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Freitag, 10. Februar 2023

Vollziehbare bauaufsichtliche Verfügungen zum Gemeinschaftseigentum und Beschlussfassung nach § 19 Abs. 1 WEG

Das im gemeinschaftlichen Eigentum der antragstellenden Wohnungseigentümergemeinschaft stehende 12-stöckige Hochhaus hatte eine Fassade mit brennbaren Holzwolleleichtbauplatten. Die Baubehörde hatte mit einer an die Wohnungseigentümergemeinschaft  gerichteten bauaufsichtlichen Verfügung vom 08.07.2019 dieser unter Anordnung des Sofortvollzugs aufgegeben, die brennbare Fassadenbekleidung zu entfernen. Dem kam die Wohnungseigentümergemeinschaft innerhalb der Ausführungsfristen seit Sommer 2021 nicht nach; die Eigentümergemeinschaft fasste zwar entsprechende Beschlüsse, die allerdings das AG Wennigsen mit Urteil vom 05.07.2022 für unwirksam erklärte. Daraufhin drohte die Baubehörde (Antragsgegnerin) ein Zwangsgeld an und setzte dieses mit € 100.000,00 nach Ablauf der Frist unter gleichzeitiger erneuter Androhung eines weiteren Zwangsgeldes von € 200.000,00 fest. Gegen diese Verfügung legte die Wohnungseigentümergemeinschaft Widerspruch ein und beantragte vorläufigen Rechtsschutz, den das Verwaltungsgericht versagte. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies das OVG Lüneburg zurück.

Ein Vollstreckungshindernis nach dem Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) läge nicht vor. Ein solches Hindernis iSv. §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, § 67 NPOG läge u.a. dann vor, wenn der Vollstreckungsschuldner (hier die Wohnungseigentümergemeinschaft) einer ihm obliegenden Pflicht nicht nachkommen könne, ohne in die Rechte Dritter (Miteigentümer oder sonstige Nebenberechtigte) einzugreifen, da in diesem Fall gegen den Dritten mit Beginn der Vollstreckungsmaßnahme eine Duldungsverfügung gegen den Dritten ergehen müsste.

Verstoße eine in Wohnungseigentum aufgeteilte bauliche Anlage hinsichtlich der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile (§ 1 Abs. 5 WEG), so die Fassade, gegen öffentliches Baurecht, sei der richtige Adressat der bauaufsichtlichen Verfügung gem. § 85 Abs. 2 NBauO die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Dies begründe sich daraus, dass diese die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte ausübe und die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahrnehme, § 9a Abs. 2 WEG (§ 10 Abs. 6 S. 3 WEG in der bis 30.11.2020 geltenden Fassung). Die einzelnen Wohnungseigentümer seien von der Verwaltung ausgeschlossen, § 18 Abs. 1 WEG. Damit sei auch die Vollstreckung gegenüber der Gemeinschaft vorzunehmen.

Es bedürfe auch gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern keiner Duldungsverfügung, da diese von der Verwaltung ausgeschlossen seien und sich ihre Rechte in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum auf die Mitwirkung an entsprechenden Beschlussfassungen im Innenverhältnis beschränken würden, § 19 Abs. 1 WEG. Ihnen würden keine Rechte zustehen, mittels der sie die Gemeinschaft an der Befolgung einer wirksamen und vollziehbaren bauaufsichtlichen Verfügung hindern könnten.

Zwar sei der Einwand der Antragstellerin grundsätzlich zutreffend, dass die Verwaltungsbefugnis im Innenverhältnis gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern beschränkt sei und jeder Wohnungseigentümer nach § 18 Abs. 2 WEG eine ordnungsgemäße Verwaltung im Rahmen der bestehenden Beschlüsse der Gemeinschaft verlangen und gerichtlich durchsetzen könne. Allerdings stehe aufgrund der wirksamen und vollziehbaren und damit zwingend zu befolgenden bauaufsichtlichen Anordnung für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verbindlich auch ohne eine Beschlussfassung, sogar entgegen einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer fest, dass ein Handeln entsprechend der Verfügung geboten sei. Damit folge die Handlungspflicht unmittelbar aus der bauaufsichtlichen Verfügung und überwinde selbst entgegenstehende interne Willensbildungen der Wohnungseigentümer(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17.08.2022 - 2 B 104/22 -).

OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.11.2022 - 1 ME 106/22 -

Sonntag, 31. Juli 2022

Photovoltaikanlage auf Balkon der Wohnungseigentumsanlage (§ 20 WEG)

Die Wohnungseigentumsanlage war mit Balkonen versehen, vor denen sich Pflanzkübel befanden, die teilweise bepflanzt waren. Der Beklagte, ein Sondereigentümer in der WEG, hatte auf dem seiner Wohnung zugeordneten Balkon eine Photovoltaikanlage installiert. Die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangte deren Beseitigung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Das Amtsgericht wie die Klage mit der Begründung ab, es sei von der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft nicht der Nachweis der Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums geführt worden, zumal es sich - wenn überhaupt - nur um eine unerhebliche nachteilige Veränderung des optischen Eindrucks handeln würde. Auf die Berufung hin wurde das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Rechtsgrundlage für das berechtigte Begehren der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) sei § 1104 Abs. 1 BGB iVm. §§ 20, 14 Abs. 1 WEG mangels einer Duldungspflicht der Klägerin nach § 1004 Abs. 2 BGB.

Eine „bauliche Veränderung“ iSv. § 20 Abs. 1 WEG vorliege, bei der es sich um eine Maßnahme handele, die über die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehe, liege nicht nur vor, wenn in die Substanz des Gemeinschaftseigentums eingegriffen würde. Entscheidens sei, ob eine auf Dauer angelegte Maßnahme zu einer Veränderung des  gemeinschaftlichen Eigentums führe, wobei eine optische Veränderung ausreichend sei (OLG Hamburg, Beschluss vom 17.01.2005 - 2 Wx 103/04 - zu einem Fassadenanstrich). Diese optische Veränderung nahm das Berufungsgericht an. Nach dem in den Akten befindlichem Lichtbild sei lediglich die Balkonbrüstung des Beklagten mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet. Unstreitig sollen dort vorher nur Pflanztröge optisch wahrnehmbar gewesen sein. Damit habe sich die die Anlage das Gesamtbild für die Eigentümer und Dritte deutlich verändert. Da es ich insoweit um eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums handele, könne die Klägerin deren Beseitigung grundsätzlich verlangen, ohne dass es auf eine Wesentlichkeit ankäme.

Dem Beseitigungsverlangen könne nur eine Duldungsverpflichtung nach § 1004 Abs. 2 BGB entgegenstehen, die hier vom Landgericht verneint wurde.

Eine Duldungspflicht würde sich hier nicht aus einem Gestattungsanspruch iSv. § 20 Abs. 1 WEG herleiten lassen. Ein diesbezüglicher Antrag des Beklagten sei von der Eigentümerversammlung abgelehnt worden. Er würde auch nicht bestehen. Der Anspruch auf förmliche Gestattung einer baulichen Veränderung gem. § 20 Abs. 3 WEG verlange, dass alle Eigentümer, deren Rechte über das Maß eines geordneten Zusammenlebens beeinträchtigt wären, einverstanden seien. Durch die hier gegebene optische Beeinträchtigung seien im Hinblick auf einen Vorher-Nachher-Vergleich (BGH, Urteil vom 18.11.2016 - V ZR 49/16 - alle Eigentümer betroffen, da die betroffene rückwärtige Fassade des Hauses weithin einsehbar sei. Die Balkone seien mit vorgelagerten Pflanztrögen ausgestattet und ein Großteil der Bewohner habe diese zur Begründung genutzt. Es ergäbe sich der Eindruck einer terrassierten, kastenartigen Fassade, die durch die horizontale Bepflanzung aufgebrochen sei. Diesem Gesamteindruck laufe die angebrachte Photovoltaikanlage zuwider, die Kollektoren würden sich deutlich von der üblichen Gestaltung abheben und auch dem flüchtigen Betrachter ins Auge stechen. Aus dem Umstand, dass einige Pflanztröge nicht begrünt worden seien, würde sich das Gesamterscheinungsbild nicht wesentlich ändern; es würde nicht dazu führen, dass bereits (frühere) Veränderungen zu einem uneinheitlichen Gesamtbild geführt hätten, das durch die jetzige Maßnahme nicht mehr wesentlich verstärkt würde (BGH aaO.). Bei der teilweise fehlenden Begrünung läge keine prägende optische Gestaltung vor; vielmehr würde es sich bei der Photovoltaikanlage um das einzige optisch hervorstechende Bauteil handeln.

Ein Anspruch des Beklagten ergäbe sich auch nicht aus einer anlogen Anwendung von § 20 Abs. 2 WEG. Der Gesetzeswortlaut enthalte eine enumerative Aufzählung von privilegierten Maßnahmen, bei ordnungsgemäßer Verwaltung im Rahmen einer Entscheidung der Eigentümerversammlung zu berücksichtigen sind. Die Photovoltaikanlage falle nicht unter die Auflistung in § 20 Abs. 2 S. 1 WEG; nur im Rahmen gesetzgeberisch abschließenden Regelung der Privilegierung käme eine analoge Anwendung allenfalls in Betracht. § 20 Abs. 2 WEG enthalte (entgegen der Ansicht in Hügel/Elzer, WEG 3. Aufl. 2021 zu § 20 Rn. 103 zum Klimaschutz) keine entsprechende Zielsetzung, weshalb alleine ein schützenswertes Interesse (Hügel/Elzer: Klimaschutz u.ä.) einer analogen Anwendung dem gesetzgeberischen Willen widerspräche.  

LG Bamberg, Urteil vom 22.07.2022 - 42 S 9/22 WEG -

Dienstag, 24. März 2020

WEG: Beschlussanfechtung und/oder -ersetzung zur Herabsetzung einer Sicherheitsleistung für gewünschten Treppenlifteinbau ?


Die Wohnungseigentümer genehmigten dem Kläger (und seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau) mit Beschluss vom 10.11.2011 den Einbau eines Treppenliftes mit der Auflage, dass der Kläger eine von ihm angebotene Sicherheit in Höhe von € 10.000,00  für Schäden am Gemeinschaftseigentum und nicht ordnungsgemäßen Rückbau erbringt. Die Sicherheit wurde nach Beschlussfassung erbracht. Auf der Eigentümerversammlung vom 16.04.2017 beantragte der Kläger eine Reduzierung der Sicherheitsleistung auf € 3.000,00, der abgelehnt wurde. Dieser Beschluss wurde vom Kläger angefochten. Das Amtsgericht gab der Klage statt, insoweit es die Sicherheitsleistung auf € 4.500,00 reduzierte. Die dagegen von den verklagten Wohnungseigentümern eingelegte Berufung war erfolgreich. Auf die Berufung wurde das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Das Landgericht wies darauf hin, dass es sich um die Anfechtung eines Negativbeschlusses handeln würde, die nur dann Erfolg haben könnte, wenn lediglich eine positive Beschlussfassung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würde. Es müsste dann ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen haben. Diese Ermessensreduzierung auf Null sei aber auch nach dem Befinden des Amtsgerichts nicht gegeben gewesen, wurde doch vom Amtsgericht selbst die Aufwendungen für den Abbau des Treppenlifts den Betrag von € 3.000,00 übersteigen würden.  

Habe aber kein Anspruch auf Zustimmung zu dem Beschlussantrag bestanden, habe sich die Ablehnung durch die Eigentümer im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens gehalten.  Nicht geltend gemacht werden könnte, dass die Eigentümer einen anderen Beschluss hätten fassen müssen, da Gegenstand der Anfechtungsklage nur der konkrete Negativbeschluss sei und ein anderer gerade auch nicht zur Abstimmung vorgelegen hätte.

Anders als das Amtsgericht meine, könne die Anfechtung des Negativbeschlusses nicht gem. § 21 Abs. 8 WEG durch Feststellung einer anderweitigen Sicherheit ersetzt werden. In diesem Zusammenhang ist das Landgericht nicht darauf eingegangen, dass nach dem von ihm mitgeteilten Tatbestand nur eine Anfechtungsklage erhoben wurde, nicht (auch) eine Klage auf positive Beschlussfeststellung. Es muss wohl davon ausgegangen werden, dass ein Beschlussersetzungsantrag nicht gestellt wurde, das Amtsgericht aber die Beschlussanfechtungsklage entsprechend umgedeutet hat und der Kläger des Ausgangsverfahrens dieses ihm günstige Urteil im Berufungsrechtszug mit seinem Antrag auf Berufungszurückweisung mit der entsprechenden Auslegung seines Antrages billigend übernahm (vgl. zur Auslegung des Klageantrags auch BGH, Urteil vom 26.02.2016 - V ZR 250/14 -).

Gegen die Beschlussersetzung spräche bereits, dass die Eigentümer nur im Hinblick auf die Reduzierung auf € 3.000,00 vorbefasst gewesen seien, nicht im Hinblick auf eine darüber liegende Sicherheitsleistung. Auch nach dem Protokoll wurde die Sicherheitsleistung von nur € 3.000,00 im Hinblick auf die Preisentwicklung als zu niedrig eingestuft, was nicht ausschließe, dass im Rahmen des Ermessens der Eigentümer diese bei einer höheren verbleibenden Sicherheit doch einen positiven Beschluss gefasst haben könnten. Jedenfalls sei nicht ersichtlich, dass es sich um eine reine Förmelei handele, da nicht gesichert sei, dass die Eigentümer stets die Reduzierung der geleisteten Sicherheit ablehnen würden.

Entscheidend sei aber nach Ansicht des Landgerichts, ob der Kläger überhaupt einen Anspruch auf eine entsprechende Beschlussfassung haben könne. Der Beschluss aus 2011 sei bestandkräftig. Damit könne auch der Einwand nicht erhoben werden, der Beschluss habe nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen (BGH, Urteil vom 13.07.2012 – V ZR 94/11 -), da dies in einer fristgebundenen Anfechtungsklage hätte erfolgen müssen. Damit sei der Beschluss hinzunehmen und schließe auch einen Anspruch auf abändernden Zweitbeschluss aus; anderes gelte nur bei schwerwiegenden Gründen, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht berücksichtigt wurden OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.01.2009 – 20 W 384/07 -).

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.02.2020 - 2-13 S 103/19 -

Donnerstag, 6. Dezember 2018

WEG: Kompetenz zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels und wirksame (bewusste) Änderung


§ 11 der Teilungserklärung (TE) der 400 Wohneinheiten umfassende Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft regelte die Verteilung der Kosten und Lasten; eine Öffnungsklausel war nicht vorgesehen. Ein Hotel verfügte über knapp 50% der Miteigentumsanteile. In Verträgen von 1996 (betreffend Kosten über einen Pförtnereinsatz) und 2009 (technische Betreuung) zwischen der Betreibergesellschaft des Hotels und der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde zur Kostenverteilung von § 11 TE abgewichen. Der Vertrag über die Kosten des Pförtnereinsatzes wurde durch bestandskräftigen Beschluss der Wohnungseigentümer genehmigt. In einer Eigentümerversammlung vom 04.12.2015 wurden zu TOP 4 (technische Betreuung) und TOP 7 (Pförtnerdienstleistungen) Beschlüsse zur Kostenverteilung der entsprechenden Kosten in 2011 gefasst.

Die Kläger erhoben Anfechtungsklage. Das Amtsgericht hatte den Beschluss zu TOP 7 für ungültig erklärt und die Klage gegen den Beschluss zu TOP 4 als unzulässig abgewiesen. Im Rahmen der Berufung hatte das Landgericht auch den Beschluss zu TOP 7 für ungültig erklärt. Im Rahmen der zugelassenen Revision begehrte die Beklagte zu 2. (Hotel) die Abänderung des Urteils des Landgerichts und Klageabweisung. Der BGH wies die (zulässige) Revision zurück.

Der BGB wies darauf hin, dass das Landgericht zutreffend gesehen habe, dass der Beschluss zu TOP 4 (technische Betreuung) nicht schon wegen Abweichung vom Kostenschlüssel des § 11 TE ungültig sei. Es sei grundsätzlich eine wirksame Änderung möglich. Die Änderung könne in dem zu dem Vertrag gefassten Zustimmungsbeschluss liegen. Allerdings sei Voraussetzung, dass die Wohnungseigentümer eine Kompetenz zur Abänderung haben müssten, den Kostenschlüssel zu ändern, die sich entweder aus dem Gesetz oder aus einer Vereinbarung ergeben müsste. Bei Fehlen der Kompetenz sei ein dennoch gefasster Beschluss nichtig. Da die TE keine Öffnungsklausel enthalte, die einen Mehrheitsbeschluss zuließe, käme hier nur eine Kompetenzzuweisung qua Gesetz in Betracht.

Aus § 21 Abs. 7 WEG würde sich hier die Kompetenz nicht ableiten lassen. Danach könnten die Wohnungseigentümer die Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschließen. Besondere Nutzungen seien solche, die mit einer gesteigerten Inanspruchnahme des Gemeinschaftseigentums einhergehen würden und zumindest bei typisierender Betrachtungsweise den Anfall besonderer Kosten wahrscheinlich machen würden. Alleine der Umstand, dass einige technische Anlagen allen Eigentümern, andere nur bestimmten Eigentümern (für bestimmte Bereiche) und wieder andere nur dem Hotel dienen würden, ließe eine Schlussfolgerung im Hinblick auf eine besondere Nutzung iSv. § 21 Abs. 7 WEG nicht zu und würde nichts zu einer gesteigerten Inanspruchnahme und dadurch verursachte Kosten für die technische Betreuung aussagen. Auch läge kein besonderer Verwaltungsaufwand vor, da alleine der unterschiedliche Nutzungsbereich der technischen Anlagen nicht besage, dass hier  die technische Betreuung über eine übliche technische Betreuung hinausgehen würde. Auch die Behauptung der Beklagten zu 2. (Hotel), sie würde den Löwenanteil tragen, lasse dies nicht annehmen; der Vertrag lasse für sich keine entsprechende Schlussfolgerung zu.

Nach § 16 Abs. 3 WEG können die Wohnungseigentümer hinsichtlich der dort näher benannten Betriebs- und Verwaltungskosten den im Gesetz oder einer Vereinbarung festgelegten Verteilungsschlüssel ändern, soweit dies ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Hier ließe sich auf der Grundlage des Urteils des Landgerichts und des Amtsgerichts (auf welches das Landgericht verwies) nicht feststellen, ob und in welchem Umfang der Vertrag von 2009 Kosten iSv. § 16 Abs. 3 WEG erfasse. Darauf käme es aber vorliegend nicht an. Denn jedenfalls sei für die wirksame Beschlussfassung erforderlich, dass aus dem Beschluss hinreichend konkret hervorgehen würde, dass die Eigentümer das Bewusstsein hatten, eine Änderung der bisherigen Kostenverteilung für die Zukunft zu beschließen. Nur so sei eine erforderliche Transparenz gewährleistet und die Neuregelung insbesondere für Sonderrechtsnachfolger, die nach § 10 Abs. 4 WEG an Beschlüsse gebunden wären, durch Einsicht in die Beschlussfassung klar ersichtlich. Dies könne hier nicht angenommen werden; insoweit würde es an einem Tatsachenvortrag fehlen, der darauf schließen ließe, dass den Eigentümern deutlich geworden sei, dass sie mit dem Beschluss außer der Genehmigung des Vertrages als solchem auch die Kostenverteilung gemäß § 11 TE hätten ändern würden.  

Auch zu TOP 4 läge in dem Beschluss selbst keine wirksame Änderung des Verteilungsschlüssels. In dem Beschluss läge lediglich die Verteilung der in 2011 angefallenen Kosten und keine generell-abstrakte Regelung über die künftige Verteilung der Kosten.

Für den  Beschluss zu TOP 7 (Pförtnerdienstleistungen) läge dem zwar ein mit bestandkräftigen Beschluss genehmigter Vertrag zugrunde. Auch wenn durch den Vertrag der Verteilungsschlüssel geändert worden sein sollte, wäre der damalige Beschluss nichtig gewesen und könne daher keine Wirkung entfalten. Hier habe es den Wohnungseigentümern an der Beschlusskompetenz ermangelt. Diese ergäbe sich weder aus der TE (mangels Öffnungsklausel) noch aus §§ 16 Abs. 3 und 21 Abs. 7 WEG. Die Möglichkeit der Änderung durch Mehrheitsbeschluss trat erst am 01.07.2007 in Kraft und wirke daher nicht zurück auf den vorherigen Vertragsschluss und dessen Genehmigung.  Zwar sei auch bereits zum Zeitpunkt des Zustimmungsbeschlusses zum Vertrag eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nach § 21 Abs. 3 WEG zulässig gewesen. Voraussetzung wäre aber, dass ein Beschluss gefasst würde, der eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung beträfe. Diese Voraussetzung läge aber nicht vor, da die Verteilung der Pförtnerkosten in der TE ausdrücklich geregelt sei. Damit hätte vor der Neuregelung des WEG in 2007 die Änderung nur durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer erfolgen können; ein Mehrheitsbeschluss sei nichtig. Im Übrigen sei auch in dem Beschluss zu TOP 7 selbst keine Änderung des Verteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss zu sehen, da er sich lediglich auf die Kosten in 2011 bezieht und keine abstrakt-generelle Regelung zur Änderung des Verteilungsschlüssels enthalte.

BGH, Urteil vom 08.06.2018 - V ZR 195/17 -

Freitag, 26. Mai 2017

Zur Frage eines Stimmrechtsverbots des geschäftsführenden Gesellschafters bei Abstimmung über Abberufung aus wichtigem Grund

Der Kläger ist Minderheitsgesellschafter und hatte zur Tagesordnung der beklagten GmbH u.a. die Abberufung des Mehrheitsgesellschafters als Geschäftsführer aus wichtigem Grund beantragt. Der Antrag wurde durch den Mehrheitsgesellschafter mit seiner Stimmenmehrheit abgelehnt. Der Kläger erhob Anfechtungsklage und hat im Rahmen derselben die positive Feststellung seiner Anträge begehrt. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos.

Zunächst wird vom BGH darauf hingewiesen, dass alleine die Abberufung als Geschäftsführer oder die Kündigung seines Anstellungsvertrages noch nicht zum Stimmrechtsausschluss für den betroffenen Gesellschafter führt. Erst dann, wenn mit der Stimmrechtsausübung der Gesellschafter quasi zum Richter in eigener Sache würde (wie es bei einer Abberufung oder Kündigung aus wichtigem Grund wäre, wie hier), läge ein Stimmrechtsausschluss vor. Für den Rechtsstreit käme es vorliegend nicht darauf an, ob das Stimmrechtsverbort nur beachtlich sei, wenn der behauptete wichtige Grund auch wirklich bestünde, oder unabhängig davon alleine schon in Ansehung des Antrages. Denn selbst wenn man von einem Stimmrechtsausschluss ausgehen wollte, wäre es vorliegend nicht beachtlich, dass der betroffene Geschäftsführer doch mit abgestimmt habe. Der BGH verweist darauf, dass im Rahmen der gerichtlichen Prüfung zu überprüfen ist, ob tatsächlich ein wichtiger Grund vorliegt. Mithin könne der Anfechtungsklage (verbunden mit einer positiven Feststellungsklage) nicht bereits deshalb stattgegeben werden , da eventuell der Geschäftsführer trotz Stimmverbots mit abgestimmt hat. In dem Zusammenhang verweist der BGH darauf, dass bei einer Beachtung eines möglichen Stimmrechtsausschlusses durch den Geschäftsführer dieser dann Anfechtungsklage gegen einen seine Abberufung aus wichtigem Grund bestätigenden Beschluss  erheben könnte, im Rahmen dessen auch die Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes zu prüfen sei.

Das Vorliegen eines wichtigen Grundes wurde von den Instanzgerichten negiert. Der BGH weist auf die Darlegungs- und Beweislast desjenigen hin, der sich auf den wichtigen Grund beruft. Dies sei hier der Kläger. Es sei nicht zu beanstanden, dass der wichtige Grund nicht als ausreichend dargelegt angesehen wurde (dies wird näher begründet).

Anmerkung; Der BGH setzt sich aus letztlich pragmatischen Gründen nicht mit der Frage auseinander, ob ein Stimmrechtsausschluss vorliegt oder nicht. Dies hat allerdings erhebliche praktische Konsequenzen: Der Mehrheitsgesellschafter wird im Zweifel nie von einem Stimmrechtsausschluss ausgehen und so seine Abberufung bzw. Kündigung aus wichtigen Grund mit den eigenen Stimmen verhindern. Es müssen die Minderheitsgesellschafter klagen. Er bleibt (jedenfalls vorerst) Geschäftsführer. Auch wird man damit nicht einen eigenständigen wichtigen Grund in der Stimmabgabe und –berücksichtigung finden können, da der BGH es gerade offen lässt, welcher rechtstheoretischen Betrachtung er folgen würde. Indem der BGH ergebnisbezogen auf die Prüfungspflicht abstellt führt dies letztlich dazu, dass das Abstimmverhalten des Mehrheitsgesellschafters als solches folgenlos ist.


BGH, Urteil vom  04.04.2017 – II ZR 77/16 -