden des Leasingnehmers BGH aaO.). Es sei kein Vortrag dazu erfolgt, welche Rechte dem Kläger zum Unfallzeitpunkt durch den Besitz verschafft werden sollten, so zu der Rechtsbeziehung bezüglich des Fahrzeugs zwischen ihm und seiner Schwester bestanden hätten. Ein Recht zum Besitz könne aber der Kläger allenfalls von bzw. über seine Schwester, die das Darlehen aufgenommen und die Sicherungsübereignung vorgenommen habe, erworben haben.

BGH, Urteil vom 24.05.2022 - VI ZR 1215/20 -

Samstag, 8. Oktober 2016

Prüfung der Sachverständigenkosten durch Geschädigten auf Plausibilität

Allgemein ist anerkannt, dass die von einem Geschädigten nach einem Verkehrsunfall aufgewandten Sachverständigenkosten zur Begutachtung seines Fahrzeuges mit dem Schaden verbundene und gem. § 249 BGB auszugleichende Vermögensnachteile, wenn das Gutachten zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche erforderlich und zweckentsprechend ist (z.B. in der Regel dann nicht, wenn es sich um Bagatellschäden handelt). Allerdings kann der Geschädigte nicht die Rechnung des Sachverständigen ungeprüft anweisen in der Annahme, der generische Versicherer müsse  sie insgesamt bezahlen.  

Vorliegend hatte sich der Sachverständige (Kläger) seine Kosten von dem Geschädigten abtreten lassen und klagte diese ein. Diese wendet sich gegen die Höhe der berechneten Kosten. Er berechnete  brutto € 787,01, wovon auf das Grundhonorar netto € 434,00 entfielen und netto € 227,53 auf Positionen wie EDV-Abruf, Telefon pp. Vorgerichtlich zahlte die Haftpflichtversicherung der Beklagten € 252,50. Das Landgericht verurteilte zur weiteren Zahlung von € 429,01. Die vom Landgericht zugelassene Revision beider Parteien wurde vom BGH zurückgewiesen.

In seinen Entscheidungsgründen stützt der BGH die Rechtsauffassung des Landgerichts, dass dem Geschädigten eine gewisse Plausibilitätskontrolle aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot heraus obliege. Zwar sei der Geschädigte nicht verpflichtet, im Interesse des Gegners einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu suchen. Allerdings verbliebe das Risiko bei ihm, dass er sich einen Sachverständigen aussucht, der sich später im Prozess als zu teuer erweist. Denn er könne nur die Kosten nach § 249 BGB verlangen, die eine verständige, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage als zweckmäßig und notwendig ansehe. Verlange der sachverständige bereits bei Beauftragung Preise, die für den Geschädigten erkennbar überteuert sind, kann sich dessen Beauftragung als nicht iSv. § 249 BGB erforderlich erweisen. In diesem Fall könne er nur die Kosten verlangen, die der Tatrichter nach § 287 ZPO für erforderlich hält.

Vorliegend wären die mit € 1,05/km berechneten Fahrtkosten, € 2,45 bzw. € 2,05/Foto, Schreibkosten € 3,00 und € 1,00/Kopie überhöht. Dies sei für jeden ersichtlich, unabhängig davon, ob Kenntnis des JVEG (Justizvergütungs- und –entschädigungsgestzes), welches für jeden zugänglich sei, bestünden. Es sei von daher auch nicht fehlerhaft, wenn das Landgericht für seine Schätzung (mit Ausnahme der Fahrtkosten) das JVEG angewandt habe. Bezüglich der Fahrtkosten hatte hier das Landgericht nicht auf das JVEG abgestellt, welches für Sachverständige eine Vergütung von € 0,30/km vorsieht (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 iVm. 5 JVEG), sondern auf der Grundlage von Autokostentabellen einen Betrag von € 0,70/km, was auch nicht zu beanstanden sei.

Der BGH weist darauf hin, dass es ein ortsübliches Honorar für Sachverständige nicht gäbe. Es gäbe zu den Nebenkosten erhebliche Bandbreiten. Da es an einem ortsüblichen Honorar ermangelt, müsse der Tatrichter hier nach § 287 ZPO schätzen. Die Schätzgrundlagen wären richtig angewandt worden.  


BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15 -