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Sonntag, 25. Februar 2024

Haftung für Kollision bei Abbiegen in mehrspurige Straße

Der Kläger wollte nach links in eine doppelspurige Straße einbiegen, der beklagte Fahrer (nachfolgend Beklagter), der aus der Gegenrichtung kam, nach rechts. Der Kläger wollte auf der linken der durch eine unterbrochene Linie getrennten Fahrspuren auffahren, allerdings der Beklagte auch, weshalb die Fahrzeuge kollidierten. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

Das OLG stimmte im Berufungsverfahren dem Landgericht zu, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagtenseite grundsätzlich nach §§ 7, 17, 18 StVG für den Schadensfall einstandspflichtig seien, da der Unfall bei den Betrieb von Kraftfahrzeugen entstanden sei und weder auf höhere Gewalt zurückzuführen sie noch für einen der Beteiligten ein unabwendbares Ereignis iSv. § 17 Abs. 3 StVG darstelle. 

Der Kläger habe gegen § 9 Abs. 4 StVO verstoßen. Danach müsse ein Linksabbieger entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollten, durchfahren lassen. Es würden die gleichen Grundsätze gelten wie für die Begegnung mit einem auf einer bevorrechtigten Straße fahrenden Fahrzeug.  Damit habe der Kläger die ihm als Linksabbieger nach § 9 Abs. 4 StVO treffende Wartepflicht nicht beachtet. Er hätte zunächst den Abbiegevorgang des Beklagten abwarten müssen. Dabei käme es nicht darauf an, ob er von einer engen Bogenfahrt des Beklagtenfahrzeugs ausgegangen sei, welches auf der rechten Fahrspur weiterfahren wolle, denn diese Annahme sei nicht schutzwürdig. Wer nach links in eine Straße mit mehreren Fahrstreifen abbiege, dürfe grundsätzlich nicht darauf vertrauen, ei entgegenkommender Rechtsabbieger würde nur die rechte Fahrspur nutzen. 

Auch käme es nicht darauf an, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kollision (nach den Feststellungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen) bereits eine gerade Fahrposition auf der linken Fahrspur eingenommen habe, während sich das Beklagtenfahrzeug noch in Schrägstellung befunden habe. Der Unfall habe sich nach sachverständiger Feststellung in Höhe des Fußgängerüberwegs, der den unmittelbaren Kreuzungsbereich aus Klägersicht nach links begrenzt habe, ereignet und das Klägerfahrzeug habe seine Kollisionsstellung erst kurz zuvor erreicht.  Der enge räumliche und zeitliche Zusammenhang zwischen dem Linksabbiegevorgang des Klägers und dem Unfall verdeutliche, dass eine Beeinträchtigung des bevorrechtigten Beklagten durch den Kläger gerade nicht auszuschließen gewesen sei; Unsicherheiten zur Einschätzung der Verkehrslage gingen zu seinen Lasten (LG Potsdam, Urteil vom 10.03.2008 - 7 S 120/07 -). 

Der Beklagte habe auch nicht gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen. Dass er die rechte Fahrspur passieren musste, um auf die linke Fahrspur zu gelangen, stelle keinen Fahrstreifenwechsel im Sinne der Norm dar. Der Vorrang des Beklagten umfasse auch die Wahl zwischen den beiden Fahrspuren (LG Hamburg, Urteil vom 06.09.2021 - 306 S 85/19 -). Deshalb läge auch kein Verstoß gegen das Gebot, sich rechts einzuordnen (§ 9 Abs. 1 S. 2 StVO), oder das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO)  vor. 

Allerdings läge bei dem Beklagten ein Sorgfaltsverstoß gem. § 1 Abs. 2 StVO vor. Für ihr sei ersichtlich gewesen, dass der Kläger seiner Wartepflicht nach § 9 Abs. 4 S. 1 StVO nicht genügen würde. Davon habe er spätestens auszugehen gehabt, als der Kläger, nachdem er bereits die für Linksabbieger vorgesehene Wartelinie ohne anzuhalten passiert habe, auch die gestrichelte Begrenzungslinie der linken Fahrspur im Bereich der Kreuzungsmitte überfahren habe. 

Das OLG musste daher eine Abwägung der gegenseitigen Verursachungsbeiträge  nach § 17 Abs. 1 StVG vornehmen. Die Nichtbeachtung der Wartepflicht des Linksabbiegers stelle regelmäßig einen Besonders schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar. Dahinter würde aber die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs hier nicht zurücktreten. Der Beklagte sei zwar bevorrechtigt gewesen. Er habe aber eine Gefahr dadurch gesetzt, dass er nicht weiter auf das aus der Gegenrichtung abbiegende Kraftfahrzeug geachtet habe, obwohl dies bei dem von ihm beabsichtigten Wechsel unmittelbar auf die linke Fahrspur in höherem Maße geboten gewesen wäre, als bei einem Wechsel auf die rechte Fahrspur. Allerdings wiege dieser verstoß weniger schwer als die Verletzung der Wartepflicht (Vorfahrtsverstoß) des Klägers, weshalb sich eine Haftungsverteilung im Verhältnis 70% zu 30% zu Lasten des Klägers ergäbe. 

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 20.10.2023 - 3 U 49/23 -

Sonntag, 4. Februar 2024

Vorsicht beim Vorbeifahren an Müllfahrzeugen - Mithaftung

Das Fahrzeug der Klägerin fuhr an einem in der Gegenrichtung auf der aus ihrer Sicht linken Straßenseite stehenden Müllfahrzeug der Beklagten vorbei, welches dort mit laufenden Motor, laufender Trommel/Schüttung und eingeschalteten gelben Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage stand. Dabei kollidierte sie mit Müllcontainer, der von einem Mitarbeiter der Beklagten quer über die Straße geschoben wurde. Das Landgericht gab der auf Schadensersatz gerichteten Klage im Verhältnis einer Haftungsquote von 50 : 50 statt. Auf die Berufung der Klägerin änderte das OLG das Urteil dahingehend insoweit ab, als es eine Schadenquote zugunsten der Klägerin von 25% zu Lasten der Klägerin, 75% zu Lastend er Beklagten annahm. Die von der Beklagten eingelegte (vom OLG zugelassene) Revision, mit der diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrte, war insoweit erfolgreich, als das Urteil des OLG aufgehoben und der Rechtsstreit an dieses zurückverwiesen wurde.

Der BGH reklamierte, dass vom OLG in die Abwägung der Verschuldens- und Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 2 StVG einen Verstoß der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs nach §§ 1, 3 Abs. 1 StVO nicht eingestellt hatte.

Grundsätzlich habe die Klägerin einen Anspruch aus § 7 StVG. Die Beschädigung sei „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges iSv. § 7 Abs. 1 StVG erfolgt. Bei Fahrzeugen mit Arbeitsfunktion sei dazu ein Zusammenhang mit der Bestimmung als eine der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine erforderlich. Das Schadensgeschehen müsse durch das Fahrzeug (mit) geprägt werden. Es müsse sich um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, für die nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll.  Maßgeblich käme es darauf an, dass die Schadenursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges stünde. Eine Haftung nach § 7 StVG entfalle bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion entfalle jedenfalls dann, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle mehr spiele und sie nur als Arbeitsmaschine eingesetzt würde oder sich die Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht habe. So läge ein „Betrieb“ auch dann vor, wenn das Fahrzeug, ggf. mit einer speziellen Entladevorrichtung, entladen würde. In diesen Fällen würde der Halter auch für die Gefahr dann haften, die das Kraftfahrzeug in dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum für andere Verkehrsteilnehmer darstelle, wobei nicht dies nicht nur für die Gefahr durch das entladende Fahrzeug gelte, sondern auch die Gefahr, die von der Entladevorrichtung und dem Ladegut ausgehe (BGH, Urteil vom 08.12.2015 - VI ZR 139/15 -). Vorliegend handele es sich bei dem Müllwagen zwar um ein Kraftfahrzeug mit Arbeitsfunktion, doch stünde der Unfall in einem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des Müllfahrzeuges als eine dem Transport dienende Maschine, wobei zur Erfüllung der Transportfunktion die Mülltonnen zum Fahrzeug zum Entleeren und wieder zurückgebracht werden müssten. Damit läge eine Zurechnung zu den Gefahren nach § 7 StVG vor.

Die Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 2 StVG habe aufgrund aller festgestellten, d.h. zugestandenen oder nach § 286 ZPO erwiesenen Umstände zu erfolgen. In erster Linie sei dabei das Maß der Verursachung entscheidende, ein weiterer Faktor sei das beidseitige Verschulden.

Da das Entleeren und Zurückbringen der Müllcontainer zum Betrieb des Fahrzeugs gehöre, begründe ein unfallursächlicher Verstoß der Beklagten gegen die StVO eine Erhöhung der Betriebsgefahr des Müllfahrzeugs, was bei der Abwägung zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen sei. Die Privilegierung von Fahrzeugen der Müllabfuhr nach § 35 Abs. 6 S. 1 StVO durch Einräumung von Sonderrechten befreie nicht von den übrigen Vorschriften der StVO. Hier sei der Beklagten ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO borzuwerfen, da deren Mitarbeiter einen großen, schweren Müllcontainer quer über die Straße geschoben habe, ohne auf den Verkehr zu achten. Hätte er ihn nicht geschoben sondern gezogen, wäre das klägerische Fahrzeug für ihn erkennbar gewesen. In der gefahrenträchtigen Situation sei es geboten gewesen, den Container zu ziehen, statt ihn zu schieben. Weiterhin läge eine Erhöhung der Betriebsgefahr für das Müllfahrzeug durch dessen Größe und der dadurch bedingten Sichtbeeinträchtigung, die sich auf den Unfall ausgewirkt hätten, vor.

Während insoweit der BGH insoweit den Erwägungen für das Müllfahrzeug folgte, sah es die Erwägungen dazu nicht als zutreffend an, demzufolge der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs kein die Betriebsgefahr des Fahrzeugs erhöhender Verstoß gegen die StVO vorzuwerfen sei.

Bei der Vorbeifahrt an einem im Einsatz befindlichen Müllfahrzeug sei besondere Vorsicht und Rücksichtnahme geboten, um die Müllwerker nicht zu gefährden. Zwar gelte der Vertrauensgrundsatz, dass derjenige, der sich verkehrsgerecht verhalte, auch damit rechnen dürfe, dass andere Verkehrsteilnehmer den Verkehr nicht durch pflichtwidriges Verhalten gefährden, solange die sichtbare Verkehrslage keine andere Beurteilung zulasse. Zu den Ausnahmen vom Vertrauensgrundsatz würden nicht nur rechtzeitig wahrnehmbare Verkehrswidrigkeiten Dritter zählen, sondern auch solche die möglicherweise noch nicht erkennbar seien, mit denen aber ein gewissenhafter Fahrer pflichtgemäß rechnen müsse (BGH, Urteil vom 15.05.1973 - VI ZR 62/72 -).

Da das Hauptaugenmerk des Müllwerkers auf die Arbeit gerichtet sei, diese in möglichst kurzer Zeit auf kurzen Wegen zu verrichten, dürfe der an einem Müllfahrzeug Vorbeifahrende nicht auf ein verkehrsgerechtes Verhalten des Müllwerkers vertrauen. Mit einem unachtsamen Hervortreten und einer Bewegung einige Schritte seitlich neben das Müllfahrzeug müsse er rechnen. Lasse sich ein ausreichender Sicherheitsabstand zum Müllfahrzeug zur Vermeidung von Gefährdungen hinter dem Müllfahrzeug Hervortretender nicht einhalten, so sei die Geschwindigkeit gem. §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 StVO so weit zu drosseln, dass der Vorbeifahrende sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stillstand bringen könne (so bereits für Linienbusse vor Schaffung von § 20 StVO BGH, Urteil vom 10.04.1968 - VI ZR 145/65 -).  Zwar bestünde nicht wie in § 20 StVO für öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse oder wie in § 3 Abs. 2a StVO für Kinder, Hilfsbedürftige und ältere Menschen eine besondere Regelung zu einer Vorbeifahrt an Müllfahrzeugen, doch ergäben sich hier die entsprechenden Anforderungen aus §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 StVO und den Einschränkungen zum Vertrauensgrundsatz.

Hier habe der seitliche Abstand zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem Müllfahrzeug allenfalls rund 50 cm bemessen, weshalb die festgestellte Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs zu hoch gewesen sei, um das Fahrzeug notfalls - insbesondere bei einem plötzlichen Hervortreten eines Müllwerkers, auch bei einem Abstand von unter 5 m zwischen Fahrzeug du Gefahrenpunkt - zum sofortigen Stillstand zu bringen.

Im Rahmen der neuen Entscheidung durch das OLG sei von diesem im Rahmen tatrichterlicher Würdigung eine neue Abwägung nicht nur unter Berücksichtigung des Verkehrsverstoßes der Beklagten, sondern auch der Klägerin vorzunehmen.

Anmerkung: Das Urteil des BGH wird künftig die Leitlinie bei Unfällen entsprechender Art bei Müllfahrzeugen sein. Es fragt sich allerdings, weshalb der Gesetzgeber in §§ 20 und 3 Abs. 2a StVO für bestimmte Fälle Vorschriften schuf, wenn doch – folgt man der Diktion des BGH – ohnehin über §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit der Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes diese Einschränkung besteht; der BGH festigte damit seien Rechtsprechung zur Einschränkung des Vertrauensschutzes in seinem Urteil vom 04.04.2023 - VI ZR 11/21 - (Überqueren der Fahrbahn durch Fußgänger und Annahme, dieser werde an der Mittellinie stehen bleiben). Weitergehend wird man wohl kaum diese Entscheidung auf Müllfahrzeuge beschränken können, da eine ähnliche Situation z.B. im Rahmen von Umzugswagen bei dem Ein- bzw. Ausladen von Möbeln, bei Getränkelieferanten für das Ein- und Ausladen von Getränkekisten bestehen.

BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 77/23 -

Montag, 30. Oktober 2023

Haftung bei auffahren eines Radfahrers auf Pkw

Der Kläger nahm mit seinem Rennrad an einem Zeitfahren seines Radsportvereins teil. Die Strecke führte über öffentliche, nicht für den übrigen Verkehr gesperrte Straßen. An der S-Straße schloss der Kläger annähernd zum Zeugen B. auf. Zu dieser Zeit fuhr der Kläger mit seinem Pkw Opel Astra ebenfalls die S-Straße in gleicher Fahrtrichtung mit ca. 30 km/h. Im weiteren verlauf der Straße wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 40 km/h beschränkt. Ob der Kläger nach links zu einer Sportanlage abbiegen wollte, war streitig. Der Zeuge B. setzte zum Überholen des Pkw an. Der Kläger befand sich noch einige Meter hinter dem Zeugen B., wollte aber auch überholen. Kurz vor Beendigung des Überholvorgangs kollidierte der Zeuge B. mit der linken vorderen Ecke des Pkw (aus unklaren Grund) und stürzte. Der Beklagte bremste stark ab. Auch der Kläger bremste, wich nach rechts aus, konnte aber eine Kollision mit dem rechten Heck des Pkw nicht mehr verhindern und stürzte ebenfalls, wobei er sich Verletzungen zuzog.

Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Auf seine Berufung erließ des Oberlandesgericht (OLG) einen Hinweisbeschluss, demzufolge es beabsichtige, die Berufung wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit zurückzuweisen.

Grundsätzlich würden der Beklagte als Fahrer und Halter gemäß §§ 7, 18 Abs. 1 StVG und der Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG eines unfallbeteiligten Fahrzeugs gesamtschuldnerisch für einen Schadensersatzanspruch haften. Die Verletzungen des Klägers seien beim Betrieb eines Fahrzeugs verursacht worden. Es läge keine höhere Gewalt nach § 7 StVG vor. Allerdings würde vorliegend die Gefährdungshaftung des Pkw gegenüber dem Mitverschulden des Klägers nach §§ 9 StVG, 254 BGB zurücktreten. Die Haftungsabwägung würde sich an den zu § 17 Abs. 1 entwickelten Rechtsgrundsätzen orientieren. Dazu seien alle unstreitigen oder erwiesenen Faktoren einzubeziehen, die zur Entstehung des Schadens beigetragen und einem der Beteiligten zuzurechnen seien (BGH, Urteil vom 21.11.2006 – VI ZR 115/05 -). Diese Abwägung könne auch zum vollständigen Ausschluss einer Einstandsverpflichtung führen, wenn das Verschulden des Geschädigten derart überwiege, dass die vom Schädiger ausgehende Ursache völlig zurücktrete (OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.02.2014 – 4 U 59/13 -). Davon sei hier auszugehen.

Das OLG ging davon aus, dass es sich für den Kläger um einen typischen Auffahrunfall handele, der dem Anschein nach dadurch verursacht worden sei, dass er zu dicht aufgefahren sei oder unaufmerksam war; in beiden Fällen hätte er grob gegen seien Verkehrspflichten verstoßen.  Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 StVO müsse der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug idR. so groß sein, dass auch hinter dem (gefahrlos) gehalten werden kann, wenn dieses plötzlich abgebremst wird. Grundlos dürfe der Vorausfahrende nach § 4 Abs. 1 S. 2 StVO nicht stark abbremsen, doch sei hier das starke Abbremsen durch die vorausgegangene Kollision mit dem weiteren Radfahrer ein zwingender Grund gewesen. Weiterhin berücksichtigte das OLG, dass sich der Kläger auf einer sportlich ambitionierten Zeitfahrt befunden habe, was offenbar Einfluss auf seinen Fahrstil gehabt und die Unfallgefahr erhöht habe. Ohne Bemühen um schnelles Vorankommen habe im Bereich einer Geschwindigkeitsbegrenzung keine Veranlassung zum Überholen [Anm.: Nach dem Beschluss befand sich die Geschwindigkeitsbegrenzung erst im weiteren Verlauf der Straße, nicht an der Unfallstelle] und – wohl in Vorbereitung des Überholmanövers- Unterschreitens des gebotenen Sicherheitsabstandes bestanden.

Es sei nicht erwiesen, dass der Beklagte nach links abbiegen wollte. Insoweit habe der Beklagte seine vorherige Angabe zulässig glaubhaft korrigiert (was vom OLF näher dargelegt wurde). Letztlich käme es für die Beurteilung der Kollision als typischen Auffahrunfall auch nicht darauf an, ob der Beklagte nach links abbiegen wollte. Der Kläger sei nicht auf den Pkw aufgefahren, da dieser plötzlich und unangekündigt nach links habe abbiegen wollen, sondern da der Pkw infolge der Kollision stark abgebremst worden sei. Plötzliche Ereignisse wie ein Unfall oder drohende Gefahren seien typischerweise Anlass für ein abruptes Abbremsen des Vorausfahrenden, weshalb gerade die Abstandsregeln gelten würden. Halte sich ein Verkehrsteilnehmer nicht an diese und kann er deshalb nicht mehr rechtzeitig reagieren, sei er als alleiniger Unfallverursacher des Auffahrunfalls anzusehen.

Ebenso unerheblich sei der Umstand, dass der Kläger nach seiner Sicht den eigenen Überholvorgang bereits eingeleitet habe. Auch dies würde nicht die Unterschreitung des Sicherheitsabstandes rechtfertigen, solange sich das überholende Fahrzeug noch hinter dem zu überholenden Fahrzeug auf dem rechten Fahrstreifenbefände. Nach den eigenen Angaben des Klägers sei er noch nicht auf die linke Fahrspur ausgeschert gewesen, sondern nur Richtung Mittellinie gefahren. Auch dass er „instinktiv“ nach dem Abbremsen nach rechts ausgewichen sei, spreche gegen ein bereits eingeleitetes Überholmanöver.

Die Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen.

OLG Schleswig, Urteil vom 27.04.2023 - 7 U 214/22 -

Freitag, 22. September 2023

Haftung bei Brand des abgestellten Fahrzeugs aus unbekannten Gründen

Der Motorroller des Beklagten zu 1., der in der Nähe einer Transformatorenstation der Klägerin vom Beklagten abgestellt worden war, brannte. Bei dem Brand wurde nicht nur der Motorroller zerstört, sondern die Transformatorenstation auch erheblich beschädigt. Die Klägerin begehrte vom Beklagten zu 1. und der mitverklagten Haftpflichtversicherung Schadensersatz mit der Begründung, dass - auch wenn kein technischer Defekt an Motorroller nachgewiesen werden könne, von dem sie ausginge - der Schaden bei dem Betrieb des Motorrollers entstanden sei, §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG. Das Landgericht wies die Klage ab. Das OLG wies die Klägerin einem Beschluss gem. § 522 ZPO darauf hin, dass es beabsichtigte, deren Berufung gegen die landgerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Das OLG verwies darauf, dass die Klägerin nicht zu beweisen vermocht habe, dass der Brand auf einer betriebsbedingten Gefahr aufgrund eines technischen Defekts des Motorrollers beruhe. Der vom Landgericht bestellte Sachverständige habe keine Anhaltspunkte für technische Ursachen (wie Reibung, Wärmequelle oder Kurzschluss) festgestellt. Nicht gehört werden könne die Klägerin damit, dass ihr das Risiko der Nichterweislichkeit der behaupteten Verursachung des Brandes durch einen technischen Defekt auferlegt würde.  

Es entspräche ständiger Rechtsprechung, dass der Geschädigte bei Geltendmachung eines Anspruchs aufgrund Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG die anspruchsbegründende Tatsache, dass der Schaden bei dem Betriebs des Fahrzeugs entstanden sei, darzulegen und zu beweisen habe (bereits BGH, Urteil vom 21.11.1967 - VI ZR 108/66 -).

Weiterhin sei auch die Beklagtenseite nicht sekundär darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der Schaden nicht durch einen technischen Defekt entstand. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagten, namentlich der Beklagte zu 1. (Halter) gegenüber der Klägerin über (dafür erforderliche) überlegene Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich der funktionswiese des Motorrollers verfügen würde. Auch läge (hier erörterte das OLG den prima-facie-Beweis) keine Typizität vor, aus der sich ergeben würde, dass es bei einem Abstellen eines Motorrollers im öffentlichen verkehrsraum in der Nähe zu einem Gebäude zur Verursachung eines Brandschadens aufgrund eines technischen Defekts am Motorroller kommen könne.

Auch würden hier die Grundsätze der Beweisvereitelung keine anderweitige Würdigung zulassen, da eine Beweisvereitelung nicht vorläge. Es müsste hier ein missbilligenswertes Verhalten auf Beklagten vorgelegen haben, welches darauf gerichtet gewesen sein müsste, die Beweislage des Gegners in einem laufenden oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 11.06.2015 . I ZR 226/13 -). Da hier die Kriminalpolizei vor der Entsorgung des Motorrollers unter Erstellung einer umfassenden Fotodokumentation eine Untersuchung auf mögliche Brandursachen vorgenommen habe, habe für den Beklagten zu 1. keine Veranlassung mehr bestanden, den Motorroller für weitere Untersuchungen vorzuhalten, zumal sich die Klägerin erst rund vier Jahre nach dem Vorfall darauf berufen habe, dass es auf ein weitere Untersuchung der Motorrollers ankäme.

Lasse sich nicht feststellen, dass der Brand des Motorrollers und in dessen Folge der Transformatorenstation auf einen technischen Defekt des Motorrollers oder auf andere Ursachen zurückzuführen ist, sei der Nachweis nicht geführt, dass sich der Schaden durch den Betrieb des Motorrollers des Beklagten zu 1. verwirklichte und sei eine Haftung der Beklagten nach § 7 Abs. 1 StVG zu verneinen. Ein Inbrandsetzen des Motorrollers durch eine Drittursache bzw. einen unbekannten Dritten würde die Haftung aus der Betriebsgefahr nach § 7 StVG nicht auslösen. Dies würde nämlich voraussetzen, dass es sich bei dem Schaden um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln würde, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift  schadlos gehalten werden soll, d.h. dass die Schadensfolge in den Bereich der Gefahren fallen müsse, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden sein (BGH, Urteil vom 24.01.2023 - VI ZR 1234/20 -).

Hanseatisches OLG Bremen, Hinweisbeschluss vom 05.07.2023 - 1 U 12/23 -

Sonntag, 27. August 2023

Stromkabel über Gehweg von Traktor bei Fahren vom Feld abgerissen

Anlässlich von Kabelverlegungsarbeiten auf der F-Landstraße stellte die damit beauftragte Klägerin eine Lichtzeichenanlage auf dem Gehweg auf, deren Stromkabel oberhalb des Gehweges in zwischen den Parteien streitiger Höhe (nach Angaben der Klägerin in einer Höhe von 5,30 m, nach Angaben der Beklagten nicht einmal 4,50 m, da das Mähwerk eine Höhe von 4,00 m habe) angebracht war. Der Beklagte zu 1. war Eigentümer des in diesem Bereich neben dem in Anspruch genommenen Gehweges befindlichen Feldes und fuhr mit seinem bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten  Traktor über den nicht abgesenkten Bordstein auf den Gehweg um auf sein Feld zu gelangen.  Nach Abschluss der Arbeiten beabsichtigte er, das Feld auf dem gleichen Weg zu verlassen; das Mähwerk am Traktor war hochgestellt. Hierbei streifte er das oberhalb des Gehweges verlaufende Stromkabel der Lichtzeichenanlage und riss diese in der Folge um. Den daraus resultierenden Schaden machte die Klägerin gegen den Beklagten geltend.

 

Das Amtsgericht gab der Klage ohne Beweisaufnahme zu den streitigen Umständen statt. Soweit unter Teil A Allgemeines,  4 Leitmale der RSA-95 vorgesehen sei, dass Bauteile unterhalb einer lichten Durchfahrtshöhe von 4,50 m mit Leitmalen zu versehen seien. Gelte dies lediglich für Beschränkungen der Höhe oberhalb der Fahrbahn, nicht aber für Höhenbeschränkungen des Gehweges. Der Beklagte habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet. Die von den Beklagten eingelegte Berufung führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Erstgericht. Zutreffend sie mit der Berufung geltend gemacht worden, dass es das Amtsgericht verabsäumt habe, über die für die Frage der Haftung dem Grunde nach sowie die ebenfalls streitige Frage des Schadens der Höhe nach erforderlichen Anknüpfungstatsachen Beweis zu erheben.

  

Die Haftung der Beklagten richte sich nach §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG. Im Rahmen der grundsätzlich bestehenden Gefährdungshaftung auf Beklagtenseite hätte sich diese nach Maßgabe von § 9 StVG iVm. § 254 BGB ein etwaiges Mitverschulden an der Anspruchsentstehung zurechnen zu lassen. Bei der notwendigen Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge könnten nur unstreitige, zugestandene oder nach § 286 ZPO bewiesene Umstände, die sich auf das Unfallgeschehen ausgewirkt haben, berücksichtigt werden. Beweisbelastet sei jeweils die Partei für Tatsachen, die der anderen Partei zum Verschulden gereichen und aus denen sie nach der Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten wolle. Damit trage zunächst die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für ein etwaiges, die bloße Betriebsgefahr des Traktors erhöhendes unfallkausales Mitverschulden der Beklagten.

 

Bislang hätten die Beklagten einen unfallursächlichen verstoß gegen § 32 Abs. 2 StVZO (maximal zulässige Höhe von 4,00 m) nicht nachgewiesen. Es sei Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Höhe des Traktors nebst Mähwerk zu erheben, welches nach Angaben der Beklagten unter 4,00m gelegen habe.

 

Ein Verstoß des Beklagten zu 1. gegen § 2 Abs. 1 StVO wegen rechtwidriger Nutzung des Gehweges habe nicht vorgelegen. Zwar dürften Kraftfahrzeuge diesen nach der in § 2 Abs. 1 StVO statuierten Nutzungspflicht der Fahrbahn durch Fahrzeuge nicht befahren. Allerdings gäbe es ein Ausnahmebenutzungsrecht, welches sich aus der Natur der Sache bzw. mittelbar aus anderen Vorschriften (wie § 10 S. 1 StVO) ergeben könne.  Unstreitig sei vorliegend, dass der Beklagte zu 1. Mit dem Traktor von dem Feld auf die Straße auffahren wollte. Auch wenn anderweitige Möglichkeiten zum Verlassen des Feldes bestanden haben sollten (was streitig war), habe es ihm freigestanden, über den Gehweg das Feld zu verlassen; es existiere keine Vorschrift, die das Einfahren auf die Straße über den Gehweg nur gestattet, wenn keine anderweitigen Möglichkeiten bestünden.

 

Nach dem zur Beurteilung des Berufungsgerichts vorliegenden Sach- und Streitstand lasse sich auch ein Verstoß des Beklagten zu 1. Gegen das allgemeine straßenverkehrsrechtliche Rücksichtnahmegebot aus § 1 Abs. 2 StVO nicht erkennen. Es handele sich um ein Verbot, andere zu schädigen, zu gefährden bzw. vermeidbar zu behindern. Eine Gefährdung fremder Sachwerte falle dann unter § 1 Abs. 2 StVO, wenn damit zugleich die Leichtigkeit und Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt würde, was bei Anlagen wie hier, die der Straßenverkehrssicherheit dienen, der Fall sei. Tatbestandlich sei aber Voraussetzung, dass der Beklagte zu 1. bei Annäherung die von dem in den Verkehrsraum hineinragenden Stromkabel ausgehende Gefahrenlage hätte erkennen müssen und eine Kollision hätte verhindern können (ggf. durch Abstandnahme von der Durchfahrt). Das ein solcher Umstand vorlag, sei aber streitig und bedürfe weiter Aufklärung. Dabei müsse aber berücksichtigt werden, dass sich ein Fahrzeugführer im Regelfall darauf verlassen dürfe, dass eine zur Verkehrssicherheit aufgestellte Verkehrsanlage (hier die Lichtzeichenanlage) so errichtet würde, dass eine Gefährdung des Durchgangsverkehrs ausgeschlossen ist. Er dürfe also davon ausgehen, dass die Zuleitungen der Anlage im Luftraum oberhalb der Straße so errichtet würden, dass ein Kraftfahrzeug, welches die höchstzulässigen Ausmaße des § 32 StVZO erreiche, den Bereich gefahrlos und unfallfrei passieren könne (Vertrauensgrundsatz).

 

Weitere unfallursächliche Mitverursachungs- oder Mitverschuldensbeiträge des Beklagten zu 1., seien nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht geltend gemacht worden.

 

Im Rahmen der Beweisaufnahme sei auch der Frage nachzugehen, ob der Klägerin ein (anspruchsausschließendes) Eigenverschulden in Form der Verkehrssicherungspflichtverletzung anzulasten sei. Die Verkehrssicherungspflicht beruhe auf dem Gedanken, dass niemand einen anderen mehr als unvermeidlich gefährden soll. Wer Gefahrenquellens schaffe müsse notwendige Vorkehrungen zum Schutz Dritter treffen. Es müssten die Gefahren ausgeräumt oder vor ihnen gewarnt werden, die für den Wegbenutzer bei erforderlicher Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar wären. Es entspräche dem Interesse der Verkehrssicherheit sowie dem Schutz der Rechtsgüter der Verkehrsteilnehmer, dass der Verkehrsraum in dem Umfang, in dem er von Fahrzeugen mit der gesetzlich maximal zulässigen Abmessung in Anspruch genommen werden kann, von störenden Einflüssen, wie etwa Bäumen und Ästen auch wie vorliegend Stromkabeln freigehalten wird. Anderes ergäbe sich auch nicht aus der Nutzung des Gehwegs. Eine andere Interpretation lasse auch Teil A Allgemeines, 4 Leitmale der RAS-95 hinsichtlich der Pflicht zu Leitmalen nicht zu, deren Regelungen ebenso wie jene der StVO abtraktgenereller Natur seien. Für eine (sich aus dem Wortlaut nicht ergebende) Beschränkung der in der RSA-95 vorgesehenen Regelung lediglich auf Fahrbahnen bestünde mithin kein Anlass.

 

LG Aachen, Urteil vom 08.08.2023 - 5 S 79/22 -

Mittwoch, 3. Mai 2023

Schadensersatz bei geringen optischen Mangel einer Hofeinfahrt / -fläche ?

Nach einem Verkehrsunfall verlangten die Kläger von der beklagten Versicherung Schadensersatz in Höhe von € 12.550,00 für die Wiederherstellung der gesamten Hofeinfahrt, §§ 7 Abs. 1 StVG iVm. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. VVG, da nur so ein einheitliches Fugenbild zu erreichen sei. Die Beklagte zahlte lediglich Schadensersatz für die (nach ihrer Ansicht ausreichende) Teilerneuerung der betroffenen Pflasterung. Die Berufung der Kläger gegen die Klageabweisung der ersten Instanz wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen. Das verbleibende teilweise uneinheitliche Fugenbild stelle nur eine kaum wahrnehmbare optische Beeinträchtigung dar und ein auszugleichender Minderwert würde dadurch auch nicht entstehen.

Auch wenn der Geschädigte nach § 249 Abs. 1 grundsätzlich die Wiederherstellung des Zustandes verlangen könne, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Insoweit würde dem Geschädigten (auch der Geldersatzanspruch nach § 249 Abs. 2 BGB, sei allerdings nach § 249 Abs. 2 BGB allerdings dann nicht zustehen, wenn die Herstellung dieses Zustandes unverhältnismäßig sei; dann sei der Ersatzberechtigte in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 2 S. 1 BGB.

Zur Feststellung, ob die Wiederherstellung iSv. § 251 Abs. 2 S. 1 unverhältnismäßig sei, dürfe der mit der Nachbesserung erzielbare Erfolg in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür erforderlichen Geldaufwandes stehen. Diese Unverhältnismäßigkeit sei anzunehmen, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb unangemessener Aufwand gegenüberstünde (BGH, Urteil vom 06.12.2001 - VII ZR 241/00 -). Zu berücksichtigen seien der Wert der Sache in einem mangelfreien Zustand und die Bedeutung des Mangels (BGH, Urteil vom 04.04.2014 - V ZR 275/12 -).

Daran ausgerichtet sei eine komplette Neupflasterung der ca. 250 m² großen Hofeinfahrt zum Erreichen eines einheitlichen Fugenbildes unverhältnismäßig. Es würde sich nur um einen optischen Mangel handeln, der den bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht beeinträchtige. Zwar handele es sich hier nicht um ein werkvertragliches Vertragsverhältnis zwischen den Parteien (sondern um einen deliktischen Schadenersatzanspruch nach § 7 StVG), doch sei gleichwohl das objektiv geringe Interesse der Klägerin zu berücksichtigen.

Auch bei lediglich optischen Beeinträchtigungen sei ein strenger Maßstab anzulegen (OLG Celle, Urteil vom 01.11.2011 - 14 U 52/11 -). Im Einzelfall sei aber zu differenzieren, wie stark sich diese im Gesamteindruck auswirke. Es handele sich hier um eine Fläche, die dem Rangieren und Abstellen von Fahrzeugen diene. Die nicht ganz gradlinigen Fugen in einem Teilbereich der Pflasterung, die auf den Übersichtsbildern nicht wahrnehmbar seien, würden keine Auswirkungen auf den Gesamteindruck haben. Nur bei vergrößerten Aufnahmen und unter Zuhilfenahme einer Wasserwaage und eines Zollstocks wären die Abweichungen erkennbar. Diese fehlende Einheitlichkeit trete bei der bestimmungsgemäßen Nutzung der Fläche mit parkenden und rangierenden Fahrzeugen im optischen Gesamteindruck soweit zurück, dass sie für den unbefangenen Betrachter nicht mehr wahrnehmbar sei und schon gar nicht zu einer optischen Gesamtbeeinträchtigung der Anlage führe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass besondere ästhetische Anforderungen an die Hoffläche zu stellen seien, denen diese nicht mehr gerecht würde (OLG Celle, Urteil vom 18.07.2002 - 22 U 197/01 -).

Auch sei zu berücksichtigen, dass nach dem eingeholten Sachverständigengutachten die Hoffläche von Anfang an nicht den technischen Regelwerken entsprochen habe und in jedem Fall zu Fugenverschiebungen geführt hätte. Die Kläger stünden bei einer vollständigen Neupflasterung besser als ohne das Schadensereignis, da die sanierte Fläche einen deutlich besseren Aufbau habe und die die nicht sanierte Fläche ohnehin nicht fachgerecht (direktes Aneinanderlegen von Klinkersteinen) verlegt worden sei.

Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 251 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser Anspruch richte sich nicht wie bei §§ 249, 250 BGB auf das Integritätsinteresse des Geschädigten und wäre nicht nach den Herstellungskosten zu bemessen, sondern auf Ersatz des Wertinteresse. Zu ersetzen sei daher im Falle der Unverhältnismäßigkeit von Wiederherstellungskosten die Differenz zwischen dem Vermögen, wie es sich ohne das schädigende Intereses darstellen würde, und dem Wert des Vermögens, wie es sich durch das schädigende Ereignis darstelle (BGH, Urteil vom 11.03.2020 - IX ZR 104/08 -).

Hier läge ein messbarer Minderwert nicht vor. Die Pflasterfläche stelle nach dem Gutachten, unabhängig vom Fugenverlauf, keinen Wertanteil an dem streitgegenständlichen Objekt dar. Der Gesamtwertanteil der Pflasterfläche betrage 0,7% des Verkehrswertes (€ 2.450,00). Bei Berücksichtigung üblicher Rundungsdifferenzen würde dieser Wertanteil nach dem Gutachten in den Rundungen untergehen.

OLG Celle, Urteil vom 15.02.2023 - 14 U 166/21 -

Donnerstag, 23. März 2023

Schadensersatz bei Schaden durch Explosion der (ausgebauten) E-Fahrzeug-Batterie ?

Der Versicherungsnehmer der beklagten Haftpflichtversicherung brachte seinen E-Roller (nach Typenangabe in dem Urteil kein Tret-Elektroroller, sondern wohl ein dreirädriger Roller mit 45 km/h) zur Inspektion in eine Werkstatt. Ein Monteur entnahm sie dort zum Aufladen. Als dieser bemerkte dass die Batterie stark erhitzte, legte er sie nach Trennung vom Stromnetz zum Abkühlen auf den Boden, wo sie dann explodierte. Der dadurch am Werkstattgebäude entstandene Schaden wurde vom Gebäudeversicherer bei der Beklagten als Versicherer des Rollerhalters geltend gemacht.

Die Klage und die Berufung gegen das klageabweisende Urteil blieben erfolglos, ebenso die vom Berufungsgericht zugelassene Revision. Letztlich handelt es sich um die Frage, wieweit die in § 7 Abs. 1 StVG sanktionierte Betriebsgefahr greift. Das Berufungsgericht hatte entschieden, die Explosion sei nicht bei dem Betrieb (Betrieb iSv. § 7 Abs. 1 StVG) des Elektrorollers eingetreten.  Nur wenn man eine Zurechnung zum Betrieb annehmen wollte, wäre die Klage (jedenfalls dem Grunde nach) begründet gewesen.

Der BGH verwies zunächst darauf, dass Voraussetzung der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG sei, dass „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ Rechtsgüter verletzt oder beschädigt wurden. Die umfassende Haftung dort sein der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges (erlaubt) eine Gefahrenquelle eröffnet würde. Dies sei dann der Fall, wenn das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-) geprägt sei. Es müsse sich allerdings um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr schadlos gehalten werden soll, für die also die Norm erlassen wurde. Dies erfordere einen nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs (BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 319/18 -).

Dass Dritte durch einen Defekt einer Betriebseinrichtung (hier: Batterie) eines Kraftfahrzeuges einen Schaden erleiden, würde zu den speziellen Auswirkungen derjenigen Gefahren zählen, vor denen § 7 Abs. 1 StVG den Verkehr schadlos halten wolle. Gleichgültig sei dabei, ob der Brand unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach der Fahrt eintrete. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG könne nicht auf die Schadensfolgen durch Fahrbetrieb oder seine Nachwirkungen begrenzt werden, da die Norm dann in Fällen nicht greifen würde, in denen unabhängig vom Betriebsvorgang ein technischer Defekt einen Schaden verursache.

Vorliegend war zwar eine Betriebseinrichtung des E-Rollers ursächlich (Batterie), weshalb an sich dem Anspruch der Klägerin stattgegeben werden müssen  -  wäre da nicht der Ausbau der Batterie gewesen. Es sei von der Klägerin nicht dargelegt worden, dass die Erhitzung und die nachfolgende Explosion in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung iSv. § 7 Abs. 1 StVG gestanden habe; Die Batterie sei zu diesem Zeitpunkt bereits ausgebaut und ohne Verbindung zum Kraftfahrzeug (E-Roller) gewesen.  Sie sei also nicht mehr Teil der Betriebseinrichtung gewesen (Anm.: wenn auch nur in Erwartung eines vorübergehenden Ausbaus), ebenso wie bei beabsichtigten Einbau einer Batterie die noch nicht eingebaute Batterie nicht Betriebseinrichtung sei.

Der bloße Ausbau der Batterie führt mithin nach dieser Entscheidung des BGH dazu, dass diese nicht mehr Betriebseinrichtung des E-Rollers war und damit deren zeitlich spätere Explosion nicht mehr dem Betrieb des Fahrzeugs nach § 7 Abs. 1 StrVG zugerechnet werden kann.

BGH, Urteil vom 24.01.2023 - VI ZR 1234/20 -

Montag, 19. Juli 2021

Betriebsgefahr nach § 7 StVG bei Baumfällarbeiten mit Hilfe eines Traktors

Immer wieder haben Gerichte festzustellen, ob sich bei einem Schadensfall die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs als verschuldensunabhängige Betriebsgefahr iSv. § 7 Abs. 1 StVG darstellt. Dabei geht es häufig um die Frage, ob das Kraftfahrzeug als Fortbewegungs- und Transportmittel oder als Arbeitsmaschine genutzt wurde. So auch in dem hier vorliegenden  Fall der Nutzung eines Traktors im Zusammenhang mit einer Baumfällung. 

Der Antragsteller (AS) wurde vom Antragsgegner zu 1. (AG 1) gebeten, mehrere trockene Bäume auf dem Grundstück AS zu fällen. Im Rahmen dessen legte der AG 1 eine Kette um einen Baum und befestigte diese an einer an seinem Traktor befindlichen Stange, um den Baum zu sichern und ich anschließend, nach der Fällung, abzutransportieren. Der Traktor, der bei der Antragsgegnerin zu 2. (AG 2) haftpflichtversichert war, war bei diesem Vorgang auf der an das Grundstück angrenzenden öffentlichen Straße abgestellt. Der AS, der vom AG 1 angewiesen wurde, den Baum möglichst weit unten abzusägen, sägte den Baum ab, der dann auf der (abgesperrten) Straße neben dem Führerhaus des Traktors landete und sich aufgrund seiner Länge an einem Zaun und einem Busch verkeilte. Der Versuch, diesen mit dem Traktor frei zu bekommen scheiterte, weshalb der AG 1 den AS aufforderte, die Spitze der Tanne abzusägen. Bei dieser Arbeit brach der trockene Stamm, dessen Spannung durch den vorangegangenen Versuch der Lösung mittels Traktors erhöht war, wodurch der AS nach hinten geschleudert wurde und sich erhebliche Verletzungen zuzog. Er beabsichtigte eine Schadensersatzklage gegen die AG 1 und AG 2 und beantragte dazu die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), die das Landgericht (LG) versagte. Die dagegen eingelegt Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.

Der AS stützte seinen Anspruch auf § 7 Abs. 1 StVG (im Hinblick auf die AG 2 iVm. § 115 Abs. 1 VVG). Das OLG folgte der Annahme des LG, dass für die beabsichtigte Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestünde, was u.a. Voraussetzung für die Bewilligung der PKH wäre.

Das OLG stellte bei seiner Entscheidung auf das Tatbestandmerkmal des § 7 Abs. 1 StVG ab, wonach sich der den Anspruch begründende Schadensfall „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ ereignet haben müsste. „Bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges sei ein Schaden dann entstanden, wenn sich in dem Schaden die von dem Fahrzeug ausgehende Gefahr verwirkliche. Dies verlange, dass das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug geprägt oder jedenfalls mitgeprägt sein müsse. Ferner müsse es sich bei dem Schaden um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll; dies setze voraus, dass die Schadensfolge in den Bereich der Gefahren fallen müsse, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden sei.

Dies zugrunde legend käme es darauf an, dass der Unfall im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs stünde (BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 158/19 -).  Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion wäre damit erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Fahrzeugs als eine der Fortbewegung und dem Tramsport dienende Maschine bestünde, was sich aus § 1 Abs. 2 StVG ergäbe. Wenn aber die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle spiele und das Fahrzeug nur als Arbeitsmaschine eingesetzt worden sei oder sich eine Gefahr aus einem nicht der Betriebsgefahr zuzuordnenden Gefahrenkreis verwirkliche entfalle die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG (BGH, Urteil vom 24.03.2015 - V ZR 265/14 -). Verwirkliche sich die Gefahr  während der Fahrt bei Verrichtung bestimmungsgemäßer Arbeiten einer fahrbaren Arbeitsmaschine sei allerdings der Betrieb iSv. § 7 StVG zu bejahen.

Danach habe sich hier nicht das Risiko des § 7 StVG verwirklicht. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, dass die Straße, auf der sich der Traktor befunden habe, für die Arbeiten für den gesperrt gewesen sei. Ein ursprünglich geplanter Abtransport des Baumes mittels des Traktors sei aufgrund der Stammlänge des Baumes nicht möglich gewesen. Deshalb sei der konkrete zum Unfall führende Einsatz des Traktors auf die Arbeitstätigkeit vor Ort beschränkt gewesen. Hinzu käme, dass der Schaden nicht unmittelbar durch den Einsatz des Traktors selbst, sondern erst nach dem erfolglosen Versuch des Wegziehens bzw. -drückens des Stammes bei den nachfolgenden Sägearbeiten des AS eingetreten sei. Bei dem Versuch des Wegziehens bzw. -drückens mittels des Traktors habe die Funktion des Traktors als Arbeitsmaschine im Vordergrund gestanden; de Schadensablauf sei nicht durch den Betrieb des Traktors iSv. § 7 StVG geprägt worden.

Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. Vertrag würden nicht bestehen, da es dafür an den Voraussetzungen ermangele (Anm.: so einem fehlenden Verschulden), was auch im Rahmen der Beschwerde nicht weiter geltend gemacht worden sei.

OLG Hamm, Beschluss vom 18.05.2021 - I-9 W 14/21 -

Mittwoch, 21. April 2021

Verwirklichung der Halterhaftung für Kfz bei dessen Brand in einer Werkstatthalle, § 7 StVG

Der bei der Beklagten pflichtversicherte Lkw befand sich zum Austausch der Hinterreifen in einer Kfz-Reparaturwerkstatt. Dort war er über nach in der Werkhalle abgestellt. In dieser Nacht brannte der Lkw und es kam zu Sach- und Betriebsunterbrechungsschäden bei der Werkstatt, die von deren Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherer ausgeglichen wurden, der die Pflichtversicherung des Lkw auf Ersatz der Ansprüche nach § 86 VVG in Anspruch nahm. Die Klage war in allen Instanzen erfolgreich. Landgericht und OLG hatten als Anspruchsgrundlage § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG angenommen. Dem folgte der BGH.

Nach § 7 Abs. 1 StVG sei Voraussetzung, dass eines der dort geschützten Rechtsgüter „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ verletzt beschädigt würde. Ein Schaden würde bei dem Betrieb des Kraftfahrzeuges entstehen, wenn sich die von dem Fahrzeug ausgehende Gefahr verwirklicht habe und bei wertender Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-) geprägt sei. Dies habe zur Voraussetzung, dass die Schadensfolge in den Bereich der gefahren fällt, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden sei. Für die Zurechnung käme es dann darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges stünde.

Vorliegend sah der BGH eine Ursächlichkeit in einer defekten Betriebseinrichtung des Fahrzeugs. Entweder sei der den Brand verursachende Defekt durch Kabel im Motorraum im Bereich des Generators oder durch einen Defekt eines im Führerhaus des Lkw fest eingebauten Kühlschrank verursacht worden. In beiden Fällen würde es sich um einen Defekt einer Betriebseinrichtung handeln. Für die Annahme einer Betriebseinrichtung sie nicht entscheidend, dass diese eine Transport- oder Fortbewegungsfunktion erfüllen könne. Ausreichend sei, dass die Einrichtung den Betrieb des Fahrzeugs insoweit zu dienen bestimmt ist, als die dessen Benutzung sicherer, leichter oder komfortabler gestalte. Derartige Bauteile (wie Unterhaltungselektronik, Kühlschrank) könnten aus der Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, da dies unter Berücksichtigung der Entwicklung der Fahrzeugtechnik mit dem Zweck des § 7 Abs. 1 StVG, einen weitgehenden Schutz gegen die Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu gewährleisten, nicht vereinbar sei.  

Für die Haftung nach § 7 StVG mache es keinen Unterschied, ob der Brand unabhängig vom Fahrbetrieb oder bei diesem eintrete. Eine anderweitige Betrachtung, die die Verwirklichung bei dem Fahrbetrieb fordere, würde eine Haftung ausschließen, bei der unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung für den Schaden eines Dritten ursächlich sei.  Bei wertender Betrachtung sei auch in solchen Fällen (mit Ausnahme z.B. bei vorsätzlicher Inbrandsetzung des Fahrzeuges auf einem Parkplatz) das Schadensgeschehen durch das Fahrzeug selbst und durch die von diesem ausgehende Gefahr entscheidend (mit-) geprägt.

Vorliegend konnte auch der Pflichtversicherer des Lkw nach § 115 VVG in Anspruch genommen werden. Auch wenn dessen Haftung nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG gerade das Bestehen der Pflichtversicherung nach § 1 PflVG zur Voraussetzung habe, käme es nicht darauf an, ob sich der Schadensfall im öffentlichen Verkehr ereignete. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 1 KfzPflVV. Mit § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG sei keine Begrenzung des Direktanspruchs im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung gegenüber der Vorgängernorm des § 3 Nr. 1 PflVG a.F. beabsichtigt gewesen.

BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 158/19 -

Freitag, 19. März 2021

Waschstraße: Unfall durch Abbremsen auf dem Transportband und Mitverschulden

Der Kläger nutzte eine Waschstraße. Das Fahrzeug des Beklagten zu 2. vor ihm fuhr nach Abschluss des Waschvorgangs an der Ausfahrt, obwohl die Lichtzeichenanlage bereits auf grün gesprungen war, nicht an. Erst bei einem zweiten Startversuch gelang es dem Beklagten zu 2. wegzufahren. Da der PKW des Klägers zwischenzeitlich vom Schleppband weiter in Richtung Beklagtenfahrzeug gezogen wurde und er aus Sorge um eine Kollision abbremste, rutschte sein Fahrzeug vom Transportband und kollidierte mit Teilen der Waschstraße.

Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers war teilweise erfolgreich.

Das Fahrzeug des Beklagten sei zum Unfallzeitpunkt iSv. § 7 StVG „im Betrieb“ gewesen. Zwar würde eine Beförderung des Fahrzeugs auf einem Förderband der Waschstraße bei ausgeschalteten Motor von der Rechtsprechung einem Betrieb entgegenstehen können, doch sei hier zu berücksichtigen, dass der Waschvorgang bereits vollständig abgeschlossen gewesen wäre und das Fahrzeug zur Weiterfahrt zu starten gewesen wäre. Damit ging die Gefahr nicht mehr von der Waschstraße aus, sondern vom Fahrzeug und seinem Fahrer.

Der Schaden am klägerischen Fahrzeug sei auch durch den Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten mitverursacht worden. Das verzögerte Anfahren des Beklagten zu 2. sei für die Reaktion des Klägers die Ursache gewesen. Es bestand ein örtlicher und zeitlicher Zusammenhang. Der Ursachenbeitrag bestand nicht nur in der bloßen Anwesenheit des Beklagtenfahrzeuges, sondern in der sich für den Kläger (verständlich) als kritisch darstellenden Situation. Der Umstand, dass es zwischen den Fahrzeugen nicht zur Kollision kam, ließe einen Zurechnungszusammenhang nicht entfallen. Auch hier ist maßgeblich die verzögerte Abfahrt des Beklagten zu 2. Ein eigener Ursachenzusammenhang sei durch den Kläger selbst dann nicht gebildet werden, wenn seine Reaktion als voreilig oder übertrieben bewertet würde.

Der Beklagte zu 2. hafte als Fahrer nach § 18 Abs. 1 StVG verschuldensunabhängig. Er sei gehalten gewesen, nach Abschluss des Waschvorgangs und bei Umschalten der Ampel auf „grün“ unmittelbar wegzufahren; dies ergäbe sich bereits aus den Regeln des Betreibers der Waschstraße als auch der Gefährlichkeit des Stehenbleibens. Dass die Verzögerung auf ein vom Beklagten zu 2. Nicht zu vertretendes Versagen der Betriebseinrichtung zurückzuführen wäre, sie nicht geltend gemacht worden.

Allerdings habe der Kläger den Unfall im erheblichen Umfang mitzuverantworten. Zwar scheide für ihn eine Mitverantwortlichkeit nach §§ 17, 18 StVG aus, da sich sein Fahrzeug noch im Waschvorgang und damit nicht „im Betrieb“ nach § 7 StVG befunden habe. Es greife aber ein Mitverschulden gem. §§ 9 StVG, 254 BGB. Er habe diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eines Schadens anzuwenden pflege. Es hätte ihm klar sein müssen, dass er in der Situation nicht hätte bremsen dürfen. Des sei allgemein bekannt, dass ein regelwidriges Abbremsen des in der Waschstraße automatisch transportierten Fahrzeuges dazu führen kann, dass die Vorwärtsbewegung verzögert (evtl. auch gestoppt) wird, wodurch es zu Beschädigungen des Fahrzeugs durch die sich weiterbewegende Reinigungsanlage oder auch Kollision mit nachfolgenden Fahrzeugen kommen könne und hier auch zur Schädigung des PKW geführt habe; zudem würden auch die Warnhinweise des Waschstraßenbetreibers ein Abbremsen untersagen.

Der Mietverursachungsanteil des Klägers an dem Schaden betrage daher 70%.

OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.01.2021 - 1 U 63/19 -

Donnerstag, 8. Oktober 2020

Verschuldensunabhängige Haftung bei E-Scootern ?

 

Anlässlich eines Verkehrsunfalls musste sich das LG Münster damit auseinandersetzen, ob für einen am Unfall Beteiligten Fahrer eines E-Scooters die Gefährdungshaftungsnormen der §§ 7, 17 StVG greifen. Der E-Scooter hatte in amtliches Kennzeichen und war über die Beklagte zu 2. zum Unfallzeitpunkt haftpflichtversichert gewesen. Bei dem E-Scooter handelte es sich um ein Elektrokleinstfahrzeug nach der eKFV, welches bauartbedingt nicht schneller als 20km/h auf ebener Strecke fahren kann.

Vorliegend könnte dem Fahrer des E-Scooter nicht nachgewiesen werden, dass er den Unfall schuldhaft verursachte oder mitschuldhaft verursacht hatte. Von daher schied die Haftung der Beklagten nach § 823 BGB aus.

Damit kamen als Anspruchsgrundlage an sich nur §§ 7 und 17 StVG in Betracht. Nach § 7 StVG haftet der Fahrzeughalter für die von seinem Fahrzeug ausgehende Gefährdung; nach § 17 Abs. 3 StVG muss er sich zur Vermeidung einer Mithaftung grundsätzlich dahingehend exkulpieren, dass der Unfall für ihn unabwendbar war. Gelingt die Exkulpation nicht, ist regelmäßig eine quotale Mithaftung anzunehmen. Hier aber verwies das Landgericht zutreffend auf § 8 StVG: Nach § 8 Abs.1 1 StVG greift die in § 7 StVG normierte verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung nämlich dann nicht, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wird, welches auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20km/h fahren kann. Dies sei vorliegend einschlägig.

Gemäß § 1 eKFV sind danach Elektrokleinstfahrzeuge Fahrzeuge mit einem elektrischen Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit zwischen 6km/h und 20km/h, weshalb sie aus der Gefährdungshaftung gem. § 8 StVG herausfallen. Der E-Scooter als batteriegetriebener Roller ist damit zwar ein Kraftfahrzeug, für ihn ist aber bei einer Geschwindigkeit nach Maßgabe des § 1 eKFV die gefährdungshaftungsnorm des § 7 StVG gem. § 8 StVG nicht einschlägig.

LG Münster, Urteil vom 09.032020 - 08 O 272/19 -

Montag, 15. Juni 2020

Haftung bei Unfall im Begegnungsverkehr in Kurve zwischen PKW und Traktorgespann


Der Verkehrsunfall ereignete sich auf einer schmalen Straße in einem Kurvenbereich. Die Kollision ereignete sich etwas über der (gedachten) Mittelinie auf der Fahrbahnseite der Klägerin. Das Landgericht wies die Klage ab. Im Rahmen der Berufung erfolgte ein Hinweisbeschluss durch das OLG Köln, dass dieses beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen.

Nach Auffassung des OLG sei eine Verpflichtung der Beklagten (Fahrer, Halter und Versicherer des Traktors mit Anhänger) zur Zahlung von Schadensersatz nach § 17 Abs. 3 StVG nicht gegeben. Es handele sich für die Beklagten um ein unabwendbares Ereignis. Unter unabwendbaren Ereignis sei nicht eine absolute Unvermeidbarkeit zu verstehen, sondern gemeint sei ein Schadensereignis, welches auch bei der äußersten Sorgfalt nicht abgewendet werden könne. Dazu sei ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt iSv. § 276 BGB erforderlich. Der Schädiger sei nach dem Zweck des § 17 Abs. 3 StVG von Schäden freizustellen, die sich auch bei vorsichtigen Vorgehen nicht vermeiden ließen, ohne dass eine absolute Unvermeidbarkeit gefordert würde. Denn es müsse auch bei dem geforderten „Idealfahrer“ als Maßstab menschliches Vermögen den Erfordernissen des Straßenverkehrs angepasst sein.

Damit sei aber auf der Grundlage des vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens der Unfall für den Fahrer des Traktors unabwendbar. Seine Reaktion und sein verhalten hätten demjenigen eines Idealfahrers entsprochen.

Nach der sachverständigen Feststellung habe sich das klägerische Fahrzeug vor dem Unfallereignis mit seiner linken Seite im Bereich der gedachten Fahrbahnmitte befunden. Auch wenn die Klägerin die Fahrbahnmitte nicht überfahren haben sollte, würde die Bremsreaktion des Fahrers des Traktors den Anforderungen an einen Idealfahrer gerecht werden, da sich nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien die Fahrzeuge im Kurvenbereich plötzlich gegenüber befunden hätten  und ein Ausweichen des Traktors nach rechts wegen eines Felsvorsprungs nicht möglich gewesen sei. Dies gilt auch, obwohl durch ABS und Anhängerbremse der Traktor durch das Abbremsen in Richtung Fahrbahnmitte geriet und so die Kollision verursacht worden sei.

Zwar wäre nach den sachverständigen Feststellungen der Verkehrsunfall ohne das Abbremsen des Traktors verhindert worden. Es könne auf sich beruhen, ob dem Fahrer eine falsche Reaktion im ersten Schreck zuzubilligen sei (so BGH, Urteil vom 23.09.1986 - VI ZR 136/85 -), da hier auch der Idealfahrer in der konkreten Gefahrensituation nicht hätte erkennen können, dass ohne sein Abbremsen eine Kollision vermeidbar wäre. Dies würde sich auch daraus ergeben, dass eine Vermeidung nicht nur von der eigenen Reaktion des Traktorführers abhing, sondern auch von der unbekannten Reaktion der Klägerin. In Ansehung auch von zu erwartenden erheblichen Schäden (einschl. Personenschäden) im Falle einer ungebremsten Kollision war damit dem Traktorfahrer auch bei dem größtmöglichen Sorgfaltsmaßstab nicht anzulasten, dass er das von ihm geführte Gespann bei Auftauchen des klägerischen PKW im Bereich der Fahrzeugmitte abbremste.  

Unbehelflich sei der Hinweis der Klägerin auf eine Überbreite des Traktorgespanns, da nach den Feststellungen des Sachverständigen und vorliegenden Fotos der Traktor mit Anhänger sowie der PKW der Klägerin im Kurvenbereich gefahrlos hätten aneinander vorbeifahren können.

Dabei sei ferner zu berücksichtigen, dass das Gespann äußerst rechts geführt wurde und mit einer Geschwindigkeit, mit der die Kurve auch gefahrlos zu passieren war. Die Ausgangsgeschwindigkeit hätte nach dem Sachverständigen in einer Größenordnung von 25km/h gelegen, die Kollisionsgeschwindigkeit im Bereich zwischen 10 und 15 km/h. Eine weitere Geschwindigkeitsreduzierung (unter 25km/h) sei auch für den Idealfahrer hier nicht notwendig gewesen, zumal eine noch langsamere Geschwindigkeit die Gefahren für einen den Traktor nachfolgenden Verkehr sich gerade in dem unübersichtlichen Kurvenbereich erhöht hätten. Der Traktorfahrer, der äußerst vorsichtig und am rechten Fahrbahnrand unter Wahrung der gebotenen Kurven- und Höchstgeschwindigkeit fuhr, hätte mangels erkennbarer vertrauenserschütternder Gründe nicht noch zusätzlich darauf achten müssen, dass ihm in der Kurve plötzlich ein PKW in Fahrbahnmitte entgegen kommt.

Allerdings habe die Klägerin gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen, da der Sachverständige festgestellt habe, dass sich die Klägerin jedenfalls mit der linken Seite des PKW im Bereich der Fahrbahnmitte befand. Dass ein Überschreiten der Fahrbahnmitte nicht habe festgestellt werden können, sei für die rechtliche Bewertung des Fehlverhaltens der Klägerin als Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO unbeachtlich.  

Anmerkung: Da die Berufung nicht zurückgenommen wurde, wies das OLG in der Folge die Berufung mit Beschluss vom 03.06.2020 nach § 522 ZPO zurück.

OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 20.04.2020 - I-12 U 190/19 -

Mittwoch, 10. Juni 2020

Haftungsverteilung bei Verkehrsunfall: Wendemanöver gegenüber überhöhter Geschwindigkeit


Der Verkehrsunfall ereignete sich im Zusammenhang mit dem Ausparken der Klägerin und einem dabei von ihr eingeleiteten Wendevorgang. Der Beklagte zu 2. Fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit (feststellbar jedoch nur mit 8 km/h Überhöhung). Da die Unfallschäden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden seien, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen sei (§ 7 StVG), im Übrigen für keinen der Unfallbeteiligten sich der Unfall als unabwendbar darstelle (§ 17 Abs. 3 StVG), würde - so das OLG – im Verhältnis der Unfallbeteiligten (Versicherer) die Verpflichtung zum Umfang des Schadensersatzes von den Umständen, insbesondere davon abhängen, inwieweit der Schaden von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei.

Die für die Abwägung maßgeblichen Umstände müssten nachweislich Umstände für die Umstände des Schadens (Schadenshergangs) und zur Kausalität feststehen. Der Beweis obliege jenem, der sich darauf berufe.

Die Klägerin habe gegen § 9 Abs. 5 StVO wie auch gegen § 10 S. 1 StVO verstoßen. Sowohl beim Anfahren (§ 10 S. 1 StVO) also auch beim Wenden (§ 9 Abs. 5 StVO) würden dem Fahrzeugführer gesteigerte Sorgfaltspflichten treffen. Nach § 9 Abs. 5 StVO sei eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen, nach § 10 S. 2 StVO sei die „äußerste“ bzw. „größtmögliche“ Sorgfalt zu beachten. Der Anscheinsbeweis, den die Klägerin nicht widerlegt habe, spräche gegen eine Verletzung dieser Pflichten. Auch wenn der Beklagte zu 2. Mit jedenfalls 58 km/h gefahren sei, wäre der Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit nicht widerlegt, da die Klägerin als Wendende mit „verkehrsüblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen“ rechnen müsse. Der Anscheinsbeweis würde in diesen Fällen nur in Frage gestellt, wenn sich der Unfall auch bei der zumutbaren Sorgfalt ereignet hätte; dies könnte dann angenommen werden, wenn entweder das sich nähernde Fahrzeug noch nicht sichtbar war oder aber aufgrund der Entfernung nicht mit einer Behinderung zu rechnen gewesen wäre (z.B. bei einer Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 50%). Diese Umstände könnten hier nicht angenommen werden.

Nach der Beweissituation hätte die Klägerin nur eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 2. Um 8 km/h nachweisen können. Insoweit läge aber ein Verstoß des Beklagten zu 2. gegen § 3 StVO vor. Berücksichtigungsfähig sei dies aber nur dann, wenn dieser Umstand sich auf das Unfallgeschehen oder die Schwere der Unfallfolgen ausgewirkt hätte. Es stünde nach dem eingeholten Sachverständigengutachten fest, dass sich der Unfall auch bei Einhaltung der gebotenen zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h ereignet hätte, dass aber die geringere Geschwindigkeit hinsichtlich der Verletzungsfolgen deutlich geringere Auswirkungen gehabt hätte.

Bei der Haftung nach §§ 17, 7 StVO sei zu berücksichtigen, dass beide Fahrzeugführer gegen Regelungen der StVO verstoßen hätten. In Ansehung der Gefahrträchtigkeit eines Wendemanövers müsse bei einem Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO stets die Alleinhaftung des Wendenden in Betracht gezogen werden, zumal dann, wenn sich der Unfall wie hier im Zusammenhang mit einem Anfahren ereigne. In derartigen Fällen würde regelmäßig die Betriebsgefahr  eines mit dem wenden Fahrzeug zusammenstoßenden Fahrzeuges zurücktreten. Damit rechtfertige hier die Überschreitung der Geschwindigkeit durch den Beklagten zu 2. nur eine Haftungsquote für diesen von 25%.

OLG Dresden, Urteil vom 25.02.2020 - 4 U 1914/19 -

Freitag, 15. November 2019

Waschstraße: Aufschieben des automatisch beförderten Fahrzeugs und Haftung nach § 7 StVG


Der Beklagte zu 1. nutzte mit seinem PKW eine Waschstraße. Das Fahrzeug befand sich auf dem Förderband, mithin im automatischen Transportvorgang der Waschstraße. Der Motor des Fahrzeuges wurde erst nach Eintritt des Schadens gestartet. Zu dem Schaden kam es dadurch, dass sich die Mitnehmerrolle unter dem PKW des Beklagten zu 1. hindurchzog (was nach Angaben des Sachverständigen auch nicht auf ein Abbremsen zurückzuführen sei) und das nachfolgende Fahrzeug des Klägers aufgeschoben wurde.

Eine Haftung des Beklagten nach § 7 StVG scheide aus, da sich der PKW des Beklagten nicht im Betrieb befunden habe. Ein Fahrzeug sei nicht im Betrieb, wenn die eigenständige Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs keinerlei Rolle spiele. Da sich das Fahrzeug auf dem Förderband befand und von diesem Fortbewegt wurde, würden sich die eigentlichen Gefahren des Betriebs eines Fahrzeuges durch Größe, Gewicht und Geschwindigkeit nicht entfalten.

Auch eine Haftung nach § 823 BGB scheide aus. Hier hätte der Kläger eine Verursachung und ein Verschulden des Beklagten zu 1. darzulegen und nachzuweisen. Nach den Angaben des Sachverständigen scheide dies aber aus. Soweit vom Kläger die fehlende  Anhörung des Beklagten zu 1. durch das Landgericht gerügt wurde, könne er damit nicht gehört werden, da sich der Kläger hier zum Beweis einer Behauptung eines bestimmten, zum Unfall führenden Verhaltens des Beklagten dann auf dessen Parteivernehmung hätte beziehen müssen, was nicht erfolgte.

In Ansehung dieser Erwägungen wurde die klägerische Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen.

OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 03.07.2019 und Beschluss vom 05.08.2019 - 12 U 57/19 -

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Höhere Gewalt iSv. § 7 Abs. 2 StVG und Haftung des Entgegenkommenden bei Verletzung des schadenverursachenden Beifahrers


Die Klägerin verlangt vom Beklagten Erstattung von von ihr aufgewandten Behandlungskosten für ihre bei einem Verkehrsunfall verletzten und in der Folge daran verstorbene  Versicherte. Dieser war Beifahrer im PKW des Zeugen. Während der Fahrt kippte der Versicherte plötzlich mit vollem Gewicht auf die Fahrerseite, weshalb der Zeuge die Kontrolle über den PKW verlor, gegen eine Mauer fuhr und in der weiteren Folge in den Gegenverkehr geriet, wo er gegen das vom Beklagten geführte Fahrzeug prallte. Die Beklagtenseite vertrat die Ansicht, der Verkehrsunfall sei von ihr weder verursacht noch verschuldet worden und die einfache Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs trete vollständig hinter einer grob verkehrswidrigen Fahrweise des Fahrzeuges des Zeugen zurück.

Das Landgericht gab der Klage umfassend statt. Das Landgericht vertrat die Ansicht, dass die Berufung der Beklagtenseite gegen das Urteil keinen Erfolg haben könne. Dabei stellte das OLG darauf ab, dass die Versicherte als Beifahrerin in den Verkehrsunfall verwickelt worden sei, weshalb sie ihre Ansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG ableiten könnte (die gem. § 86 VVG auf die Klägerin übergehen). Damit müsste die Beklagtenseite entweder darlegen und nachweisen, dass es sich bei dem Verkehrsunfall um einen Fall höherer Gewalt iSv. § 7 Abs. 2 StVG handelt oder ein Mitverschulden der Beifahrerin nach § 9 StVG / § 254 BGB vorläge.

Der Gesetzgeber habe durch die Beschränkung des Haftungsausschlusses auf Fälle höherer Gewalt bewusst  eine Erweiterung der Halterhaftung herbeiführen wollen. Höhere Gewalt setze ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis voraus, welches nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar sei und mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden kann auch nicht wegen einer Häufigkeit von Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen sei (BGH, Urteil vom 16.10.2007 - VI ZR 173/06 -).

Es gehöre, so das OLG, zu den typischen Gefahren des Straßenverkehrs, dass ein Beifahrer den Fahrer ablenkt oder durch handeln tatsächlich in das Fahrverhalten derart eingreift, dass das Fahrzeug außer Kontrolle gerate. Der Fall sei nicht vergleichbar mit jenem, bei dem Dritte gezielt auf der Straße ein für den Verkehr nicht oder zu spät sichtbares Hindernis aufstellen, um einen Unfall auszulösen oder sich in suizidaler Absicht selbst zum Hindernis machen würden. Dies sei im Hinblick auf die Unvorhergesehenheit nicht mit einem außer Kontrolle geratenen Fahrzeug vergleichbar und es würde auch der Intention des Gesetzgebers widersprechen, ein plötzliches geistiges oder körperliches Versagen des Fahrzeugführers (und damit wohl  nach Ansicht des OLG auch seines mittelbaren Versagens durch das körperliche Versagen des Beifahrers) als höhere Gewalt genügen zu lassen (BGH, Urteil vom 15.01.1957 - V ZR 135/56 -).

Für ein fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verschulden der Versicherten (§§ 9 StVG, 254 BGB) sei nichts ersichtlich. Ob der Beklagte (und sein Haftpflichtversicherer) Ausgleichsansprüche gegen den Zeugen und dessen Kfz-Haftpflichtversicherer haben, könne hier auf sich beruhen.

OLG Koblenz, Beschluss vom 03.06.2019 - 12 U 1071/18 -

Dienstag, 11. Juni 2019

Betriebsgefahr nach § 7 StVG: Entladevorgang beim LKW auf öffentlicher Straße


Der LKW des Beklagten Halters hielt vor einem Grundstück. Zum Entladen stand er, bei laufendem Motor auf Stützen und das auf dem LKW befindliche Baumaterial wurde mittels eines auf dem LKW angebrachten hydraulischen Krans entladen. Während des Vorgangs platzte ein Hydraulikschlauch des Krans und ausströmendes Öl verbreitete sich an der Hausfassade und im Vorgarten der Kläger. Diese nahmen die Beklagten (Halter und Versicherer des LKW) auf Schadensersatz in Anspruch. Der Klage wurde vom Landgericht stattgegeben, da sich die Betriebsgefahr des LKW nach § 7 Abs. 1 StVG verwirklicht habe.


Die Norm des § 7 Abs. 1 StVG begründet einen Schadensersatzanspruch des Geschädigten, ohne dass es auf ein Verschulden des Schädiger ankäme. Vor diesem Hintergrund stellt sich immer wieder die Frage, ob sich die Betriebsgefahr verwirklicht, wenn ein Fahrzeug in irgendeiner Art und Weise an dem Schadensgeschehen beteiligt ist. Hier müsste also die Schädigung der Betriebsgefahr des LKW zuzurechnen sein. Dies wurde vom Landgericht bejaht. Dem folgte das OLG und wies die Berufung nach § 522 ZPO zurück.

Das OLG verwies darauf, dass sich grundsätzlich ein Schaden „bei dem Betrieb“ eines Fahrzeuges ereigne, wenn sich in ihm die die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben. Der Vorgang müsse sich in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmungsgemäßen Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Fahrzeuges zugetragen haben (BGH, Urteil vom 08.12.2015 - VI ZR 139/15 -). Allerdings sei es bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVO) bestünde, da, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle mehr spiele und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt würde, eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ausscheide (BGH aaO.; BGH, Urteil vom 24.03.2015 - VI ZR 265/14 -).

Das OLG nimmt an, dass auch bei einem stehenden Fahrzeug mit Arbeitsfunktion eine Verbindung mit dem Betrieb des Kraftfahrzeuges gegeben sei, wenn das Kraftfahrzeug im inneren Zusammenhang meiner seiner Verkehrs- und Transportmittelfunktion entladen würde, selbst dann, wenn es (wie hier) mit einer speziellen Entladevorrichtung entladen würde. Die Haftung greife auch dann, wenn das Entladen in dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum für andere Verkehrsteilnehmer eine Gefahr darstelle, worunter nicht nur die Gefahr durch das entladene Fahrzeug als solches falle, sondern auch diejenige, die von der Entladevorrichtungen und dem Ladegut ausgehe (BGH, Urteil vom 08.12.2015 - VI ZR 139/15 -: Entladen von Heizöl aus einem Tanklastwagen).

Es sei vorliegend nur von einem Zufall abhängig, dass das Öl das Grundstück traf und nicht den Verkehrsraum. Andere Verkehrsteilnehmer oder Grundstücke der Anlieger. Von daher unterscheide sich der Sachverhalt auch von demjenigen in der Entscheidung des BGH vom 27.05.1975 - VI ZR 95/74 -, bei dem ein auf einem Hof abgestellter Tanklastzug in ein danebenliegenden Silo entladen habe und dabei das Silo beschädigt wurde.

Auch durch das Ausfahren der Stützen würde sich nichts an dem Ergebnis ändern können. Dadurch bedingt läge kein von den Beklagten angenommener Fall des § 8 Nr. 1 StVG vor, da der LKW konstruktionsbedingt nicht so verändert würde, dass er als Fahrzeug nicht auf ebener Fahrbahn mehr als 20km/h fahren könne.

OLG Köln, Beschluss vom 21.02.2019 - 14 U 26/18 -

Freitag, 7. September 2018

Zur Betriebsgefahr gem. § 7 StVG im Verhalten des Fahrers nach Verlassen des Fahrzeuges


Landgericht und Oberlandesgericht mussten sich u.a. mit der Frage auseinandersetzen, wieweit zeitlich und örtlich die Betriebsgefahr eines Fahrzeuges gem. § 7 StVG reicht. Hintergrund war gewesen, dass der Kläger mit seinem Fahrrad, mit dem er den rechtsseitigen Fahrradweg befuhr, zu Fall kam, als er dem Beklagten ausweichen wollte. Der Beklagte hielt sich zu Fuß in der Nähe seines auf einem Parkstreifen (den ein grau gepflasterter Streifen vom Fahrradweg trennte, neben dem wiederum der Fußweg verlief) geparkten Fahrzeug auf; der genaue Standort des Beklagten war streitig.

Eine Haftung des Beklagten aus § 7 StVG würde, so das OLG, in diesem Fall nicht greifen. Voraussetzung sei, dass es zu der Verletzung des Klägers bei dem Betrieb eines Fahrzeugs gekommen wäre. Der Schutzzweck des § 7 StVG sei zwar weit auszulegen. Ausreichend sei, dass sich die von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt habe, d.h. der Schadensfall durch das Fahrzeug (mit) geprägt worden sei. Damit müsse der Vorfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang  oder einer Betriebseinrichtung des Kfz stehen. Dies sei vorliegend zu verneinen.

Grundsätzlich könnten zwar auch Handlungen bei und nach dem Aussteigen aus einen Fahrzeug dem Betrieb zugerechnet werden, wenn sich dabei die typische, vom Betrieb des Fahrzeuges selbst und unmittelbar ausgehende Gefahr verwirkliche. Dies sei aber dann nicht mehr anzunehmen, wenn die Fahrt beendet sei und der Fahrer das Fahrzeug verlassen und verschlossen abgestellt hätte. In einem solchen Fall würde von dem Fahrzeug keine Betriebsgefahr mehr im Hinblick auf den Fahrer ausgehen, wenn dieser keine weiteren Handlungen mehr am Fahrzeug vornehmen wolle, die irgendwie dem Betrieb desselben zugerechnet werden könnten; dies auch dann nicht, wenn das Fahrzeug nur kurz zuvor abgestellt und verschlossen worden sei. Das Entfernen von dem abgestellten Fahrzeug würde keine typische Fahrerhandlung sein, sondern ein von den Aufgaben als Kraftfahrer unabhängiges Verhalten, vergleichbar mit anderen Fußgängern, die sich möglicherweise unachtsam im Straßenverkehr bewegen.

Nach dem Hinweisbeschluss wurde die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 17.05.2018 zurückgewiesen.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 05.04.2018 - 6 U 163/17 -