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Freitag, 4. August 2017

Sachverständigensuche durch das Gericht und § 356 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG

Viele Verfahren sind davon abhängig, dass ein Sachverständiger sich zu einem bestimmten Problem kreis äußern soll. Sei es zur Feststellung eines bestimmten Geschehensablaufs, sei es zur (nicht rechtlichen) Bewertung eines solchen. So auch vorliegend: Die Parteien stritten um die Zahlung restlichen Werklohns. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, da die Klägerin trotz Hinweis die geforderten Nachtragspreise nicht auf die Preisermittlungsgrundlagen des Hauptvertrages zurückführte.  As OLG hat im Berufungsverfahren sodann darauf abgestellt, ob es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Einheitspreisen um eine übliche Vergütung handele und diesbezüglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Nacheinander wurden vier Sachverständige vom OLG beauftragt, aber keiner sah sich in der Lage, die Beweisfrage zu beantworten. Daraufhin hat das OLG die Berufung der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, die Sachverständigen hätten die Beweisfrage nicht beantworten können und ein geeigneter Sachverständiger sei nicht ersichtlich. 

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil war teilweise erfolgreich; in diesem Rahmen war die anschließende Revision erfolgreich.

Der BGH sieht hier Art. 103 Abs. 1 GG (den Anspruch auf rechtliches Gehör) verletzt. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes verstoße stets gegen Art. 103 ZPO, wen sie im Prozessrecht  keine Stütze finde. Auch wenn zwar der Richter das Beweisangebot zur Kenntnis genommen hat, aber die unterlassene Beweisaufnahme im Prozessrecht keine Stütze findet, sei Art. 103 Abs. 1 GG ebenfalls verletzt.

Die Suche nach einem geeigneten Sachverständigen obliege dem Gericht. Dieses könne die Parteien auffordern, einen geeigneten Sachverständigen zu bezeichnen, § 404 Abs. 4 ZPO. Kann das Gerichtallerdings unter Ausschöpfung aller Quellen keinen geeigneten Sachverständigen finden, könne es nach Maßgabe des § 356 ZPO von der Beweiserhebung absehen. Die entsprechenden Erwägungen müssen, eventuell unter Bezugnahme auf entsprechende Verfügungen und Beschlüsse, nachvollziehbar im Urteil dargelegt werden. Es müssen auch sämtliche Bemühungen des Gerichts so dargelegt werden, dass sich aus ihnen der Schluss ergibt, dass der Beweis durch einen Sachverständigen nicht geführt werden kann.

Diesen Anforderungen entsprach nach Auffassung des BGH das angefochtene Urteil des OLG nicht. Es seien Kontaktaufnahmen zu Kammern, Berufsverbänden und Institute nicht dokumentiert. Einer der sachverständigen sei wegen fehlenden einschlägigen Fachgebiet abgelehnt worden, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, sich dazu zu äußern. Ein weiterer Sachverständiger wurde lediglich auf Grund von Angaben eines ersten Sachverständigen abgelehnt. Eine Kontaktaufnahme zu einem mit betriebswirtschaftlicher Kalkulation betrauten Sachverständigen, der eigene Sachkunde hätte bejahen oder einen anderen sachverständigen hätte vorschlagen können, wurde ebenfalls nicht dokumentziert.

Der Umstand, dass die Klägerin im Beschwerdeverfahren selbst keinen Sachverständigen benannte, sei unbeachtlich, da die Benennung des Sachverständigen nicht der beweisführenden Partei obläge.


BGH, Beschluss vom 29.03.2017 - VII ZR 149/15 -