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Sonntag, 21. Januar 2024

Erstattung von Gutachterkosten wenn Schadensgutachter und Werkstatt eine Einheit sind ?

Der Kläger hatte nach einem Verkehrsunfall ein Sachverständigenbüro (eine Gesellschaft bürgerlichen Rechte [GbR]) mit der Erstellung eines Gutachtens zu den unfallbedingten Schäden an seinem Fahrzeug beauftragt. Das Gutachten wurde erstellt und mit € 665,26 berechnet, zuzüglich Kosten der Werkstatt für die für die Gutachtenerstellung zur Verfügung gestellte Hebebühne mit € 184,45. Die Rechnung über € 665,26 wurde von der Beklagten an den Kläger gezahlt. Die restlichen € 184,45 klagte er ein. Die Beklagte, die Klageabweisung beantragte, erhob Widerklage auf Rückzahlung der gezahlten € 665,26 mit der Begründung, zwischen dem Sachverständigen und er Reparaturwerkstatt bestünde Personenidentität. Das Amtsgericht (AG) wies die Klage ab und gab der Widerklage statt.

 Die Haftung der Beklagten nach §§ 7, 18 StVG iVm. § 115 VVG stand außer Streit. Streitig waren hier lediglich die Gutachterkosten. Zwar anerkannte das AG, dass die Kosten für das eingeholte Gutachten zu den Kosten gehören würde, die mit dem Unfall unmittelbar verbunden seien und deren Vermögensnachteile gemäß § 249 BGB auszugleichen seien, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig sei (BGH, Urteil vom 17.12.2019 - VI ZR 315/18 -). Würde das Fahrzeug repariert, diene das Gutachten eines neutralen Sachverständigen der Kontrolle der von der Werkstatt angerechneten Kosten durch den Geschädigten und den Schädiger sowie zur Überzeugung des ersatzpflichtigen Haftpflichtversicherers. Nur wenn sich das Gutachten nachträglich als ungeeignet erweise und dies vom Geschädigten zu vertreten sei (z.B.  Auswahlverschulden des Geschädigten), würde dies den Erstattungsanspruch tangieren. Dies sei dann der Fall, wenn der Geschädigte auf ein Gutachten vertraue, welches nicht frei sei von dem Verdacht unsachlicher Interessenswahrnehmung (LG München II, Beschluss vom 16.08.2017 - 8 S 2704/17 -), oder wenn ein Arbeitnehmer des an der Reparatur interessierten Betriebs oder gar dessen Geschäftsführer bzw. Gesellschafter als Sachverständiger beauftragt würde (LG Freiburg i. Breisgau, Urteil vom 25.10.2011 - 9 S 21/11 -).

Dass Amtsgericht sah hier den erheblichen Verdacht einer unsachlichen Interessenswahrnehmung als gegeben an. Dies leitete es daraus ab, dass dieselbe GbR Inhaberin sowohl des Sachverständigenbüros wie auch der Reparaturwerkstatt war. Damit könne das Gutachten seinen Zweck nicht erfüllen, die Kontrolle der von der Reparaturwerkstatt abgerechneten Kosten und die Überzeugung des Haftpflichtversicherers zu gewährleisten. Die gelte unabhängig von der Frage, ob das Gutachten inhaltlich richtig sei. Der Zweck des Gutachtens markiere den wesentlichen Unterschied zwischen einem bloßen Kostenvoranschlag bei der Reparaturwerkstatt, weshalb die Erstattungsfähigkeit der Kosten für einen Kostenvoranschlag nicht zugunsten der Erstattungsfähigkeit der regelmäßig um ein Vielfaches höheren Kosten eines Gutachtens fruchtbar gemacht werden könnten.

Hier treffe den Kläger auch ein Auswahlverschulden. Er habe zumindest fahrlässig gehandelt und die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, § 276 Abs. 2 BGB. So habe er das Gutachten, die Gutachterhilfearbeiten (Hebebühne) und die Reparatur in einem Formular beantragt, ferner am gleichen Tag in einem Auftragsformular an de Reparaturwerkstatt erneut Nebenarbeiten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens beauftragt und vorgegeben, dass die Reparatur nach Maßgabe des Gutachtens erfolgen solle. Diese einheitlichem gemeinsame und gleichzeitige Auftragserteilung der Arbeiten zur Gutachtenerstellung und Reparatur habe eine dem Kläger deutlich erkennbare enge Verbindung zwischen dem Sachverständigenbüro und der Werkstatt aufgezeigt. Das sei auch deshalb für den Kläger erkennbar gewesen, da das Sachverständigenbüro ausweislich des Gutachtens und die Werkstatt ausweislich deren Rechnung für die Gutachterhilfe unter der gleichen Anschrift firmieren würden.  Zudem sei auch der Berater des Klägers ausweislich des Formulars für die umfassende Auftragserteilung, dessen Nachname auch Teils des Namens der GbR gewesen sei, die Inhaberin des Sachverständigenbüros sei.

Damit hätte der Kläger erkennen müssen, dass das Gutachten dem Verdacht der unsachlichen Interessensausübung ausgesetzt sein würde und seinem Zweck der neutralen Schadenskalkulation nicht erfüllen könne. Auch wenn der Kläger seinen Angaben zufolge zwischenzeitlich statt der Reparatur eine fiktive Abrechnung verfolgt haben sollte, bevor er sich wieder zur Reparatur entschieden habe, würde dies das ursprünglich verwirklichte Auswahlverschulden nicht tangieren können.

Im Hinblick darauf könne der Kläger die Erstattung der € 184,45 nicht verlangen.

Die Beklagte hingegen könne nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB die Rückzahlung der gezahlten Gutachterkosten von € 665,26 verlange, da diese der Kläger ohne Rechtsgrund erhalten habe, da der Kläger vorliegend keinen Erstattungsanspruch auf Sachverständigenkosten (und damit im Zusammenhang stehenden Kosten) habe. Dabei sei unerheblich, ob die Klägerin die Zahlung an den Kläger oder den Sachverständigen geleistet habe, da auch im Falle direkter Zahlung an den Sachverständigen dies zugunsten des Klägers erfolgt wäre (der dem Sachverständigen gegenüber schuldrechtlich verpflichtet war).

Anmerkung: Das Urteil ist in der Sache zu begrüßen und stellt sich vom Ablauf leider auch nicht als Einzelfall dar. Immer häufiger werden Kfz-Reparaturwerkstätten mit Sachverständigen „aus dem eigenen Haus“ angetroffen. Da eine Überprüfung des vom Geschädigten Sachverständigengutachtens in der Regel durch den Schädiger bzw. dessen Versicherers durch eigene Begutachtung des beschädigten Kraftahrzeugs nicht möglich ist, also auf die Grundlagen in dem eingeholten Gutachten abgestellt werden muss, ist es wichtig, dass eine gewisse Neutralität des Sachverständigen vorliegt, um seien Befundungen zu Schädigungen pp. überhaupt einer Bewertung zugrunde legen zu können. An dieser Neutralität fehlt es, wenn der Sachverständige als Kfz-Werkstattinhaber bzw. Mitarbeiter oder Gesellschafter einer solchen ein eigenes Interesse an der Reparatur hat und so die Gefahr fehlerhafter Gutachten, die ggf. infolge erfolgter Reparatur nicht mehr ausreichend geprüft werden können, besteht. Richtig wird vor diesem Hintergrund vom Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass es auf eine (evtl., gar nicht mehr mögliche) Prüfung der Richtigkeit des Gutachtachtens ankommen kann, da das dem Erstattungsanspruch entgegenstehende fehlerhafte Auswahlermessen bereits vor der Gutachtenerstellung lag.

AG Hanau, Urteil vom 18.10.2023 - 39 C 30/23 -

Sonntag, 6. November 2022

Erstattungsanspruch von Gutachterkosten bei Verschweigen von Vorschäden ?

Der Kläger machte Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend, u.a. die ihm entstandenen Gutachterkosten. Nach dem Gutachten lag ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Streitig waren (hier noch) die Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten und der Wiederbeschaffungswert. Der Kläger hatte den von ihm beauftragten Gutachter nicht über Vorschäden informiert, die damit auch von ihm im Rahmen der Feststellung des Wiederbeschaffungswertes nicht berücksichtigt worden seien. Das Landgericht gab der Klage statt. Mit Hinweisbeschluss gem. § 522 ZPO wies das OLG die Beklagten darauf hin, dass es beabsichtige die Berufung zurückzuweisen (woraufhin die Berufung zurückgenommen wurde).

Unstreitig war, dass die Schadenshöhe unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt war. Das Landgericht habe, so das OLG, diesen zutreffend im Rahmen des § 287 ZPO auf € 2.200,00 geschätzt und dabei auch die Vorschädigungen berücksichtigt.

Die Darlegungslast zum Wiederbeschaffungswert obliege auch im Rahmen des § 287 ZPO dem Kläger, der auch zu den Vorschäden vorzutragen habe. Der Wiederbeschaffungswert entspräche dem Wert eines vergleichbaren Fahrzeuges ohne den streitgegenständlichen Unfallschaden und könne nur ermittelt werden, wenn feststünde, in welchem konkreten Zustand sich das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt (also direkt vor dem Schadensereignis) befunden habe, wobei zu diesem Zeitpunkt vorhandene Alt- und Vorschäden den Wert mindern könnten.

Vorliegend habe der Kläger zu den Vorschäden (und deren Behebung) ausreichend vorgetragen. Inwieweit diese Vorschäden von den konkreten Unfallschäden abgrenzbar seien, sei für die Höhe der Reparaturkosten gem. § 240 Abs. 2 S. 1 BGB von Relevanz. Darauf sei es hier aber nicht angekommen, da auch nach Bereinigung der Reparaturkosten um diese Vorschäden immer noch ein wirtschaftlicher Totalschaden vorlag (Reparaturkosten nach vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten € 4.213,60).

Dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen seien die Vorschäden (und Selbstreparatur) am klägerischen Fahrzeug bekannt gewesen. Er habe ausgeführt, dass bei einem durchschnittlichen Fahrzeug mit diesem Alter und der Laufleistung der Punkt erreicht sei, bei dem nicht mehr viel Wertverlust eintreten könne und kleinere Vorschäden keine Rolle mehr für den Wiederbeschaffungswert spielen würden.

In Bezug auf die Sachverständigenkosten für das Privatgutachten anerkannte das OLG mit dem Landgericht einen Freistellungsanspruch des Klägers. Diese seien unmittelbar mit dem Schaden verbunden und gem. § 249 BGB auszugleichender Vermögensnachteil, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig war. Die Erstattungsfähigkeit sei in diesem Fall auch gegeben, wenn das Gutachten objektiv mangelhaft oder gar unbrauchbar sei; anderes gelte nur, wenn der Geschädigte (hier Kläger) dies zu vertreten habe. Dieses Vertretenmüssen sei dann der Fall, wenn der Geschädigte einen erkennbar ungeeigneten Gutachter beauftrage oder dem von ihm beauftragten Gutachter erhebliche Vorschäden verschweige und dieser deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelange. Zwar seien vorliegend die Vorschäden vom Kläger gegenüber dem von ihm beauftragten Gutachter verschwiegen worden, doch sei dies nicht kausal geworden.

Der Gutachter habe in seinem Gutachten nicht dargelegt, wie er zu einem Wiederbeschaffungswert von von ihm angegeben € 7.000,00 gelangte und damit bei von ihm angegebenen Reparaturkosten von € 5.731,50 zu einen Reparaturschaden, der den Wiederbeschaffungswert nicht überschritt, obwohl der Wiederbeschaffungswert, wie das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten ergab, weit unter den Reparaturkosten lag. Diese Fehlerhaftigkeit könne dem Kläger aber nicht angelastet werden, da weder der ausgeworfene Wiederbeschaffungswert von € 7.000,00 begründet wurde, noch die Nichtberücksichtigung der Vorschäden nach den Angaben des gerichtlich beauftragten Sachverständigen Einfluss auf den Wiederbeschaffungswert hatten.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 11.04.2022 - 7 U 33/21 -

Freitag, 14. Oktober 2022

Unfallreparatur und Schaden bei Select-Partnerschaft der Werkstatt mit Kaskoversicherung

Nach einem Verkehrsunfall (bei einer Haftung der Beklagten zu 100%) ließ die Geschädigte das Fahrzeug zu angemessenen und ortsüblichen € 13.302,02 von der Klägerin reparieren. Die Reparaturkosten verlangte Geschädigte von der Beklagten ersetzt. Der Ausgleich verzögerte sich, so dass die Geschädigte ihren Kaskoversicherer in Anspruch nahm, deren Select-Partner die Klägerin war, die nunmehr der Geschädigten eine neue Rechnung für die Reparatur über € 8.152,04 berechnete, der von der Kaskoversicherung an die Klägerin gezahlt wurde. Die Beklagte erstattete der Kaskoversicherung den Betrag von € 8.152,04 (weshalb eine Höherstufung des Schadensfreiheitsrabattes bei der Geschädigten nicht erfolgte).  Nunmehr machte die Klägerin die Differenz zwischen dem zwei Rechnungen aus abgetretenen Recht gegenüber der Beklagten geltend. Die Klage wurde abgewiesen. Die Berufung wurde vom OLG im Beschlussweg nach § 522 ZPO zurückgewiesen.

Die Klägerin machte geltend, weder der Abschluss der Kaskoversicherung durch die Geschädigte noch deren Inanspruchnahme hätten dem Schutz der Beklagten bezweckt. Der ursprüngliche Rechnungsbetrag stelle die effektiven Kosten dar und könne von daher auch begehrt werden. Das OLG konzediert der Klägerin, dass die Besserstellung des Unfallgegners nicht Sinn und Zweck des Abschlusses der Kaskoversicherung sei und die Geschädigte auch bei Erstattung sämtlicher ihr dadurch entstehender Nachteile grundsätzlich nicht zur Inanspruchnahme der Kaskoversicherung hätte gezwungen werden können. Allerdings ließ das OLG ausdrücklich offen, ob hier aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung im Hinblick auf die wesentlich niedrigeren Abrechnungssätze des Select-Programms etwas anderes geltend könnte; da sich die Geschädigte aus unbekannten Gründen nur zur vorübergehenden Inanspruchnahme der Kaskoversicherung entschied (durch die Rückzahlung an die Kaskoversicherung wurde die Geschädigte auch nicht im Schadensfreiheitsrabatt höhergestuft), seien für das Verhältnis der Geschädigten zur Beklagten auch die Schadensbeträge maßgeblich, die ihr auf diesem von ihr gewählten Weg des Schadensersatzes entstanden seien. Nur diesen (geringeren) betrag könne sie als Schadensersatz verlangen und damit auch nur diesen Schaden an die Klägerin abtreten. Die Kaskoversicherung habe diesen Schaden der Geschädigten ausgeglichen und von der Beklagten erhalten. Ein abtretungsfähiger Restbetrag sei nicht verblieben.

Zudem habe die Klägerin ihre Reparaturleistungen nur einmal gegenüber der Klägerin in Rechnung stellen können. Mit der letzten Rechnung habe die Klägerin im Verhältnis zur Geschädigten - konkludent oder ausdrücklich - die ursprüngliche Rechnung (mit gleicher Kundennummer aber anderer Rechnungsnummer) aufgehoben und die geschuldeten Reparaturkosten auf den Betrag der neuen Rechnung beschränkt.  Damit schuldete die Geschädigte auch der Klägerin keinen höheren Betrag und konnte mithin auch keine Abtretung mehr vornehmen.

Anmerkung: 

Letztlich sparte die Beklagte durch die Zahlungsverzögerung auf die erste Rechnung einen Betrag von rund € 5.000,00. Hintergrund war, dass die Geschädigte ihr Fahrzeug in einer Werkstatt reparieren ließ, die mit dem Kaskoversicherer einem Vertragsverhältnis stand, bei dem Verrechnungssätze vereinbart waren, die unter den marktüblichen Sätzen lagen. Da beide Rechnungen an die Geschädigte ausgestellt wurden, konnte die ursprüngliche Rechnung nur als zurückgenommen angesehen werden, jedenfalls für den (hier vorliegenden Fall), dass die zweite Rechnung (wie geschehen) ausgeglichen wurde. Da auch die Beklagte diesen Betrag an den Kaskoversicherer, der hier die Rechnung für die Geschädigte ausgeglichen hatte (und auf dem damit die Forderung übergegangen war, § 86 VVG), konnte die Werkstatt ihre ursprüngliche, der Höhe nach an sich nicht zu beanstandende Rechnung nicht mehr in Höhe des Differenzbetrages geltend machen, da weder der Kaskoversicherer (nach § 86 VVG aus übergegangenen Recht) noch die Geschädigte einen weitergehenden Schaden hatte.

Interessant wäre nun, ob ein Ausgleichsanspruch auf den ursprünglichen Rechnungsbetrag bestanden hätte, wenn die Geschädigte zwar bei Inanspruchnahme des Kaskoversicherers in den Vorteil der Select-Partnerschaft des Reparaturbetriebs mit dem Kaskoversicherer gekommen wäre, allerdings die Kaskoversicherung nicht in Anspruch genommen hätte: Wäre sie dann zur Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) verpflichtet gewesen, diese in Anspruch zu nehmen (offen gelassen vom OLG) ? Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, dass der „erforderliche Geldbetrag“, der nach § 249 Abs. 2 BGB vom Schädiger für die Herstellung des vorherigen Zustandes zu zahlen ist, niedriger ist als der hier als angemessen und ortsüblich angesehene Betrag, wenn sichergestellt ist, dass dieser Betrag gezahlt wird und damit eine Höherstufung in der Kaskoversicherung ausgeschlossen wird. In einem solchen Fall wird man wohl aus dem Gedanken der Schadensminderungspflicht heraus von dem Geschädigten verlangen können, seine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Der Schadensersatzanspruch stellt sich nicht als Bestrafung des Schädigers dar, sondern als Ausgleichsanspruch des Geschädigten für erforderliche Aufwendungen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Wenn dieser günstiger erreicht werden kann, so ist der Geschädigte gehalten, davon Gebrauch zu machen. Dies lässt sich auch aus der Rechtsprechung zur Frage ableiten, ob der Geschädigte auf eine gegenüber markengebundenen Werkstäten günstigere freie Kfz-Werkstatt verwiesen werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 23.02.2010 - VI ZR 91/09 - und vom 28.04.2015 - VI ZR 267/14 -).

OLG Koblenz, Beschluss vom 22.07.2022 - 12 U 454/22 -

Mittwoch, 13. Juli 2022

Ausbau der Wohnung und Unmöglichkeit der Rückgewähr derselben nach Rücktritt des Verkäufers

Die Kläger verkauften an die Beklagten mir notariellen Kaufvertrag in Verbindung mit einer notariellen Baubeschreibung eine Eigentumswohnung. Nach dem Vertrag und der Baubeschreibung sollten die Beklagten bestimmte Bauleistungen hinsichtlich Herstellung/Sanierung eines als „Rohloft“ bezeichneten Rohbaus einer Eigentumswohnung sowie des Gemeinschaftseigentums erbringen; die Beklagten verpflichteten sich zum Innenausbau einschließlich Kalt- und Warmwasser, Heizung, Abwasser, Strom, Telefon und Breitbandkabelanschluss. Die Decken sollten ohne Brandschutzbeschichtung an die Beklagten übergeben werden (die dies nach dem Vertrag gemäß Baugenehmigung selbst erbringen wollten).

Die Kläger traten von dem Vertrag zurück und machten klageweise die Rückauflassung Zug um Zug gegen Zahlung des von den Beklagten gezahlten Entgelts  geltend.  Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass jedenfalls nach § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine Rückgewähr nicht in Betracht käme, da durch den Ausbau der Wohnung durch die Beklagten in eine bewohnbare Wohnung die Wohnung im Sinne der Norm umgestaltet worden sei; allenfalls könnten die Kläger Wertersatz begehren. Die dagegen von den Klägern eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen.

Ebenso wie das Landgericht ließ das Oberlandesgericht offen, ob den Klägern ein Rücktrittsgrund zustand, der dann einen möglichen Rückauflassungsanspruch begründen könnte. Richtig habe das Landgericht dahingehend erkannt, dass der Rückauflassung § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB entgegen stehen würde.

Grundsätzlich seien die Parteien bei einem wirksamen zur Rückgewähr der gegenseitig empfangenen Leistungen verpflichtet., § 346 Abs. 1 BGB. Dieser Anspruch entfalle, wenn der Rückgewährschuldner nicht in der Lage sei, den empfangenen Gegenstand zurückzugeben oder ihn lediglich in veränderter Form zurückgeben könne , § 346 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 20.02.2008 - VIII ZR 334/06 -). In diesem Fall würde der Rückgewährschuldner dem Gläubiger zum Wertersatz verpflichtet sein (der hier nicht gefordert wurde), nicht jedoch zur Wiederherstellung in Form der Naturalrestitution gem. § 249 BGB (BGH, Urteil vom 10.10.2008 - V ZR 131/09 -).

Der von den Beklagten erhaltene Rohbau sei in der fertiggestellten Eigentumswohnung aufgegangen. Damit läge der Fall des § 346  Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB vor. Der Gesetzgeber habe - anders als noch in § 352 BGB a.F. - den Rücktritt nicht daran scheitern lassen wollen, dass der Rückgewährschuldner den erhaltenen Gegenstand nicht mehr herausgaben kann, weshalb er die Verknüpfung mit dem Wertersatz in § 346 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB vorgenommen habe.

Ob eine Sache anderer Art gegeben sei, , sei nach der zu § 950 BGB ergangenen Rechtsprechung zur Herstellung durch Verarbeitung und Umbildung zu beurteilen. Danach sei eine bewusste menschliche oder menschlich gesteuerte Arbeitsleistung erforderlich, die den ursprünglichen Gegenstand auf eine höhere Wertschöpfungsebene hebe. Die neue Sache müsse eine eigenständige, gegenüber der bearbeiteten Sache weitergehende Funktion erfüllen (BGH, Urteil vom 10.07.2015 - V ZR 206/14 -).  Zudem könne für Grundstücke auf die Rechtsprechung zu § 818 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden. Dort sei anerkannt, dass die Pflicht zum Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB nur dann an die Stelle der primären Herausgabepflicht trete, wenn die Unmöglichkeit der Herausgabe feststehen würde. Die Herausgabe eines Grundstücks sei auch dann unmöglich, wenn es nach der Übereignung bebaut würde (BGH, Urteil vom 10.07.1981 - V ZR 79/80 -; RGZ 117, 112, 113).

Danach hätten die Beklagten den Rohbau nicht nur verändert, sondern auch nach wirtschaftlicher Betrachtung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung, die einen Rohbau und eine Wohnung als Gegenstände mit unterschiedlichen Charakter und Funktion behandele, durch den Innenausbau einen anderen Gegenstand geschaffen. Nicht entscheidend sei, ob die Beklagten ihrer vertraglichen Verpflichtung nachgekommen seien, den Innenausbau unter Begleitung eines Architekten vorzunehmen, da es für die Werthaltigkeit darauf nicht ankäme. Ausgenommen des streitigen Aufbringens einer Brandschutzbeschichtung hätten die Kläger keine konkreten Einwendungen gegen eine fachgerechte Ausführung erhoben.

OLG Brandenburg, Urteil vom 13.04.2022 - 4 U 61/21 -

Mittwoch, 1. Juni 2022

Keine Umsatzsteuer bei Teilreparatur und fiktiver Schadensabrechnung

Die Klägerin verlangte nach einem Verkehrsunfall Schadensersatz. Der Sachverständige bezifferte die Reparaturkosten mit netto € 5.521,63; ob die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs der Klägerin durch den Unfall beeinträchtigt war, war streitig. Auf Basis der Feststellungen des Sachverständigen nahm die Klägerin die Abrechnung des Schadens vor und verlangte von der Beklagten Zahlung der vom Sachverständigen ermittelten Nettoreparaturkosten, die die Beklagte auch ausglich. Sodann ließ die Klägerin eine Teilreparatur durchführen, für die sie € 4.454,63 zuzüglich Umsatzsteuer von € 846,38 zahlte. Diese Umsatzsteuer machte sie bei der Beklagten geltend, die die Zahlung ablehnte, woraufhin die Klägerin Klage erhob. Klage und Berufung der Klägerin waren erfolglos. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH stellte fest, es könne auf sich beruhen, ob das Fahrzeug nach dem Unfall noch verkehrs- und betriebssicher war oder für die Wiedererlangungen derselben die Teilreparatur erforderlich war. Entscheidend sei, das die Klägerin den Weg der fiktiven Schadensabrechnung gewählt habe und auch nicht zu einer konkreten Berechnung des Schadens auf der Grundlage der durchgeführten Reparatur übergegangen sei. Nach § 249 Abs. 1 BGB sei vom Schädiger der zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn es zu dem den Ersatzanspruch begründenden Umstand nicht gekommen wäre. Bei der Beschädigung einer Sache könne der für die Herstellung erforderliche Geldbetrag verlangt werden. Dabei könne der Geschädigte zwischen der konkreten Abrechnung nach den tatsächlich aufgewandten Kosten und einer fiktiven Abrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens wählen. Eine Vermengung beider Abrechnungsarten sei aber unzulässig. Damit solle verhindert werden, dass der Geschädigte in Form eines Rosinenpickens die ihm vorteilhaften Elemente der jeweiligen Berechnungsart heraussuche und damit bereichere. Zudem würde so die innere Kohärenz der jeweiligen Berechnungsart sichergestellt.  

Der Geschädigte habe bei der Wahl der Art des Schadensersatzes eine Dispositionsfreiheit. Er müsse also nichts zu von ihm veranlassten oder nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen vortragen. Mit seiner Schadensberechnung auf Basis des Sachverständigengutachtens habe die Klägerin dahin disponiert, sich mit Ersatz auf abstrahierter Basis zufrieden zu geben.  Dadurch sei ihr auch kein Schaden entstanden, da sie noch später (bei Vorliegend er Voraussetzungen und fehlender Verjährung) zur konkreten Schadensberechnung übergehen könne.  

Im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung könne Umsatzsteuer nicht begehrt werden, auch wenn diese bei Durchführung der Reparatur anfällt. Dies würde zur unzulässigen Kombination von fiktiver und konkreter Schadensberechnung führen. Umsatzsteuer zur Wiederherstellung einer Sache sei nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nur zu zahlen, wenn und soweit sie tatsächlich anfalle. Damit begrenze die Norm den die Dispositionsbefugnis bei fiktiver Abrechnung.

Auch bleibe die Umsatzsteuer nicht nur fiktiv, wenn es nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung käme, sondern auch dann, wenn der Geschädigte zwar Wiederherstellungsmaßnahmen (die umsatzsteuerpflichtig sind) ergreife, dies aber nicht zur Grundlage seiner Abrechnung mache, sondern es dabei belässt, den Schaden fiktiv abzurechnen. Der Geschädigte könne die Restitutionsmaßnahme nicht (in Bezug auf die Umsatzsteuer) teilweise  zum Gegenstand seiner im Übrigen fiktiven Abrechnung machen.

Diese Grundsätze würden auch bei einer Teilreparatur gelten.

Zwar könne eine Teilreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit grundsätzlich zur Voraussetzung für die Abrechenbarkeit fiktiver Reparaturkosten werden, wenn diese den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) überschreiten würden. Dadurch würde das Integritätsinteresse des Geschädigten und seine Dispositionsfreiheit geschützt. Diese umsatzsteuerpflichtige Teilreparatur würde in diesem Fall erst die fiktive Abrechnung ermöglichen. Allerdings sei es dem Geschädigten nicht erlaubt, auf diesen Weg durch eine Vermengung von fiktiver und konkreter Abrechnung die Vorteile der konkreten Abrechnung zu sichern. Auch in diesen Fall wäre zu beachten, dass die Umsatzsteuer nur auf die Teilreparatur anfalle, nicht aber auf die der Schadensberechnung zugrunde gelegte fiktive Reparatur des gesamten Schadens.

Danach habe der Geschädigte keinen Anspruch auf die Umsatzsteuer bei einer Teilreparatur,  obwohl sie angefallen sei, da fiktiv der gesamte Schaden (und damit auch der reparierte Teil) abgerechnet worden sei.

BGH, Urteil vom 12.05.2022 - VI ZR 7/21 -

Sonntag, 17. Oktober 2021

Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren des Gläubigers trotz Klagedrohung ?

Wer bei Fälligkeit einer Forderung und Verzug (sei es durch Mahnung oder zulässige Frist nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) nicht zahlt, wird häufig vor einer Zahlungsklage des Gläubigers eine anwaltliche Mahnung erhalten, deren Kosten der Gläubiger ersetzt haben will. Kann er diese aber in jedem Fall begehren ?

Der BGH musste sich mit der Frage der Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltsgebühren befassen. Dem lag der Erwerb eines Diesel-Fahrzeuges durch den Kläger zugrunde, der durch anwaltliches Schreiben die Beklagte Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs zur Erstattung des Kaufpreises aufforderte. Nach fruchtlosen Ablauf der dort gesetzten Frist erhob er Klage, mit der er u.a. die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von € 1.171,67 (in Form eines Freistellungsantrages) geltend machte. Während des Landgericht der Klage im Wesentlichen stattgab, hat das Berufungsgericht – unter Zulassung der Revision – die Klage in Bezug auf die Anwaltsgebühren abgewiesen. Die Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH wies darauf hin, dass es sich bei den geltend gemachten Rechtsanwaltskosten um einen Schadensersatzanspruch handele, der in erster Linie Sache des nach § 287 BBGB besonders frei gestellten Tatrichters sei und von daher nur dahingehend geprüft werden könne, ob dieser Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt habe, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt habe.

Ob und inwieweit der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Rechtsanwaltskosten erfasse müsse unter Beachtung des Unterschiedes zwischen dem Innenverhältnisses des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten (Geschädigten) und des Außenverhältnisses zwischen Geschädigten zum Schädiger entschieden werden. Voraussetzung sei stets, dass im Innenverhältnis ein Anspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten auf Zahlung der Gebühren bestehe und im Außenverhältnis mit Rücksicht auf seine spezielle Situation die konkrete anwaltliche Tätigkeit erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urteil vom 22.01.2019 - VI ZR 403/17 -). Ob eine vorgerichtliche anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts nach Nr. 2300 VV RVG auslöse oder als lediglich vorbereitende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1S. 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug und daher mit der prozessualen Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten sei, gehöre dem Innenverhältnis an und sei von Art und Umfang des erteilten Mandats abhängig. Sei der unbedingte Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung erteilt, würden bereits Vorbereitungsmaßnahmen diese Gebühr auslösen, auch wenn der Rechtsanwalt zunächst nur außergerichtlich tätig würde. In diesem Fall sei kein Raum für die Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Nur wen sich der Auftrag an den Rechtsanwalt auf die die außergerichtliche Tätigkeit beschränke oder der Prozessauftrag nur unter der aufschiebenden Bedingung der erfolglosen außergerichtlichen Tätigkeit beziehe, entstehe die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG.

Dies sei vom Landgericht im Rahmen des § 287 ZPO berücksichtigt worden. Es habe ausgeführt, der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, seinen Rechtsanwalt lediglich mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt zu haben oder einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben. Grundlage war das vorgelegtes außergerichtliches Schreiben des Rechtsanwalts, in dem er darauf hinwies, dass für den Fall, dass nicht innerhalb der Frist gezahlt würde oder kein angemessenes Vergleichsangebot erfolge, Klage erhoben würde. Dies sei ein Indiz gegen die Behauptung, es sei nur ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung oder nur ein bedingter Prozessauftrag erteilt worden. Zwar ließe sich aus der nach außen gerichteten Tätigkeit des Rechtsanwalts und der dort vorgenommenen Klageandrohung nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass er diese Tätigkeit im Rahmen eines ihm bereits unbedingt erteilten Klageauftrages ausübte oder ihm im Innenverhältnis tatsächlich zunächst nur eine Vertretungs- und kein (unbedingter) Prozessauftrag erteilt worden sei. Diese Unsicherheit gehe aber zu Lasten des Klägers, der darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen habe, dass er seinen Anwalt einen Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung erteilt habe.

BGH, Urteil vom 22.06.2021 - VI ZR 353/20 -

Mittwoch, 8. Juli 2020

Verletzungsbedingter Mehraufwand (hier für Betreuer) im Urlaub als Schaden ?


Die Klägerin, die eine Rundumbetreuung bedurfte, machte gegen den Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung Ersatz von behinderungsbedingten Mehrkosten einer Urlaubsreise geltend. Es handelt sich um die Zusatzkosten für drei Personen für eine Woche in einem auf schwerbehinderte Menschen spezialisierten Hotel auf Gran Canaria, bei denen sie von den Kosten ersparten Verpflegungsaufwand abzog, und um eigene zusätzliche Kosten für die Reisedurchführung mittels Rollstuhltransport und die erhöhten Kosten durch die Spezialisierung des Hotels.

Die Klage war erfolgreich; die Revision der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.

Die Einstandspflicht des Schädigers erstrecke sich auf alle Vermögeneinbußen des Geschädigten aus der diesem zugefügten Verletzung, § 249 Abs. 1 BGB. Insoweit habe der Schädiger den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Damit seien insbesondere auch die infolge dauernder Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens entstehenden Nachteile auszugleichen. Hierzu würden auch verletzungsbedingt erforderliche Kosten einer Begleitung (so bei Spaziergängen, Behördengängen, zu kulturellen Veranstaltungen u.a.) gehören. Der Mehrbedarf bestimme sich nach den Dispositionen, die ein verständiger Geschädigter an Mitteln aufwenden würde, wenn er diese selbst zu tragen habe und tragen könnte.

Die Ersatzpflicht bei einer Urlaubsreise sei dann ausgeschlossen, wenn die vom Geschädigten vorgenommene Ortsveränderung mit unverhältnismäßigen und für den Schädiger nach Trau und Glauben nicht zumutbaren Aufwendungen verbunden sei. Auf eine medizinische Notwendigkeit der Ortsveränderung käme es allerdings nicht an.

Soweit die Parteien einen endgültigen Vergleich zu den immateriellen Kosten geschlossen hatten, wies der BGH die Rechtsansicht der Beklagten zurück, es würde sich hier bei den Mehraufwendungen für die Betreuung um eine Kompensation für Einschränkungen der Freizeitgestaltung handeln und damit um einen immateriellen Schaden. Die Kosten seien entstanden, da die Klägerin die Reise aufgrund der Behinderung nur in Begleitung von Betreuungspersonen und unter Inanspruchnahme besonderer Dienstleistungen (so der Rollstuhltransport) habe unternehmen können. Es handele sich um Aufwendungen, die die Reise erst ermöglichen würden und damit der Herstellung eines Zustandes dienen würden, der möglichst nahe dem Zustand käme, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Der Ersatzanspruch beruhe daher auf § 249 BGB und stelle sich nicht als Ausgleich dafür dar, dass die Klägerin ihren Urlaub nicht so genießen könne, wie dies ohne das schädigende Ereignis möglich gewesen wäre.

BGH, Urteil vom 10.03.2020 - VI ZR 316/19 -

Freitag, 2. Juni 2017

Zur fiktiven Berechnung des Unfallschadens auf Basis eines Gutachtens und Geltendmachung von Kosten für eine Reparaturbestätigung

Die Klägerin machte Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend, Dabei streiten die Parteien einzig (noch) um eine Schadensposition, nämlich die Kosten für eine Reparaturbestätigung. Ein von der Klägerin beauftragter Sachverständiger hatte die Reparaturkosten in einem Gutachten ermittelt und die Klägerin rechnete gegenüber der beklagten Haftpflichtversicherung auf Basis dieses Gutachtens ab und bekam von ihr die ermittelten Reparaturkosten netto ausgezahlt. Sodann ließ sie von ihrem Lebensgefährten, einem gelernten Kfz-Mechaniker, die Reparatur  vornehmen und sich die Ordnungsgemäßheit von dem Sachverständigen gegen Zahlung der streitigen Gebühr bestätigen.

Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen.

Der BGH hält fest, dass eine Kombination zwischen abstrakter Abrechnung (wie hier auf Basis des Gutachtens) und konkreter Abrechnung nicht zulässig sei. Der Geschädigte habe bei der Ersetzungsbefugnis gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Wahl, sich zwischen der  fiktiven Abrechnung auf der Basis der Feststellungen eines Sachverständigen oder aber nach den tatsächlich von ihm zu tragenden Kosten für eine Wiederherstellung abzurechnen.  Bei der fiktiven Abrechnung ist der objektiv zur Wiederherstellung erforderliche Betrag ohne Bezug auf tatsächliche Aufwendungen festzustellen.

Das bedeutet aber auch, dass bei einer fiktiven Abrechnung Kosten für Reparaturmaßnahmen nicht (zusätzlich) erstattungsfähig sind. Übersteigen die konkreten Kosten einer dann (eventuell nachträglich) vorgenommenen Reparatur die Kosten (einschließlich Nebenkosten wie Umsatzsteuer) den fiktiv abgerechneten Betrag, bleibt dem Geschädigten der Übergang zur konkreten Abrechnung (wenn  der Anspruch noch nicht verjährt ist).

Vorliegend rechnet aber die Klägerin nicht die Kosten der konkreten Reparatur ab, sondern will - ohne bezüglich der Reparaturkosten im übrigen auf eine konkrete Abrechnung überzugehen – Ersatz der Kosten für die Reparaturbestätigung durch den Sachverständigen. Hier aber würde es sich nicht um Kosten handeln, die bei der gewählten Art der Abrechnung auf fiktiver Basis zur Wiederherstellung iSv. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich wären. Es handelt um eine auf der freien Entscheidung der Klägerin beruhende Position, ihr Fahrzeug nicht in einer Fachwerkstatt reparieren zu lassen, sondern letztlich in Eigenregie. Die mögliche Motivation, einen Beleg für eine korrekte Reparatur für den Verkaufsfall bzw. bei einem späteren Unfall zu haben, käme es nicht an.

Etwas anderes könnte nur in den vorliegend verneinten Fällen gelten, dass der Nachweis einer ordnungsgemäßen Reparatur zur Geltendmachung von zusätzlichen Nutzungsausfall benötigt wird (deren Geeignetheit im Hinblick auf die Zeit der Gebrauchsentbehrung vorausgesetzt) oder im Fall der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigenden fiktiven Reparaturkosten für den Nachweis der verkehrssicheren (Teil-) Reparatur des Unfallfahrzeugs und des damit bestehenden Integritätsinteresses des Geschädigten an der Weiternutzung des unfallbeschädigten Fahrzeugs.


BGH, Urteil vom 24.01.2017 – VI ZR 146/16 -

Samstag, 20. Mai 2017

Verkehrsunfall: Erstattungsfähigkeit nur von „üblichen“ Sachverständigenkosten und Beweislast

Sachverständigenkosten gehören nach § 249 BGB grundsätzlich zu dem erstattungsfähigen Herstellungsaufwand des Geschädigten. Allerdings ist der Anspruch beschränkt auf die Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und notwendig erscheinen. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ist er gehalten, den wirtschaftlicheren Weg, wenn er die Höhe der Kosten beeinflussen kann, im Rahmen des ihm Zumutbaren zu begehen. Dabei ist die spezielle Situation und seine Erkenntnisse und Einflussmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Diese Grundsätze gelten, worauf der BGH verweist, auch für ein vom Geschädigten nach einem Verkehrsunfall eingeholtem Sachverständigengutachten. Seiner Darlegungslast nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB würde er aber zunächst durch Vorlage der (von ihm beglichenen)  Rechnung des Sachverständigen genügen. Es wäre dann Sache des Gegners substantiiert Einwendungen zu erheben; ein einfaches Bestreiten der Angemessenheit würde nicht ausreichen.

Diese Grundsätze gelten auch im Falle einer Zession der Sachverständigenkosten, wie sie üblicherweise vom Geschädigten als Zedenten an den die Begutachtung durchführenden Sachverständigen (als Zessionar) erfüllungshalber vorgenommen würden. Durch diese Zession sei allerdings nicht auf die Erkenntnismöglichkeit des Zessionars (Sachverständigen) sondern weiterhin auf jene des Geschädigten (Zedenten) abzustellen, da der Zessionar die Forderung so erwerbe, wie sie zuvor bei dem Zedenten bestand.

Vorliegend hatte das Berufungsgericht die Klage aus der abgetretenen Forderung teilweise abgewiesen, da es die Sachverständigenkosten nach § 287 ZPO schätzte. Grundlage der Kosten war die Vereinbarung zwischen dem Geschädigten du dem Sachverständigen, dass sich die Kosten nach der festzustellenden Schadenshöhe zuzüglich Nebenkosten berechnen würden. Da die Höhe hinreichend bestimmt  bestritten wurde, könne eine Schätzung nach § 287 ZPO erfolgen. Die berechneten Nebenkosten seien nach JVEG anzugleichen, da dies eine hinreichende Schätzgrundlage darstelle. Diese Vorgehensweise wurde vom BGH gebilligt.


BGH, Urteil vom 28.02.2017 – VI ZR 76/16 -