tag:blogger.com,1999:blog-39576238316554924032024-03-18T19:40:34.127+01:00Recht kurz gefasstAktuelle Rechtsprechung und Kommentare sowie Berichte zu allen Rechtsgebieten.Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.comBlogger1228125tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-78019335483820103132024-03-18T19:39:00.005+01:002024-03-18T19:39:49.263+01:00Löschung negativer Bewertungen im Arbeitgeber-Bewertungsportal<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjIFB6fK33waOeUkeAI87Fjm3WD9hw5CL7D080tDSTcM5AHWJXGN2BQD0IFmAkqlOFyTu2vxEN150MoH3yWeoY_LqJXyzJRYvBpOtKFviWBK3Q8rQ5bYQzkRjFymI83sby-L4a0DIO9Qt1TCFdrTqUmkxucqtoy6YcIC7q9W0MDeeXpuMmlRUSCc4OAxJGf/s1280/man-432709_1280.tiff" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="905" data-original-width="1280" height="226" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjIFB6fK33waOeUkeAI87Fjm3WD9hw5CL7D080tDSTcM5AHWJXGN2BQD0IFmAkqlOFyTu2vxEN150MoH3yWeoY_LqJXyzJRYvBpOtKFviWBK3Q8rQ5bYQzkRjFymI83sby-L4a0DIO9Qt1TCFdrTqUmkxucqtoy6YcIC7q9W0MDeeXpuMmlRUSCc4OAxJGf/s320/man-432709_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Antragstellerin beschäftigte
etwa 22 Mitarbeiter und unterhielt in Hamburg ein Ladengeschäft. Von der Antragsgegnerin
wurde eine Arbeitgeber-Bewertungsportal betrieben. Bewertungen auf dem Portal
können von (auch ehemaligen) Mitarbeitern. Bewerbern und Auszubildenden in
verschiedenen Kategorien abgegeben werden.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">U.a. wurden Bewertungen im Portal
eingestellt, gegen die sich die Antragstellerin mit anwaltlichen Schreiben wandte.
Darin hieß es jeweils: „Der genannte Bewerter hat unsere Mandantschaft negativ
bewertet, Der Bewerber- und Mitarbeiter-Kontakt wird mit Nichtwissen
bestritten, da er nicht zugeordnet werden kann.“ Die Antragsgegnerin forderte
eine Substantiierung der unwahren Tatsachenbehauptungen und Rechtsverletzungen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin wurde vom Landgericht
zurückgewiesen. Die dagegen von der Antragstellerin eingelegte sofortige Beschwerde
führte zu deren Erlass. Rechtsgrundlage sei § 1004 BGB analog iVm. § 823 Abs. 1
BGB und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs.1, 18 Abs. 3 GG) auf
Unterlassung des weiteren Zugänglichmachens der beanstandeten Bewertung zu. Die
Grundsätze würden auch bei einem Internet-Bewertungsportal greifen (BGH, Urteil
vom 09.08.2022 - VI ZR 1244/20 -). Die Betreiberin sei mittelbare Störerin und
hafte als solche eingeschränkt. Bei Beanstandungen eines Betroffenen die so
konkret gefasst seien, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung
unschwer bejaht werden könne, sei eine Ermittlung durch den Betreiber
erforderlich, unabhängig davon, ob die Äußerung als Tatsachenbehauptung oder
als Werturteil (aufbauend auf einem Tatsachenurteil) zu qualifizieren sei. Grundsätzlich
sei (bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs) die Rüge ausreichend, dass der
Bewertung kein tatsächlicher Kontakt zugrunde läge, wobei der Bewertete diese
Rüge solange aufrechterhalten dürfe, bis ihm gegenüber der Bewerter soweit
individualisiert würde, dass er das Vorliegen geschäftlicher Kontakte
überprüfen könne. Das OLG trug damit dem Umstand Rechnung, dass der Bewerter anonym
im Portal in Erscheinung tritt und von daher der Bewerte nichts zu Einzelheiten
eines möglicherweise tatsächlichen Kontakts sagen kann, da er den Vorgang
grundsätzlich nicht ohne Kenntnis des angebliche beteiligten Bewerters identifizieren
können muss.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Eine solche Rüge wurde hier von
der Antragstellerseite erhoben. Eine weitere Übermittlung von Informationen zu
den Inhalten der Bewertungen, habe es von daher nicht bedurft. Da es sich hier überwiegend
um Werturteile gehandelt habe, hätte der Antragsgegnerin die Übermittlung von
weiteren Informationen durch die Antragstellerin kaum ermöglicht, <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>alleine aufgrund diese Informationen unschwer
einen eventuellen Rechtsverstoß zu erkennen, weshalb die Antragsgegnerin auch
in diesem Fall nicht darum herum gekommen wäre zu ermitteln, ob den Bewertungen
tatsächliche geschäftliche Kontakte zugrunde gelegen hätten und insoweit Stellungnahmen
von den Urhebern der Bewertungen einzuholen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Anzahl mit gleicher Begründung
des fehlenden geschäftlichen Kontakts sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, da
nicht ausgeschlossen werden könne, dass auf einem solchen Portal eine Vielzahl
von nicht auf konkreten Kontakten beruhenden Bewertungen eingestellt würden. Auch
die Vertretung der Antragstellerin durch eine Kanzlei, die offensiv damit
werbe, gegen Festhonorar gegen Einträge in Bewertungsportalen vorzugehen, sei
nicht rechtsmissbräuchlich, da das Bestreiten des Vorliegens eines
geschäftlichen Kontakts durch die Antragstellerin keinen Rückschluss in jedem
einzelnen Fall zuließe, ob das Bestreiten in der Sache begründet sei oder nicht.
Der Umfang des Geschäftsbetriebs der Antragsgegnerin könne diese nicht von ihrer
Überprüfungsobliegenheit entbinden, die jeden Betreiber eines Bewertungsportals
treffe.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Von der Antragsgegnerin seien die
Bewerter nicht identifizierbar gemacht worden, weshalb der Antragstellerin eine
Prüfung tatsächlicher Kontakte nicht möglich gewesen sei. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zwar könnten die eingereichten Unterlagen aus
dem Geschäftsbereich der Antragstellerin stammen. Doch ließe sich für die
Antragstellerin nicht erkennen, wer die betreffenden Mitarbeiter gewesen sein
könnten, auf den sie sich beziehen, weshalb nicht überprüfbar sei, ob diese
Urkunden wirklich die Urheber der Bewertungen betreffen und ob es sich
tatsächlich um Personen handele, die für sie arbeiten oder gearbeitet hatten. Der
Portalbetreiber dürfe die Überprüfung des geschäftlichen Kontakts durch den Betroffenen
nicht in der Weise verhindern, dass er deren Vorliegen für sich selbst prüft
und lediglich dessen positives Ergebnis bestätige. Dies würde eine effektive
Verteidigung des Betroffenen verhindern.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Auch im Hinblick auf die
(geringe) Anzahl von Mitarbeitern der Antragstellerin (22) ergäbe sich nichts
anderes. Eine Kritik könne sich auf konkrete Einzelfälle beziehen die auf ihre
tatsächliche Gegebenheiten vom Betroffenen nur geprüft werden könnten, wen die
Person des angeblichen Arbeitnehmers bekannt sei oder jedenfalls die konkrete
Situation die geschildert wird, bekannt wäre (so die Angabe „Einarbeitung?
Fahlanzeige! <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Am ersten Tag bekommt man
ein paar Dokument(e), die man sich auf eigene Faust aneignen soll(m) und dann
wird bitte losgelegt“, „Abmachungen wurden nicht eingehalten“), und sich auch
aus allgemein gehaltenen Meinungsäußerungen wie zum Betriebsklima oder Betriebsmitteln
(hier z.B. „Vorgesetztenverhalten … Empathie ist ein Fremdwort“, „Software auf
Hobby-Niveau“ nicht ziehen ließen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Auch wenn es für den
Arbeitgeber-Bewertungsportal-Betreiber schwierig sein könne, Bewerter zu
bewegen, sich zu erkennen zu geben da sie im Gegensatz zu Nutzern, die einmalige
Geschäftskontakte wie Hotelbesuch, einen singulären Arztbesuch, oder den Ankauf
von Ware bewerten, die Befürchtung hätten, Repressalien des negativ bewerteten
Arbeitgebers ausgesetzt zu sein, rechtfertige nicht, dass ein betroffener
Arbeitgeber diese öffentliche Kritik hinnehmen müsse, ohne die Möglichkeit zu
erhalten, dies zu prüfen und sich dazu zu positionieren.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Aus diesem Grund könne sich auch
die Antragsgegnerin nicht darauf berufen, dass sie ohne Zustimmung des Bewerters
aus Datenschutzgründen diesen nicht namhaft machen dürfe. Auch wenn § 21 TTDSG
in Ansehung des Erfordernisses des Verfahrens nach dessen Absätzen 2 bis 4 diese
Konsequenz haben sollte, dürfe das nicht dazu führen, dass eine öffentliche
Bewertung zugänglich gehalten werden dürfe, solange dem Bewerteten die
Möglichkeit der Prüfung eines geschäftlichen Kontakts genommen ist. Bei der Verbreitung
von Äußerungen trage der Verbreiter das Risiko, ob er den Urheber namhaft
machen könne. Gesche die Verbreitung (wie hier) im Rahmen eines Geschäftsbetriebs,
gehöre dieses Risiko zu den typischen Geschäftsrisiken, die jeden Unternehmer
bei seiner Tätigkeit treffe.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Hanseatisches
Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 08.02.2024 - 7 W 11/24 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">I. Auf die sofortige Beschwerde der
Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 8. Januar 2024,
Az. 324 O 559/23, abgeändert.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Im Wege der einstweiligen Verfügung – der
Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung – wird der
Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses
nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis
zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00,
Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), verboten,<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
die nachstehend wiedergegebenen Bewertungen zu veröffentlichen:<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">a)<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">„Startup abgebogen in die
Perspektivlosigkeit<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">1,6<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Nicht empfohlen<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Oktober 2023<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Arbeitsatmosphäre<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Lob und Anerkennung gibt es hier nicht,
Wertschätzung schon gar nicht. Mit Glück wirft einem die Geschäftsführung beim
Vorbeigehen morgens ein „Guten Morgen“ hin, ansonsten wird man eher getrieben
schnell zu arbeiten und bloß keine Fehler zu machen.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Einarbeitung? Fehlanzeige! Am ersten Tag
bekommt man ein paar Dokument, die man sich auf eigene Faust aneignen soll und
dann wird bitte losgelegt.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Kommunikation<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Es ist alles sehr undurchsichtig. Zahlen,
Ziele und Planungen werden konsequent geheim gehalten. Meetings finden in der
Regel hinter verschlossener Tür statt. Dabei achtet die Geschäftsführung stets
drauf zu zweit den einzelnen Angestellten zu sich zu rufen, Gruppengespräche
mit der Belegschaft werden vermieden.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Kollegenzusammenhalt<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">War ok, man hält in der Not zusammen.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Work-Life-Balance<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die Arbeitszeiten wurden eingehalten.
Weibliche Angestellte/Bewerberinnen wurden teilweise nach ihrem Kinderwunsch
gefragt. Was die Antwort darauf für Konsequenzen hat, bleibt offen…<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Urlaub wird nur wiederwillig genehmigt.
Für den Urlaubsantrag hatte man sich per Unterschrift die Bestätigung der
jeweiligen Vertretung zu besorgen.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Vorgesetztenverhalten<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Setzen Sechs! Man ist nur eine Nummer.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Empathie ist ein Fremdwort.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Informationspolitik existiert quasi
nicht.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Es wird erwartet, dass die Angestellten
Verantwortung übernehmen und eigenständig arbeiten, gleichzeitig ist die
Geschäftsführung nicht in der Lage Verantwortung abzugeben und leidet unter
Kontrollwahn. Die Tür zur Geschäftsführung steht meist offen, aber in erster
Linie aus dem Grund, weil permanent ein Ohr bei den Büroangestellten horcht.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Interessante Aufgaben<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Sehr eintönige Arbeit. Durch die
Unterbesetzung kann es passieren, dass die Angestellten aus dem Büro regelmäßig
im Lager aushelfen müssen.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Umgang mit älteren Kollegen<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Es wird drauf geachtet die Belegschaft
überdurchschnittlich jung zu halten. Es macht den Anschein, ältere Mitarbeiter
mit Lebens- Arbeitserfahrung seien unerwünscht.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Arbeitsbedingungen<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Veraltete Technik. Gebrauchte Computer
statt modernem Arbeitsgerät. Freeware und selbst programmieret Software auf
Hobby-Niveau statt lizenzierter Software.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Schlecht beheizte Arbeitsräume, Heizen
scheint zu teuer zu sein.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Improvisierte und chaotische Lagerhaltung
und Versandabteilung.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Gehalt/Sozialleistungen<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Gehalt war angemessen und pünktlich.
Urlaubs- Weihnachtsgeld gibt es nicht. Bei Weihnachtsfeiern war auffällig, dass
das Budget penibel im Rahmen der steuerlich absetzbaren Summe gehalten wurde.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Image<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Nach innen geht es kaum schlechter und
auch nach außen scheint es mehr und mehr bekannt zu werden.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Karriere/Weiterbildung<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Aufstiegt aussichtslos. Weiterbildung
bitte privat organisieren“<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">wie geschehen unter der URL …<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">in Abbildung aussehend wie folgt: …<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">b)<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>„Vorsicht bei der Firmenwahl<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">1,3<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Nicht empfohlen<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">November 2023<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Ex-Angestellte/r oder Arbeiter/in hat im
Bereich Administration /Verwaltung gearbeitet.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Arbeitsatmosphäre<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Den Mitarbeiten wurde 0,0 vertraut<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Kommunikation<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Mitarbeiter wurden mehr oder weniger
gegeneinander ausgespielt<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Kollegenzusammenhalt<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">War ok<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Work-Life-Balance<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Abmachungen wurden nicht eingehalten<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Vorgesetztenverhalten<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Absolute Kontrolle über jeden einzelnen
Schritt. Selbstständiges entscheiden von simplen Sachen war nicht gewünscht<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Interessante Aufgaben<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Immer das selbe<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Arbeitsbedingungen<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Es ist eine kühle Lagerhalle ohne
Dämmung. Im Winter ist es zum Teil nur 17-19 Grad. Ich habe durchgehend
gefroren und wurde mit einer halb funktionierenden wärme Fußmatte abgespeist.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Image<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Wird nach außen toll gepriesen aber ist
mehr pfui als hui<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Gleichberechtigung<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Umgang mit älteren Kollegen<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Umwelt-/Sozialbewusstsein<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Gehalt/Sozialleistungen<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><u>Karriere/Weiterbildung“<o:p></o:p></u></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">wie geschehen unter der URL …<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">in Abbildung aussehend wie folgt: …<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten
des Verfahrens zu tragen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">III. Der Wert
wird für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf € 10.000,00.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>I.</b> Die
Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin das Unterlassen der
Zugänglichmachung von zwei Bewertungen ihres Unternehmens in einem
Arbeitgeber-Bewertungsportal.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Antragstellerin betreibt ein Unternehmen zum Vertrieb von … und ein
Ladengeschäft in Hamburg. Sie hat etwa 22 Mitarbeiter. Die Antragsgegnerin
betreibt eine große Arbeitgeber-Bewertungsplattform. Auf dieser über das
Internet aufrufbaren Plattform können gegenwärtige und ehemalige
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Bewerberinnen und Bewerber und Auszubildende
ihren Arbeitgeber in verschiedenen Kategorien bewerten. Auf der
Bewertungsplattform befinden sich über 5.300.000 Bewertungen zu über 1.040.000
Unternehmen, täglich kommen rund 1.000 neuen Bewertungen zu etwa 500
Unternehmen hinzu.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">In diese
Bewertungsplattform wurden die angegriffenen, aus dem Tenor ersichtlichen
Bewertungen eingestellt.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin durch zwei kurz aufeinander folgende
Schreiben auffordern, die Einträge zu löschen. Zur Begründung hieß es in beiden
Schreiben jeweils gleichlautend: „Der genannte Bewerter hat unsere
Mandantschaft negativ bewertet. Der Bewerber- und Mitarbeiter-Kontakt zu dem
Bewerter wird mit Nichtwissen bestritten, da er nicht zugeordnet werden kann.“
Die Antragsgegnerin forderte die Antragstellerin auf, mögliche unwahre
Tatsachenbehauptungen bzw. Rechtsverletzungen zu substanziieren. Hintergrund
hierfür war, so die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin durch ihre
Rechtsanwälte innerhalb kürzester Zeit gegen elf Bewertungen - von insgesamt 14
eingestellten Bewertungen des Unternehmens der Antragstellerin - gleichlautende
Beanstandungen erhoben hatte, die die Antragsgegnerin als jeweils
unsubstanziiert ansah. Als die Antragsgegnerin von der Antragstellerin keine
weiteren Informationen erhielt, sah sie von einer Löschung der Einträge ab.
Nach Erhalt des dieses Verfahren einleitenden Antrags auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung wandte sich die Antragsgegnerin an die Nutzer, die die
hier beanstandeten Bewertungen abgegeben hatten. Die von diesen erhaltenen
Unterlagen, aus denen sich der Nachweis ergeben sollte, dass die Nutzer bei der
Antragstellerin beschäftigt gewesen seien, anonymisierte eine Mitarbeiterin der
Antragsgegnerin und übersandte der Antragstellerin zum Beleg, dass der Urheber
der mit dem Antrag zu a) angegriffenen Bewertung bei der Antragstellerin
beschäftigt gewesen sei, den folgenden - anonymisierten - Tätigkeitsnachweis:
…, und zum Beleg, dass der Urheber der mit dem Antrag zu b) angegriffenen
Bewertung bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen sei, den folgenden -
anonymisierten - Tätigkeitsnachweis: …<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Das Landgericht
hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass die zuletzt genannten Unterlagen ausreichen
würden, um eine tatsächliche Mitarbeiterstellung der Rezensenten nachzuweisen,
so dass die Übermittlung ungeschwärzter Tätigkeitsnachweise nicht erforderlich
gewesen sei. Soweit die Antragstellerin vortrage, aus den Unterlagen nicht auf
die Identität der Bewertenden schließen zu können, stelle sie damit die
Authentizität der Unterlagen nicht in Abrede. Zudem habe die Antragsgegnerin -
unbestritten und durch eine eidesstattliche Versicherung belegt - vorgetragen,
dass die Tätigkeitsnachweise und die darin enthaltenen Namen von ihrer
Mitarbeiterin ... mit den im Bewerterprofil der Antragstellerin hinterlegten
Bestandsdaten abgeglichen und verifiziert worden seien und die Daten
übereinstimmten.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Hiergegen
richtet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie
ihren Verfügungsantrag mit den im Antrag auf deren Erlass vorgebrachten
Argumenten weiterverfolgt.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">II. Die
sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist auch in der
Sache begründet und führt dazu, dass der Senat die begehrte einstweilige
Verfügung erlässt.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der
Antragstellerin steht aus § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit
§ 823 Abs. 1 BGB und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht (Artt. 2
Abs. 1, 19 Abs. 3 GG) ein Anspruch auf Unterlassung des weiteren
Zugänglichmachens der beanstandeten Bewertungen zu.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Auch für den
hier gegebenen Fall kommen die nunmehr vom Bundesgerichtshof für die Haftung
des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals entwickelten Grundsätze (BGH,
Urt. v. 9. 8. 2022, Az. VI ZR 1244/20, NJW 2022, S. 3072 ff.) vollen
Umfangs zum Tragen: Die Antragstellerin ist als Portalbetreiberin mittelbare
Störerin hinsichtlich der beanstandeten Bewertungen und haftet als solche nur
eingeschränkt. Wird sie mit der Beanstandung eines Betroffenen – die richtig
oder falsch sein kann – konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der
Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer – das
heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung – bejaht werden
kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter
Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag
Verantwortlichen erforderlich, unabhängig davon, ob die beanstandete Äußerung
als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil, das auf einer behaupteten Tatsache
aufbaut, zu qualifizieren ist. Als hinreichend konkrete Beanstandung des
Bewerteten ist es dabei bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs grundsätzlich
ausreichend, wenn dieser rügt, dass der Bewertung kein tatsächlicher Kontakt
des Bewerters mit seiner Leistung zugrunde liege; diese Rüge darf der Bewertete
grundsätzlich so lange aufrechterhalten, bis ihm gegenüber der Bewerter so
individualisiert wird, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes
überprüfen kann.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Diese Rüge
nicht gegebenen Geschäftskontakts hat die Antragstellerin hier erhoben. Da die
Antragstellerin in ihren Abmahnungen sich auf diese Rüge beschränkt hat,
bedurfte es der Übermittlungen von konkreten weiteren Informationen zu den
Inhalten der Bewertungen, von deren Übermittlung die Antragsgegnerin ihr
Tätigwerden zunächst abhängig machen wollte, nicht. Derartige Informationen
wären im Grundsatz ohnehin wenig geeignet gewesen, zu einer weiteren Begründung
des Löschungsverlangens der Antragstellerin beizutragen; denn die
Überprüfungsobliegenheit des Portalbetreibers ist durch seine Erkenntnisquellen
begrenzt, und nur solche konkreten Hinweise auf Umstände, die es ihm aus seiner
Perspektive ermöglichen, einen Rechtsverstoß unschwer - „ohne eingehende rechtliche
oder tatsächliche Überprüfung“ - zu bejahen, muss der Portalbetreiber an den
Urheber der Bewertung weiterleiten (BGH aaO.). Da die Bewertungen aber
überwiegend Werturteile enthielten, hätte die Übermittlung weiterer
Informationen durch die Antragstellerin es der Antragsgegnerin kaum ermöglicht,
allein aufgrund dieser Informationen unschwer einen eventuellen Rechtsverstoß
zu erkennen, so dass sie auch bei einer Übermittlung weiterer Informationen
nicht darum herumgekommen wäre, ermitteln zu müssen, ob den Bewertungen
tatsächliche geschäftliche Kontakte zugrundelagen, zu diesem Zweck von den
Urhebern der Bewertungen Stellungnahmen einzuholen und diese in solcher Form
der Antragstellerin zu präsentieren, dass diese das tatsächliche Vorliegen von
Geschäftskontakten hätte überprüfen können.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Dass die
Antragstellerin die Rüge nicht gegebenen geschäftlichen Kontakts hinsichtlich
vieler Bewertungen, die über das Bewertungsportal der Antragsgegnerin
verbreitet worden sind, erhoben hat, begründet, anders als die Antragsgegnerin
meint, nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs; denn es ist nicht
ausgeschlossen, dass auf einem Bewertungsportal eine Vielzahl nicht auf
konkreten Kontakten beruhender Bewertungen eines Betroffenen eingestellt
werden. Noch weniger kann der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs - wie es die
Antragsgegnerin geltend macht - damit begründet werden, dass sich der
Betroffene von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten lässt, die offensiv damit
wirbt, gegen Zahlung pauschalierter Festhonorare gegen Einträge in
Bewertungsportalen vorzugehen; denn die Beauftragung einer solchen Kanzlei
allein lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob das Bestreiten des Vorliegens
eines geschäftlichen Kontaktes durch die Antragstellerin in jedem einzelnen
Fall in der Sache begründet ist oder nicht. Der große Umfang des
Geschäftsbetriebs der Antragsgegnerin entbindet sie von der Einhaltung ihrer
Überprüfungsobliegenheit nicht, da diese jeden Betreiber eines
Bewertungsportals trifft.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Antragsgegnerin hat auf die Rüge der Antragstellerin dieser die Bewerter nicht
so identifizierbar gemacht, dass die Antragstellerin in der Lage wäre, das
tatsächliche Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes zu prüfen. Die der
Antragstellerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens übermittelten Unterlagen
mögen aus dem Geschäftsbereich der Antragstellerin stammen; wer die
betreffenden Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter gewesen sein mögen, auf die sie
sich beziehen, vermag sie aus diesen Unterlagen aber nicht zu erkennen, so dass
sie nicht überprüfen kann, ob die Urkunden wirklich die Urheber der Bewertungen
betreffen und ob es sich dabei tatsächlich um Personen handelt, die einmal für
sie gearbeitet haben oder noch für sie arbeiten. Die Möglichkeit zu einer
eigenen Überprüfung des Vorliegens eines geschäftlichen Kontakts darf dem von
der Bewertung Betroffenen nicht in der Weise genommen werden, dass der
Portalbetreiber die Überprüfung für sich vornimmt und dem Bewerteten dann
versichert, sie habe ein positives Ergebnis erbracht; ansonsten stünde der
Betroffene, der geltend macht, nicht zu wissen, ob er überhaupt Kontakt zu dem
Bewerter hatte, der Behauptung des Portalbetreibers, dies sei der Fall gewesen,
wehrlos gegenüber.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Umstand,
dass es sich bei dem Portal der Antragsgegnerin um ein
Arbeitgeber-Bewertungsportal handelt, rechtfertigt eine andere Sichtweise
nicht. Die Antragsgegnerin meint zwar, dass der Antragstellerin hier schon
aufgrund der geringen Anzahl der bei ihr beschäftigten Personen eine
eigenständige Überprüfung darauf, ob eine Bewertung von einer dieser Personen
stamme, möglich sein müsse, zumal ein Arbeitgeber viel eher in der Lage sei,
aus einer Bewertung zu ersehen, ob die darin erhobenen Beanstandungen der
innerbetrieblichen Verhältnisse von Angehörigen seines Personals stamme, als
ein Unternehmer, der nur aufgrund einmaligen Kontakts mit ihm ansonsten
unbekannten Kunden zu tun hat, aus einer Bewertung ersehen könnte, ob ihr ein
tatsächlicher Geschäftskontakt zugrunde liegt. Dem kann aber nicht gefolgt
werden; denn auch bei der Bewertung eines Arbeitgebers kann sich eine Kritik
auf konkrete Fälle beziehen, die auf ihre tatsächliche Gegebenheit von ihm nur
dann überprüft werden können, wenn die Person des (angeblich) betroffenen
Arbeitnehmers oder jedenfalls der konkreten Situation, die geschildert wird,
bekannt sind (hier z.B. bei den Kritiken „Einarbeitung? Fehlanzeige! Am ersten
Tag bekommt man ein paar Dokument[e], die man sich auf eigene Faust aneignen
soll[,] und dann wird bitte losgelegt“, „Abmachungen wurden nicht
eingehalten“), und auch aus allgemein gehaltenen Meinungsäußerungen, die etwa
das Betriebsklima oder die Ausstattung mit Betriebsmitteln betreffen (hier z.B.
die Kritiken „Vorgesetztenverhalten ... Empathie ist ein Fremdwort“, „Software
auf Hobby-Niveau“), lassen sich Rückschlüsse auf das tatsächliche Bestehen
eines Beschäftigtenverhältnisses nicht ziehen.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Zu einem
abweichenden Beurteilungsmaßstab führt auch nicht der Umstand, dass es für den
Betreiber eines Arbeitgeber-Bewertungsportals schwieriger sein mag, nach der
Beanstandung einer Eintragung einzelne Bewerter dazu zu bewegen, sich zu
erkennen zu geben, weil sie im Gegensatz zu Nutzern, die einmalige
Geschäftskontakte wie einen Hotelaufenthalt, einen singulären Arztbesuch oder
den Ankauf einer Ware bewertet haben, häufig befürchten werden, nach ihrer
Kenntlichmachung Repressalien ihres negativ bewerteten Arbeitgebers ausgesetzt
zu sein. Auch dies aber vermag nicht zu rechtfertigen, dass ein Arbeitgeber,
der einer über das Internet verbreiteten Kritik einer Person, die behauptet,
für ihn gearbeitet zu haben oder zu arbeiten, ausgesetzt wird, diese öffentliche
Kritik hinnehmen muss, ohne die Möglichkeit zu erhalten, sie auf das Vorliegen
einer tatsächlichen Grundlage zu prüfen und sich ggf. dazu in der Sache zu
positionieren.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Aus dem zuletzt
genannten Grund kann die Antragsgegnerin gegen das Erfordernis, dem Bewerteten
die Person des Bewerters individualisieren zu müssen, wenn sie die Bewertung
weiterhin zugänglich halten will, auch nicht mit Erfolg vorbringen, dass sie
den Bewerter aus Datenschutzgründen ohne dessen Zustimmung nicht ohne Weiteres
namhaft machen dürfe. Selbst wenn § 21 TTDSG - wegen des Erfordernisses
des Verfahrens nach dessen Absätzen 2 bis 4 - diese Konsequenz haben sollte,
dürfte das nicht dazu führen, dass eine Bewertung öffentlich zugänglich
gehalten werden darf, solange dem Bewerteten die Möglichkeit genommen ist zu
klären, ob ihr überhaupt ein geschäftlicher Kontakt mit dem Bewerter zugrunde
liegt; denn soweit es um die Verbreitung von Äußerungen geht, deren
Rechtmäßigkeit nur überprüft werden kann, wenn der Urheber oder die Quelle der
Äußerungen bekannt ist, trägt das Risiko, ob er den Urheber oder die Quelle
namhaft machen darf, kann oder will, im Streitfall grundsätzlich der
Verbreiter. Geschieht die Verbreitung im Rahmen eines Geschäftsbetriebes, wie
das bei einem Bewertungsportal der Fall ist, gehört dieses Risiko zu den
typischen Geschäftsrisiken, die jeden Unternehmer bei seiner Tätigkeit treffen.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Auch sonst sind
keine Umstände ersichtlich, die es zulassen könnten, in der Beurteilung dieses
Falls von den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Ordnungsmittelandrohung beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>III.</b> Die
Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Festsetzung des Werts für das
Beschwerdeverfahren beruht, der Einschätzung des Landgerichts folgend, auf
§ 3 ZPO.<o:p></o:p></p><br /><p></p><p></p>Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-19999378951129972792024-03-15T19:54:00.005+01:002024-03-15T19:54:35.063+01:00Faires Verfahren bei Videoverhandlung ohne „Nahblick“ auf Richterbank ?<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhVB-PX-TFawiPE6gMr2kyNMepOCaZCfUlTyAP6_U-MKtz8aJvzN156JTlwpCkOnYCl0j4jun-wxQTrseeAOcf1DQuAbnMD1et8dmOinOPbmPKKzfzLRX8tc1Im0D5FcGadcP9w-xA5_lEcmD-hCpO61ysllrdEP9xE0o5nmz8J0IMQBAzyhuCwPi38zG2k/s1280/the-federal-constitutional-court-5180750_1280%20(1).tiff" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="960" data-original-width="1280" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhVB-PX-TFawiPE6gMr2kyNMepOCaZCfUlTyAP6_U-MKtz8aJvzN156JTlwpCkOnYCl0j4jun-wxQTrseeAOcf1DQuAbnMD1et8dmOinOPbmPKKzfzLRX8tc1Im0D5FcGadcP9w-xA5_lEcmD-hCpO61ysllrdEP9xE0o5nmz8J0IMQBAzyhuCwPi38zG2k/s320/the-federal-constitutional-court-5180750_1280%20(1).tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Im Rahmen der Verhandlung, die auf
Antrag der Beschwerdeführer als Videoverhandlung (§ 91a FGO; diese Norm
entspricht § 128a ZPO) durchgeführt wurde, wurde nur eine Kamera im
Gerichtssaal eingesetzt, die die Richterbank in der Totalen (also alle Richter
zusammen) abbildete, mangels einer von den Beschwerdeführern steuerbaren
Zoomfunktion diesen – so ihr Vorwurf – nicht die Möglichkeit gegeben habe, die
Unvoreingenommenheit der Richter durch einen Blick ins Gesicht zu prüfen. Die
Beschwerdeführer beriefen sich in ihrer Verfassungsbeschwerde gegen eine
Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) auf eine Verletzung des gesetzlichen
Richters gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
nahm die Beschwerde nicht zu Entscheidung an.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><o:p> </o:p>Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG bestimme,
dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden dürfe. Grundsätzlich bedeute
dies, dass kein anderer Richter tätig werden dürfe, der nicht nach allgemeinen
Normen des Gesetzes und der Geschäftsverteilungspläne zur Entscheidung berufen
sei. Allerdings könne Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG nicht al eine formale Bestimmung
verstanden werden, die stets dann bereits erfüllt sei, wenn die Richterzuständigkeit
allgemein und eindeutig geregelt sei. Vielmehr gewährleiste das Grundgesetz den
Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens auch einen unabhängigen und unparteilichen
Richter. Neben sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit des Richters (Art. 97
Abs. 1 und 2 GG) sei es wesentliches Kennzeichen der Rechtsprechung im Sinne
des Grundgesetzes, dass die richterliche Tätigkeit nicht von einem „nicht
beteiligten Dritten“ ausgeübt würde. Die richterliche Tätigkeit erfordere daher
eine unbedingte Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten. Dies sei auch
zugleich ein gebot der Rechtsstaatlichkeit. Die Frage, ob Befangenheitsgründe
gegen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berühre so die Rechtsstellung der
Verfahrensbeteiligten.</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Es würde von den
Beschwerdeführern nicht eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung bei dem
Finanzgericht (FG) gerügt, vielmehr beanstandet, dass keine von ihnen
steuerbare Zoomfunktion bestanden habe, und damit nicht die Möglichkeit bestanden
habe, die über die Vollzähligkeit hinausgehende mentale Anwesenheit und
Unvoreingenommenheit der Richterbank überprüfen zu können, also ein eventueller
Befangenheitsgrund nicht erkennbar gewesen wäre. Dies genüge alleine aber noch nicht,
auf einen bösen Schein oder einen Verdacht der Befangenheit zu schließen, der zu
einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter führen könne. Nur die
unrichtige Besetzung, nicht aber die fehlende Möglichkeit von deren
(rechtzeitiger) Überprüfung begründe die Verletzung des Rechts auf den
gesetzlichen Richter (anders BFH, Beschluss vom 30.06.2023 – V B 13/22 -).
Damit führe ein fehlender Nahblick und eine dadurch begründete Unsicherheit, ob
Verhalten oder Mimik für eine Befangenheit sprechen könnten, nicht zur
fehlerhaften Besetzung. Der Schutz des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG könne nicht auf
den Bereich der Möglichkeit vorverlagert werden. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Durch eine fehlende Überprüfungsmöglichkeit
der Unvoreingenommenheit könne gegebenenfalls das Recht auf ein faires
Verfahren verletzt worden sein (worauf sich die Beschwerdeführer aber nicht bezogen
hätten und welches nach ihrem Vortrag hier auch nicht vorgelegen habe). </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Zu den wesentlichen Grundsätzen
eines rechtsstaatlichen Verfahrens gehöre ein Faires Verfahrens, welches seine
Grundlagen im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten und
Art. 1 Abs. 1 GG habe. Das faire Verfahren bedürfe je nach sachlichen Gegebenheiten
einer Konkretisierung. Die Gerichte hätten den Schutzgehalte der in Frage
stehenden Verfahrensnormen und anschließend die Rechtsfolgen ihrer Verletzung
zu bestimmen. Dabei seien Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires
Verfahren angemessen zu berücksichtigen, damit dessen wertsetzende Bedeutung
auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibe. Die Verkennung des
Schutzgehalts einer Verfahrensnorm könne daher in das Recht eines Beteiligten
auf ein faires Verfahren eingreifen. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Es sei daher denkbar, dass das
Recht auf ein faires Verfahren im Rahmen des § 91a FGO eine
Überprüfungsmöglichkeit der Neutralität und Unabhängigkeit der Richterbank für
die Beteiligten gewährleiste. Auch sei nicht auszuschließen, dass bei dem
derzeitigen Stand, wenn aus der Distanz gefilmt würde, damit die gesamte
Richterbank erscheine, je nach räumlichen Gegebenheiten oder ggf. der Qualität
der technischen Hilfsmittel die Beobachtungsmöglichkeit eingeschränkt sein
könnte und hinter jener bei Anwesenheit vor Ort zurückbleiben könnte. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Diese Möglichkeit wurde hier aber
als für die Beschwerde vom BVerfG schon deshalb nicht als tragfähig angesehen.
Die Beschwerdeführer, die selbst die Videoverhandlung beantragt hätten, hätten
ihre konkrete Situation nicht hinreichend substantiiert beschrieben, um in
ihrem Fall die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren beurteilen zu
können. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>So sei nicht erkennbar, dass eine
fehlende Kontrollmöglichkeit nicht auf einer unzureichenden eigenen Ausstattung
beruht habe oder wie die konkreten örtlichen Gegebenheiten und die
Übertragungsqualität sowie wie sich etwaige dadurch bedingte Einschränkungen
dargestellt hätten. Es könne daher nicht abschließend beurteilt werden, ob
tatsächlich keine Kontrollmöglichkeit bestanden habe. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Zudem hätten es die Beschwerdeführer
entgegen den Anforderungen aus dem aus § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG abgeleiteten
Grundsatz der Subsidiarität nicht<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>dargelegt, dass sie im Laufe der Verhandlung vor dem FG etwaige
Einschränkungen der Beobachtungsfähigkeit von Verhalten oder nonverbaler
Kommunikation beanstandet hätten. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>BVerfG, Beschluss vom 15.01.2024
- 1 BvR 1615/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Die
Beschwerdeführer sehen sich in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter nach
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, weil ihnen im Rahmen der von
ihnen nach § 91a FGO beantragten Videoverhandlung durch den Einsatz nur
einer Kamera, die die gesamte Richterbank in der Totalen abbildete, und mangels
von ihnen steuerbarer Zoomfunktion die Möglichkeit genommen worden sei, die
Unvoreingenommenheit der Richter durch einen Blick ins Gesicht zu überprüfen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Die
Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da Annahmegründe
nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde
kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, weil die
wesentlichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Recht auf den gesetzlichen
Richter in diesem Zusammenhang geklärt sind, noch ist ihre Annahme zur
Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der
Beschwerdeführer angezeigt. Eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen
Richter wegen eines fehlenden Nahblicks in die Gesichter der Richter im Laufe
einer Videoverhandlung erscheint nicht möglich.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Nach
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen
Richter entzogen werden. Das bedeutet zunächst, dass in jedem Einzelfall kein
anderer als derjenige Richter tätig werden und entscheiden soll, der in den
allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne der Gerichte
dafür vorgesehen ist (vgl. BVerfGE 4, 412 <416>; BVerfG, Beschluss der 1.
Kammer des Zweiten Senats vom 1. Juli 2021 - 2 BvR 890/20 -, Rn. 13). Der
Verfassungsbestimmung muss aber eine weitergehende Bedeutung beigemessen
werden. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kann nicht als eine nur
formale Bestimmung verstanden werden, die stets schon dann erfüllt ist, wenn
die Richterzuständigkeit allgemein und eindeutig geregelt ist (vgl. BVerfGE 21,
139 <145>).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Das Grundgesetz
gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens darüber hinaus,
vor einem unabhängigen und unparteilichen Richter zu stehen, der die Gewähr für
Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und dem
Verfahrensgegenstand bietet. Neben der sachlichen und persönlichen
Unabhängigkeit des Richters (Art. 97 Abs. 1 und Abs. 2 GG) ist
es wesentliches Kennzeichen der Rechtsprechung im Sinne des Grundgesetzes, dass
die richterliche Tätigkeit von einem "nicht beteiligten Dritten"
ausgeübt wird. Diese Vorstellung von neutraler Amtsführung ist mit den
Begriffen "Richter" und "Gericht" untrennbar verknüpft. Die
richterliche Tätigkeit erfordert daher unbedingte Neutralität gegenüber den
Verfahrensbeteiligten. Das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG gewährt deshalb nicht nur einen Anspruch auf den
sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den
Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergebenden Richter,
sondern garantiert auch, dass der Betroffene nicht vor einem Richter steht, der
aufgrund persönlicher oder sachlicher Beziehungen zu den Verfahrensbeteiligten
oder zum Streitgegenstand die gebotene Neutralität vermissen lässt. Dieses
Verlangen nach Unvoreingenommenheit und Neutralität des Richters ist zugleich
ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerfGE 133, 168 <202 f., Rn. 62>
m.w.N.). Die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die Mitwirkung eines Richters
sprechen, berührt so die prozessuale Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten
(vgl. BVerfGE 89, 28 <36>).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b)</b>
Hieran gemessen stellen die angegriffenen Entscheidungen keinen Verstoß gegen
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Beschwerdeführer bemängeln gerade nicht, dass das Finanzgericht tatsächlich
nicht vorschriftsmäßig besetzt war, weil die Richter nach Gesetz oder
Geschäftsverteilung nicht zu einer Mitwirkung bestimmt gewesen wären oder sie
nicht die gebotene Neutralität und Unabhängigkeit aufgewiesen hätten. Sie
beanstanden vielmehr, dass während der Videoverhandlung nur eine einzige Kamera
(ohne ihrerseits steuerbare Zoomfunktion) zum Einsatz gekommen ist und daher
nicht die Möglichkeit bestanden habe, die über die Vollzähligkeit hinausgehende
mentale Anwesenheit und Unvoreingenommenheit der Richterbank überprüfen zu
können. Gerügt wird damit im Kern, dass insbesondere ein etwaiger
Befangenheitsgrund für die Beschwerdeführer gegebenenfalls nicht erkennbar
gewesen wäre.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Dies allein
genügt aber noch nicht, um auf das Vorliegen eines bösen Scheins oder eines
Verdachts der Befangenheit, die zu einer Verletzung des Rechts auf den
gesetzlichen Richter führen könnten, zu schließen. Nur die unrichtige
Besetzung, nicht die fehlende Möglichkeit von deren (rechtzeitiger) Überprüfung
begründet eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (anders der
Bundesfinanzhof im Beschluss vom 30. Juni 2023 - V B 13/22 -, BFH/NV 2023, 1175
ff.). Entsprechend führt nur der tatsächlich befangene Richter, nicht dagegen
der fehlende Nahblick und die damit einhergehende Unsicherheit, ob Verhalten
oder Gestik und Mimik für eine Befangenheit sprechen könnten, zu einer
fehlerhaften Besetzung des Gerichts. Der Schutz des Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG kann nicht in den Bereich bloß möglicher Verletzungen
vorverlagert werden. Anderenfalls würde der gesetzliche Richter auch an
spekulativen Erwägungen und dem Einlassungsgeschick der Beteiligten gemessen
werden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>3.</b> Durch
die fehlende Überprüfungsmöglichkeit der Unvoreingenommenheit kann
gegebenenfalls das Recht auf ein faires Verfahren verletzt werden. Einen
Verstoß gegen dieses Prozessgrundrecht haben die Beschwerdeführer allerdings
schon von vornherein nicht gerügt. Sie haben sich ausdrücklich und durchgängig
nur auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gestützt. Ein solcher Verstoß
käme aber ausgehend von ihrem Vortrag vorliegend auch nicht als möglich in
Betracht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Das
Recht auf ein faires Verfahren hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip in
Verbindung mit den Freiheitsrechten und Art. 1 Abs. 1 GG (vgl.
BVerfGE 57, 250 <274 f.>; 118, 212 <230 f.>; 122, 248 <271>)
und gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens
(vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 46, 202 <210>). Es enthält keine in
allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der
Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten (vgl. BVerfGE 57, 250
<275 f.>; 70, 297 <308>; 130, 1 <25>). Diese Konkretisierung
ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers und sodann, in den vom Gesetz gezogenen
Grenzen, Pflicht der zuständigen Gerichte bei der ihnen obliegenden
Rechtsauslegung und -anwendung (vgl. BVerfGE 63, 45 <61>; 64, 135
<145>; 122, 248 <272>; 133, 168 <200 Rn. 59>). Die Gerichte
haben den Schutzgehalt der in Frage stehenden Verfahrensnormen und anschließend
die Rechtsfolgen ihrer Verletzung zu bestimmen. Dabei sind Bedeutung und
Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren angemessen zu berücksichtigen,
damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt
bleibt (vgl. zur Bedeutung der Grundrechte als objektive Wertordnung BVerfGE 7,
198 <205 ff.>; stRspr). Die Verkennung des Schutzgehalts einer verletzten
Verfahrensnorm kann somit in das Recht des Beteiligten auf ein faires Verfahren
eingreifen (vgl. BVerfGK 9, 174 <188 f.>; 17, 319 <328>; BVerfG,
Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 2055/14
-, Rn. 14 und vom 9. Dezember 2015 - 2 BvR 1043/15 -, Rn. 6).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b)</b>
Hieran gemessen ist durchaus denkbar, dass das Recht auf ein faires Verfahren
gebietet, bei Anwendung des § 91a FGO zu beachten, dass eine hinreichende
Überprüfungsmöglichkeit betreffend die Neutralität und Unabhängigkeit der
Richterbank für die Beteiligten gewährleistet bleibt. Auch ist nicht
auszuschließen, dass die Beobachtungsmöglichkeiten bei Videoverhandlungen nach
derzeitigem Stand, gerade wenn aus der Distanz gefilmt wird, damit die gesamte
Richterbank erscheint, je nach den räumlichen Gegebenheiten oder gegebenenfalls
der Qualität der eingesetzten technischen Hilfsmittel durchaus eingeschränkt
sein und hinter der Beobachtungsmöglichkeit bei Anwesenheit vor Ort
zurückbleiben können.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Allerdings
haben die Beschwerdeführer, die die Durchführung einer Videoverhandlung selbst
beantragt haben, ihre konkrete Situation vorliegend nicht hinreichend
substantiiert beschrieben, um in ihrem Fall die Verletzung des Rechts auf ein
faires Verfahren beurteilen zu können. Insbesondere geht aus ihrem Vortrag
nicht hervor, dass eine fehlende Kontrollmöglichkeit nicht auf einer
unzureichenden eigenen Ausstattung beruhte oder wie sich die konkreten
örtlichen Gegebenheiten und die Übertragungsqualität sowie etwaige dadurch
bedingte Einschränkungen darstellten. Ob daher tatsächlich keine
Kontrollmöglichkeiten bestanden, kann nicht abschließend beurteilt werden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>4.</b> Im
Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführer im Laufe der
mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht etwaige Einschränkungen bei der
Beobachtungsfähigkeit von Verhalten oder nonverbaler Kommunikation beanstandet
hätten. Damit ist auch die Wahrung der Anforderungen aus dem aus § 90
Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abgeleiteten Grundsatz der Subsidiarität nicht
dargetan.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>5.</b> Von
einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG
abgesehen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Diese
Entscheidung ist unanfechtbar.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-70033921959248538982024-03-13T19:08:00.000+01:002024-03-13T19:08:06.002+01:00Reparaturkosten: Werkstattrisiko und Berufung darauf durch Kfz-Werkstatt als Zessionarin<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhjWMpdJ9XGDSolzzGRHl3ysg2g3PixRKXGWtfOyaJz-b8rAfQeMVhiQEa-0im0Ssf9ISVwMW1uwiAeUBpdStZEndTQe_xkzJTZFRIKFGVWTw-wygEkUp93LituBacys9Qa5uZQroMU7pzWtlMafiZPa0R3ikBv14bzf_wAkfKbNBkNo7fFUwg7STHqoIsO/s1280/automobile-2861859_1280.tiff" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="853" data-original-width="1280" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhjWMpdJ9XGDSolzzGRHl3ysg2g3PixRKXGWtfOyaJz-b8rAfQeMVhiQEa-0im0Ssf9ISVwMW1uwiAeUBpdStZEndTQe_xkzJTZFRIKFGVWTw-wygEkUp93LituBacys9Qa5uZQroMU7pzWtlMafiZPa0R3ikBv14bzf_wAkfKbNBkNo7fFUwg7STHqoIsO/s320/automobile-2861859_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Klägerin (die Kfz-Werkstatt,
die aus abgetretenen Recht der Unfallgeschädigten klagte) verlangte restliche
Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall (bei unstreitiger vollständiger Haftung
der Beklagten). Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hatte die Unfallgeschädigte
die Klägerin mit der Reparatur gemäß Gutachten beauftragt. Die Kosten
erstattete die Beklagte mit Ausnahme der Rechnungsposition „Arbeitsplatzwechsel“
in Höhe von € 227,31 (Klageforderung). Die Beklagte machte geltend, dieser
Arbeitsplatzwechsel (Verbringung zum Lackieren zu einem Dritten) habe nicht
stattgefunden; die Klägerin verwies auf das sogen. Werkstattrisiko, welches
nicht zu Lasten des Geschädigten gehen würde. Während das Amtsgericht der Klage
stattgab, wurde sie vom Landgericht unter Zulassung der Revision auf die
Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Revision hatte keinen Erfolg. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der Geschädigte könne gem. § 249
Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung der beschädigten Sache den dazu erforderlichen
Geldbetrag verlangen. Der Anspruch sei auf Befriedigung seines
Finanzierungsbedarf in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen
Geldbetrages gerichtet. Allerdings könnten als erforderlicher Herstellungsaufwand
nur die Kosten erstattet verlangt werden, die vom Standpunkt eines verständigen,
wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des geschädigten zur Behebung des
Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Darüber hinaus würde für die Ersetzungsbefugnis
des § 240 Abs. 2 S. 1 BGB das Verbot der Bereicherung durch den Schadensersatz
gelten; der Geschädigte könne zwar eine Totalreparation verlangen, soll aber
nicht an dem Schadensfall verdienen. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Übergebe der Geschädigte das
beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn
ein (insbes. Auswahl- oder Überwachungs-) Verschulden treffe, seien vom
Schädiger die dadurch anfallenden Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten
zum Schädiger auch dann vollumfänglich zu ersetzen, wenn sie aufgrund unsachgemäßer
oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt nicht iSv. § 249 Abs. 2 S. 1
BGB erforderlich seien; in einem solchen Fall gegebenenfalls bestehende
Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt könne der Schädiger im Rahmen
der Vorteilsausgleichung abgetreten verlangen. Das Werkstattrisiko verbliebe im
Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Verhältnis zwischen Schädiger und
Geschädigten beim Schädiger (wie bei § 249 Abs. 1 BGB); so auch der Senat im
Urteil vom gleichen Tag zu VI ZR 253/22 und bereits im Urteil vom 29.10.1974 –
VI ZR 42/73 -). </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Dieser Grundsatz gelte für alle
Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung, deren Entstehung dem Einflussbereich
des Geschädigten entzogen sei und ihren Grund darin habe, dass die
Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren
Einflusssphäre stattfinden müsse. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ersatzfähig
seien daher nicht nur Rechnungspositionen, die ohne Schuld des Geschädigten
etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, unsachgemäßer oder
unwirtschaftlicher Arbeitsweise unangemessen und nicht zur Herstellung
erforderlich iSv. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB seien, sondern auch diejenigen Rechnungspositionen,
die sich auf – für den Geschädigten nicht erkennbar – tatsächlich nicht durchgeführte
Reparaturschritte und -maßnahmen beziehen würden (Senat vom gleichen Tag zu VI
ZR 253/22 unter II.2.c). </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Grundsätze zum
Werkstattrisiko würden nicht die Zahlung der Werkstattrechnung durch den
Geschädigten voraussetzen. Hat er sie nicht beglichen, könne er – wenn er das
Werkstattrisiko nicht tragen wolle, die Zahlung durch den Geschädigten an die
Werkstatt fordern (Senat im Urteil vom gleichen Tag – VI ZR 253/22 unter
II.2.e). Zu berücksichtigen sei nämlich, dass bei nicht (vollständiger)
Bezahlung der Rechnung ein Vorteilsausgleich durch Abtretung etwaiger
Gegenansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt an den Schädiger aus Rechtsgründen
nicht gelingen könne, sehe der Geschädigte auch nach Erhalt der
Schadensersatzleistung von der (Rest-) Zahlung an die Werkstatt ab. Der Geschädigte
habe zwar einen Gegenanspruch gegen die Werkstatt nach § 280 Abs. 1 BGB <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>und diesbezüglich einen Freistellunganspruch,
doch könne dieser Freistellungsanspruch nicht an den Schädiger abgetreten
werden. Zugleich wäre der geschädigte bereichert, wenn er den vollen Schadensersatz
erhalte, die Rechnung aber (teilweise) nicht ausgleiche, und der Schädiger
schlechter gestellt, als wenn er die Reparatur selbst veranlasst hätte (da er
dann einen direkten Anspruch gegen die Werkstatt hätte). Daher könne der Geschädigte,
die Rechnung noch nicht (vollständig) gezahlt habe, nur Zahlung der Rechnung an
die Werkstatt Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (das Werkstattrisiko
betreffender) Ansprüche des Geschädigten eggen die Werkstatt verlangen. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Verlange der Geschädigte im
Rahmen von § 308 Abs. 1 ZPO Freistellung von der Verbindlichkeit statt Zahlung,
richte sich sein Anspruch grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens
danach, ob und inwieweit er mit der Verbindlichkeit gegen die Werkstatt,
beschwert sei; damit ist die werkvertragliche Beziehung zwischen dem Geschädigten
und der Werkstatt maßgeblich. Damit trage auch in diesem Fall der Geschädigte
das Werkstattrisiko. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Vorliegend hatte der Geschädigte
seinen Anspruch an die Werkstatt abgetreten. Diese könne sich als Zessionarin
aber nicht auf das Werkstattrisiko berufen. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span> </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">§ 399 Alt. 1 BGB lasse die Abtretung
einer Forderung nicht zu, wenn die Leistung an einen anderen als den
ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen könne. Eine
Inhaltsänderung würde auch angenommen, wenn ein Gläubigerwechsel zwar
vorstellbar, das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten
Gläubigerposition aber besonders schutzwürdig sei. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Vorliegend würde dieser Rechtsgedanke greifen,
insofern als sich der Geschädigte im Verhältnis zum Schädiger auch bei unbeglichener
Rechnung auf das Werkstattrisiko berufen könne, wenn er Zahlung an die
Werkstatt verlange. Insofern habe der Schädiger Interesse daran, dass der
Geschädigte sein Gläubiger bleibe. Nur in dessen Verhältnis sei die Durchführung
des Vorteilsausgleichs möglich, da der Schadensersatzanspruch gegen den
Schädiger und die im Wege der Vorteilsausgleichung abzutretenden etwaigen
Ansprüche gegen die Werkstatt in einer and (beim Geschädigten) lägen. Dies sei nach
der Abtretung an die Werkstatt nicht mehr der Fall. Der Schädiger verlöre das Recht
seine Zahlung nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Geschädigten
gegen die Werkstatt zu erfüllen. Zudem wäre zu berücksichtigen. Dass das
Werkstattrisiko dogmatisch dem Geschädigten, nicht der Werkstatt zugute kommen
soll. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Damit lasse sich die hier vom Geschädigten
gewählte Option, sich auch bei unbeglichener Werkstattrechnung auf das Werkstattrisiko
zu berufen, nicht im Wege der Abtretung auf Dritte übertragen. Im Ergebnis
trage daher bei der Geltendmachung des Anspruchs aus abgetretenen Recht stets
der Zessionar das Werkstattrisiko. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Im Schadensersatzprozess
zwischen der Werkstatt (als Zessionar) und dem Schädiger habe mithin die klagende
Werkstatt darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten
Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und dass die geltend
gemachten Reparaturkosten nicht etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder
Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der
Werkstatt zur Herstellung nicht erforderlich wären. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Da die klagende Werkstatt dem
nicht entsprochen habe, sei die Klage abzuweisen. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>BGH, Urteil vom 16.01.2024 -
VI ZR 239/22 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 12.0pt; text-align: justify;">Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2022 wird
zurückgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die Klägerin trägt die Kosten des
Revisionsverfahrens.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Von Rechts
wegen</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tatbestand<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Klägerin
nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht auf Ersatz
restlicher Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem der
Pkw der Geschädigten durch einen Versicherungsnehmer der Beklagten beschädigt
wurde und für den die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach außer Streit
steht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Geschädigte
holte zur Ermittlung des Schadens an ihrem Fahrzeug ein
Sachverständigengutachten ein und beauftragte auf der Grundlage dieses
Gutachtens die Klägerin, ein Kfz-Reparaturunternehmen, mit der Reparatur. Mit
Schreiben vom 11. Oktober 2021 stellte die Klägerin der Geschädigten für
durchgeführte Reparaturmaßnahmen 5.067,15 € in Rechnung. Am 3. Dezember 2021
trat die Geschädigte ihre Forderung auf Erstattung der Reparaturkosten aus dem
Unfallereignis gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer an die
Klägerin ab. Die Beklagte erstattete die Kosten der Reparatur bis auf die
Rechnungsposition "Arbeitsplatzwechsel" in Höhe von 227,31 € brutto,
die Klagforderung. Sie macht geltend, dass ein Arbeitsplatzwechsel bei der
Reparatur des Fahrzeugs tatsächlich nicht durchgeführt worden sei. Die Klägerin
verfüge über eine Lackiererei auf dem eigenen Betriebsgelände, weshalb keine
Verbringungskosten angefallen seien.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Das Amtsgericht
hat der Klage stattgegeben. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der
Beklagten hat das Landgericht diese Entscheidung abgeändert und die Klage
abgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
ihr Zahlungsbegehren weiter.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Entscheidungsgründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Nach Auffassung
des Berufungsgerichts (Berufungsurteil veröffentlicht in r+s 2022, 533) hat die
Klägerin aus abgetretenem Recht keinen Anspruch auf Ersatz restlicher
Reparaturkosten. Bei Geltendmachung des an sie abgetretenen Ersatzanspruchs
könne sich die klagende Werkstatt nicht auf die Grundsätze des Werkstattrisikos
berufen, um die Ersatzfähigkeit ihrer Reparaturkosten zu begründen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Zwar ändere die
Abtretung eines Anspruchs weder dessen Rechtsnatur noch den Inhalt des
abgetretenen Anspruchs. Die Grundsätze des Werkstattrisikos seien jedoch im
Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung ausschließlich zum Schutz des
Geschädigten entwickelt worden. Der Geschädigte ohne eigene Fachkenntnis habe
mit der Begutachtung des Schadens durch einen Sachverständigen und der
Beauftragung der Reparatur durch eine Fachwerkstatt im Rahmen seiner
Erkenntnismöglichkeiten alles Erforderliche veranlasst. Entstünden in der Folge
Kosten, die objektiv nicht erforderlich waren, seien diese Kosten bei wertender
Betrachtungsweise unter dem Gesichtspunkt der subjektbezogenen
Schadensbetrachtung allein zum Schutz des Geschädigten erstattungsfähig. Dieses
Schutzes bedürfe es nicht, wenn die Werkstatt die von ihr selbst als Fachfirma
in Rechnung gestellten Reparaturkosten aus abgetretenem Recht geltend mache.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Beauftrage ein
Geschädigter auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens die
Durchführung der Reparatur in einer Werkstatt, werde in dem Werkvertrag
zwischen Geschädigtem und der Werkstatt regelmäßig keine feste Vergütung für
die durchzuführenden Arbeiten vereinbart. Geschuldet werde vom Geschädigten
gemäß § 632 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung. Es wäre widersinnig,
wenn sich die Werkstatt bei Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs aus
abgetretenem Recht auf das allein zum Schutz des Geschädigten entwickelte
Werkstattrisiko berufen könne, da einem solchen Anspruch jedenfalls der
dolo-agit-Einwand entgegenstünde. Denn die Werkstatt müsste das Erlangte sofort
wieder herausgeben.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Soweit der
Schadensersatzanspruch des Geschädigten auch den Ersatz von Kosten umfasse, die
objektiv zur Wiederherstellung nicht erforderlich gewesen, aber zum Schutz des
Geschädigten nach den Grundsätzen über das Werkstattrisiko erstattungsfähig
seien, sei dieser Teil des Schadensersatzanspruchs nicht von der
erfüllungshalber erklärten Abtretung an die Werkstatt umfasst. Die Abtretung
sei insoweit ins Leere gegangen. Sollte die Werkstatt den Geschädigten auf
Zahlung dieser restlichen Reparaturkosten in Anspruch nehmen, könne der
Geschädigte weiterhin gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Versicherer
Erstattung bzw. Freistellung verlangen, Zug um Zug gegen Abtretung seiner
Schadensersatzansprüche aus dem mit der Werkstatt geschlossenen Werkvertrag.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Klägerin
habe die Erforderlichkeit der bestrittenen Rechnungsposition
"Arbeitsplatzwechsel" für die Verbringung des Fahrzeugs in die
Lackiererei nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt und nachgewiesen. Die
Beklagte habe bestritten, dass diese Kosten tatsächlich angefallen seien, da
die Klägerin über eine eigene Lackiererei verfüge. Die Klägerin habe in der
Berufungsverhandlung erklärt, den hierzu zunächst angetretenen Zeugenbeweis
nicht aufrechtzuerhalten. Somit habe die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis
nicht erbracht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Diese
Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Der
Klägerin steht der aus abgetretenem Recht geltend gemachte Anspruch auf Ersatz
weiterer Reparaturkosten nicht zu. Als Werkstattunternehmen kann sich die
Klägerin nicht selbst auf die Grundsätze des sogenannten Werkstattrisikos
berufen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Ist
wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der
Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung
den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (sog.
"Ersetzungsbefugnis"). Im Ausgangspunkt ist sein Anspruch auf
Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung
objektiv erforderlichen Geldbetrags gerichtet (st. Rspr., vgl. nur Senat,
Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 12 mwN). Der Geschädigte
ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur
Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg
einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen
scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand
wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das
Schadensereignis entspricht (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 13. Dezember
2022 - VI ZR 324/21, NJW 2023, 1057 Rn. 10).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Der
Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1
BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen,
die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der
Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig
erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des
ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen,
sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten
beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher
Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle
Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und
Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden
Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung; st. Rspr.,
vgl. nur Senat, Urteil vom 13. Dezember 2022 - VI ZR 324/21, NJW 2023, 1057 Rn.
11 mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>3.</b>
Darüber hinaus gilt für die Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2
Satz 1 BGB das Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Der
Geschädigte soll zwar volle Herstellung verlangen können (Totalreparation),
aber an dem Schadensfall nicht "verdienen" (st. Rspr., vgl. nur
Senat, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 11 mwN).
Die dem Geschädigten zur Verfügung zu stellenden Mittel müssen so bemessen
sein, dass er, sofern er nur wirtschaftlich vernünftig verfährt, durch die
Ausübung der Ersetzungsbefugnis nicht reicher, aber auch nicht ärmer wird, als
wenn der Schädiger den Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB beseitigt (st.
Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840
Rn. 12 mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>4.</b>
Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur
Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (insbesondere Auswahl- oder
Überwachungs-) Verschulden trifft, so sind die dadurch anfallenden
Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger deshalb auch dann
vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder
unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen, mithin nicht
erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind; in einem
solchen Fall gegebenenfalls bestehende Ansprüche des Geschädigten gegen den
Werkstattbetreiber spielen nur insoweit eine Rolle, als der Schädiger im Rahmen
des Vorteilsausgleichs deren Abtretung verlangen kann. Das Werkstattrisiko
verbleibt in diesem Fall - wie bei § 249 Abs. 1 BGB - auch im Rahmen
des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Verhältnis des Geschädigten zum
Schädiger beim Schädiger (st. Rspr., vgl. Senat, Urteile vom heutigen Tag - VI
ZR 253/22 unter II.2.b; vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn.
12 mwN; vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 186, juris Rn. 9
ff.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Dies gilt für
alle Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung, deren Entstehung dem Einfluss
des Geschädigten entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die
Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren
Einflusssphäre stattfinden muss (vgl. Senat, Urteil vom 29. Oktober 1974 - VI
ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 186, juris Rn. 10). Ersatzfähig sind danach nicht nur
solche Rechnungspositionen, die ohne Schuld des Geschädigten etwa wegen
überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder
unwirtschaftlicher Arbeitsweise unangemessen, mithin nicht zur Herstellung
erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind (vgl.
Senat, aaO, juris Rn. 12). Ersatzfähig im Verhältnis des Geschädigten zum
Schädiger sind vielmehr auch diejenigen Rechnungspositionen, die sich auf - für
den Geschädigten nicht erkennbar - tatsächlich nicht durchgeführte einzelne
Reparaturschritte und -maßnahmen beziehen (vgl. Senat, Urteil vom heutigen Tag
- VI ZR 253/22 unter II.2.c).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>5.</b> Die
Anwendung der genannten Grundsätze zum Werkstattrisiko setzt nicht voraus, dass
der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat. Soweit der
Geschädigte die Reparaturrechnung nicht beglichen hat, kann er - will er das
Werkstattrisiko nicht selbst tragen - die Zahlung der Reparaturkosten
allerdings nicht an sich, sondern nur an die Werkstatt verlangen (hierzu und
zum Folgenden Senat, Urteil vom heutigen Tag - VI ZR 253/22 unter II.2.e).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Hat
der Geschädigte die Rechnung der Werkstatt nicht (vollständig) beglichen, so
ist zu berücksichtigen, dass ein Vorteilsausgleich durch Abtretung etwaiger
Gegenansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt an den Schädiger aus
Rechtsgründen nicht gelingen kann, wenn der Geschädigte auch nach Erhalt der
Schadensersatzleistung vom Schädiger von der (Rest-)Zahlung an die Werkstatt
absieht: Soweit ein Anspruch der Werkstatt auf die von ihr abgerechnete
Vergütung gar nicht erst entstanden ist, würde ein Vorgehen des Schädigers
gegen die Werkstatt aus einem abgetretenen Bereicherungsanspruch des
Geschädigten daran scheitern, dass die Werkstatt mangels Zahlung des
Geschädigten nichts im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB
"erlangt" hat. Besteht an sich ein Vergütungsanspruch in Höhe des von
der Werkstatt abgerechneten Betrags, kann dem Geschädigten zwar ein
Gegenanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf teilweise Freistellung von dem
Vergütungsanspruch zustehen (wenn etwa die Werkstatt die abgerechneten Stunden
tatsächlich zur Instandsetzung erbracht hat, dies aber auf unwirtschaftlicher
Betriebsführung beruht, vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 - VII ZR 74/06, NJW
2009, 3426 Rn. 18). Ein solcher Freistellungsanspruch gegen die Werkstatt ist
insbesondere nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Geschädigte die
Reparaturkosten nach den Grundsätzen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung
(Werkstattrisiko) vom Schädiger ersetzt erhalten hat, weil diese Ersatzleistung
allein den Geschädigten und nicht die Werkstatt entlasten soll (vgl. BGH,
Urteil vom 1. Juni 2017 - VII ZR 95/16, BGHZ 215, 306 Rn. 30-32). Der
Freistellungsanspruch des Geschädigten gegen die Werkstatt ist aber gemäß
§ 399 Alt. 1 BGB nicht an den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer
abtretbar, weil die Leistung der Werkstatt an einen anderen als den
ursprünglichen Gläubiger (den Geschädigten) nicht ohne Veränderung ihres
Inhalts erfolgen könnte (vgl. BGH, Urteile vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 31/85,
BGHZ 96, 146, 148 f., juris Rn. 16 f.; vom 25. September 1972 - VIII ZR 102/71,
NJW 1972, 2036, juris Rn. 12; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. November 2017 -
VII ZB 9/15, NZA 2018, 126 Rn. 13 f. zur Abtretbarkeit eines
Befreiungsanspruchs aus § 257 Satz 1 BGB).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Zugleich wäre
der Geschädigte durch den Schadensersatz bereichert, wenn er vom Schädiger den
vollen von der Werkstatt in Rechnung gestellten Betrag erhielte, gegenüber der
Werkstatt aber die Zahlung eines Teilbetrages unter Berufung auf den insoweit
fehlenden Vergütungsanspruch oder auf einen auf Freistellung gerichteten
Gegenanspruch verweigerte. Demgegenüber wäre der Schädiger schlechter gestellt,
als wenn er die Reparatur der beschädigten Sache selbst veranlasst hätte; denn
im letzteren Fall hätte er als Vertragspartner der Werkstatt die Zahlung der zu
hoch berechneten Vergütung verweigern können. Seine Rechtsstellung gegenüber
der Werkstatt soll aber nicht schwächer sein als die des Geschädigten (vgl.
Senatsurteil vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 187, juris Rn.
13). Die Mühe und das Risiko einer Auseinandersetzung mit der Werkstatt sollen
zwar bei ihm verbleiben und nicht dem Geschädigten überbürdet werden, die
Auseinandersetzung soll ihm aber rechtlich möglich sein.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Zu einer
Bereicherung des Geschädigten käme es auch, wenn mit einer in der Literatur
vertretenen Meinung angenommen würde, dass der Schädiger und sein
Haftpflichtversicherer in den Schutzbereich des Werkvertrags zwischen dem
Geschädigten und der Werkstatt einbezogen sind (wovon aus Sicht des Senats
unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung für den Vertrag mit
Schutzwirkung für Dritte entwickelten Grundsätze allerdings nicht ohne Weiteres
auszugehen ist), so dass ihnen eigene Ansprüche gegen die Werkstatt zustehen
könnten (vgl. C. Burmann, r+s 2022, 535; Kemperdiek, r+s 2021, 372, 375 f.;
Looschelders, JA 2022, 1038, 1040 f.; ders., zfs 2023, 364, 371; Meyer-Näser,
NJW-Spezial 2018, 457, 458). Auch in diesem Fall wäre im Ergebnis der
Geschädigte, der vom Schädiger den vollen von der Werkstatt in Rechnung
gestellten Betrag verlangen, gegenüber der Werkstatt aber die Zahlung eines
Teilbetrages verweigern kann, in dem Maß bereichert, in dem der Schädiger die
Werkstatt in Regress nehmen kann und in dem die Werkstatt letztlich mit einem
Teil ihres Vergütungsanspruchs ausfällt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Aus
diesem Grund kann der Geschädigte, der sich auf das Werkstattrisiko beruft,
aber die Rechnung der Werkstatt noch nicht (vollständig) bezahlt hat, von dem
Schädiger Zahlung des von der Werkstatt in Rechnung gestellten (Rest-)Honorars
nur an die Werkstatt und nicht an sich selbst verlangen, Zug um Zug gegen
Abtretung etwaiger (das Werkstattrisiko betreffender) Ansprüche des
Geschädigten gegen die Werkstatt (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1993 - V ZR
69/92, NJW 1993, 2232, 2233, juris Rn. 19). Nur so stellt er sicher, dass das
Werkstattrisiko beim Schädiger bleibt und sich dieser mit der Werkstatt über
unangemessene bzw. unberechtigte Rechnungsposten auseinanderzusetzen hat.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>c)</b> Wählt
der Geschädigte bei unbezahlter Rechnung hingegen Zahlung an sich selbst, so
trägt er und nicht der Schädiger das Werkstattrisiko. Er hat dann im
Schadensersatzprozess gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer
gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten Reparaturmaßnahmen
tatsächlich durchgeführt wurden und dass die Reparaturkosten nicht etwa wegen
überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder
unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt nicht erforderlich sind.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>d)</b>
Schließlich stünde es dem Geschädigten im Rahmen von § 308 Abs. 1 ZPO
frei, vom Schädiger statt Zahlung Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber
der Werkstatt zu verlangen. In diesem Fall richtete sich sein Anspruch
grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens
danach, ob und in welcher Höhe er mit der Verbindlichkeit, die er gegenüber der
Werkstatt eingegangen ist, beschwert ist. Es wäre also die Berechtigung der
Forderung, von der freizustellen ist, und damit die werkvertragliche Beziehung
zwischen Geschädigtem und Werkstatt maßgeblich (Senatsurteil vom 13. Dezember
2022 - VI ZR 324/21, VersR 2023, 330 Rn. 12 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 16.
November 2006 - I ZR 257/03, NJW 2007, 1809 Rn. 20). Auch in diesem Fall trüge der
Geschädigte das Werkstattrisiko somit selbst.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>6.</b> Vor
diesem Hintergrund kann sich die Klägerin als Zessionarin nicht auf das
Werkstattrisiko berufen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Nach
§ 399 Alt. 1 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die
Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne
Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Eine solche Inhaltsänderung wird auch
dann angenommen, wenn ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das
Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerposition
aber besonders schutzwürdig ist (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 8. April 2020
- VIII ZR 130/19, NJW-RR 2020, 779 Rn. 76; vom 30. Oktober 2009 - V ZR 42/09,
NJW 2010, 1074 Rn. 27; vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 31/85, BGHZ 96, 146, 148
f., juris Rn. 16 f.; vgl. ferner Kieninger in MünchKomm BGB, 9. Aufl.,
§ 399 Rn. 24; Rn. 22; Staudinger/Busche, BGB [2022], § 399 Rn. 22; jeweils
mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Dieser
Rechtsgedanke greift hier insofern Platz, als sich der Geschädigte im
Verhältnis zum Schädiger auch bei unbeglichener Rechnung auf das
Werkstattrisiko berufen kann, wenn er Zahlung an die Werkstatt verlangt. Denn
insoweit hat der Schädiger ein besonders schutzwürdiges Interesse daran, dass
der Geschädigte sein Gläubiger bleibt. Allein im Verhältnis zu diesem ist
nämlich die Durchführung des Vorteilsausgleichs in jedem Fall möglich, weil der
Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger und die im Wege des
Vorteilsausgleichs abzutretenden - etwaigen - Ansprüche gegen die Werkstatt in
einer Hand (beim Geschädigten) liegen (vgl. oben II.5.a). Dies ist nach der
Abtretung der Schadensersatzforderung an die Werkstatt nicht mehr der Fall. Der
Schädiger verlöre daher regelmäßig das Recht, seine eigene
Zahlungsverpflichtung nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des
Geschädigten gegen die Werkstatt zu erfüllen. Bei einer - wie hier - erfolgten
Abtretung an die Werkstatt ist bei wertender Betrachtung zudem in den Blick zu
nehmen, dass die Grundsätze zum Werkstattrisiko nach ihrer dogmatischen
Herleitung nur dem Geschädigten, nicht aber der Werkstatt selbst zugutekommen
sollen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Nach
all dem lässt sich die Option des Geschädigten, sich auch bei unbeglichener
Rechnung auf das Werkstattrisiko zu berufen, nicht im Wege der Abtretung auf
Dritte übertragen. Im Ergebnis trägt daher bei Geltendmachung des Anspruchs aus
abgetretenem Recht stets der Zessionar das Werkstattrisiko. Im
Schadensersatzprozess gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer
hat folglich der Zessionar - hier die klagende Werkstatt - darzulegen und
gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten Reparaturmaßnahmen
tatsächlich durchgeführt wurden und dass die geltend gemachten Reparaturkosten
nicht etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen
unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt zur
Herstellung nicht erforderlich waren.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>c)</b> Nach
diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die Klägerin im Streitfall zu Recht
als beweisfällig angesehen. Die Beklagte hat hinsichtlich der noch offenen und
streitgegenständlichen Rechnungsposition "Arbeitsplatzwechsel"
eingewandt, ein solcher Arbeitsschritt sei tatsächlich nicht durchgeführt
worden, weil die Klägerin über eine Lackiererei auf dem eigenen Betriebsgelände
verfüge. Verbringungskosten seien daher nicht angefallen. Zu diesem Einwand hat
sich die Klägerin zuletzt in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr verhalten; ihren
zunächst hierzu angebotenen Zeugenbeweis hat sie vielmehr im Berufungsverfahren
ausdrücklich zurückgezogen, weil es auf die Frage, weshalb die Position
"Arbeitsplatzwechsel" angefallen sei, "nicht ankomme".
Damit hat sie jedenfalls ihrer Beweislast nicht genügt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>d)</b> Die
Klagforderung ist auch nicht unabhängig von der Frage des Werkstattrisikos
deshalb berechtigt, weil sich die Geschädigte - ohne die Grenzen des Auswahl-
und Überwachungsverschuldens zu überschreiten - im Rahmen einer wirksamen
Preis- oder Honorarabrede zur Vergütung der Klägerin in entsprechender Höhe
verpflichtet hätte. Zwar entspricht die streitgegenständliche Rechnungsposition
der in dem von der Geschädigten zuvor eingeholten Sachverständigengutachten
vorgenommenen Schadensschätzung. Doch selbst wenn man - wie in der Regel nicht
(vgl. Exter, VersR 2022, 729, 733 f.) - in der im Streitfall festgestellten
Beauftragung der Werkstatt durch die Geschädigte auf der Grundlage des von ihr
zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens eine Preis- oder Honorarvereinbarung
zwischen Geschädigter und Werkstatt sehen wollte, wäre die Geschädigte
jedenfalls außerhalb einer hier nicht vorliegenden Pauschalpreisabrede nicht
zur Vergütung von (Teil-)Leistungen verpflichtet, die tatsächlich nicht
erbracht wurden.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-55297828440233126612024-03-08T20:37:00.000+01:002024-03-08T20:37:03.541+01:00Selbstprotokollierung durch Sachverständigen bei seiner gerichtlichen Gutachtenerstattung<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhOQaS7GaZ2rJRsWf9fcu8INFssFKM_CIFPKtJgNs15zu2e2x1qQeJsqpCOcvZWjKot-amlyEX5-CIfe7VjVcgizWbYYuHjdFj9IB6EW0S-pSY-EELnKXnvJLjJ0Xkp0RtK5tFbonBfiujNCC4RP8i7JLpIeo8mjS9RPsXQJTEBko8A_5rwP7fGy_MdYy7J/s2304/DSCF1917.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="2304" data-original-width="1728" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhOQaS7GaZ2rJRsWf9fcu8INFssFKM_CIFPKtJgNs15zu2e2x1qQeJsqpCOcvZWjKot-amlyEX5-CIfe7VjVcgizWbYYuHjdFj9IB6EW0S-pSY-EELnKXnvJLjJ0Xkp0RtK5tFbonBfiujNCC4RP8i7JLpIeo8mjS9RPsXQJTEBko8A_5rwP7fGy_MdYy7J/s320/DSCF1917.jpg" width="240" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Nach § 159 ZPO ist über die
mündliche Verhandlung bei Gericht ein Protokoll aufzunehmen, explizit auch gem.
§ 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO über Zeugenvernehmungen und Sachverständigenanhörungen.
Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens erstattete ein vom Gericht beauftragter
Sachverständiger sein unfallanalytisches Gutachten in mündlicher Form, wobei
diesem von der erkennenden Einzelrichterin auch die Protokollierung übertragen
wurde. Es handelte sich hier um eine Prozedur, die an vielen Gerichten in Deutschland
anzutreffen ist, <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>bei denen die
beauftragten Sachverständigen ihre Gutachten im Termin vortragen (oder bei
denen sie auch nur ergänzende Angaben zum schriftlichen Gutachten, ggf. auf
Fragen der Beteiligten, machen), <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>um sie
dann auch selbst zu protokollieren, wobei „protokollieren“ hier bedeutet, dass
sie ihre Angaben selbst auf dem vom Gericht für die Protokollierung
vorgegebenen Tonträger aufzeichnen (also Übernahme der Protokollführung). Das
OLG Hamm sah dies als unzulässig an und hatte daher im Berufungsverfahren gegen
ein auf dieser Grundlage ergangenes Urteil die Beweisaufnahme (in Bezug auf das
Sachverständigengutachten) wiederholt. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">§ 159 Abs. 1 ZPO sehe vor, dass
über die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht (§ 128 Abs. 1, § 279 ZPO) und
jede Beweisaufnahme (§ 355 Abs. 1 ZPO) ein Protokoll aufzunehmen sei. Zuständig
für die Protokollierung sei bei einer Entscheidung durch die Kammer der
Vorsitzende (Anm.: entscheidet der Einzelrichter, dann dieser), es sei denn, er
ziehe einen Urkundsbeamten gem. § 159 Abs. 1 S. 2 ZPO zur Protokollführung hinzu.
<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Beweisaufnahme, bei der das
mündliche Gutachten durch den Sachverständigen erstattet würde, würde dem
Protokollzwang gem. § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO unterliegen; in der ZPO sei nicht vorgesehen,
dass diese Protokollierung durch den Sachverständigen selbst erfolgen könne,
weshalb diese Eigenprotokollierung durch den Sachverständigen
verfahrensfehlerhaft sei. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Eine Verletzung der
Protokollierung nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO durch Eigenprotokollierung durch
den Sachverständigen könne nicht gem. § 295 ZPO geheilt werden, was im Falle
einer Revision auch regelmäßig zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führe. Der
Grund für die Aufhebung sei, dass es in Ermangelung einer ordnungsgemäßen
Protokollierung an der für eine revisionsrechtliche Prüfung notwendigen
Feststellung eines Teils der tatsächlichen Grundlagen fehle. Ausnahmsweise sei
eine Aufhebung nur dann nicht veranlasst, wen sich der Inhalt der
Beweisaufnahme klar aus dem Urteil ergäbe du keine Anhaltspunkte dafür
bestünden, dass die zeugen oder Sachverständigen weitere Erklärungen abgegeben
haben, die erheblich sein könnten. In diesem Ausnahmefall müsste sich die Wiedergabe
der Aussagen im Urteil deutlich von deren Würdigung abheben und den gesamten
Inhalt von deren Angaben erkennen lassen (BGH, Urteil vom 12.02.2019 - VI ZR
141/18 -; BGH, Urteil vom 21.04.1993 - XII ZR 126/91 -). </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Damit würde sich der
erstinstanzliche Protokollmangel in der Berufungsinstanz als wesentlich iSv. §
538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO darstellen, da die eigene Protokollführung durch den
Sachverständigen in 3inem Zuge mit der Gutachtenerstattung keine Grundlage für
eine instanzbeendende Entscheidung sein könne (BGH, Urteil vom 15.02.2017 –
VIII ZR 284/15 -). </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Anmerkung:</u></b> </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Erwägungen des OLG sind in der
Sache richtig, und von daher musste das OLG die Beweisaufnahme durch Erstattung
des Sachverständigengutachtens (als entscheidungserheblich in dem Rechtsstreit)
wiederholen. Es handelte sich hier, wie vom OLG dargelegt, um eine
protokollpflichtige Verhandlung. Die mündliche Verhandlung wird mit dem
Protokoll um ein schriftliches Element ergänzt und hat nach § 165 ZPO für die
Einhaltung von Förmlichkeiten Beweiskraft. Die Aufzeichnung auf Tonträger ist
eine vorläufige Aufzeichnung nach § 160a ZPO, aufgrund der dann das Protokoll „unverzüglich
nach der Sitzung herzustellen“ (also ohne schuldhaftes zögern , § 121 BGB) ist,
§ 60a Abs. 2 S. 1 ZPO, wobei Verzögerungen in der Übertragung aber nicht zur <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Erschütterung der Beweiskraft führt (Stadler
in Musielak/Voit, ZPO 20. Aufl. 2023, § 160a Rn. 3). Lediglich nach § 161 ZPO
bedarf es einer Aufnahme in den Fällen des § 160 Abs. 3 Nr. 4 und 5 ZPO nicht (also
bei Aussagen von Sachverständigen, Zeugen und Parteien und bei einer
Inaugenscheinnahme), was voraussetzt, dass die Klage zurückgenommen oder
anerkannt pp. wurde. Die Voraussetzungen lagen vorliegend nicht vor, wie schon dadurch
deutlich wurde, dass gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt
wurde. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span><span style="mso-spacerun: yes;"> </span> </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">In dem „Merkblatt für
Sachverständige im Zivilprozess“ des Instituts für Sachverständigenwesen e.V. (Stand
2019) wird u.a. ausgeführt: „Der Richter kann dem Sachverständigen auch
gestatten, seine gutachterlichen Äußerungen selbst in das Protokoll zu
diktieren…“. Dem folgt das OLG Hamm ersichtlich – und nach der Grundlage des §
159 ZPO richtig – nicht. Auch wenn hier der Sachverständige „nur“ auf den für
die Protokollaufnahme vorgesehenen Tonträger sprach, handelt es sich gem. §
160a ZPO um die vorläufige und dann in das Protokoll aufzunehmende Aufzeichnung
und steht daher als Vorstufe dem gleich in der Verhandlung mitgeschriebenen Protokoll
letztlich gleich. Die Verantwortung für das Protokoll obliegt dem zuständigen
Richter, weshalb dieser es selbst (oder durch einen Urkundsbeamten, dem dann
die Verantwortung obläge) aufzunehmen hat. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">In der praktischen Anwendung ist
allerdings die Aufnahme des mündlich erstatteten Sachverständigengutachtens
durch den Sachverständigen selbst meist sinnvoller, als eine Wiedergabe durch
den zuständigen Richter. Häufig stellt man bei der Aufnahme des vom
Sachverständigen erklärten fest, dass wesentliche Details seiner Angaben nicht
mit protokolliert werden. Hier besteht zwar die Möglichkeit zu intervenieren
und eine Ergänzung zu beantragen, was aber eine erhebliche Konzentration
erfordert, da die Angaben des Sachverständigen im Hinblick auf möglicherweise
erforderliche Zusatzfragen ständig durch die Aufgabe, die Protokollierung des
Richters im Hinblick auf die Übertragung des vom Sachverständigen Gesagten im Hinblick
auf eine Lücke zu (zumindest zunächst als wesentlich angesehene) Umstände zusätzlich
beansprucht wird. Es gibt einige Sachverständige, die ihr Gutachten diktatsicher
vortragen, welches dann aber bei der Wiedergabe durch den Richter auf Tonträger
nur verschwommen aufgenommen wird, da z.B. der Richter relevante Umstände
falsch versteht. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es wäre daher sinnvoll,
die Zivilprozessordnung dahingehend zu ändern, dass es dem Richter,
insbesondere wenn (und solange) die Parteien bzw. Parteivertreter damit einverstanden
sind, dem vom Gericht bestellten Sachverständigen die Protokollierung seiner
Angaben übertragen könnten. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Problematisch ist vorliegend
auch, dass das OLG nicht die Kosten des Sachverständigen für sein Gutachten in
der Berufungsinstanz niedergeschlagen hat, sondern die Parteien (hier die nach
erneuter Erstattung des Gutachtens neuerlich unterlegene Partei) mit diesen
Kosten belastet ließ. Nach § 21 GKG können Kosten niedergeschlagen werden, die
bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Hätte sich das
Landgericht bereits an die ZPO gehalten, wäre es nicht zur erneuten
Beweiserhebung durch Erstattung des Gutachtens durch den Sachverständigen
gekommen. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>OLG Hamm, Urteil vom 19.12.2023
- 7 U 73/23 - <o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die Berufung des Klägers gegen das am
10.05.2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Paderborn (8 O 243/22) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Dieses und das angefochtene Urteil sind
vorläufig vollstreckbar.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Streitwert
für das Berufungsverfahren wird auf 10.860,45 EUR festgesetzt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">(abgekürzt
gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 544
Abs. 2 Nr. 1 ZPO)<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Senat war
gehalten, die erstinstanzliche Beweisaufnahme in Form des mündlich erstatteten
unfallanalytischen Sachverständigengutachtens zu wiederholen, weil die
Protokollierung desselben in erster Instanz entgegen § 159 ZPO
unzulässigerweise dem Sachverständigen übertragen wurde. Infolgedessen war die
Beweisaufnahme verfahrensfehlerhaft nicht ordnungsgemäß protokolliert.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Nach § 159
Abs. 1 ZPO ist über die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht
(§ 128 Abs. 1, § 279 ZPO) und jede Beweisaufnahme (§ 355
Abs. 1 ZPO) ein Protokoll aufzunehmen. Die mündliche Verhandlung erster
Instanz unterlag somit unzweifelhaft dem Protokollzwang. Zuständig für die
Protokollführung ist, wenn die Kammer entscheidet, der Vorsitzende, es sei
denn, er zieht gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen
Urkundsbeamten hinzu (vgl. hierzu Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024
§ 159 ZPO, Rn. 5; Stadler in Musielak/Voit, 20. Aufl. 2023, ZPO § 159
Rn. 7; Fritsche in MüKoZPO, 6. Auflage 2020, § 159 Rn. 5; Saenger, ZPO,
§ 159 Rn. 3; Wendtland in BeckOK-ZPO, 50. Ed., 1.9.2023, § 159
ZPO Rn. 6). Die Übernahme der Protokollführung über die Beweisaufnahme, die
gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO dem Protokollzwang unterliegt,
konkret die Protokollierung des mündlichen Gutachtens durch den
Sachverständigen selbst ist somit in der ZPO nicht vorgesehen und daher
verfahrensfehlerhaft.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Nach
gefestigter höchstrichterlichen Rechtsprechung kann eine Verletzung von
§ 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO auch nicht gemäß § 295 ZPO geheilt
werden. Sie führt in der Revision daher regelmäßig zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils; denn ohne ordnungsgemäße Protokollierung fehlt es an der
für eine revisionsrechtliche Prüfung notwendigen Feststellung eines Teils der
tatsächlichen Grundlagen. Eine Aufhebung des Urteils ist danach nur
ausnahmsweise dann nicht veranlasst, wenn sich der Inhalt der Beweisaufnahme
aus dem Urteil selbst klar ergibt und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass
die Zeugen / der Sachverständige weitere Erklärungen abgegeben haben, die
erheblich sein könnten. Allerdings muss sich die Wiedergabe der Aussagen im
Urteil dann deutlich von deren Würdigung abheben und den gesamten Inhalt der
Bekundungen erkennen lassen (so BGH Urt. v. 12.2.2019 - VI ZR 141/18, NZV 2019,
524 Rn. 18 m. w. N.; siehe auch BGH Urt. v. 21.4.1993 - XII ZR 126/91, NJW-RR
1993, 1034 = juris Rn. 15), was hier nicht der Fall ist.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Vor diesem
Hintergrund stellt sich der erstinstanzliche Protokollmangel in der
Berufungsinstanz unzweifelhaft als wesentlich i.S.d. § 538 Abs. 2
Nr. 1 ZPO dar, eben weil die Protokollführung durch den Sachverständigen
in einem Zuge mit der Gutachtenerstattung keine Grundlage für eine
instanzbeendende Entscheidung sein kann (vgl. BGH Urt. v. 15.2.2017 - VIII ZR
284/15, BeckRS 2017, 103968 Rn. 14).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die allein
aufgrund formeller Mängel durch den Senat neu durchzuführende Beweisaufnahme
hat indes - im Hinblick auf die Schadenskompatibilität - nicht zu einem anderen
Ergebnis als die erstinstanzliche Beweisaufnahme geführt. Insoweit kann deshalb
vollumfänglich auf die Ausführungen im Senatshinweis vom 26.09.2023 (Bl. 111
ff. der zweitinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte, im Folgenden eGA II)
Bezug genommen werden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Auch
zweitinstanzlich hat der Sachverständige in überzeugender Art und Weise keinen
Zweifel daran gelassen, dass die Beschädigung am keinesfalls durch das
Beklagtenfahrzeug verursacht worden sein kann (Berichterstattervermerk vom
19.12.2023 Seite 2 f., eGA II-196 f.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Ebenso hat er
keine Zweifel daran gelassen, dass die möglicherweise dem Beklagtenfahrzeug
zuzuordnenden Beschädigungen links vom Radkasten einen vorgeschädigten Bereich
betreffen und damit kein wirtschaftlicher Nachteil des Klägers Felgenhorn
feststellbar ist (Berichterstattervermerk vom 19.12.2023 Seite 2
vorletzter Abs., eGA II-196, und Seite 3 Abs. 4, eGA II-197).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Ob die
Beschädigungen im Bereich rechts vom Radkasten dem Beklagtenfahrzeug zuzuordnen
sind, lässt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen ebenso wenig
feststellen. Bereits die Farbzuordnung zum Beklagtenfahrzeug kann nicht sicher
erfolgen (Berichterstattervermerk vom 19.12.2023 Seite 4 a. E., eGA
II-198). Vor allem aber können diese Beschädigungen nicht in einem Zug mit den
Beschädigungen links vom Radkasten entstanden sein (Berichterstattervermerk vom
19.12.2023 Seite 3 Abs. 2, eGA II-197, und Seite 3 Abs. 7
f., eGA II-197).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Dass der
Beklagte zu 1 tatsächlich mehrfach (vgl. dazu die Ausführungen des
Sachverständigen im Berichterstattervermerk vom 19.12.2023 Seite 3 letzter
Abs., eGA II-197), also - um sämtliche Beschädigungen zu begründen - gar
dreimal, in das Klägerfahrzeug gefahren wäre, lässt sich aufgrund der Angaben
des Beklagten zu 1 im Rahmen seiner persönlichen Anhörung
(Bericht-erstattervermerk vom 19.12.2023 Seite 2 Abs. 3, eGA II-196,
und Seite 4 Abs. 2, eGA II-198) und mangels sonstiger Anhaltspunkte
dafür ebenfalls nicht feststellen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Es besteht -
nicht zuletzt auch im Hinblick auf vom Kläger nicht als unüblich bezeichnete
Parkplatzunfälle auf dem streitgegenständlichen Parkplatz
(Berichterstattervermerk vom 19.12.2023 Seite 1 viertletzter Abs., eGA
II-195) - die ernsthafte Möglichkeit, dass im Rahmen eines im wesentlichen Kern
schon nicht feststellbaren Zusammenstoßes mit dem Beklagtenfahrzeug keine oder
jedenfalls keine wirtschaftlich relevanten weiteren Schäden entstanden sind, so
dass die Klage abzuweisen ist.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>III.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 1
und Satz 2, § 713 ZPO i. V. m. § 542 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Von einer
Niederschlagung der zusätzlichen Sachverständigenkosten in zweiter Instanz
gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG hat der Senat abgesehen, da im
Hinblick auf die jahrelange Praxis von mehreren Kammern zweier Landgerichte im
Oberlandesgerichtsbezirk Hamm, die bislang nicht zu Beanstandungen geführt
haben, derzeit nicht von einem offensichtlichen und schweren<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Verfahrensfehler
ausgegangen werden kann (vgl. dazu nur m. w. N. Dörndor- fer in BeckOK
Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, 43. Ed., Stand: 01.10.2023,
§ 21 Rn. 3).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>IV.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Revision
ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-9456179029297793542024-03-07T18:46:00.002+01:002024-03-07T19:09:58.293+01:006-Monatsfrist bei fiktiver / konkreter Abrechnung mit 130% vom Wiederbeschaffungswert<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh4XNMXXM87Ux9pW5becl0ZdWWrgp5gNpR0N1Z7dkR9LcLeP-1cJOIzD3RR7s3DieHDYVJirWCZmBBWMeHVaUWvGTf3V2rB9CXtqJbZUhRSATQQzIAXYYOTDfy3YSZjT2UNAG6bzculf2TuXc4J0sD6Cp3MA273eveIR1-JJjXDy_5kwEagmqJmyWA-jaAK/s1280/automobile-3734396_1280%20(1).tiff" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="853" data-original-width="1280" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh4XNMXXM87Ux9pW5becl0ZdWWrgp5gNpR0N1Z7dkR9LcLeP-1cJOIzD3RR7s3DieHDYVJirWCZmBBWMeHVaUWvGTf3V2rB9CXtqJbZUhRSATQQzIAXYYOTDfy3YSZjT2UNAG6bzculf2TuXc4J0sD6Cp3MA273eveIR1-JJjXDy_5kwEagmqJmyWA-jaAK/s320/automobile-3734396_1280%20(1).tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Im Kern ging es in dem Rechtsstreit
um die Frage, ob die Weiternutzung eines unfallgeschädigten Fahrzeugs noch
mindestens sechs Monate erfolgen muss, wenn eine fiktive Abrechnung des
Unfallschadens erfolgen soll. Es stellt sich dann die Frage, ob die Frist von
sechs Monaten als Indiz für ein Integritätsinteresse eine Fälligkeitsvoraussetzung
ist. Das OLG sah darin keine Fälligkeitsvoraussetzung und machte die Fälligkeit
des Schadensersatzanspruchs nicht von dem Ablauf der sechs Monate abhängig.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">In seinem Urteil vom 23.05.2006 -
VI ZR 192/05 - hat der BGH festgehalten, dass der Geschädigte den zum Ausgleich
des durch einen Unfall verursachten Fahrzeugschaden, der den Wiederbeschaffungswert
nicht übersteigt, die von einem Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten
bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes ohne Abzug des Restwertes verlangen
könne, wenn er das Fahrzeug (auch ggf. unrepariert) mindestens sechs Monate
nach dem Unfall weiter nutze. Da es um das Integritätsinteresse gehen würde,
welches vorliegend die Höhe des (fiktiven) Schadensersatzanspruchs
rechtfertigen würde, wurde vom BGH dieses über die Frist als objektiv feststellbar
definiert.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das OLG ging allerdings davon
aus, bei der vom BGH benannten Frist handele es sich nicht um eine Fälligkeitsvoraussetzung.
Entschieden habe der BGH dies insoweit lediglich für den Fall, dass der Geschädigte
den Unfallschaden, dessen Höhe zwischen dem Wiederbeschaffungswert und 130%
desselben läge, konkret abgerechnet habe; in diesem Fall negiere er die
notwendige Weiternutzung von sechs Monaten als Fälligkeitsvoraussetzung (BGH, Beschluss
vom 18.11.2008 - VI ZB 22/08 -). Zwar ließen sich die Gründe nicht „samt und
sonders“ auf den vorliegenden Fall der fiktiven Abrechnung zu übertragen. Der
Gesichtspunkt, dem Geschädigten sie nicht zumutbar, die Reparatur seines
Fahrzeugs innerhalb des Sechsmonatszeitraums entschädigungslos vorzufinanzieren
käme bei der fiktiven Abrechnung nur in Bezug auf eine evtl. Notwendige Teilreparatur
in Betracht. Allerdings sei die Weiternutzung für sechs Monate nach der Entscheidung
des BGH zum konkreten Schadensersatz nur ein Indiz für das fortbestehende
Integritätsinteresse, was sich hier übertragen lasse. So seien vom BGH
angedachte Fallgestaltungen denkbar, in denen es vor Ablauf der sechs Monate zu
einer Nutzungsaufgabe käme, ohne dass die dem Schadenersatzanspruch entgegen stünde
(z.B. zweiter Unfall), was auch bei einem fiktiven Schadensersatz ebenso
denkbar wäre.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Dem würden auch nicht die Urteile
des BGH vom 29.04.2008 - VI ZR 220/07 - und vom 23.11.2010 - VI ZR 35/10 -
entgegen stehen, da in beiden Fällen der jeweilige Geschädigte aus freien
Stücken das unfallgeschädigte Fahrzeug vor Ablauf der Frist von sechs Monaten
verkauft habe, weshalb sich dort die Frage nicht gestellt habe, ob das Verstreichen
der Sechsmonatsfrist eine Fälligkeitsvoraussetzung sei.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Damit sah das OLG in der
Sechsmonatsfrist keine Fälligkeitsvoraussetzung im Hinblick auch auf den
geltend gemachten fiktiven Schadensersatz.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Anmerkung</u></b><u>:</u> Liest
man das Urteil des BGH vom 23.05.2006 - VI ZR 192/05 - kann man den Folgerungen
des OLG nicht zustimmen. Die Unbeachtlichkeit der sechsmonatigen Frist bei durchgeführter
Reparatur ergibt sich bereits aus dem dafür erforderlichen Aufwand. Verhindert werden
soll, dass eine Bereicherung des Geschädigten erfolgt, indem er fiktiv innerhalb
der 130%-Grenze abrechnet und dann das Fahrzeug veräußert, obwohl die Erhöhung
auf 130% nur erfolgte, um ein Integritätsinteresse zu wahren (BGH aaO.). <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>In dem Urteil vom 23.05.2006 führte der BGH
aus: <o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">„Andererseits ist zu berücksichtigen,
dass eine längere Frist für die Möglichkeit einer Abrechnung mit Abzug des
Restwertes den Schädiger und seinen Versicherer begünstigen bzw. zur
Verzögerung der Abrechnung veranlassen könnte und von daher dem Geschädigten
nicht zumutbar wäre. Deshalb erscheint in der Regel ein Zeitraum von sechs
Monaten als angemessen, wenn nicht besondere Umstände ausnahmsweise eine andere
Beurteilung rechtfertigen.“<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Damit wird aber die Frist als
Fälligkeitsfrist benannt: Der Schädiger könne die Abwicklung bei fiktiver
Abrechnung hinauszögern, weshalb es der Frist bedürfe, die zum Einen das Integritätsinteresse
des Geschädigten an der weiteren Nutzung des Fahrzeugs sichert, zum anderen aber
den Schädiger vor einer Abrechnung schützt, die in Wirklichkeit nicht diesem
Integritätsinteresse entspricht. Mit der Entscheidung des OLG kann der
Geschädigte versuchen, schnell den erhöhten Schaden fiktiv abzurechnen, um dass
den Verkauf vorzunehmen. Natürlich wird man in diesem Fall daran denken können,
dass der Schädiger, stellt er einen Verkauf nach fiktiver Abrechnung vor Ablauf
der Frist von sechs Monaten fest, einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch
des überzahlten Betrages geltend macht; allerdings müsste er mühsam (evtl.
erfolglos) nachforschen, ob ein Verkauf vor dem Ablauf der Frist erfolgte. Hier
wäre die Revision zuzulassen gewesen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>OLG München, Urteil vom
11.01.2024 - 24 U 3811/23 e -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">I. Auf die Berufung des Klägers wird das
Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 22.08.2023, Az. 14 O 730/23,
abgeändert und wie folgt neu gefasst:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">1. Es wird festgestellt, dass der
Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der beantragten Zahlung von
5.359,33 € sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 160,89 €
erledigt ist.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">2. Die Beklagte wird verurteilt, an den
Kläger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus 5.359,33 € für die Zeit vom 18.03.2023 bis einschließlich 11.09.2023 zu
bezahlen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">II. Die Beklagte trägt die Kosten des
Rechtsstreits in beiden Instanzen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">III. Dieses Urteil ist ohne
Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">IV. Die
Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">(abgekürzt
gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1, § 540 Abs. 2 ZPO)<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Gegen das seine
Klage als derzeit unbegründet abweisende Urteil des Landgerichts Kempten vom
22.08.2023, Az. 14 O 730/23, seinem Prozessbevollmächtigten zugestellt am
23.08.2023, hat der Kläger mit am 21.09.2023 eingegangenem Schriftsatz Berufung
eingelegt und diese mit am 13.10.2023 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Unter Verweis auf die am 12.09.2023 erfolgte Bezahlung der Hauptsacheforderung
und der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat der Kläger
seinen Antrag in der Berufungsinstanz dahingehend abgeändert, dass er
hinsichtlich der Hauptsacheforderung und der geltend gemachten vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten die Feststellung der Erledigung und im Übrigen nur noch die
Zahlung von Zinsen auf die Hauptforderung für den Zeitraum vom 18.03.2023 bis
einschließlich 11.09.2023 beantragt. Der Beklagtenvertreter ist dem
entgegengetreten, indem er mit der Berufungserwiderung vom 27.11.2023 die
Zurückweisung der Berufung beantragt hat.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Auf die
Verfügung des Berichterstatters vom 28.11.2023 hin erklärten beide
Parteivertreter ihr Einverständnis mit der Durchführung eines schriftlichen
Verfahrens gemäß § 128 Abs. 2 ZPO (Schriftsätze vom 29. bzw.
30.11.2023), in welchem daher gemäß Beschluss vom 04.12.2023 entschieden wird.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Die
gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte Berufung gegen das den
Kläger beschwerende Urteil des Landgerichts Kempten vom 22.08.2023, Az. 14 O
730/23, ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 517, 519 Abs. 1
und 2, § 520 Abs. 1 bis 3 ZPO eingelegt worden und somit zulässig.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Die
Umstellung des Klageantrags in der Hauptsache sowie bezüglich der
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von einem Leistungsantrag zu einem
Feststellungsantrag dahingehend, dass der Rechtsstreit insoweit durch die
Zahlung vom 12.09.2023 erledigt wurde, ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO
nicht als Klageänderung anzusehen (BGH vom 19.06.2008 - IX ZR 84/07 - juris Rn.
8) und daher auch in der Berufungsinstanz ohne Rücksicht auf die Beschränkungen
des § 533 ZPO zulässig (vgl. BGH vom 19.03.2004 - V ZR 104/03 - juris Rn.
25).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>3.</b> Die
Berufung ist sowohl hinsichtlich des Feststellungsantrags als auch hinsichtlich
des verbliebenen Leistungsantrags (bezüglich Zinsen auf die Hauptforderung für
die Zeit vom 18.03.2023 bis zum 11.09.2023) begründet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Die
Erledigungserklärung des Klägers hinsichtlich der Hauptsacheforderung und der
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Seite 2 der Berufungsbegründung vom
13.10.2023) ist einseitig geblieben, da der Beklagtenvertreter ihr nicht
zugestimmt hat, sondern ihr mit dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung
entgegengetreten ist. In der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung liegt
eine (wie ausgeführt gemäß § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte)
Klageänderung in eine Feststellungsklage mit der dreifachen klägerischen
Behauptung, dass die Klage im Zeitpunkt des nach Auffassung des Klägers
erledigenden Ereignisses (1) zulässig und (2) begründet war, jedoch (3)
nachträglich durch ein bestimmtes Ereignis nach Rechtshängigkeit (hier: Zahlung
am 12.09.2023) unzulässig oder unbegründet geworden sei (vgl. BGH vom
02.03.1999 - VI ZR 71/98 - juris Rn. 12).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Diese
Voraussetzungen liegen vor. Unabhängig davon, ob man (mit dem Landgericht) bei
fiktiver Abrechnung eines Unfallschadens in Höhe zwischen
Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert im Erfordernis einer
regelmäßig mindestens sechsmonatigen Weiternutzung des Fahrzeugs (vgl. BGH vom
23.05.2006 - VI ZR 192/05 - juris Rn. 8 bis 10) eine Fälligkeitsvoraussetzung
sieht oder (mit dem Kläger) nicht, ist die Klage jedenfalls mit Ablauf des
Sechsmonatszeitraums während der Berufungsinstanz - da das Auto nach dem von
niemandem angegriffenen unstreitigen Tatbestand jedenfalls am 03.03.2023 wieder
in einem verkehrssicheren Zustand befand, spätestens seit dem 04.09.2023 -
zulässig und begründet gewesen. Die somit jedenfalls seit dem 04.09.2023
bestehenden fälligen klägerischen Zahlungsansprüche (Hauptsachebetrag und
vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) haben sich durch die am 12.09.2023
erfolgte Zahlung erledigt. Der Antrag auf Feststellung der Erledigung in der
Hauptsache sowie bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist also
vollumfänglich begründet, ohne dass es insoweit auf die Frage ankommt, ob im
Erfordernis einer mindestens sechsmonatigen Weiternutzung des Autos eine
Fälligkeitsvoraussetzung liegt oder nicht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Dem
Kläger stehen aus dem Gesichtspunkt des Verzugs auch Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB) aus dem
Hauptsachebetrag in Höhe von 5.359,33 € für die Zeit vom 18.03.2023 bis
einschließlich 11.09.2023 zu.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>aa)</b> Das
setzt allerdings zunächst voraus, dass der in der Hauptsache beanspruchte
Betrag in Höhe von 5.359,33 € am 18.03.2023 bereits zur Zahlung fällig war, was
nicht der Fall wäre, wenn es sich bei dem vom Bundesgerichtshof aufgestellten
Erfordernis, das Fahrzeug (erforderlichenfalls verkehrssicher teilrepariert)
mindestens sechs Monate weiterzunutzen, um einen Reparaturschaden in Höhe
zwischen dem Wiederbeschaffungsaufwand und dem Wiederbeschaffungswert fiktiv
abrechnen zu können, um eine Fälligkeitsvoraussetzung handelte; dann wäre die
Fälligkeit frühestens sechs Monate nach dem Unfall (23.07.2023), spätestens
sechs Monate nach Wiederherstellung eines verkehrssicheren Zustands
(04.09.2023) eingetreten. Der Senat ist der Auffassung, dass es sich bei dem vom
Bundesgerichtshof aufgestellten regelmäßigen Erfordernis der mindestens
sechsmonatigen Weiternutzung nicht um eine Fälligkeitsvoraussetzung handelt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(1)</b>
Entschieden hat der Bundesgerichtshof diese Frage bislang nur für den Fall,
dass der Geschädigte einen Unfallschaden, dessen Höhe zwischen dem
Wiederbeschaffungswert und 130 % des Wiederbeschaffungswertes liegt, konkret
abrechnet. Für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 18.11.2008
- VI ZB 22/08 – juris Rn. 14 bis 17) in der notwendigen sechsmonatigen
Weiternutzung keine Fälligkeitsvoraussetzung gesehen und dies wie in der
Berufungsbegründung (Seiten 3 f.) zitiert begründet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(2)</b> Der
Senat verkennt nicht, dass sich die vom Bundesgerichtshof genannten Gründe
gegen die Annahme einer Fälligkeitsvoraussetzung nicht samt und sonders auf den
hier gegebenen Fall einer fiktiven Abrechnung eines Unfallschadens (in Höhe
zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert) übertragen
lassen. Der Aspekt, dass es dem Geschädigten nicht zumutbar wäre, die Reparatur
seines Fahrzeugs innerhalb dieses Sechsmonatszeitraums entschädigungslos
vorzufinanzieren (BGH, a. a. O., juris Rn. 15), käme im hier gegebenen Fall der
fiktiven Abrechnung allenfalls insoweit in Betracht, als zur Erlangung der
Verkehrssicherheit eine Teilreparatur erforderlich ist.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(3)</b>
Hingegen ist die weitere Argumentation des Bundesgerichtshofs (a. a. O., juris
Rn. 16) dahingehend, dass es sich bei der Weiternutzung für sechs Monate
lediglich um ein (nur regelmäßig erforderliches) Indiz für das nötige
fortbestehende Integritätsinteresse handelt, auf die hiesige Fallkonstellation
ohne Weiteres übertragbar. Die vom Bundesgerichtshof angesprochenen
Fallgestaltungen, in denen es vor Ablauf des Sechsmonatszeitraums zu einer
Nutzungsaufgabe kommt, ohne dass dies dem Schadensersatzanspruch entgegenstünde
- weiterer Unfall, aus finanziellen Gründen (z. B. Arbeitslosigkeit) erzwungene
Nutzungsaufgabe - sind hingegen bei der hier geltend gemachten fiktiven
Abrechnung im Bereich zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und
Wiederbeschaffungswert genauso denkbar wie in der vom Bundesgerichtshof
entschiedenen Fallkonstellation einer konkreten Abrechnung im Bereich zwischen
Wiederbeschaffungswert und 130 % des Wiederbeschaffungswertes.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(4)</b> Vor
diesem Hintergrund vertritt - worauf der Kläger in der Berufungsbegründung
(Seite 4) hingewiesen hat - auch W., ein früheres Mitglied des 6.
Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, in einer literarischen Stellungnahme die
Auffassung, dass die sechsmonatige Weiternutzung auch in der hiesigen
Konstellation keine Fälligkeitsvoraussetzung darstellt (NJW 2012, 7/8). Wie vom
Kläger in der Berufungsbegründung (Seite 4) nachgewiesen, wird diese
Auffassung auch in der amts- und landgerichtlichen Rechtsprechung teilweise
vertreten (vgl. etwa AG Lübeck vom 13.01.2011 - 22 C 2797/10 - juris Rn. 16; AG
Langenfeld vom 14.12.2015 - 34 C 249/15 - juris Rn. 3 f.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(5)</b>
Dieser Auffassung stehen entgegen den Ausführungen im landgerichtlichen Urteil
(Seite 3) auch nicht die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 29.04.2008 (VI
ZR 220/07 - juris) und vom 23.11.2010 (VI ZR 35/10 - juris) entgegen. In beiden
Fällen hat der Geschädigte das beschädigte Auto aus freien Stücken vor Ablauf
des Sechsmonatszeitraums weiterveräußert und damit sein Integritätsinteresse,
das erst eine fiktive Abrechnung im Bereich zwischen Wiederbeschaffungsaufwand
und Wiederbeschaffungswert rechtfertigt, selbst widerlegt. Die Frage, ob das
Verstreichen des Sechsmonatszeitraums eine Fälligkeitsvoraussetzung ist,
stellte sich damit in diesen Fällen von vornherein nicht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(6)</b> Der
Senat schließt sich der oben zu (4) genannten Auffassung an, weil zum einen die
vom Bundesgerichtshof für den Fall einer konkreten Abrechnung gegen die Annahme
einer Fälligkeitsvoraussetzung ins Feld geführten Argumente (vgl. oben zu (3))
jedenfalls teilweise auf die hier gegebene Konstellation einer fiktiven
Abrechnung übertragbar sind; zum anderen dient die Gleichbehandlung dieser
Fallkonstellationen dazu, die Rechtsprechung zum Schadensersatz nach einem
Verkehrsunfall nicht unnötigerweise noch weiter zu verkomplizieren.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>bb)</b> Der
Kläger hat die Zahlung des Hauptsachebetrags mit E-Mailschreiben vom 07.03.2012
(Anlage K 3) mit Frist bis zum 17.03.2023 angemahnt, so dass die Beklagte mit
Beginn des 18.03.2023 in Verzug geraten ist, weshalb der Betrag von da an bis
zur am 12.09.2023 erfolgten Zahlung gemäß § 288 Abs. 1 BGB zu
verzinsen war.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>III.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Der
Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708
Nr. 10, § 713 ZPO.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>3.</b> Ein
Grund für die Zulassung der Revision (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1
ZPO) war nicht gegeben.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-506135169606595792024-03-01T19:21:00.008+01:002024-03-01T19:59:38.083+01:00Überraschungsentscheidung bei Ausbleiben des Klägers im Termin beim Finanzgericht<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjVPU1b5Kj0L9uS7XUyNBr64WkIAQw2tGJlaSUCS7uSvs1_BHZONHNu4eL9l9XMDFRxfx4c2TF7iGBGKFNg5pfJTw_AWoq4sXxmwoQuShkU9nohi1fovbtQMvppI6USanR3ODw39oYoTMkePb5ktN_jpOhK5ZE0LmWqi4duCE5XYTuIFhqXzSOjUVJUhA8a/s1280/courtroom-898931_1281.tiff" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="964" data-original-width="1280" height="241" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjVPU1b5Kj0L9uS7XUyNBr64WkIAQw2tGJlaSUCS7uSvs1_BHZONHNu4eL9l9XMDFRxfx4c2TF7iGBGKFNg5pfJTw_AWoq4sXxmwoQuShkU9nohi1fovbtQMvppI6USanR3ODw39oYoTMkePb5ktN_jpOhK5ZE0LmWqi4duCE5XYTuIFhqXzSOjUVJUhA8a/s320/courtroom-898931_1281.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Im Streit war die Zurechnung von
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin behauptete, der
Beigeladene habe die Vermietung (in dem in ihrem Eigentum stehenden Haus) als
Eigengeschäft behandelt, demgegenüber das Finanzamt (FA) die Einkünfte der
Klägerin zurechnete. Zu dem vom Finanzgericht anberaumten Termin erschien die
Klägerin nicht (was bei einem Verfahren vor dem Finanzgericht für die
Beteiligten grundsätzlich nicht notwendig ist). Die Klage wurde vom
Finanzgericht (FG)als unbegründet abgewiesen. Zwar habe der Beigeladene bei
Abschluss und Durchführung der Mietverträge im eigenen Namen gehandelt, doch
seien die Einkünfte ihr aus einem Treuhandverhältnis zuzurechnen. Diese Annahme
sei gerechtfertigt, da die Klägerin die Einnahmen aus Vermietung und
Verpachtung über Jahre erklärt habe und erstmals im Streitjahr in Abrede gestellt
habe.<span style="text-align: left;"> </span></p>
<p class="MsoNormal">Die gegen das Urteil eingelegte Beschwerde zum BFH hatte
Erfolg und führte zur Zurückweisung an das Finanzgericht. Der BFH sah in dem
Urteil eine Überraschungsentscheidung, weshalb der Anspruch der Klägerin auf
rechtliches Gehör verletzt worden sei. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Eine Überraschungsentscheidung läge vor, wenn
das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten oder bekannt rechtlichen
Gesichtspunkt stütze und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gebe, mit der ein
gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der
Vielzahl vertretener Auffassungen nicht rechnen müsse. Dies sei insbesondere
der Fall, wenn der entscheidungserhebliche Umstand erst im Endurteil benannt
würde (BFH, Beschluss vom 23.02.2017 - IX B 2/17 -). Zwar müsse ein (wie hier
gar durch einen Steuerberater sachkundig vertretener) Verfahrensbeteiligter
alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte in Betracht ziehen und seinen
Vortrag darauf einstellen, auch wenn die Rechtsalge umstritten oder
problematisch sei (BVerfG, Beschluss vom 19.05.1992 –-1 BvR 986/91 -).
Allerdings müsse er nicht damit rechnen, dass seine Klage aus einem Grund
abgewiesen würde, der weder die Beteiligten noch das Gericht zuvor in das
Verfahren eingeführt hätten. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Zudem müsse das FG im Falle des
Ausbleibens eines Beteiligten nach pflichtgemäßen Ermessen prüfen, ob es
gleichwohl in der Sache entscheidet oder den Termin vertagt. Im Rahmen dessen
sei es verpflichtet zu vertagen, wenn die Entscheidung aufgrund tatsächlicher
oder rechtlicher Gesichtspunkte erfolgen könnte, zu denen den Beteiligten
bisher kein rechtliches Gehör gewährt wurde (BFH, Beschluss vom 19.05.2020 -
VII B 114/19 -). </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Vorliegend habe das FG den Gesichtspunkt
des Treuhandverhältnisses erstmals im Urteil in das Verfahren eingeführt. Vorher
sei dies weder im Veranlagungs- noch im Einspruchsverfahren und auch nicht in
wechselseitigen Schriftsätzen im Verfahren angesprochen worden. Ebenso lässt
sich aus dem Protokoll der Verhandlung nicht ersehen, dass ein Hinweis erfolgt
wäre. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Da in der Nichtteilnahme an der
mündlichen Verhandlung kein Verzicht auf die Einhaltung von
Verfahrensvorschriften iSv. § 295 ZPO iVm. § 155 FGO läge, habe die Klägerin
ihr Rügerecht nicht durch Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge beim FG verloren.
Denn auch wenn die Klägerin an der Verhandlung teilgenommen hätte, hätte sie
erst aus dem Urteil erfahren, dass sich das FG auf einen bisher nicht
erörterten Gesichtspunkt stützt. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das FG würde nun unter Berücksichtigung
des Vortrags der Parteien zu prüfen haben, ob und in welchem Umfang das von ihm
angenommene Treuhandverhältnis den Anforderungen der Rechtsprechung (so BFH,
Urteil vom 12.07.2016 – IX R 21/15 -) sowie den Anforderungen an Verträgen
zwischen Angehörigen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 AO) entspreche. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>BFH, Beschluss vom
10.01.2024 - IX B 9/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Auf die Beschwerde der Klägerin wegen
Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom
10.01.2023 - 1 K 114/19 aufgehoben.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Die Sache wird an das Finanzgericht
Hamburg zurückverwiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Diesem wird die
Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tatbestand<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Beteiligten
streiten um die Zurechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Klägerin
und Beschwerdeführerin (Klägerin) war im Streitjahr 2015 Eigentümerin des
Objekts A-Straße in Z-Stadt. Die Klägerin nutzte das Objekt nicht zu eigenen
Wohnzwecken. Auf einer Teilfläche des Objekts wohnte der geschiedene Ehemann
der Klägerin (Beigeladener). Die übrige Wohnfläche wurde vermietet. Bei den
Vermietungen handelte der Beigeladene selbst als Vermieter und vereinnahmte die
Mietzahlungen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">In ihrer
Steuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin --wie auch in den
Vorjahren-- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt A-Straße.
Im Rahmen der Veranlagung kam es zum Streit mit dem Beklagten und
Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) unter anderem darüber, ob die Mieteinkünfte
von der Klägerin oder dem Beigeladenen zu versteuern seien. Im
Einkommensteuerbescheid 2015 vom 06.04.2017 setzte das FA bei der Klägerin
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 15.114 € an. Die
Klägerin legte dagegen Einspruch ein und wandte sich gegen die Zurechnung der
Vermietungseinkünfte. Das FA hielt im Einspruchsverfahren daran fest, dass der
Klägerin als Eigentümerin die Einkünfte aus dem Vermietungsobjekt zuzurechnen
seien. Dies gelte auch, wenn ihr die Einnahmen vom Beigeladenen vorenthalten
worden seien. Zudem kündigte das FA aufgrund nicht anzuerkennender
Werbungskosten eine Verböserung an. Der Einspruch wurde anschließend als
unbegründet zurückgewiesen. Die der Klägerin zugerechneten Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung wurden mit 26.041 € angesetzt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Klägerin
erhob gegen die Einspruchsentscheidung Klage und hielt an ihrem bisherigen
Vorbringen fest. Der Beigeladene habe die Vermietung als Eigengeschäft
betrieben. Es sei keine Verwaltung in ihrem Auftrag durch den Beigeladenen
erfolgt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Am 21.09.2022
wurde der Beigeladene vom Finanzgericht (FG) durch Beschluss beigeladen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">In der für den
10.01.2023 geladenen mündlichen Verhandlung erschien die Klägerin nicht. Die
Klage wurde mit Urteil vom 10.01.2023 - 1 K 114/19 als
unbegründet abgewiesen. Das FG führte aus, die Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung in Höhe von 26.041 € seien zu Recht der Klägerin zugerechnet
worden. Einkünfte seien demjenigen zuzurechnen, der sie "erziele".
Der Beigeladene habe zwar bei Abschluss und Durchführung der Mietverträge im
eigenen Namen gehandelt. Allerdings seien die Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung der Klägerin aufgrund eines Treuhandverhältnisses zwischen ihr und
dem Beigeladenen zuzurechnen. Nach umfassender Würdigung der Umstände des
Einzelfalls sei das FG davon überzeugt, dass im Hinblick auf das
Vermietungsobjekt A-Straße ein Treuhandverhältnis bestanden habe. Diese Annahme
werde dadurch unterstützt, dass die Klägerin über Jahre hinweg die Einnahmen
aus Vermietung und Verpachtung aus diesem Objekt erklärt habe und dies nunmehr
erstmals für das Streitjahr in Abrede stelle. Diese Änderung des jahrelangen
Erklärungsverhaltens überzeuge nicht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Mit ihrer
Beschwerde begehrt die Klägerin unter anderem die Zulassung der Revision wegen
Verfahrensmängeln. Es liege mit der Annahme eines Treuhandverhältnisses eine
Überraschungsentscheidung vor. Bei einem rechtzeitigen Hinweis hätte sie neben
weiteren Äußerungen auf die Darlegungs- und Beweislast hingewiesen und zudem
einen Antrag auf Vernehmung eines Zeugen gestellt. Auch bei der
Berücksichtigung der Werbungskosten sei es zu einem überraschenden Ergebnis
gekommen. Weiter sei die Pflicht zur Sachaufklärung vom FG verletzt und die
Entscheidung nicht am Schluss der Sitzung verkündet worden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Das FA ist der
Beschwerde entgegengetreten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Entscheidungsgründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Beschwerde
ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung
der Sache an das FG gemäß § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung
(FGO). Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel (§ 115
Abs. 2 Nr. 3 FGO).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Das
FG hat ein Überraschungsurteil erlassen und damit den Anspruch der Klägerin auf
rechtliches Gehör verletzt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Eine
Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bis
dahin nicht erörterten oder nicht bekannten rechtlichen oder tatsächlichen
Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch
ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter
Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen
Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste. Dies kann insbesondere der Fall
sein, wenn ein entscheidungserheblicher Umstand vom FG erst mit dem Endurteil
in das Verfahren eingebracht wird (z.B. Senatsbeschlüsse vom 23.02.2017 -
IX B 2/17, Rz 15 und vom 12.01.2023 - IX B 29/22,
Rz 2). Zwar muss ein --zumal durch einen Steuerberater sachkundig vertretener--
Verfahrensbeteiligter, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch
ist, alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht
ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 19.05.1992 - 1 BvR 986/91, BVerfGE
86, 133, unter C.III.1.a; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung,
9. Aufl., § 119 Rz 15, m.w.N.). Er muss aber nicht damit
rechnen, dass seine Klage aus einem Grund abgewiesen wird, den weder die
Beteiligten noch das Gericht zuvor in das Verfahren eingeführt haben.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Im Falle des
Ausbleibens eines Beteiligten hat das FG nach pflichtgemäßem Ermessen zudem
darüber zu befinden, ob es gleichwohl in der Sache entscheidet oder den Termin
vertagt. Es ist im Rahmen seiner Ermessensentscheidung insbesondere dann zur
Vertagung verpflichtet, wenn die Entscheidung aufgrund tatsächlicher oder
rechtlicher Gesichtspunkte erfolgen könnte, zu denen den Beteiligten bisher
kein rechtliches Gehör gewährt worden war (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs
--BFH-- vom 19.05.2020 - VIII B 114/19, Rz 6).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b> So
liegt der Streitfall. Zwischen den Beteiligten war zwar bis zur Entscheidung
des FG streitig, ob der Klägerin die Vermietungseinkünfte aus dem Objekt
A-Straße zuzurechnen sind. Den Gesichtspunkt, dass die Zurechnung aufgrund
eines steuerlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses erfolgt, hat das FG
jedoch erstmals im Urteil vom 10.01.2023 - 1 K 114/19 in das
Verfahren eingeführt. Weder im Veranlagungs- und Einspruchsverfahren noch im
Rahmen des Schriftsatzaustauschs während des finanzgerichtlichen Verfahrens ist
dieser Gesichtspunkt angesprochen worden. Ein wegen des Anspruchs auf Gewährung
rechtlichen Gehörs und der prozessualen Fürsorgepflicht gebotener Hinweis des
FG dazu war nicht erfolgt. Auch dem Protokoll der Sitzung vom 10.01.2023 lässt
sich kein Hinweis entnehmen, dass dieser Punkt in der mündlichen Verhandlung
angesprochen worden ist.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Klägerin
hat ihr Rügerecht nicht durch Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge (in der
Vorinstanz) verloren, da in der bloßen Nichtteilnahme an der mündlichen
Verhandlung kein Verzicht auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften im
Sinne von § 295 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO liegt (vgl.
u.a. BFH-Beschlüsse vom 28.07.1998 - VI B 76/98, BFH/NV 1999,
200, unter 1.a, m.w.N. und vom 10.02.2015 - V B 87/14,
Rz 13). Denn auch wenn die Klägerin an der mündlichen Verhandlung
teilgenommen hätte, hätte sie erst aus dem Urteil erfahren, dass das FG seine
Entscheidung auf einen bisher nicht erörterten Umstand gestützt hat.
Stattdessen war das FG zur Vertagung der mündlichen Verhandlung verpflichtet,
da es die Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte gestützt hat, zu denen der
Klägerin zuvor kein rechtliches Gehör gewährt worden war (vgl. BFH-Beschluss
vom 19.05.2020 - VIII B 114/19, Rz 12).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Auf
die übrigen, von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2
Nr. 3 FGO) kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an. Von einer
weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO, der auch
für den Beschluss nach § 116 Abs. 6 FGO gilt, abgesehen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>3.</b> Der
Senat hält es für sachgerecht, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit insoweit zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dabei wird das FG
unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten zu prüfen haben, ob und in
welchem Umfang das von ihm angenommene Treuhandverhältnis den Anforderungen der
Rechtsprechung (vgl. u.a. Senatsurteile vom 12.07.2016 -
IX R 21/15, Rz 23; vom 08.11.2017 - IX R 25/16,
Rz 16 und vom 15.11.2022 - IX R 4/20, BFHE 278, 519, BStBl
II 2023, 389, Rz 22, jeweils m.w.N.) sowie den Anforderungen an Verträge
zwischen Angehörigen (vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung)
genügt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>4.</b> Die
Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-78588427378434016352024-02-27T19:16:00.004+01:002024-02-27T19:16:53.128+01:00Muss ein Kostenfestsetzungsbeschluss begründet werden ?<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgw0fn_MWK0d2TcyYzvl04T9xTIkB_qgX1Luu6SKv_fg9agoC2cVJzenMD40uxBMkz_cUN4aqTAsE5yf3vWk1709zCY77nHMEm9cCizyMiY8HOxZ9-h9QYIx9hzNzmXeX4knSgaqoIJaqLRlgwAPrRMdoA7JzX-3botYzG0koOZ3qPy2hNpwVefV6mGY185/s2304/DSCF5545%20(1).tiff" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="2304" data-original-width="1728" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgw0fn_MWK0d2TcyYzvl04T9xTIkB_qgX1Luu6SKv_fg9agoC2cVJzenMD40uxBMkz_cUN4aqTAsE5yf3vWk1709zCY77nHMEm9cCizyMiY8HOxZ9-h9QYIx9hzNzmXeX4knSgaqoIJaqLRlgwAPrRMdoA7JzX-3botYzG0koOZ3qPy2hNpwVefV6mGY185/s320/DSCF5545%20(1).tiff" width="240" /></a></div><span style="text-align: justify;">Die Antwort lautet: Es kommt
darauf an. Dies verdeutlicht auch der Beschluss des OLG Brandenburg, in dem
ausgeführt wurde, was wann durch den Rechtspfleger begründet werden muss. Der
der Entscheidung zugrunde liegende Kostenfestsetzungsbeschluss wurde vom
Beschwerdeführer mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde angefochten und
dies damit begründet, der Kostenfestsetzungsbeschluss leide an einem
schwerwiegenden Begründungsmangel.</span><span style="text-align: justify;"> </span><p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Mit einem
Kostenfestsetzungsbeschluss entscheidet das Gericht über den Antrag einer
Partei (oder, wenn eine Kostenausgleichung zu erfolgen hat, beider Parteien)
über die von einer Partei der anderen zu erstattenden Kosten. Das OLG wies
darauf hin, dass derartige Beschlüsse (§ 104 Abs. 1 ZPO) aus sich heraus
verständlich sein müssen und die Parteien in die Lage versetzen, die tragenden
Erwägungen des Gerichts nachzuvollziehen. Sie müssten so substantiiert und
ausführlich sein, dass dem Verfahrensbeteiligten und auch einem Rechtsmittelgericht
auf ihrer Grundlage eine Überprüfung ist. Dieser Begründungszwang führe bei
einer Verletzung einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) dar und
stelle einen Verfahrensfehler dar (Saarl. OLG, Beschluss vom 21.01.2019 – 9 W
33/18 -). </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Welchen Umfang der
Begründungszwang habe, könne nur nach den Umständen des Einzelfalles
entschieden werden. Er erstrecke sich insbesondere auf Positionen, deren
Festsetzung der Rechtspfleger verweigere und auf jene, die zwischen den
Parteien streitig seien. Eine dezidierte Begründung könne entbehrlich sein,
wenn der Kostenfestsetzungsbeschluss aus sich heraus in Verbindung mit der
zeitgleich oder vorab überlassenen Kostenrechnung verständlich und überprüfbar
sei (Anm.: Mit der „Kostenrechnung“ ist hier der Antrag auf Kostenfestsetzung
gemeint ist, bei dem es sich nicht um eine Kostenrechnung handelt, weder im
umsatzsteuerrechtlichen Sinn [weshalb auch § 14 UstG nicht einschlägig ist]
noch materiellrechtlich, da der Empfänger (das Gericht) nicht Kostenschuldner
ist, sondern der Kostenschuldner sich ebenso wie die zu zahlenden Kosten aus
dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergeben, der als Titel vollstreckbar ist). </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der vorliegend angefochtene
Kostenfestsetzungsbeschluss würde den benannten Anforderungen entsprechen.
Streitig zwischen den Parteien sei die geltend gemachte
Aktenübersendungspauschale gewesen, zu deren Erstattungsfähigkeit eine
Begründung aufgenommen worden sei. Im Übrigen werde in dem Kostenfestsetzungsbeschluss
auf den Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin Bezug genommen, der vorab den
Beschwerdeführern (Beklagten) überlassen worden sei. Insoweit sei den Beklagten
das Ergebnis mitgeteilt worden, dass die dortige Berechnung nicht zu
beanstanden sei. Da sich die Beklagten auch vor Erlass des
Kostenfestsetzungsbeschlusses nur gegen die Festsetzung der geltend gemachten
Aktenversendungspauschale gewandt hätten, sei eine weitere Begründung nicht
erforderlich gewesen. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Anmerkung:</u></b> Der
Entscheidung ist zuzustimmen. Wenn die Kostenberechnung im Antrag klar ist und
der Rechtspfleger keine Änderungen vornimmt, kann der Kostenschuldner selbst
prüfen, ob er der Ansicht des Rechtspflegers zur Erstattungsfähigkeit zustimmt
oder nicht. Voraussetzung ist allerdings, dass er spätestens mit der Zustellung
des Kostenfestsetzungsbeschlusses auch die Berechnung des Gläubigers (den
Kostenfestsetzungsantrag) erhält; erhält er diesen nicht, wäre der Beschluss
aus sich selbst heraus nicht verständlich und angreifbar. Wenn der Antrag auf
Kostenfestsetzung dem Kostenschuldner vor dessen Verbescheidung (regelmäßig
dann mit einer Frist zur Stellungnahme, fehlt diese, mit einer anzunehmenden
üblichen Frist zur Reaktion, idR. zwei Wochen) zugeht, kann er sich bereits mit
diesem auseinandersetzen und Einwendungen geltend machen. Macht er von dieser
Möglichkeit Gebrauch, muss der Rechtspfleger darlegen, weshalb er diesen folgt
(insoweit wäre der Kostengläubiger beschwert) bzw. nicht folgt (insoweit wäre
der Kostenschuldner beschwert). Die Begründung ist entsprechend der Begründung
eines Urteils erforderlich, damit die jeweils beschwerte Partei erkennt, dass
der Rechtspfleger die Problematik erkannt hat und in Ansehung der Begründung
entscheiden kann, ob er ein Rechtsmittel einlegt. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Brandenburgisches
Oberlandesgericht, Beschluss vom 11.10.2023 - 6 W 98/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu
2) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts
Frankfurt (Oder) vom 01.09.2023, Az.: 12 O 238/21, wird zurückgewiesen.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Der Beklagte zu 2) hat die Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu tragen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die
Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die sofortige
Beschwerde, mit der der Beklagte zu 2) geltend macht, der angefochtene
Kostenfestsetzungsbeschluss sei nicht hinreichend begründet, ist nach § 11
Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1
Nr. 1 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Sie bleibt in
der Sache aber ohne Erfolg. Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 2) leidet die
Entscheidung der Rechtspflegerin nicht unter einem schwerwiegenden
Begründungsmangel.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Kostenfestsetzungsbeschlüsse,
mit denen das Gericht über den Antrag einer Partei auf Festsetzung der durch
den Gegner zu erstattenden Kosten entscheidet, müssen aus sich heraus
verständlich sein und die Parteien in die Lage versetzen, die tragenden Erwägungen
des Gerichts nachzuvollziehen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss
vom 07.01.1999 - 8 W 542/98; zit, nach juris). Sie müssen so substantiiert und
ausführlich sein, dass den an dem Verfahren Beteiligten und auch dem
Rechtsmittelgericht auf ihrer Grundlage eine Überprüfung der Entscheidung
möglich ist (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom
21.01.2019 - 9 W 33/18; Beschluss vom 13.07.2007 - 2 W 122/07; jew. zit. nach
juris). Verstöße gegen den Begründungszwang können das rechtliche Gehör
verletzen und stellen deshalb Verfahrensfehler dar (Saarländisches
Oberlandesgericht, Beschluss vom 21.01.2019 - 9 W 33/18; OLG Koblenz, Beschluss
vom 13.02.2003 - 14 W 146/03; jew. zit. nach juris). Der Umfang der jeweiligen
Begründungspflicht bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles. So
erstreckt sich die Begründungspflicht insbesondere auf Positionen, deren
Festsetzung der Rechtspfleger verweigert oder deren Erstattungsfähigkeit
zwischen den Parteien im Streit steht. Andererseits kann eine dezidierte
Begründung auch entbehrlich sein, etwa dann, wenn der
Kostenfestsetzungsbeschluss aus sich heraus in Verbindung mit der beigefügten
oder vorab übersandten Kostenrechnung verständlich und überprüfbar ist
(Zöller-Herget, ZPO, 34. Aufl. § 104 Rn. 21.21).<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der
angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss genügt diesen Anforderungen. Er
enthält Ausführungen zu der Erstattungsfähigkeit der von dem Kläger geltend
gemachten Aktenübersendungspauschale, die zwischen der Beklagten zu 1) und der
Klägerin im Anhörungsverfahren nach Eingang des Kostenfestsetzungsantrags der
Klägerin und vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses im Streit war. Im
Übrigen nimmt er Bezug auf den eingereichten und den Beklagten vor Festsetzung
übersandten Kostenfestsetzungsantrag und teilt insoweit das Ergebnis der
Prüfung mit, diese Berechnung sei gebührenrechtlich nicht zu beanstanden, die
angemeldeten Kosten seien notwendigerweise entstanden und von der Gegenseite zu
erstatten. Nachdem sich die Beklagten mit Ausnahme des als Aktenversendungspauschale
geltend gemachten Betrages gegen die weiter zur Festsetzung angemeldeten Kosten
nicht gewandt haben, waren eine weitere Begründung des
Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht erforderlich.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO entsprechend.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574
Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.<o:p></o:p></p><br /><p></p>Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-41599693822304743282024-02-25T18:12:00.000+01:002024-02-25T18:12:05.173+01:00Haftung für Kollision bei Abbiegen in mehrspurige Straße <p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi54tXTF_znFNrzG0gJFHeDlH1VO0eSawXL_bgeDH6gscYDOWjp2MOtQDcStbWGKe_vcUOCDf0dxSrww-nQHbHizG4rF4vl9YFwmYriPpRgo7hZ9L86Ol4k-34uWoieAt3XqlOWApTewZdPjsjtjde-Uxgsk6sGu9lbfSKKMKkwi0I17TbH89Q0eUxW8SJX/s1280/crossing-1678942_1280.tiff" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="853" data-original-width="1280" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi54tXTF_znFNrzG0gJFHeDlH1VO0eSawXL_bgeDH6gscYDOWjp2MOtQDcStbWGKe_vcUOCDf0dxSrww-nQHbHizG4rF4vl9YFwmYriPpRgo7hZ9L86Ol4k-34uWoieAt3XqlOWApTewZdPjsjtjde-Uxgsk6sGu9lbfSKKMKkwi0I17TbH89Q0eUxW8SJX/s320/crossing-1678942_1280.tiff" width="320" /></a></div><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der Kläger wollte nach links in
eine doppelspurige Straße einbiegen, der beklagte Fahrer (nachfolgend
Beklagter), der aus der Gegenrichtung kam, nach rechts. Der Kläger wollte auf
der linken der durch eine unterbrochene Linie getrennten Fahrspuren auffahren,
allerdings der Beklagte auch, weshalb die Fahrzeuge kollidierten. Das
Landgericht hatte die Klage abgewiesen.</p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das OLG stimmte im Berufungsverfahren
dem Landgericht zu, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagtenseite
grundsätzlich nach §§ 7, 17, 18 StVG für den Schadensfall einstandspflichtig
seien, da der Unfall bei den Betrieb von Kraftfahrzeugen entstanden sei und
weder auf höhere Gewalt zurückzuführen sie noch für einen der Beteiligten ein
unabwendbares Ereignis iSv. § 17 Abs. 3 StVG darstelle. </p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der Kläger habe gegen § 9 Abs. 4
StVO verstoßen. Danach müsse ein Linksabbieger entgegenkommende Fahrzeuge, die
ihrerseits nach rechts abbiegen wollten, durchfahren lassen. Es würden die
gleichen Grundsätze gelten wie für die Begegnung mit einem auf einer
bevorrechtigten Straße fahrenden Fahrzeug. Damit habe der Kläger die ihm als
Linksabbieger nach § 9 Abs. 4 StVO treffende Wartepflicht nicht beachtet. Er
hätte zunächst den Abbiegevorgang des Beklagten abwarten müssen. Dabei käme es
nicht darauf an, ob er von einer engen Bogenfahrt des Beklagtenfahrzeugs
ausgegangen sei, welches auf der rechten Fahrspur weiterfahren wolle, denn
diese Annahme sei nicht schutzwürdig. Wer nach links in eine Straße mit
mehreren Fahrstreifen abbiege, dürfe grundsätzlich nicht darauf vertrauen, ei
entgegenkommender Rechtsabbieger würde nur die rechte Fahrspur nutzen. </p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Auch käme es nicht darauf an,
dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kollision (nach den Feststellungen eines
gerichtlich bestellten Sachverständigen) bereits eine gerade Fahrposition auf
der linken Fahrspur eingenommen habe, während sich das Beklagtenfahrzeug noch
in Schrägstellung befunden habe. Der Unfall habe sich nach sachverständiger Feststellung
in Höhe des Fußgängerüberwegs, der den unmittelbaren Kreuzungsbereich aus
Klägersicht nach links begrenzt habe, ereignet und das Klägerfahrzeug habe seine
Kollisionsstellung erst kurz zuvor erreicht. Der enge räumliche und zeitliche Zusammenhang
zwischen dem Linksabbiegevorgang des Klägers und dem Unfall verdeutliche, dass
eine Beeinträchtigung des bevorrechtigten Beklagten durch den Kläger gerade
nicht auszuschließen gewesen sei; Unsicherheiten zur Einschätzung der
Verkehrslage gingen zu seinen Lasten (LG Potsdam, Urteil vom 10.03.2008 - 7 S
120/07 -). </p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der Beklagte habe auch nicht gegen
§ 7 Abs. 5 StVO verstoßen. Dass er die rechte Fahrspur passieren musste, um auf
die linke Fahrspur zu gelangen, stelle keinen Fahrstreifenwechsel im Sinne der
Norm dar. Der Vorrang des Beklagten umfasse auch die Wahl zwischen den beiden
Fahrspuren (LG Hamburg, Urteil vom 06.09.2021 - 306 S 85/19 -). Deshalb läge
auch kein Verstoß gegen das Gebot, sich rechts einzuordnen (§ 9 Abs. 1 S. 2
StVO), oder das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) vor. </p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Allerdings läge bei dem Beklagten
ein Sorgfaltsverstoß gem. § 1 Abs. 2 StVO vor. Für ihr sei ersichtlich gewesen,
dass der Kläger seiner Wartepflicht nach § 9 Abs. 4 S. 1 StVO nicht genügen
würde. Davon habe er spätestens auszugehen gehabt, als der Kläger, nachdem er
bereits die für Linksabbieger vorgesehene Wartelinie ohne anzuhalten passiert
habe, auch die gestrichelte Begrenzungslinie der linken Fahrspur im Bereich der
Kreuzungsmitte überfahren habe. </p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das OLG musste daher eine
Abwägung der gegenseitigen Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 1 StVG vornehmen. Die
Nichtbeachtung der Wartepflicht des Linksabbiegers stelle regelmäßig einen Besonders
schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar. Dahinter würde aber die Betriebsgefahr des
Beklagtenfahrzeugs hier nicht zurücktreten. Der Beklagte sei zwar bevorrechtigt
gewesen. Er habe aber eine Gefahr dadurch gesetzt, dass er nicht weiter auf das
aus der Gegenrichtung abbiegende Kraftfahrzeug geachtet habe, obwohl dies bei
dem von ihm beabsichtigten Wechsel unmittelbar auf die linke Fahrspur in
höherem Maße geboten gewesen wäre, als bei einem Wechsel auf die rechte
Fahrspur. Allerdings wiege dieser verstoß weniger schwer als die Verletzung der
Wartepflicht (Vorfahrtsverstoß) des Klägers, weshalb sich eine Haftungsverteilung
im Verhältnis 70% zu 30% zu Lasten des Klägers ergäbe. </p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Saarländisches
Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 20.10.2023 - 3 U 49/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">I. Auf die Berufung des Klägers wird das
Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 12.5.2023 – 1 O 226/21 – unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und
insgesamt wie folgt neu gefasst:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">1. Die Beklagten werden als
Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.115,12 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.5.2021 zu zahlen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">2. Es wird festgestellt, dass die
Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den aus der
Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung bei der ... AG zur
Versicherungsnummer XXX infolge des Verkehrsunfallereignisses vom 22.4.2021 in
der Straße ... ... in ... entstandenen und künftig entstehenden
Rückstufungsschaden auf der Grundlage einer Haftungsquote von 30 % zu 70 % zu
Lasten des Klägers zu ersetzen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">3. Die Beklagten werden weiterhin als
Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
in Höhe von 367,23 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.7.2021 zu zahlen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen
der Kläger zu 36 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 64 %.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">III. Dieses Urteil ist ohne
Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">IV. Die
Revision wird nicht zugelassen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Parteien
streiten um Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls am 22.4.2021
in Saarbrücken.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Kläger
befuhr mit seinem Pkw Ford Focus (amtl. Kennz. XXX) die Straße ... aus Richtung
... kommend. An der ampelgeregelten Kreuzung der Straßen ... und ... bog er
nach links ab, um seine Fahrt auf der linken der beiden durch eine
unterbrochene Linie getrennten Fahrspuren der ... fortzusetzen. Der Beklagte zu
1, der mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw VW Polo
(amtl. Kennz. XXX) die Straße ... in entgegengesetzter Richtung befuhr, bog
seinerseits an der Kreuzung nach rechts ab und beabsichtigte ebenfalls auf der
linken Fahrspur der ... weiterzufahren. Dabei kam es zur Kollision.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Kläger hat
– nach Inanspruchnahme seiner Kaskoversicherung – erstinstanzlich zuletzt
restlichen Schadensersatz von 3.285,71 Euro (Wiederbeschaffungsaufwand 5.250
Euro, Sachverständigenkosten 939,39 Euro, Kostenpauschale 25 Euro,
Nutzungsausfall für 22 Tage 946 Euro, Überführungskosten 150 Euro abzgl.
Versicherungsleistung 4.024,68 Euro) nebst Zinsen geltend gemacht. Daneben hat
er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des ihm in der
Vollkaskoversicherung entstandenen und noch entstehenden Höherstufungsschadens
sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 800,39
Euro nebst Zinsen erstrebt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Kläger hat
behauptet, sein Abbiegevorgang sei bereits beendet gewesen und sein Fahrzeug
habe sich vollständig auf der linken Fahrspur der ... in Geradeausfahrt
befunden, als der Beklagte zu 1 über die rechte Fahrspur der ... auf die linke
Fahrspur gezogen sei.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Beklagten
sind der Klage entgegengetreten. Sie haben behauptet, der Zusammenstoß habe
sich noch vor dem Abschluss des Abbiegevorgangs des Beklagten zu 1 ereignet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Das Landgericht
hat das in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Saarbrücken, in dem der hiesige
Beklagte zu 1 seinerseits Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall
geltend gemacht hatte, eingeholte Sachverständigengutachten verwertet. Durch
das angefochtene Urteil (Bl. 183 GA), auf dessen tatsächliche Feststellungen
gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird,
hat es die Klage abgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Mit der
Berufung, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger
sein erstinstanzliches Klageziel weiter.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Wegen des Sach-
und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Akte 36 C
293/21 (12) des Amtsgerichts Saarbrücken war beigezogen und Gegenstand der
mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Berufung
ist zulässig und teilweise begründet. Die Auffassung des Landgerichts, den
Kläger treffe ein die Haftung der Beklagten ausschließendes Mitverschulden an
dem streitgegenständlichen Unfall, hält einer Überprüfung im Ergebnis nicht
stand.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Das
Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sowohl die Kläger- als auch
die Beklagtenseite grundsätzlich gemäß §§ 7, 17, 18 StVG i.V.m. § 115
VVG für die Folgen des streitgegenständlichen Unfalls einzustehen haben, weil
die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden sind,
der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der
beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17
Abs. 3 StVG darstellt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>2.</b>
Vergebens wendet sich die Berufung gegen die Annahme des Landgerichts, der
Kläger habe gegen § 9 Abs. 4 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser
Vorschrift muss ein Linksabbieger entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits
nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen. Insoweit gelten im
Wesentlichen die gleichen Rechtsgrundsätze wie für die Begegnung mit einem auf
einer bevorrechtigten Straße fahrenden Fahrzeug (Burmann in
Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl., § 9 StVO
Rn. 26; vgl. auch zu § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO: BGH, Urteil vom
7.2.2012 – VI ZR 133/11, Rn. 8 juris). Das übersieht die Berufung, wenn sie
unter Hinweis auf die zitierte Kommentarstelle den Standpunkt einnimmt,
§ 9 Abs. 4 Satz 1 StVO betreffe keinen „eigentlichen“
Vorfahrtfall.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a)</b>
Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, die im
Berufungsverfahren nicht angegriffen werden, hat der Kläger die ihn als
Linksabbieger gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 StVO treffende
Wartepflicht nicht beachtet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Um diese zu
erfüllen, hätte der Kläger nach dem Anfahren zunächst an der für Linksabbieger
eingezeichneten gestrichelten Linie im Bereich der Kreuzungsmitte den
Abbiegevorgang des Beklagten zu 1 abwarten müssen. Unerheblich ist, ob der
Kläger – wie er bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht Saarbrücken angegeben
hat – in der Anfahrsituation nach dem Wechsel der Ampel auf Grünlicht die
Fahrlinie des entgegenkommenden Beklagtenfahrzeugs als engen Bogen wahrnahm und
hieraus für sich schloss, dessen Fahrer beabsichtige eine Weiterfahrt auf der
rechten Spur der .... Eine entsprechende Annahme des Klägers wäre jedenfalls
nicht schutzwürdig. Wer – wie der Kläger – nach links in eine Straße mit
mehreren Fahrstreifen abbiegt, darf grundsätzlich nicht darauf vertrauen, ein
entgegenkommender Rechtsabbieger werde nur in den für ihn rechten Fahrstreifen
einbiegen und könne deshalb durch ein Einbiegen in den linken Fahrstreifen
nicht beeinträchtigt werden (BayObLG, Beschluss vom 25.4.1978 – 1 Ob OWi 55/78,
Rn. 15 juris; OLG Karlsruhe, DAR 1997, 26; Freymann in Geigel,
Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 27 Rn. 290). Objektive Anhaltspunkte dafür,
dass der Beklagte zu 1 durch sein Fahrverhalten zunächst den Anschein erweckte,
er werde die linke Fahrspur der ... nicht in Anspruch nehmen, bevor er dies
durch eine Korrektur seiner Fahrlinie doch tat, sind nicht vorhanden. Auch die
Unfallsimulationsrechnung des Sachverständigen zeigt keine abrupten Änderungen
der Fahrlinie des Beklagtenfahrzeugs.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Nicht
entscheidend ist, dass das Klägerfahrzeug nach den Feststellungen des
Sachverständigen zum Kollisionszeitpunkt bereits eine gerade Position auf der
linken Fahrspur der ... eingenommen hatte, während das Beklagtenfahrzeug sich
noch in einer Schrägstellung befand. Wie der Sachverständige unbeanstandet
festgestellt hat, ereignete sich die Kollision in Höhe des Fußgängerüberwegs,
der den unmittelbaren Kreuzungsbereich aus Klägersicht nach links begrenzt, und
hatte das Klägerfahrzeug seine Ausrichtung nach einer längeren Schrägfahrt erst
unmittelbar zuvor erreicht. Der enge räumliche und zeitliche Zusammenhang
zwischen dem Linksabbiegevorgang des Klägers und dem Unfall verdeutlicht, dass
eine Beeinträchtigung des bevorrechtigten Beklagten zu 1 durch den Kläger
gerade nicht mit Sicherheit auszuschließen war. Etwaige Unsicherheiten bei der
Einschätzung der Verkehrslage durch den Kläger gehen insoweit zu dessen Lasten
(vgl. LG Potsdam, Urteil vom 10.3.2008 – 7 S 120/07, Rn. 9 juris).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Der
Beklagte zu 1 hat entgegen der Auffassung der Berufung nicht gegen § 7
Abs. 5 StVO verstoßen. Dass er die rechte Fahrspur der ... passieren
musste, um auf die linke Fahrspur zu gelangen, stellt keinen
Fahrstreifenwechsel im Sinne dieser Vorschrift dar. Der Vorrang des Beklagten
zu 1 gegenüber dem wartepflichtigen Kläger umfasste vielmehr auch die Wahl
zwischen den beiden Fahrspuren der ... (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 6.9.2021 –
306 S 85/19, Rn. 29 f. juris; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht,
47. Aufl., § 7 StVO Rn. 16). Der Kläger hatte daher mit seinem
Linksabbiegevorgang abzuwarten, bis der Beklagte zu 1 sich auf einer Fahrspur
vollständig eingeordnet hatte, was zum Unfallzeitpunkt noch nicht der Fall war,
wie aus der Kollisionsstellung hervorgeht. Aus denselben Erwägungen liegt auch
kein Verstoß des Beklagten zu 1 gegen das für den Rechtsabbieger geltende
Gebot, sich rechts einzuordnen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 StVO), oder
gegen das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) vor.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>c)</b> Mit
Recht macht die Berufung indes einen Sorgfaltsverstoß des Beklagten zu 1 gemäß
§ 1 Abs. 2 StVO geltend. Für den Beklagten zu 1 war nämlich absehbar,
dass der Kläger seiner Wartepflicht nach § 9 Abs. 4 Satz 1 StVO
nicht genügen würde. Davon ist spätestens auszugehen, als der Kläger, nachdem
er bereits die für Linksabbieger vorgesehene Wartelinie ohne anzuhalten
passiert hatte, auch die gestrichelte Begrenzungslinie der linken Fahrspur der
... im Bereich der Kreuzungsmitte überfuhr (vgl. Bild 1 der Unfallsimulationsrechnung
des Sachverständigen, Bl. 114 d. Beiakte). Der Beklagte zu 1 durfte in dieser
Situation nicht darauf vertrauen, dass die von ihm anvisierte linke Fahrspur
frei bleiben würde, sondern er musste mit einer weiteren Inanspruchnahme dieser
Spur durch den Kläger und folglich mit einer Nichtbeachtung seines Vorrangs
rechnen (zu einem vergleichbaren Fall OLG Koblenz, Beschluss vom 17.11.2021 –
12 U 1517/21, Rn. 5 juris).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Erkennbarkeit der Fahrbewegung des Klägerfahrzeugs für den Beklagten zu 1 steht
aufgrund des Sachverständigengutachtens fest. Der Beklagte zu 1 selbst hat bei
seiner Anhörung durch das Amtsgericht Saarbrücken eingeräumt, er habe gesehen,
wie das Klägerfahrzeug losgefahren sei, wegen seines Vorrechts als
Rechtsabbieger hierauf aber nicht näher geachtet. Dazu wäre er in der konkreten
Situation indes gehalten gewesen und es wäre von ihm zu verlangen gewesen, dass
er seinen Abbiegevorgang zumindest verlangsamt und Bremsbereitschaft einnimmt.
In diesem Fall hätte die Kollision ohne weiteres vermieden werden können, was
schon daran deutlich wird, dass das Beklagtenfahrzeug sich erst in Höhe des
Fußgängerüberwegs vor Beginn des Kreuzungsbereichs befand, als das – nach den
Feststellungen des Sachverständigen auch noch im Kollisionszeitpunkt schnellere
– Klägerfahrzeug bereits die linke Fahrspur der ... erreicht hatte.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>d)</b> Im
Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge fällt zu Lasten
des Klägers ins Gewicht, dass die Nichtbeachtung der Wartepflicht durch den
Linksabbieger regelmäßig als besonders schwerwiegender Verkehrsverstoß
anzusehen ist (vgl. zu § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO: BGH, Urteil vom
7.2.2012 – VI ZR 133/11, Rn. 8 juris). Dahinter tritt die Betriebsgefahr des
Beklagtenfahrzeugs gleichwohl nicht zurück. Dieses war zwar in der konkreten
Situation bevorrechtigt. Der Beklagte zu 1 hat indes seinerseits eine Gefahr
dadurch gesetzt, dass er nicht weiter auf das aus der Gegenrichtung abbiegende
Klägerfahrzeug achtete, obwohl dies bei dem von ihm beabsichtigten Wechsel
unmittelbar auf die linke Fahrspur der ... in höherem Maße geboten war als bei
einer Fortsetzung der Fahrt auf der näher gelegenen rechten Fahrspur. Dieser
Verstoß wiegt allerdings weniger schwer als der Vorfahrtsverstoß des Klägers,
weshalb im Ergebnis eine Haftungsverteilung von 70 % zu 30 % zu Lasten des
Klägers angemessen ist.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>3.</b> Bei
der Schadensberechnung ist das nach Inanspruchnahme der Kaskoversicherung durch
den Kläger aus § 86 Abs. 1 VVG resultierende Quotenvorrecht zu
berücksichtigen und demzufolge zwischen quotenbevorrechtigten und nicht
quotenbevorrechtigten Schadenspositionen zu unterscheiden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a)</b>
Quotenbevorrechtigt sind der Fahrzeugschaden in Form des mit der Klage geltend
gemachten – beklagtenseits nicht bestrittenen – Wiederbeschaffungsaufwands
(5.250 Euro) sowie die Sachverständigenkosten (939,39 Euro), da es sich hierbei
um mit dem Kaskoversicherungsschutz deckungsgleiche (kongruente) Schäden
handelt (vgl. zu den Sachverständigenkosten BGH, Urteil vom 12.1.1982 – VI ZR
265/80, Rn. 9). Auf den Gesamtschaden im Kasko-Bereich von 6.189,40 Euro hat
die Kaskoversicherung 4.024,68 Euro gezahlt. Den nach Abzug der
Versicherungsleistung verbleibenden Schaden kann der Kläger im Rahmen des
Quotenvorrechts von den Beklagten ersetzt verlangen, allerdings nicht in voller
Höhe von 2.164,71 Euro, sondern lediglich entsprechend der Haftungsquote der
Beklagten von 30 %, d.h. in Höhe von 1.856,82 Euro (vgl. zur Berechnung BGH,
Urteil vom 12.1.1982, a.a.O., Rn. 16; Freymann/Rüssmann in
jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. [Stand 8.8.2023], § 249 BGB Rn. 306
ff.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Den
verbleibenden, nicht deckungsgleichen (inkongruenten) Sachfolgeschaden haben
die Beklagten (ebenfalls) nach der Haftungsquote zu ersetzen. Dazu zählt die
Kostenpauschale von 7,50 Euro (30 % von 25 Euro). Daneben steht dem Kläger für
die Dauer der Ersatzbeschaffung ein – dem Grunde nach und hinsichtlich des
Zeitraums von 22 Tagen unbestrittener – Anspruch auf Ersatz des
Nutzungsausfalls zu, den der Senat im Rahmen des durch § 287 ZPO
eröffneten Ermessens anhand der Nutzungsausfalltabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch
ermittelt. Danach ist das Klägerfahrzeug zwar an sich in die Gruppe E
einzustufen. Nach der Rechtsprechung ist indes bei älteren Fahrzeugen
regelmäßig eine Herabstufung um eine Gruppe geboten (vgl. BGH, Urteil vom
23.11.2004 – VI ZR 357/03, Rn. 13 f.), wobei die Grenze im Allgemeinen bei fünf
Jahren gezogen wird (OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2012 – I-9 U 5/12, Rn. 24
juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.3.2012 – I-1 U 139/11, Rn. 72 juris;
Palandt/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 249 Rn. 44). Vorliegend war das am
22.4.2015 erstmals zugelassene Klägerfahrzeug am Unfalltag (20.4.2021) nahezu
sechs Jahre alt und es sind – auch unter Berücksichtigung der Laufleistung von
knapp 130.000 Kilometern – keine Umstände ersichtlich, die einer Herabstufung in
die Gruppe D entgegenstehen. Die Nutzungsausfallentschädigung beträgt somit
250,80 Euro (22 Tage x 38 Euro = 836 Euro, davon 30 %). Die weiterhin geltend
gemachten – beklagtenseits bestrittenen – Kosten in Höhe von 150 Euro für ein
Überführungskennzeichen, zu deren Begründung der Kläger sich lediglich auf den
offenbar das Ersatzfahrzeug betreffenden – im Übrigen nicht vorgelegten –
Kaufvertrag berufen hat, sind nicht ersatzfähig, da ihr tatsächlicher Anfall
nicht feststeht (vgl. Freymann/Rüssmann in jurisPK-Straßenverkehrsrecht,
a.a.O., § 249 BGB Rn. 290 m.w.N.). Insgesamt belaufen sich die nicht
deckungsgleichen Schäden somit auf 258,30 Euro (7,50 Euro + 250,80 Euro).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>4.</b> Der
Kläger kann ferner nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Ersatz der
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen, die aus dem Wert der
berechtigten Forderung zu ermitteln sind (vgl. BGH, Urteil vom 5.12.2017 – VI
ZR 24/17, Rn. 8 juris). Der Anspruch beträgt 367,23 Euro (1,3 Geschäftsgebühr
nach Nr. 2300 VV-RVG + Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV-RVG +
Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>5.</b> Der
Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m.
§ 288 Abs. 1, § 291 BGB.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>6.</b> Der
Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich des
Höherstufungsschadens in der Fahrzeug-Vollkaskoversicherung ist zulässig (vgl.
etwa BGH, Urteil vom 25.4.2006 – VI ZR 36/05, Rn. 7, juris) und auf der
Grundlage der festgestellten Haftungsquote begründet. Die Höherstufung in der
Vollkaskoversicherung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für
den Geschädigten eine Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens. Das gilt
auch dann, wenn der Höherstufungsschaden auch infolge der Regulierung des vom
Geschädigten selbst zu tragenden Schadensteils eintritt. Der Schädiger haftet
daher selbst bei nur anteiliger Schadensverursachung für den
Höherstufungsschaden, der dadurch eintritt, dass der Geschädigte seine
Kaskoversicherung in Anspruch nimmt. Das folgt aus dem Grundsatz, dass eine
Mitursächlichkeit einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleichsteht. Der
Höherstufungsschaden ist dann entsprechend der Haftungsquote zu teilen (BGH,
Urteil vom 26.9.2006 – VI ZR 247/05, Rn. 8 ff., juris).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>III.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 100 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708
Nr. 10, §§ 711, 713 i.V.m. § 544 Abs.2 Nr. 1 ZPO. Die
Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat
und keine Veranlassung gibt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur
Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
herbeizuführen (§ 543 Abs. 2 ZPO).<o:p></o:p></p><p>
</p>Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-67032613037313772452024-02-24T17:57:00.006+01:002024-02-24T18:13:16.700+01:00Verjährungsfrist für Vergütungsanspruch des Bauträgers<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjf_vKSLJgCRSCeQkd2N0_6Ulnn_gZsw1WqZ2LvZew8msccYt5o_wEJx59iEFh4x8vSL1oHbossacXv3PkdKnINodY4Nlo1oRwIcqMzgAT0a3S7hfWgsaSKqDNT6LUaoAJGAt-cuNO2BQ77DOdWIorMKOy_vmsIlU3d7bt0MFOLhnEq6-ArOopZSCPPOqom/s1280/construction-site-95211_1280.tiff" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="960" data-original-width="1280" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjf_vKSLJgCRSCeQkd2N0_6Ulnn_gZsw1WqZ2LvZew8msccYt5o_wEJx59iEFh4x8vSL1oHbossacXv3PkdKnINodY4Nlo1oRwIcqMzgAT0a3S7hfWgsaSKqDNT6LUaoAJGAt-cuNO2BQ77DOdWIorMKOy_vmsIlU3d7bt0MFOLhnEq6-ArOopZSCPPOqom/s320/construction-site-95211_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Am 20.06.2014 führte die
Bauträgerin (Klägerin) unter Beteiligung der Beklagten eine Begehung der
gekauften Wohnung mit Unterzeichnung eines Abnahmeprotokolls durch, nach dessen
Inhalt die Übernahme/Abnahme gemäß Kaufvertrag erfolgt sei. Am 06.11.2014
erklärten die Beklagten die Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Mit Schreiben
vom 24.11.2014 forderte die Klägerin die Beklagten zur Zahlung der letzten Kaufpreisrate
auf. Am 28.12.2017 beantragte die Klägerin einen Mahnbescheid in Bezug auf
diese Rate gegen die Beklagten. Die Beklagte hatten im Verfahren die Einrede
der Verjährung erhoben und beriefen sich zudem auf ein Zurückbehaltungsrecht
für von ihnen gerügte Mängel. Einen kleinen Betrag davon akzeptierte die
Klägerin und reduzierte insoweit ihre klageweise geltend gemachte Forderung.
Die Klage und die Berufung gegen das klageabweisende Urteil wurden zurückgewiesen.
Von der Klägerin wurde die vom Berufungsgericht (OLG) zugelassene Revision
eingelegt. Diese führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und zur
Zurückverwesung des Rechtstreits an dieses. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das OLG ging in seinem Urteil von
der Regelverjährung des § 185 BGB aus (3 Jahre). Die Anwendung von § 196 BGB
schloss es aus, da zwar die streitgegenständliche Forderung Teil des Entgelts
dafür sei,, dass die Klägerin den Beklagten Eigentum an einem Grundstück
übertragen habe und die errichtete Wohnung „lediglich“ wesentlicher Bestandteil
des Miteigentumsanteils sei, sei § 196 BGB nicht anzuwenden. Es würde sich hier
auch um die Gegenleistung für die Erbringung von Bauleistungen handeln. Der
Vergütungsanspruch sei nicht aufteilbar zwischen Eigentum und Bauleistung,
weshalb die Verjährung einheitlich nach der Leistung zu beurteilen sei, die bei
weitem überwiegend das Vertragsverhältnis charakterisiere. Der Charakter über
den Kauf würde durch den Bau der Wohnung geprägt, weshalb insoweit der Vergütungsanspruch
teilwiese im Werkvertragsrecht (§ 631 BGB) geregelt sie. An der Übertragung des
Miteigentumsanteils ohne Bauleistung hätten die Parteien kein Interesse gehabt.
<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Damit greife die 10-jährie Verjährungsfrist
des § 196 BGB nicht. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Dem folgte der BGH nicht, der
vorliegend entgegen dem OLG § 196 BGB anwandte mit der Folge, dass die Forderung
noch nicht verjährt sei. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Richtig sei, dass sich die Bauträgervergütung
nicht aufteilen ließe in einen Teil für den Kaufpreis des Grundstücksanteils
und einen Teil für die Bauleistungen. Es läge ein einheitlicher Vertrag vor.
Bei Bauträgerverträgen sei hinsichtlich der Errichtung des Bauwerks Werkvertragsrecht,
hinsichtlich der Übertragung von Eigentum Kaufrecht anzuwenden. Eine Aufteilung
der Bauträgervergütung käme aber nur bei einer entsprechenden Vereinbarung der
Parteien in Betracht, die nicht vorläge. Für den einheitlichen Vergütungsanspruch
gelte aber nicht die Verjährungsregelung des § 195 BGB, sondern jene des § 196
BGB. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dies ergäbe eine Auslegung des §
196 BGB, der als speziellere Regelung § 195 BGB verdränge. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Nach § 196 BGB würden Ansprüche
auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung,
Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung
des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung in
10 Jahren verjähren. Die Annahme, das § 106 BGB für den <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Vergütungsanspruch des Bauträgers gelte, lasse
sich allerdings nicht aus dem Wortlaut ableiten, das die Vergütung die
Gegenleistung sowohl für die Übertragung des Eigentums als auch für die
Errichtung des Bauwerks sei. Die Errichtung des Bauwerks sei aber von § 196 BGB
im Wortlaut nicht erfasst. Aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten
sei es aber gerechtfertigt, § 196 BGB als speziellere Regelung des
Vergütungsanspruchs des Bauträgers anzuwenden. Da der Vergütungsanspruch einer
einheitlichen Verjährung unterliege, könne er sich nur nach § 195 BGB oder §
196 BGB richten. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 196 BGB (BT-Drs. 14/7052 S.
179) ergäbe sich, dass mit der Einbeziehung der Ansprüche auf die Gegenleistung
in § 196 BGB über die dieser Vorschrift bereits unterfallenden Ansprüche auf
Eigentumsübertragung an einem Grundstück hinaus ein in der Sache nicht
gerechtfertigtes Ergebnis vermieden werden sollte, das bestehen könnte, wenn
derartige Verträge bei Geltung der Regelverjährung nach § 195 BGB für die
Ansprüche auf die Gegenleistung nicht beendet werden könnten. Dies greife auch
bei Bauträgerverträgen. Da der einheitliche Vergütungsanspruch auch eine
Gegenleistung für die von ihm – neben der Bauwerkserrichtung – geschuldete Übertragung
des Eigentums an dem Grundstück und damit eine Gegenleistung iSv. § 196 BGB
darstelle, sei es gerechtfertigt, insoweit einheitlich die speziellere
Verjährungsregelung des § 196 BGB anzuwenden. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Dem stünde das Urteil des BGH vom
12.10.1978 – VII ZR 288/77 – schon deswegen nicht entgegen, da es auf die
Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom
12.10.1978 beruhe. Im Übrigen würde der Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr
festhalten. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Damit musste der BGH das Urteil
zurückweisen, da das OLG nunmehr neu im Hinblick auf das von den Beklagten
geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht zu entscheiden hat. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>BGH, Urteil vom 07.12.2023 -
VII ZR 231/22 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. Dezember
2022 aufgehoben.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Die Sache wird zur neuen Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das
Berufungsgericht zurückverwiesen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Von Rechts
wegen</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tatbestand<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Klägerin
begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Zahlung der letzten Rate aus
einem Bauträgervertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung in Höhe von
15.511,50 € nebst Zinsen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Mit notariellem
Bauträgervertrag vom 26. Februar 2013 veräußerte die Klägerin an die Beklagten
zwei Miteigentumsanteile an einer von der Klägerin auf klägerischem Grundbesitz
in H. zu errichtenden Anlage, verbunden mit dem Sondereigentum an einer näher
bezeichneten Wohnung und dem Sondereigentum an einem näher bezeichneten
PKW-Abstellplatz im Untergeschoss, zum Preis von insgesamt 448.900 €. Der
Vertrag enthält einen Ratenplan zur Kaufpreiszahlung. Danach ist der Kaufpreis,
soweit die näher bezeichneten Grundfälligkeitsvoraussetzungen vorliegen, in
sieben vom Baufortschritt abhängigen Raten zu zahlen. Die Schlussrate von 3,5 %
des vereinbarten Preises (= 15.711,50 €) ist vertragsgemäß nach vollständiger
Fertigstellung zu zahlen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Am 20. Juni
2014 führte die Klägerin unter Beteiligung der Streithelferin zu 3 und der
Beklagten eine Begehung der Wohnung durch. Dabei wurde ein von den Anwesenden
unterzeichnetes Abnahmeprotokoll erstellt, in dem 27 Beanstandungen aufgeführt
wurden. In diesem Protokoll heißt es unter anderem:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">"Die
Übergabe/Abnahme erfolgt gemäß des Kaufvertrags vom 26.02.2013; UR Nr…. ."<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Am 6. November
2014 erklärten die Beklagten die Abnahme des Gemeinschaftseigentums -
rückwirkend zum 23. Juni 2014 - ohne Außenanlagen und Tiefgarage und -
rückwirkend zum 11. Juli 2014 - die Abnahme hinsichtlich Außenanlagen und
Tiefgarage.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Mit
Bautenstandsmeldung vom 21. November 2014 erklärte die Klägerin, das Objekt
vollständig fertiggestellt zu haben. Mit Schreiben vom 24. November 2014 teilte
die Klägerin den Beklagten mit, dass der Bautenstand "vollständige
Fertigstellung" erreicht sei, und forderte diese zur Zahlung der letzten
noch offenen Rate in Höhe von 15.711,50 € auf. Mit Schreiben vom 8. Dezember
2014 wiesen die Beklagten die Rechnung wegen Baumängeln zurück.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Klägerin
hat gegen die Beklagten mit bei Gericht am 28. Dezember 2017 eingegangenem
Antrag den Erlass eines Mahnbescheids begehrt. Gegen den den Beklagten am 3.
Januar 2018 zugestellten Mahnbescheid vom 29. Dezember 2017 haben diese am 11.
Januar 2018 Widerspruch erhoben, worüber die Klägerin am 15. Januar 2018
informiert worden ist. Die Beklagten haben zunächst auf die Erhebung der
Einrede der Verjährung bis zum 31. Dezember 2018 verzichtet. Nach Eingang des
Kostenvorschusses am 28. Dezember 2018 ist der Rechtsstreit am 2. Januar 2019
an das Landgericht abgegeben worden. Die Anspruchsbegründung der Klägerin vom
24. September 2020 ist den Beklagten am 5. Februar 2021 zugestellt worden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Beklagten
haben im Rechtsstreit die Einrede der Verjährung erhoben. Daneben berufen sie
sich auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen der von ihnen gerügten Mängel, deren
Beseitigungsaufwand sie unter Berücksichtigung eines anzusetzenden
Druckzuschlags auf 33.545,51 € beziffern. Die Klägerin hat eine Minderung ihrer
Vergütung wegen Mängeln in Höhe von 200 € anerkannt und diesen Betrag von der
Schlussrate in Abzug gebracht. Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass die
erhobenen Mängelrügen kein Zurückbehaltungsrecht, jedenfalls nicht in Höhe der
Klageforderung, rechtfertigten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Das Landgericht
hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat
das Berufungsgericht zurückgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren
weiter.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Entscheidungsgründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Revision
der Klägerin hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Auf das
Schuldverhältnis zwischen den Parteien ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der
Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum 31. Dezember 2017
geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39
EGBGB.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Das
Berufungsgericht hat - soweit für die Revision von Interesse - zur Begründung
seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die
Restvergütungsforderung der Klägerin sei verjährt. Sie unterliege der
regelmäßigen Verjährungsfrist, die gemäß § 195 BGB drei Jahre betrage.
Auch wenn die streitgegenständliche Forderung Teil des Entgelts dafür sei, dass
die Klägerin den Beklagten Eigentum an einem Grundstück zu übertragen habe, und
die errichtete Wohnung "lediglich" wesentlicher Bestandteil des
Miteigentumsanteils sei, richte sich die Verjährung nicht nach § 196 BGB.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Forderung
sei nicht nur die Gegenleistung für die Übertragung des Miteigentumsanteils,
sondern auch für die Erbringung von Bauleistungen. Deshalb sei die
Vergütungsforderung nicht aufteilbar in eine für die Eigentumsübertragung sowie
eine für die Bauleistung, weshalb die Verjährung einheitlich nach der Leistung
zu beurteilen sei, die bei weitem überwiege und das Vertragsverhältnis
charakterisiere. Der Charakter des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags
über den Kauf der noch zu errichtenden Eigentumswohnung werde durch den Bau der
Wohnung geprägt. Die Vergütung der Klägerin sei zumindest teilweise im
Werkvertragsrecht geregelt, § 631 BGB. Die Klägerin habe den
Miteigentumsanteil mit der fertig errichteten Wohnung zu übertragen gehabt. An
der Übertragung ohne Bauleistung hätten die Parteien kein Interesse. Dass die
zu errichtende Wohnung wesentlicher Bestandteil des Grundeigentums werde, präge
den Charakter des Vertrags nicht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Umstand,
dass im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung die Verjährungstatbestände
vereinheitlicht worden seien, die regelmäßige Verjährungsfrist nunmehr drei
Jahre betrage und ausnahmsweise für Ansprüche auf Übertragung von
Grundstückseigentum sowie auf deren Gegenleistung eine zehnjährige Frist
(§ 196 BGB) gelte, habe keinen Einfluss darauf, dass ein üblicher
Bauträgervertrag wie der zwischen den Parteien abgeschlossene ein Mischvertrag
sei, dessen Charakter durch den werkvertraglichen Teil bestimmt werde.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der vom
Gesetzgeber für die zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB angeführte
Grund, Zeitverzögerungen bei der Erfüllung des Kaufvertrags durch Verhalten
Dritter bei der Eigentumsumschreibung auszugleichen, sei für die streitige
Forderung ohne Bedeutung.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die dreijährige
Verjährungsfrist habe unter Berücksichtigung der sowohl hinsichtlich des
Sondereigentums als auch des Gemeinschaftseigentums im Jahr 2014 seitens der
Beklagten erfolgten Abnahme am 1. Januar 2015 zu laufen begonnen; unter
Berücksichtigung der Hemmung durch das Mahnverfahren sei Verjährung am 19. Juli
2018 eingetreten. Das Ende der Verjährung sei nicht dadurch hinausgeschoben
worden, dass die Beklagten bis zum 31. Dezember 2018 auf die Einrede der
Verjährung verzichtet hätten. Für diesen Zeitraum könne sich der Schuldner
lediglich nicht auf die Einrede berufen; auf den Ablauf der Verjährung habe der
Verzicht keinen Einfluss.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Dies hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen
Begründung kann die Zurückweisung der klägerischen Berufung nicht
gerechtfertigt werden. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der restlichen
Vergütung aus dem Bauträgervertrag unterliegt der zehnjährigen Verjährungsfrist
gemäß § 196 BGB und ist noch nicht verjährt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Im
Ausgangspunkt zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die im
Streitfall vereinbarte Bauträgervergütung nicht aufteilbar ist in einen
Kaufpreis für die Grundstücksanteile einerseits und eine Vergütung für die
Bauleistungen andererseits.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei einem Bauträgervertrag
um einen einheitlichen Vertrag, der neben werkvertraglichen auch (soweit der
Grundstückserwerb in Rede steht) kaufvertragliche Elemente enthält (vgl. nur
BGH, Urteil vom 21. November 1985 - VII ZR 366/83, BGHZ 96, 275, juris Rn. 10
m.w.N.). Grundsätzlich ist bei Bauträgerverträgen hinsichtlich der Errichtung
des Bauwerks Werkvertragsrecht, hinsichtlich der Übertragung des Eigentums an
dem Grundstück hingegen Kaufrecht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 21. November
1985 - VII ZR 366/83, BGHZ 96, 275, juris Rn. 10; Urteil vom 12. Juli 1984 -
VII ZR 268/83, BGHZ 92, 123, juris Rn. 15; Urteil vom 5. April 1979 - VII ZR
308/77, BGHZ 74, 204, juris Rn. 11; siehe nunmehr auch § 650u Abs. 1
BGB in der seit dem 1. Januar 2018 geltenden, im Streitfall zeitlich noch nicht
anwendbaren Fassung).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Eine Aufteilung
der Bauträgervergütung in einen Kaufpreis für das Grundstück einerseits und
eine Vergütung für die Bauleistungen andererseits kommt nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1978 - VII ZR 288/77,
BGHZ 72, 229, juris Rn. 21; Urteil vom 10. Mai 1979 - VII ZR 97/78, BGHZ 74,
273, juris Rn. 8) allenfalls dann in Betracht, wenn die Parteien eine derartige
Aufteilung vereinbaren. Eine derartige vertragliche Aufteilung haben die
Parteien im Streitfall nicht vorgenommen, weshalb der Anspruch der Klägerin
eine einheitliche Vergütung mit der Folge zum Gegenstand hat, dass der
Vergütungsanspruch nur einheitlich verjähren kann (vgl. Hertel, DNotZ 2002, 6,
22; Pause/Vogel, Bauträgerkauf und Baumodelle, 7. Aufl., Kap. 4 Rn. 365).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Für
den einheitlichen Vergütungsanspruch des Bauträgers gilt jedoch entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts nicht die dreijährige Regelverjährungsfrist
gemäß § 195 BGB, sondern die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 196
BGB.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b> In
Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, nach welchen Vorschriften sich die
Verjährung dieses Anspruchs richtet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Nach einer
Auffassung unterliegt er der dreijährigen Regelverjährungsfrist gemäß
§ 195 BGB (vgl. Blank, Bauträgervertrag, 5. Aufl., Rn. 6; Koeble in
Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 10. Teil
Rn. 669; wenn die Bauleistung wirtschaftlich im Vordergrund steht auch
MünchKommBGB/Busche, 9. Aufl., § 650u Rn. 21; Ott, NZBau 2003, 233, 234;
Wagner, ZfIR 2002, 257, 260).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Nach anderer,
überwiegend vertretener Auffassung (vgl. OLG München, Urteil vom 14. Januar
2015 - 13 U 1188/14, juris Rn. 84 f.; Basty, Der Bauträgervertrag, 11. Aufl.,
Kap. 3 Rn. 67; Pause/Vogel, Bauträgerkauf und Baumodelle, 7. Aufl., Kap. 4 Rn.
365; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 196 Rn. 11; Frechen/Dölle in
Werner/Pastor, Der Bauprozess, 18. Aufl., Rn. 2830; Zahn in Grziwotz/Koeble,
Handbuch Bauträgerrecht, 2. Aufl., Kap. 6 Rn. 209;
Messerschmidt/Voit/Moufang/Koos, Privates Baurecht, 4. Aufl., Syst. Teil O Rn.
65; Preussner in Festschrift für Lauer, 2021, 381, 384 f.; Amann, DNotZ 2002,
94, 116; Hertel, DNotZ 2002, 6, 22; Brambring, DNotZ 2001, 904, 905) gilt für
den Anspruch insgesamt die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Die
letztgenannte Auffassung ist zutreffend.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">§ 196 BGB
ist dahin auszulegen, dass die in dieser Vorschrift geregelte Verjährungsfrist
für den einheitlichen Vergütungsanspruch des Bauträgers aus einem
Bauträgervertrag gilt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Nach § 196
BGB verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie
auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück
oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die
Gegenleistung in zehn Jahren.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">§ 196 BGB
verdrängt insoweit als speziellere gesetzliche Regelung die Vorschrift des
§ 195 BGB. Die Vorschrift des § 195 BGB stellt innerhalb des
Verjährungsrechts die Grundnorm dar. Sie ist jedoch nur anwendbar, wenn sie
nicht durch eine speziellere Regelung verdrängt wird (vgl. BeckOGK/Piekenbrock,
BGB, Stand: 15. Mai 2023, § 195 Rn. 13, 13.1). § 196 BGB stellt eine
solche speziellere Verjährungsregelung dar (vgl. BGH, Urteil vom 21. November
2014- V ZR 32/14 Rn. 22, NJW-RR 2015, 338). Diese spezielle Verjährungsregelung
ist auch auf den Vergütungsanspruch des Bauträgers anwendbar.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>aa)</b>
Allein aus dem Wortlaut des § 196 BGB kann allerdings nicht eindeutig
geschlossen werden, dass der Vergütungsanspruch des Bauträgers nach dieser
Vorschrift verjährt. Denn die dem Bauträger zustehende Vergütung stellt sowohl
die Gegenleistung für die von ihm geschuldete Übertragung des Eigentums und
damit eine Gegenleistung im Sinne des § 196 BGB als auch die Gegenleistung
für die von ihm geschuldete Errichtung des Bauwerks dar. Die Verpflichtung zur
Errichtung eines Bauwerks und die Gegenleistung hierfür werden indes vom
Wortlaut des § 196 BGB nicht erfasst (vgl. Glöckner in
Kleine-Möller/Merl/Glöckner, Handbuch des privaten Baurechts, 6. Aufl.,
§ 4 Rn. 30).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>bb)</b>
Gleichwohl ist es aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten
gerechtfertigt, § 196 BGB als speziellere Regelung auf den
Vergütungsanspruch des Bauträgers anzuwenden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Da es sich bei
dem Vergütungsanspruch des Bauträgers um einen einheitlichen Anspruch handelt,
der folglich einer einheitlichen Verjährung unterliegt (siehe oben II. 1.),
kann sich die Verjährung dieses Anspruchs nur entweder nach § 196 BGB oder
nach § 195 BGB richten. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 196 BGB
(BT-Drucks. 14/7052 S. 179) ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit der
Einbeziehung der Ansprüche auf die Gegenleistung in § 196 BGB über die
dieser Vorschrift bereits unterfallenden Ansprüche auf Übertragung des
Eigentums an einem Grundstück hinaus ein in der Sache nicht gerechtfertigtes
Ergebnis vermeiden wollte, das bestehen könnte, wenn derartige Verträge bei
Geltung der Regelverjährungsfrist für die Ansprüche auf die Gegenleistung nicht
beendet werden könnten. Diese Erwägung greift ebenfalls bei Bauträgerverträgen
(vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 196 Rn. 11). Da der
einheitliche Vergütungsanspruch des Bauträgers jedenfalls auch eine
Gegenleistung für die von ihm - neben der Bauwerkserrichtung - geschuldete
Übertragung des Eigentums an dem Grundstück und damit eine Gegenleistung im
Sinne des § 196 BGB darstellt, ist es gerechtfertigt, insoweit einheitlich
die speziellere Verjährungsregelung des § 196 BGB anzuwenden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Gegen diese
Beurteilung kann nicht eingewendet werden, dass es sich bei dem
Vergütungsanspruch um einen Anspruch aus einem Mischvertrag handelt, bei dem
die vom Bauträger geschuldete Übertragung des Eigentums an dem Grundstück
gegenüber der Bauwerkserrichtung von derart untergeordneter Bedeutung für das
Vertragsverhältnis ist, dass § 196 BGB auf den Vergütungsanspruch nicht
angewendet werden könnte. Vielmehr ist die Übertragung des Eigentums an dem
Grundstück bei einem Bauträgervertrag von wesentlichem Interesse für den
Erwerber. Der Anspruch des Erwerbers ist auf Übertragung des Grundstücks mit
dem zu errichtenden Bauwerk gerichtet (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 1985 -
VII ZR 366/83, BGHZ 96, 275, juris Rn. 14; OLG München, Urteil vom 14. Januar
2015 - 13 U 1188/14, juris Rn. 91; Basty, Der Bauträgervertrag, 11. Aufl., Kap.
3 Rn. 67; Brambring, DNotZ 2001, 904, 905). Das Bauwerk wird mit seiner
Errichtung wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 Abs. 1
Satz 1 BGB). Das Eigentum an dem Grundstück erstreckt sich daher auch auf
das Eigentum an dem Bauwerk (§ 946 BGB). Die mit der einheitlichen
Vergütung abgegoltenen Leistungen - auch die Leistungen betreffend die
Bauwerks-errichtung - haben danach für den Erwerber keinen nachhaltigen Wert,
wenn er nicht Eigentümer des Grundstücks wird (vgl. Basty, Der
Bauträgervertrag, 11. Aufl., Kap. 3 Rn. 67; Preussner in Festschrift für Lauer,
S. 381, 383; Pause, NZBau 2002, 648, 650).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Das vor
Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (BGBl. I 2001
S. 3138) ergangene Urteil des Senats vom 12. Oktober 1978(VII ZR 288/77,
BGHZ 72, 229) steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil es auf einer anderen
Rechtslage beruht. Soweit diese Entscheidung dahin verstanden werden könnte,
der Bauträgervertrag werde durch die Bauwerkserrichtungsleistungen derart
geprägt, dass sich die Verjährung des Vergütungsanspruchs einheitlich nach den
für werkvertragliche Vergütungsansprüche geltenden Vorschriften richtet, hält
der Senat hieran nicht fest.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>3.</b> Unter
Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze ist der Anspruch der Klägerin
nicht verjährt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Nach
§ 200 Satz 1 BGB beginnt die zehnjährige Verjährungsfrist des
§ 196 BGB mit der Entstehung des Anspruchs. Hierunter ist der Zeitpunkt zu
verstehen, in welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im
Wege der Klage durchgesetzt werden kann. In der Regel ist damit, sofern keine
besonderen Absprachen getroffen sind, der Zeitpunkt der Fälligkeit (§ 271
BGB) maßgebend (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2023 - V ZR 89/22 Rn. 10 m.w.N.,
NJW 2023, 2942).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b>
Danach ist die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB im Streitfall
nicht abgelaufen. Denn der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der letzten Rate
ist jedenfalls nicht vor November 2014 fällig geworden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>III.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Das
Berufungsurteil kann nach alledem keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben. Der
Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.
Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine
Feststellungen dazu getroffen, ob den Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht wegen
der von ihnen noch geltend gemachten Mängel zusteht. Die Sache ist daher zur
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,
§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.</p>Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-63525589998673202412024-02-22T19:17:00.002+01:002024-02-22T19:24:09.469+01:00Amtshaftung bei Schaden durch vom beauftragten Unternehmer aufgestellten Straßenschild<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEge0oHLwA1wrawnsiFnnCsQMZRGJPVRtZi6m-e5TgaA1iZkQuzdq-UanaBdbLCDKtlrJ8g_FVI6OvojWajPXKt3EQirdzgoHvGWmgZ8YWNVWcVq3agvl-gHZXFkMWHRwQZxlq13-9emU1MFnS6k2F1peJCQnh1z8s0Wsf3aDgfSSzB_KPjgeYNQ_biIc8Qg/s1280/diversion-6603708_1280.tiff" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="840" data-original-width="1280" height="210" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEge0oHLwA1wrawnsiFnnCsQMZRGJPVRtZi6m-e5TgaA1iZkQuzdq-UanaBdbLCDKtlrJ8g_FVI6OvojWajPXKt3EQirdzgoHvGWmgZ8YWNVWcVq3agvl-gHZXFkMWHRwQZxlq13-9emU1MFnS6k2F1peJCQnh1z8s0Wsf3aDgfSSzB_KPjgeYNQ_biIc8Qg/s320/diversion-6603708_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Klägerin erlitt an einem abgestellten
Fahrzeug einen Schaden durch ein umgefallenes Straßenschild. Dieses wurde von
der Beklagten im Zusammenhang von Bauarbeiten an einer Straße auf dem
Bürgersteig aufgestellt und kündigte eine Umleitung an (Zeichen 457.1 der
Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Die zuständige Landesbehörde (hier: Hessen Mobil)
vergab den Auftrag für die Arbeiten der R. GmbH, die wiederum die Beklagte mit
der Aufstellung entsprechender Verkehrsschilder beauftragte. Die Klägerin
machte gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend. Das Amtsgericht wies
die Klage ab. Die Berufung wurde vom Landgericht unter Zulassung der Revision
abgewiesen. Der BGH wies die von der Klägerin eingelegte Revision zurück. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das Landgericht hatte die Berufung
mit der Begründung zurückgewiesen, die Beklagte sei nicht passivlegitimiert, da
hier geltend gemachte Ansprüche nach § 823 BGB hinter einen möglichen
Amtshaftungsanspruch, der allenfalls in Betracht käme, zurücktreten würden. Dem
folgte der BGH; die Beklagte sei nicht passivlegitimiert, da eine eigene
deliktische Haftung der Beklagten gemäß § 839 BGB iVm. Art. 34 S. 1 GG
ausgeschlossen seien. Im Anwendungsbereich des § 839 BGB würden damit
konkurrierende Ansprüche aus §§ <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>823 ff
BGB verdrängt werden. Im Rahmen der Haftung aus § 839 BGB trete gem. Art. 34 S.
1 BGB im Wege befreiender Haftungsübernahme der Staat bzw. die jeweilige
Anstellungskörperschaft als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle desjenigen,
der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt habe. Die
Mitarbeiter der Beklagten hätten bei der Aufstellung des Verkehrsschildes in
Ausübung eines ihnen anvertrauten Amtes gehandelt. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Entscheidend dafür, ob das
Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes
darstelle, sei, ob die eigentliche Zielsetzung der Tätigkeit hoheitlicher
Tätigkeit zuzurechnen sei und ob zwischen der Zielsetzung und der schädigenden
Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang bestünde, dass die
Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend
angesehen werden müsse. Dabei sei nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf
seine Funktion (seiner Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte
Tätigkeit diene) abzustellen. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Damit könnten auch Mitarbeiter
eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies
komme nicht nur in den Fällen der Beleihung eines Privatunternehmers mit
hoheitlichen Aufgaben in Betracht, sondern auch dann, wenn Private als
Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig würden (BGH,
Urteil vom 06.06.2019 – III ZR 124/18 .). <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Erforderlich sei, dass in innerer Zusammenhang
zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe bestehen, wobei
die öffentliche Hand auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, so dass
der Private gleichsam als bloßes „Werkzeug“ oder „Erfüllungsgehilfe“ des
Hoheitsträgers handele und dieser die Tätigkeit des Privaten des wie eine
eigene gegen sich gelten lassen müsse. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Je stärker der hoheitliche Charakter
der Aufgabe in den Vordergrund trete, je enger die Verbindung zwischen
übertragender Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden
hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielrau des Privaten
sei, desto näher liege es, den Handelnden als Beamten im haftungsrechtlichen
Sinne anzusehen. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Vorliegend habe der hoheitliche
Charakter im Vordergrund gestanden. Die Verkehrsregelung mittels
Verkehrszeichen (§ 45 StVO) sei eine hoheitliche Aufgabe. Es handele sich – jedenfalls
bei verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen um Maßnahmen der
Eingriffsverwaltung, da die durch sie angeordneten Ge- und Verbote
Verhaltensbefehle seien, die für Verkehrsteilnehmer bindend sind. Die Anordnung
oblige der Straßenverkehrsbehörde (§ 45 Abs. 3 StVO) und im (hier vorliegenden)
Ausnahmefall, wenn sie zur Durchführung von Straßenbauarbeiten erfolgen würden,
der Straßenbaubehörde (§ 45 Abs. 2 S. 1 und 4 StVO). Auch die tatsächliche
Umsetzung der Verkehrsregelung stelle eine hoheitliche Aufgabe dar zu der der
Baulastträger nach § 45 Abs. 5 S. 1 StVO verpflichtet sei. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Ein enger Zusammenhang bestünde
auch bei Straßenbauarbeiten, bei denen die Durchfahrt durch die betroffene
Straße verboten würde und dies mittels Verkehrszeichen umgesetzt wird (Zeichen
250) sowie zum Ausgleich für das Durchfahrtverbot eine Umleitung eingerichtet
würde. Es würde sich dabei um eine einheitliche Verkehrsregelung handeln, in
deren Mittelpunkt das Durchfahrtsverbot als Maßnahme der Eingriffsverwaltung
stünde, die mir ihrem im Vordergrund stehenden hoheitlichen Charakter die mir
ihr zusammenhängenden einzelnen Verkehrsregelungen präge. Letztere und die sie
umzusetzenden Verkehrszeichen seien daher im Hinblick auf die Frage, ob auch
bei ihnen der hoheitliche Charakter im Vordergrund stünde, wie das
Durchfahrtverbot zu beurteilen, unabhängig davon, ob es die einzelnen
Regelungen Ge- oder Verbote enthalten würden. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Damit handele es sich bei dem die
Umleitung ankündigenden Verkehrsschild (Zeichen 475.1) um die Umsetzung einer
Maßnahme, bei der der hoheitliche Charakter im Vordergrund stünde. Der Kern der
zugrundeliegenden verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11.07.2017 sei die
Baumaßnahme auf der Kreisstraße gewesen. Im Bereich der Baumaßnahme sei, wie
sich aus dem Umleitungsplan in Anlage zur verkehrsrechtlichen Anordnung ergeben
würde, ein Durchfahrverbot angeordnet und die Umleitung, die mit dem fraglichen
Verkehrsschild angekündigt wurde, war Bestandteil des Umleitungsplanes. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Beklagte habe auch nicht über
einen relevanten eigenen Ausführungsspielraum verfügt. Vor dem Autohaus, vor
dem das Fahrzeug stand, sei nach dem Plan eine Umleitungsankündigung (Zeichen
475.1.) anzubringen gewesen. Die Verpflichtung, ein Schild vor dem Autohaus
anzubringen, ließe der Beklagten keinen relevanten Entscheidungsspielraum aus; dieser
sei nicht relevant, wenn die Stelle des Aufstellens vor dem Autohaus ausgewählt
werden könne. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>BGH, Urteil vom 11.01.2024 -
III ZR 15/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Landgerichts Kassel - 1. Zivilkammer - vom 3. November 2022 wird
zurückgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat
die Klägerin zu tragen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Von Rechts
wegen<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tatbestand<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Klägerin
nimmt die Beklagte wegen eines umgefallenen Straßenschildes auf Schadensersatz
in Anspruch.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Klägerin
betreibt ein Autohaus in der N. in N.. Im Juli 2017 hatte sie vor ihren
Geschäftsräumen ein Fahrzeug abgestellt. Die Beklagte stellte in diesem Bereich
auf dem Bürgersteig der N. ein Straßenschild (Zeichen 457.1 der Anlage 3 zu
§ 42 Abs. 2 StVO) auf, das eine Umleitung ankündigte. In der Nähe
standen zu diesem Zeitpunkt Bauarbeiten zur Erneuerung der Fahrbahn der
Kreisstraße K5 an. Die Landesbehörde Hessen Mobil Straßen- und
Verkehrsmanagement (künftig: Hessen Mobil) hatte mit den Bauarbeiten die R. GmbH
beauftragt, welche wiederum die Beklagte mit der Aufstellung der entsprechenden
Verkehrsschilder beauftragte. Die zuständige Behörde nahm am 18. Juli 2017 die
gesamte Verkehrsabsicherung sowie die Umleitungsbeschilderung einschließlich
des vorbezeichneten Straßenschildes ab.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Einen Tag
später fiel dieses Schild auf das Fahrzeug, welches im vorderen linken Bereich
beschädigt wurde. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin den Ersatz von
Reparatur- und Gutachtenkosten nebst einer Unfallpauschale sowie von
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen. Sie hat geltend gemacht, die
Beklagte habe das von ihr aufgestellte Schild unzureichend gesichert. Sie habe
nicht als Verwaltungshelferin gehandelt. Aus den vorgelegten Plänen ergäben
sich weder die exakten Standorte für die Schilder noch, wie konkret sie
aufzustellen und zu sichern seien. Damit verbleibe der Beklagten ein
ausreichender Handlungsspielraum.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Das Amtsgericht
hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung
der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit der die Klägerin
ihren Anspruch weiterverfolgt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Entscheidungsgründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die zulässige
Revision hat keinen Erfolg.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Das
Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei nicht passivlegitimiert.
Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB träten hinter einem möglichen
Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG zurück. Die Beklagte
habe beim Aufstellen des Schildes, das das Fahrzeug beschädigt habe, in
Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt. Die
Verkehrsregelung mittels Verkehrszeichen im Sinne von § 45 StVO sei eine
hoheitliche Aufgabe. Die entsprechende Anordnung obliege gemäß § 45
Abs. 2 Satz 1 und 4 StVO der Straßenbaubehörde. Dabei könne
dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem hier aufgestellten Umleitungsschild
um eine Maßnahme der Eingriffsverwaltung handele, da damit jedenfalls
verkehrsregelnde Maßnahmen im Sinne von § 45 Abs. 2 StVO getroffen
würden. Danach könne die Straßenbaubehörde zur Durchführung von
Straßenbauarbeiten den Verkehr umleiten. Dies sei vorliegend mit der
verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11. Juli 2017 einschließlich der anliegenden
Pläne geschehen. Danach sei in der N. als erstes
Schild das Zeichen 457.1 "Umleitungsankündigung" vor dem Autohaus der
Klägerin anzubringen gewesen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Beklagte
sei bei dem Aufstellen der Verkehrsschilder als Amtsträgerin im Sinne von
Art. 34 Satz 1 GG tätig gewesen. Aus dem von ihr vorgelegten Plan,
der vorgenannten verkehrsrechtlichen Anordnung, ergebe sich, dass die
Beschilderung im Bereich des Autohauses durch die Beklagte habe aufgestellt
werden sollen. Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juni 2019 (III ZR
124/18, VersR 2019, 1145) könne nicht gefolgert werden, dass nur das Aufstellen
von verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen eine hoheitliche
Aufgabe darstelle. Zwar habe der Bundesgerichtshof sein Urteil hinsichtlich
einer Geschwindigkeitsbeschränkung getroffen. Danach handele es sich jedenfalls
bei verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen um eine hoheitliche
Aufgabe. Diese Formulierung könne jedoch nicht als Einschränkung lediglich auf
Ge- und Verbote als Verhaltensbefehle verstanden werden. Anderenfalls würde
beispielsweise für ein Verkehrsschild, mit dem Einschränkungen, die aufgrund
einer Baumaßnahme erfolgten, wieder aufgehoben würden, nicht mehr anzunehmen
sein, dass hierbei eine hoheitliche Tätigkeit ausgeübt werde. Diese Abgrenzung
wäre willkürlich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass auch die Aufstellung des
Umleitungsschildes die Befahrbarkeit der betroffenen Straße einschränke und es
sich um eine verkehrsbeschränkende Verkehrsregelung handele. Selbst wenn, wie
vom Geschäftsführer der Klägerin behauptet, ausschließlich das Zeichen 457.1
aufgestellt und die Anordnung im Übrigen fehlerhaft beziehungsweise
unvollständig umgesetzt worden sei, führe dies nicht zu einer Haftung der
Beklagten, da der fehlerhafte Aufstellungsakt ebenfalls ein hoheitliches
Handeln sei.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Revision
ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht passivlegitimiert. Das Landgericht hat
zutreffend eine eigene deliktsrechtliche Haftung der Beklagten abgelehnt. Diese
ist gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG ausgeschlossen, weil die
Mitarbeiter der Beklagten in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen
Amtes gehandelt haben.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>1.</b> In
seinem Anwendungsbereich verdrängt § 839 BGB als vorrangige
Spezialregelung konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff BGB. Im Rahmen der
Haftung nach § 839 BGB tritt gemäß Art. 34 Satz 1 GG - im Wege
der befreienden Haftungsübernahme - der Staat beziehungsweise die jeweilige
Anstellungskörperschaft als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle
dessen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt
hat; in diesem Fall scheidet eine persönliche Haftung des Amtsträgers gegenüber
dem Geschädigten aus (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteile vom 13. April 2023 -
III ZR 215/21, BGHZ 237, 30 Rn. 21 und vom 6. Juni 2019 aaO Rn. 10; jew. mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Die
Mitarbeiter der Beklagten handelten bei der Aufstellung des Verkehrsschildes,
durch das nach dem Vortrag der Klägerin das in ihrem Eigentum stehende Fahrzeug
beschädigt wurde, in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Ob
sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen
Amtes darstellt, bestimmt sich nach der ständigen Senatsrechtsprechung danach,
ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird,
hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und
der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang
besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher
Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des
Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren
Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen
(Senat, Urteile vom 13. April 2023 aaO Rn. 23 und vom 6. Juni 2019 aaO Rn. 18;
jew. mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Hiernach können
auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen
Sinne sein. Dies kommt neben den Fällen der Beleihung eines Privatunternehmens
mit hoheitlichen Aufgaben auch dann in Betracht, wenn Private als
Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden (Senat,
Urteile vom 13. April 2023 aaO Rn. 24 und vom 6. Juni 2019 aaO; jew. mwN).
Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung
zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe bestehen,
wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der
Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes
"Werkzeug" oder "Erfüllungsgehilfe" des Hoheitsträgers handelt
und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten
lassen muss (Senat, Urteile vom 13. April 2023 und vom 6. Juni 2019; jew. aaO
und mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Da die auf
bürgerlich-rechtlicher Grundlage beruhende Heranziehung privater Unternehmer
zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eine Vielzahl von Fallgestaltungen umfasst,
die sich sowohl durch den Charakter der jeweils wahrgenommenen Aufgabe als auch
durch die unterschiedliche Sachnähe der übertragenen Tätigkeit zu dieser
Aufgabe sowie durch den Grad der Einbindung des Unternehmers in den
behördlichen Pflichtenkreis unterscheiden, ist eine Gesamtbetrachtung
anzustellen, der ein "bewegliches Beurteilungsraster" zugrunde liegt:
Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt - was
vor allem in der Eingriffsverwaltung der Fall ist -, je enger die Verbindung
zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu
erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum
des Privaten ist, desto näher liegt es, den Handelnden als Beamten im
haftungsrechtlichen Sinne anzusehen (Senat, Urteile vom 13. April 2023 aaO Rn.
25 und vom 6. Juni 2019 aaO Rn. 18 und 26; jew. mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Das
Berufungsgericht hat die Verwaltungshelfereigenschaft der Beklagten unter
Zugrundelegung dieses Maßstabs zutreffend bejaht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>aa)</b> Bei
den von der Beklagten zu erbringenden Arbeiten stand der hoheitliche Charakter
im Vordergrund.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(1)</b> Die
Verkehrsregelung mittels Verkehrszeichen (§ 45 StVO) ist eine hoheitliche
Aufgabe (Senat, Urteil vom 6. Juni 2019 aaO Rn. 13 mwN). Es handelt sich
- jedenfalls bei verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen - um
Maßnahmen der Eingriffsverwaltung, da die durch sie angeordneten Ge- und
Verbote Verhaltensbefehle sind, die für die Verkehrsteilnehmer bindend sind
(Senat aaO mwN). Die entsprechende Anordnung obliegt den
Straßenverkehrsbehörden (§ 45 Abs. 3 StVO) und im - vorliegenden - Ausnahmefall,
wenn sie zur Durchführung von Straßenbauarbeiten erfolgt, den
Straßenbaubehörden (§ 45 Abs. 2 Satz 1 und 4 StVO; Senat aaO mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Auch die
tatsächliche Umsetzung der Verkehrsregelung durch die Anbringung der
Verkehrszeichen stellt eine hoheitliche Aufgabe dar (Senat aaO Rn. 14 mwN). Zu
ihrer Wahrnehmung ist gemäß § 45 Abs. 5 Satz 1 StVO der Baulastträger
verpflichtet. Baulastträger sind, wenn - wie vorliegend - von einer Baumaßnahme
Kreisstraßen betroffen sind, gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 des
Hessischen Straßengesetzes (HStrG) die Landkreise und kreisfreien Städte. Diese
können gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 HStrG durch Vereinbarung dem
Land, dessen obere Straßenbaubehörde Hessen Mobil ist (§ 46 Abs. 2
HStrG), die Verwaltung und Unterhaltung der Kreisstraßen einschließlich des Um-
und Ausbaus übertragen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(2)</b>
Vorliegend stand bei den von der Beklagten zu erbringenden Arbeiten der
hoheitliche Charakter im Vordergrund. Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner
Entscheidung, ob - wie die Revisionserwiderung meint - bei jedweder Maßnahme
der (hoheitlichen) Verkehrsregelung der hoheitliche Charakter im Vordergrund
steht. Denn bei den von der Beklagten zu erbringenden Arbeiten ist dies schon
deshalb zu bejahen, weil sie einen unmittelbaren Zusammenhang mit
verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen und den mit ihnen
verbundenen Ge- und Verboten als Maßnahmen der Eingriffsverwaltung aufwiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(a)</b> Zur
Beurteilung, ob bei einer Tätigkeit, die einem privaten Unternehmen zur
Erfüllung hoheitlicher Aufgaben übertragen wurde, der hoheitliche Charakter im
Vordergrund steht, ist nicht allein die einzelne Tätigkeit in den Blick zu
nehmen, deren Ausführung den in Streit stehenden Schaden verursacht hat.
Maßgeblich ist vielmehr die gesamte hoheitliche Maßnahme, in deren Rahmen die
den Schaden verursachende Tätigkeit erfolgt ist. Wird etwa zur Durchführung von
Straßenbauarbeiten von der Straßenbaubehörde gemäß § 45 Abs. 2 StVO
eine Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet, so ist nicht nur die Aufstellung
des entsprechenden Verkehrsschildes (Zeichen 274) sehr eng mit der getroffenen
Verkehrsregelung als Maßnahme der Eingriffsverwaltung verbunden, bei der der
hoheitliche Charakter im Vordergrund steht (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juni 2019
aaO Rn. 20), sondern auch die Aufstellung des Verkehrsschildes (Zeichen 278),
mit dem das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung angezeigt wird. Zwar enthält
die entsprechende Verkehrsregelung kein Ge- oder Verbot. Sie steht jedoch als
actus contrarius in einem derart engen Zusammenhang mit der
Geschwindigkeitsbeschränkung selbst, dass sie im Hinblick auf die Frage, ob
auch in ihrem Fall der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht, nicht anders
beurteilt werden kann als die Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Gleiches gilt,
wenn im Rahmen von Straßenbauarbeiten die Durchfahrt durch die betroffene
Straße verboten, dies mittels des entsprechenden Verkehrszeichens umgesetzt
wird (Zeichen 250) und zum Ausgleich für das Durchfahrtverbot eine Umleitung
eingerichtet wird. Dabei handelt es sich um eine einheitliche Verkehrsregelung,
in deren Mittelpunkt das Durchfahrtverbot als Maßnahme der Eingriffsverwaltung
steht, die mit ihrem im Vordergrund stehenden hoheitlichen Charakter die mit
ihr zusammenhängenden einzelnen Verkehrsregelungen prägt. Letztere und die sie
umsetzenden Verkehrszeichen sind daher im Hinblick auf die Frage, ob auch bei
ihnen der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht, wie das Durchfahrtverbot
zu beurteilen, unabhängig davon, ob die einzelne Regelung selbst ein Ge- oder
Verbot enthält.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Für eine solche
Gesamtbetrachtung spricht auch ihre Umsetzbarkeit in der haftungsrechtlichen
Praxis. Die mit einer Straßenbaumaßnahme verbundenen verkehrsrechtlichen
Regelungen werden oft in einer einheitlichen verkehrsrechtlichen Anordnung
getroffen (vgl. vorliegend verkehrsrechtliche Anordnung von Hessen Mobil vom
11. Juli 2017), die zugleich die zur Umsetzung der Regelungen notwendigen
Verkehrszeichen enthält (vgl. K5 Umleitungsplan in Anlage zur
verkehrsrechtlichen Anordnung). Mit der Ausführung der Anordnung und damit auch
mit der Aufstellung sämtlicher zu ihrer Durchführung erforderlichen
Verkehrsschilder wird häufig dasselbe private Unternehmen beauftragt. Würde
dieses nur in Bezug auf die Aufstellung solcher Verkehrszeichen, mittels derer
ein Ge- oder Verbot umgesetzt wird, als Verwaltungshelfer tätig, nicht hingegen
in Bezug auf andere, im Rahmen derselben Straßenbaumaßnahme aufzustellende
Verkehrszeichen, würde eine nur schwer überschaubare haftungsrechtliche "Gemengelage"
entstehen, innerhalb derer bei durch Verkehrsschilder verursachten Schäden je
nach deren Inhalt das aufstellende Privatunternehmen oder aber die dieses
beauftragende öffentlich-rechtliche Körperschaft haftet. Dagegen ergibt sich
bei einer die Straßenbaumaßnahme und die mit ihr verbundenen
verkehrsrechtlichen Regelungen insgesamt in den Blick nehmenden Sichtweise ein
einheitliches und für den Geschädigten rechtssicheres Haftungsregime.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(b)</b> In
Anwendung der vorstehenden Grundsätze handelt es sich vorliegend auch bei dem
in Rede stehenden, eine Umleitung ankündigenden Verkehrsschild (Zeichen 457.1)
um die Umsetzung einer Maßnahme, bei der der hoheitliche Charakter im
Vordergrund steht. Denn Kern und Ausgangspunkt der verkehrsrechtlichen
Anordnung vom 11. Juli 2017 war, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, die
Baumaßnahme betreffend die Kreisstraße K5 zwischen dem Abzweig nach H. und N..
Im Bereich dieser Baumaßnahme wurde, wie sich aus der in dem Umleitungsplan in
Anlage zur verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11. Juli 2017 aufgelisteten und in
der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erörterten Beschilderung
ergibt, ein Durchfahrtverbot angeordnet. Die Umleitung, die mit dem vorliegend
in Rede stehenden Verkehrsschild angekündigt wurde, war Bestandteil desselben
Umleitungsplans. Sie diente dem Ausgleich der in Folge des Durchfahrtverbots
nicht mehr gegebenen Befahrbarkeit der von der Baumaßnahme betroffenen
Kreisstraße. Nach den vorstehenden Grundsätzen ist sie daher im Hinblick auf
die Frage, ob auch bei ihr der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht,
nicht isoliert, sondern entsprechend dem im Mittelpunkt der verkehrsrechtlichen
Regelungen stehenden Durchfahrtverbot zu beurteilen. Danach stand bei den von
der Beklagten zu erbringenden Arbeiten auch im Fall der Aufstellung des die
Umleitung ankündigenden Verkehrsschildes der hoheitliche Charakter im
Vordergrund.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Soweit sich die
Revision auf die im Berufungsurteil wiedergegebene Behauptung des
Geschäftsführers der Klägerin beruft, es sei ausschließlich das Zeichen
Umleitungsankündigung (Zeichen 457.1) aufgestellt und die Anordnung im Übrigen
fehlerhaft beziehungsweise unvollständig umgesetzt worden, kann dies
offenbleiben. Ausgangspunkt der Beurteilung, ob bei der Aufstellung eines
Verkehrsschildes der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht, ist die
(gesamte) Verkehrsregelung, die mit ihr umgesetzt werden soll. Ohne Bedeutung
ist hingegen der - gegebenenfalls mangelhafte - Umfang, in dem die
Verkehrsregelung tatsächlich ausgeführt worden ist. Vorliegend ist mithin
allein maßgebend, dass in der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11. Juli 2017
in Bezug auf die Kreisstraße K5 ein Durchfahrtverbot und zu dessen Ausgleich
eine Umleitung einschließlich einer Umleitungsankündigung bestimmt waren.
Bereits hieraus folgt - wie ausgeführt -, dass die Umleitungsankündigung und
das sie umsetzende Verkehrsschild im Hinblick auf ihren hoheitlichen Charakter
wie das Durchfahrtverbot selbst zu beurteilen sind unabhängig davon, ob dieses
ordnungsgemäß ausgeschildert worden ist.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>bb)</b> Die
Beklagte verfügte nicht über einen relevanten eigenen Ausführungsspielraum.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(1)</b> Das
Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, nach der verkehrsrechtlichen
Anordnung vom 11. Juli 2017 einschließlich der anliegenden Pläne sei in dem
Bereich auf dem Ausschnitt 1 des von der Beklagten vorgelegten Plans in der N.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">vor dem
Autohaus der Klägerin die Beschilderung entsprechend "E" anzubringen
gewesen. Das erste aufzustellende Schild sei das Zeichen 457.1
"Umleitungsankündigung" gewesen (Seite 7 des Berufungsurteils).
Zweifel daran, dass die Beschilderung auf der N.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">im Bereich des
Autohauses der Klägerin aufzustellen gewesen sei, verblieben danach nicht
(Seite 8 des Berufungsurteils).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(2)</b>
Damit hat das Berufungsgericht den Sachvortrag der Klägerin in ihrer
Berufungsbegründung zu einem eigenen Ausführungsspielraum der Beklagten im
Hinblick auf den konkreten Aufstellungsort der Beschilderung entgegen der
Auffassung der Revision nicht gehörswidrig übergangen. Es hat ihn vielmehr im
Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben (Seite 5 des
Berufungsurteils) und in den Entscheidungsgründen die Frage, ob nach der
verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11. Juli 2017 ein Standort des Schildes mit
dem Zeichen 457.1 vorgegeben war, bejaht. Die von ihm angenommene Verpflichtung
der Beklagten, die Beschilderung - und in ihrem Rahmen zuerst das Schild mit
dem Zeichen 457.1 - vor dem Autohaus der Klägerin anzubringen, schließt einen
relevanten Entscheidungsspielraum der Beklagten aus. Letzterer ist nicht etwa
bereits dann gegeben, wenn es dem Privatunternehmen innerhalb eines engen
vorgegebenen Bereichs - hier: vor dem Autohaus der Klägerin - überlassen
bleibt, an welcher Stelle exakt das Schild aufgestellt wird. In einem solchen
Fall der Vorgabe eines engen, den Aufstellungsort des Schildes betreffenden
Bereichs ist vielmehr ein eigener Entscheidungsspielraum des Privatunternehmens
im Sinne der Senatsrechtsprechung zu verneinen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(3)</b> Das
Berufungsgericht hat auch den Sachvortrag der Klägerin zu einem eigenen
Ausführungsspielraum der Beklagten im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung
des Aufstellens und der Absicherung des Verkehrsschildes nicht gehörswidrig
übergangen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Art. 103
Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis
zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht muss
sich in seinen Entscheidungsgründen zwar nicht ausdrücklich mit jedem
Parteivorbringen befassen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass es
das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG lässt sich aber feststellen,
wenn besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass tatsächliches
Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der
Entscheidung nicht beachtet worden ist. Solche Umstände liegen etwa dann vor,
wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags eines Beteiligten zu
einer zentralen Frage des Verfahrens in den Entscheidungsgründen nicht eingeht,
sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber
offensichtlich unsubstantiiert war (st. Rspr.; zB Senat, Beschluss vom 27.
August 2020 - III ZR 105/19, juris Rn. 8 mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Danach ist
vorliegend davon auszugehen, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin
zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen hat. Die
Gehörsrüge der Revision betrifft allein einen einzelnen Satz auf Seite 3
der Berufungsbegründung der Klägerin, wonach sich aus dem Plan gemäß Anlage B 3
der Beklagten - dabei handelt es sich um eine Abbildung des vorgenannten
Umleitungsplans - nicht ergebe, "wie konkret die Schilder aufzustellen
sind, wie diese abzusichern sind pp.". Das Berufungsgericht hat diesen
Vortrag gesehen und im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben
(Seite 5). Einer ausdrücklichen Befassung mit dem Vorbringen der Klägerin
in den Entscheidungsgründen bedurfte es nicht. Es handelt sich bei dem
vorstehend wiedergegebenen Satz der Berufungsbegründung der Klägerin nicht um
den wesentlichen Kern ihres Vortrags. Zudem war er offensichtlich
unsubstantiiert, da die Klägerin nicht dargelegt hat, über welchen erheblichen,
in vorliegendem Zusammenhang relevanten Ausführungsspielraum die Beklagte in
Bezug auf die konkrete Ausgestaltung der Aufstellung und Anbringung des
Verkehrsschildes verfügt haben soll. Dies gilt umso mehr, als sich für die
aufzustellenden Verkehrsschilder verbindliche Vorgaben sowohl aus dem Umleitungsplan
selbst als auch aus der dort in Bezug genommenen Straßenverkehrsordnung ergaben
(vgl. etwa § 39 Abs. 2 Satz 3 StVO zum Standort der Schilder
"regelmäßig rechts"). Darüber hinaus enthalten auch die allgemeine
Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO), die Richtlinien
für Umleitungsbeschilderungen (RUB; vgl. Nummer II der allgemeinen
Verwaltungsvorschrift zu den Zeichen 421, 422, 442 und 454 bis 466
Umleitungsbeschilderung vom 26. Januar 2001 [BAnz vom 26. Januar 2001,
S. 1419] i.d.F. v. 22. Mai 2017 [BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8, S. 1])
und die - von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 9. April 2021
(Seite 2) in Bezug genommenen - Bestimmungen der "Zusätzlichen
Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Sicherungsarbeiten an Arbeitsstellen
an Straßen" (ZTV-SA97) und der "Technischen Lieferbedingungen -
Aufstellvorrichtung" (TL-Aufstellung) detaillierte Vorgaben für die
Ausgestaltung und Aufstellung von Verkehrsschildern.</p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-32460720385212887052024-02-19T17:26:00.003+01:002024-02-19T19:07:13.434+01:00Vormerkung im Grundbuch für insolvenzrechtliche Rückforderung des Erbanteils ?<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgvf-5ftp6Y_huwVS0bCmu_kUuEBnzEu6EfLZoKc_nqopi67kejctkSHTXVnAxq8bHtvCbuSTyB8OB1GZ0j81-NjBNAT1qBqUkqWq_9xy7B7szHK6w7-G284NhOuqpQS6_EWpRnCWvPjWmSe12qgxF1FarquMDA9P1pxWn8XsCyj2pQuNPVXEfXgKmusTXS/s1280/house-3966469_1280.tiff" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="853" data-original-width="1280" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgvf-5ftp6Y_huwVS0bCmu_kUuEBnzEu6EfLZoKc_nqopi67kejctkSHTXVnAxq8bHtvCbuSTyB8OB1GZ0j81-NjBNAT1qBqUkqWq_9xy7B7szHK6w7-G284NhOuqpQS6_EWpRnCWvPjWmSe12qgxF1FarquMDA9P1pxWn8XsCyj2pQuNPVXEfXgKmusTXS/s320/house-3966469_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Sachverhalt: Der
Insolvenzschuldner übertrug seinen Erbanteil auf seine Kinder, die diesen
sodann ihrer Mutter schenkten. Der Insolvenzverwalter beantragte im Wege der
einstweiligen Verfügung eine Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch, die das
Landgericht bewilligte. Diese einstweilige Verfügung wurde auf die Berufung des
Insolvenzschuldners aufgehoben und der Antrag darauf zurückgewiesen. <o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Den vom Landgericht angenommenen
Verfügungsanspruch negierte das OLG im Berufungsverfahren. Voraussetzung wäre
hier, dass es sich bei dem schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgewähr, der durch
einstweilige Verfügung (§§ 935 ff ZPO) gesichert werden könnte, um einen
potentiellen Massebestandteil iSv. §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 InsO handeln würde.
Die Eintragung einer Vormerkung (§§ 883 Abs. 1, 885 BGB) im Grundbuch ließe
sich damit nur erreichen, wenn die Rückübertragung eines Grundstücks /
dinglichen Rechts Anspruchsgegenstand wäre. Dies sei vorliegend nicht der Fall.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Erben seien infolge von § 47
Abs. 1 2. Alt. GBO im Grundbuch als Eigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft
eingetragen worden. Ein grundbuchlicher Berichtigungsantrag (§ 22 GBO) beträfe nur
die Inhaberschaft des jeweiligen Erbanteils und sei nur Annex zum
anfechtungsrechtlichen Rückgewährsanspruch. Der Berichtigungsanspruch sei nicht
auf Einräumung eines Rechts iSv. § 883 Abs. 1 S. 1 BGB gerichtet, weshalb er
auch nicht durch eine Vormerkung gesichert werde könne. Gesichert werden
könnten nur dingliche Rechte. Der über seinen Erbanteil verfügende Miterbe
würde selbst dann nicht über ein Grundstücks verfügen, wenn dieses der einzige
Nachlassgegenstand wäre.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Eine Vergleichbarkeit mit der vom
Insolvenzverwalter benannten Entscheidung des OLG München (Beschluss vom
26,06,2017 - 34 Wx 173/17 -) läge nicht vor. Dort sei es um einen Anspruch (und
dessen Sicherung durch Vermerkung) eines Erben aus einem Vorausvermächtnis, den
Antrag eines Miterben gegen die weiteren Miterben auf Übereignung des
Grundstücks zum Alleineigentum.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Entscheidend ist mithin nicht, ob
zum Nachlass auch Grundstücksrechte gehören, sondern für die Wahrung einer
dinglichen Sicherung durch Vormerkung, ob es sich um einen schuldrechtlichen
oder dinglichen Anspruch handelt. </p>
<p class="MsoNormal"><u><b>OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2023 – I-12 U 43/23 -</b></u></p><p class="MsoNormal"><u><span></span></u></p><a name='more'></a><u><b><br /></b></u><p></p><p class="MsoNormal"><u><b>Aus den Gründen:</b></u></p><p class="MsoNormal"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Auf die Berufungen der
Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer - Einzelrichter - des
Landgerichts Düsseldorf vom 25.07.2023 (10 O 214/23) abgeändert und der Antrag
des Verfügungsklägers auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Die Kosten des
Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat der Verfügungskläger zu tragen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die zulässigen
Berufungen haben aus den mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung
erörterten Gründen in der Sache Erfolg. Zu Recht wenden sich die
Verfügungsbeklagten dagegen, dass das Landgericht die Eintragung einer
Vormerkung angeordnet hat. Der insoweit erforderliche Verfügungsanspruch
besteht entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Durch
einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) kann der
insolvenzanfechtungsrechtliche Anspruch auf Rückgewähr in Natur gegen den
Anfechtungsgegner, bei dem es sich um einen schuldrechtlichen Anspruch handelt,
gesichert werden, wenn der anfechtbar entäußerte Gegenstand potentieller
Massebestandteil i.S.v. §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 InsO gewesen ist
(Staudinger/Kessler (2020), BGB, § 883 Rn. 48;
MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl. 2019, § 143 Rn. 38). Auf diese
Weise lässt sich die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch daher nur
erreichen (§§ 883 Abs. 1, 885 BGB), wenn sich der Anspruch auf
Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück oder eines beschränkt
dinglichen Grundstücksrechts richtet (vgl. nur: MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock,
a.a.O, Rn. 49, 178; Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, § 143 Rn.
130, 173; K. Schmidt/Büteröwe, InsO, 20. Aufl. 2023, § 143 Rn. 45;
HK/Thole, 11. Aufl. 2023, § 129 Rn. 134). Nur solche Ansprüche können -
wie sich schon aus der abschließenden Aufzählung im Gesetz ergibt - durch
Vormerkung gesichert werden (Staudinger/Kessler, a.a.O., Rn. 36).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Dies ist
vorliegend indessen nicht der Fall. Das Landgericht hat verkannt, dass Inhalt
des anfechtungsrechtlichen Rückübertragungsanspruchs hier die
(Rück-)Übertragung des Erbanteils ist, den der Insolvenzschuldner anfechtbar
auf seine Kinder übertragen hatte und den diese wiederum auf ihre Mutter - die
Verfügungsbeklagte zu 5) - weiter übertragen haben. Der Anspruch auf
Übertragung eines Erbteils ist jedoch nicht vormerkungsfähig, da er die
Übertragung des Erbteils und nicht die der einzelnen zum Nachlass gehörenden
Grundstücksrechte zum Gegenstand hat (BeckOGK/Assmann, Stand 01.08.2023, BGB
§ 883 Rn. 17.1 m.w.N.). Ein Miterbe erwirbt mit seiner aus dem Erbteil
folgenden ungeteilten Gesamtberechtigung am Nachlass keine unmittelbare
(selbstständig veräußerliche) Berechtigung an dem einzelnen Gegenstand, selbst
wenn der Nachlass nur aus einer einzigen Sache besteht. Verfügt der Erbe in
einem solchen Fall über seinen Miterbenanteil, verfügt er dabei - wie sich aus
§ 2033 Abs. 2 BGB ergibt - nicht über diesen Gegenstand (Erman/Bayer,
BGB, 16. Aufl. 2020, § 2033 Rn. 4a; BeckOGK/Rißmann/Szalai, Stand:
01.06.2023, BGB § 2033 Rn. 28 f.; BeckOK BGB/Lohmann, 67. Edition,
§ 2033 Rn. 7, 14; BayObLG Rpfleger 1968, 188). Seine Verfügung braucht nur
auf die Übertragung des Erbteils, nicht auch der Anteile an einzelnen
Nachlassgegenständen gerichtet zu sein, so dass für sie die Form des
§ 2033 Abs. 1 S. 2 BGB maßgeblich ist. Der Erbteil wird, selbst
wenn er nur aus einem Grundstück oder grundstücksgleichen Recht besteht, ohne
Auflassung und Eintragung nach § 2033 Abs. 1 BGB übertragen
(Erman/Bayer, a.a.O., Rn. 4, 4d; Staudinger/Löhnig, a.a.O., § 2033 Rn.
26).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Aus dem
Umstand, dass die Erben nach dem Erbfall im Grundbuch als Eigentümer des
Nachlassgrundstücks in ungeteilter Erbengemeinschaft einzutragen sind, kann
nichts Anderes folgen. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 47 Abs. 1 2.
Alt. GBO (Erman/Bayer, a.a.O., § 2032 Rn. 3). Ein dahingehender
grundbuchrechtlicher Berichtigungsanspruch (§ 22 GBO), der die
Inhaberschaft des jeweiligen Erbanteils betrifft, ist nur Annex zu dem
anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch, der (allein) die Rückübertragung des
anfechtbar übertragenen Erbanteils zum Inhalt hat. Da der schuldrechtliche
Grundbuchberichtigungsanspruch nur die bloße Buchposition betrifft und nicht
auf Einräumung eines "Rechts" i.S.d. § 883 Abs. 1 S. 1
BGB gerichtet ist, kann er nicht durch Vormerkung gesichert werden (Toussaint
in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl. 2023,
§ 894 Rn. 81; BeckOK BGB/Lohmann, a.a.O., Rn. 7; jew. m.w.N.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Schließlich
rechtfertigt auch die von dem Verfügungskläger herangezogene Entscheidung des
OLG München (Beschl. v. 26.06.2017 - 34 Wx 173/17, juris) schon deshalb keine
andere Beurteilung, weil es dort - anders als hier - um die Frage ging, ob der
sich aus einem Vorausvermächtnis ergebende Anspruch eines Miterben gegen die
weiteren Miterben auf Übereignung des Grundstücks zu Alleineigentum durch
Vormerkung gesichert werden kann, wenn die Erbanteile durch die weiteren
Miterben weiterveräußert wurden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die
Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die
Entscheidung ist rechtskräftig (§ 542 Abs. 2 ZPO), deshalb bedarf es
keiner Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit (vgl. OLG Stuttgart,
Urt. v. 27.12.2016 - 10 U 97/16, BeckRS 2016, 111329 Rn. 87).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Streitwert:
60.897 EUR.<o:p></o:p></p><p><br /><br /></p>Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-71639526853196814102024-02-15T18:55:00.002+01:002024-02-15T18:56:47.696+01:00Verspätete Einrede zur Vorleistungspflicht des Verbrauchers (§ 357 Abs. 4 BGB)<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiMsAK-jMPoeBTmRtxi-rTzYrQOL3_RAjP5Rq6sBK8_Xy7-O1DcQseYcQnUSmPZHeUa6UN_r8HPO7Wu3fDAjgnHNPgz4ffA5qCs-ar10pKRvip5Gs1Pg9XgTGkFGeTpRGkcura0t5ToESbL9jesJhe6ZZ_PjJzzkfhqcoa1grOecbHNjHJjgAJ80nFsofkD/s1280/package-1512783_1280%20(1).tiff" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="1164" data-original-width="1280" height="291" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiMsAK-jMPoeBTmRtxi-rTzYrQOL3_RAjP5Rq6sBK8_Xy7-O1DcQseYcQnUSmPZHeUa6UN_r8HPO7Wu3fDAjgnHNPgz4ffA5qCs-ar10pKRvip5Gs1Pg9XgTGkFGeTpRGkcura0t5ToESbL9jesJhe6ZZ_PjJzzkfhqcoa1grOecbHNjHJjgAJ80nFsofkD/s320/package-1512783_1280%20(1).tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der Kläger erhob gegen die
Beklagte Klage auf Rückzahlung des im Voraus entrichteten Kaufpreises für ein
Kfz in Höhe von € 59.270,00, nachdem er zuvor wirksam den Widerruf vom
Vertragsabschluss erklärt hatte. Im Prozess machte die Beklagte die
Vorleistungspflicht des Klägers nach § 357 Abs. 4 BGB (Rücksendung der Ware)
geltend. Das Landgericht hatte der Beklagten, da ein Anlass zur Klage vor Rechtshängigkeit
(d.h. Zustellung der Klage bei der Beklagten) weggefallen war und <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>nunmehr der Kläger die Klage zurückgenommen
hatte, die Kosten des Rechtsstreits auferlegt (§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO), da die Beklagte
Veranlassung zur Klage gegeben habe. Die Beschwerde der Beklagten wurde vom
Kammergericht (KG) zurückgewiesen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Ein Anlass zur Klage iSv. § 269
Abs. 3 S. 3 ZPO bestünde jedenfalls dann, , wenn diese zum Zeitpunkt ihrer
Einreichung zulässig und begründet war (BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - I ZB
38/20 -) und ferner der Kläger vernünftigerweise habe davon ausgehen können, er
werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen (BGH, Beschluss vom
22.10.2015 - V ZB 93/13 -).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der Kläger habe am 29.01.2023
gem. §§ 312c, 312g Abs. 1, 355 Abs. 1, 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) BGB
wirksam den Rücktritt erklärt und am 06.03.2023 die Klage auf Rückzahlung bei
Gericht eingereicht. Fällig sei der Rückzahlungsanspruch binnen 14 Tagen nach
Zugang der Widerrufserklärung geworden, §§ 357 Abs. 1, 355 Abs. 3 S. 2 BGB.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Beklagte vertrat die Ansicht,
sie habe nach § 357 Abs. 4 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht, da § 357 Abs. 4
BGB eine Vorleistungspflicht des Klägers begründe. Dies halb sei die Klage von
Anfang an derzeit unbegründet gewesen, da der Kläger seiner Vorleistungspflicht
(so die Rücksendung der Ware) nicht nachgekommen wäre. Das KG bejahte die
Vorleistungspflicht des Klägers in Bezug auf die von der Beklagten geltend
gemachten Unterlagen (Zulassungsbescheinigung Teil I und Konformitätsbescheinigung),
dass sich der Anspruch des § 357 Abs. 4 BGB nicht nur auf das Fahrzeug als
solches bezöge, sondern auf die Rückgewähr der ebenfalls zur Hauptleistung des
Verkäufers gehörenden Zulassungsbescheinigung (BGH, Urteil vom 15.06.1983 -
VIII ZR 131/82 -). Bei dem Leistungsverweigerungsrecht des § 357 Abs. 4 BGB,
auf welches sich die Beklagte schriftsätzlich bezogen habe, handele es sich
jedoch nicht anders als in dem Fall des § 320 BGB, welches zu einer
Zug-um-Zug-Verurteilung führe, um eine echte Einrede, woraus folge, dass in
Ermangelung einer vorgerichtlichen Einrede die Klage im Zeitpunkt ihrer
Erhebung noch begründet gewesen sei.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Weiterhin habe die Beklagte auch
Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Ebenso wie ein Schuldner, der auf
vorgerichtliche Zahlungsaufforderungen sein Zurückbehaltungsrecht nach § 273
BGB nicht ausübe (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 - VIII ZB 3/04 -), könne der
Schuldner Klageveranlassung geben, der ein rückwirkendes
Leistungsverweigerungsrecht nicht vorprozessual geltend mache. Der Umstand,
dass sich der Schuldner in Ermangelung der Vorleistung wirtschaftlich noh nicht
als leistungsverpflichtet ansehen müsse, da der Verzug mit der Einredeausübung
rückwirkend entfalle, ändere daran nichts. Erst die Einredeerhebung sei das den
Rechtsstreit erledigende Ereignis (ähnlich zur Einrede der Verjährung BGH,
Urteil vom 27.01.2010 - VIII ZR 58/09 -, und zur Aufrechnungserklärung BGH,
Urteil vom 17.07.20003 – IX ZR 268/02 -). Entscheidend sei daher, ob nach dem
Verhaltend es Schuldners der Gläubiger mit der Einredeerhebung habe rechnen
müssen (BGH, Urteil vom 27.01.2010 aaO.).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Vorliegend habe der Kläger nicht
mit der Einredeerhebung rechnen müssen sondern habe zur Überzeugung kommen
müssen, dass er ohne Klage nicht zu seinem Recht käme. Die Beklagte habe
nämlich nach Eingang des Widerrufs sogleich mit Schreiben vom 01.02.2023 den
Widerruf bestätigt und einen Nachweis der Bankverbindung erbeten, „um die
Erstattung des Zahlungsbetrages in die Wege zu leiten“. Auf eine
Vorleistungspflicht es Klägers habe sie sich nicht berufen. Auf eine
anwaltliche Zahlungsaufforderung des Klägers vom 16.02.2023 mit einer
Wochenfrist habe sie nicht reagiert und auch diese nicht zum Anlass genommen,
auf die Vorleistungspflicht hinzuweisen. Damit habe das Verhalten der Beklagten
die Annahme des Klägers begründen können, die Beklagte würde die Rückzahlung des
erheblichen Vorauszahlungsbetrages ohne sachliche Gründe hinauszögern, ohne
sachliche Einwende zu haben oder vorbringen zu wollen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><u>Anmerkung:</u> Gleiches gilt
auch in dem Fall, dass der Verkäufer nicht zahlt, sondern sich im Prozess
nunmehr (wirksam rückwirkend) auf die Vorleistungspflicht des Käufers beruft.,
Erklärt nunmehr der Käufer die Hauptsache für erledigt, sind dem Verkäufer die
Kosten aufzuerlegen, § 91a ZPO.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Kammergericht, Beschluss
vom 28.08.2023 - 8 W 34/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die sofortige
Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom
26.05.2023 - 59 O 18/23 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die nach
§§ 269 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige
sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat der Beklagten die
Kosten des Rechtsstreits zu Recht nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO
auferlegt, weil ein Anlass zur Einreichung der Klage bestand, der vor
Rechtshängigkeit durch Zahlung der Beklagten weggefallen ist, und ihre
Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und
Streitstands billigem Ermessen entspricht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>1)</b>
Anlass zur Einreichung der Klage i.S. von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO
besteht (jedenfalls), wenn die Klage im Zeitpunkt ihrer Einreichung zulässig
und begründet war (s. BGH NJW 2021, 941 Rn 18) und Tatsachen vorliegen, die im
Kläger vernünftigerweise die Überzeugung oder Vermutung hervorrufen können, er
werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen (s. BGH NJW 2016, 572 Rn 19;
BGHZ 168, 57 = NJW 2006, 2490 Rn 10, jeweils zu § 93 ZPO; Zöller/Greger,
ZPO, 34. Aufl., § 269 Rn 18c).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Die
Klage auf Rückzahlung des im Voraus gezahlten Kaufpreises für den PKW in Höhe
von 59.270 € war im Zeitpunkt der Klageeinreichung am 06.03.2023 aufgrund des
vom Kläger am 29.01.2023 gemäß §§ 312 c, 312 g Abs. 1, 355
Abs. 1, 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) BGB wirksam erklärten
Widerrufs begründet. Der Rückzahlungsanspruch war nach §§ 357 Abs. 1,
355 Abs. 3 S. 2 BGB 14 Tage nach Zugang der Widerrufserklärung
fällig.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Beklagten
ist nicht darin zu folgen, dass die Klage wegen der aus dem
Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 Abs. 4 BGB folgenden
Vorleistungspflicht des Klägers von Anfang an derzeit unbegründet (s. BGH NJW
2023, 1283 Rn 35; NJW-RR 2022, 130 Rn 14; BGHZ 227, 253 = NJW 2021, 307 Rn 29)
war. Zwar war der Kläger zur Rückgabe der Fahrzeugunterlagen
(Zulassungsbescheinigung Teil I und Konformitätsbescheinigung) nach § 355
Abs. 3 S. 1 BGB verpflichtet, und die Vorleistungspflicht nach
§ 357 Abs. 4 BGB dürfte sich nicht nur auf das Fahrzeug, sondern
(jedenfalls) auch auf die Rückgabe der - ebenfalls zur Hauptleistung des
Verkäufers gehörenden - Zulassungsbescheinigung (s. BGHZ 88, 11 = NJW 1983,
2139 - juris Rn 9; BGH NJW 1953, 1347; OLG München IHR 2020, 97 - juris Rn 21;
OLGR Düsseldorf 2000, 446 - juris Rn 35; BeckOK-BGB/Faust, 67. Ed., St.
1.8.2023, § 433 Rn 51) erstrecken, die als Teil der zurückzugewährenden
„Ware“ anzusehen sein dürfte (s.a. zum Eigentum an den Fahrzeugpapieren analog
§ 952 BGB BGH NJW 2020, 3711 Rn 32).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Auch hat die
Beklagte sich mit Schriftsatz vom 12.05.2023 auf das
Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 Abs. 4 BGB berufen. Es handelt
sich jedoch (nicht anders als im Fall des Leistungsverweigerungsrechts nach
§ 320 BGB, das nach § 322 BGB allerdings nur zur Zug-um-Zug-Leistung
führt) um eine echte Einrede (s. zu § 320 BGB: BGH NJW 1999, 53 - juris Rn
10; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 320 Rn 13), die im Falle ihrer
Erhebung Rückwirkung hat (s. Staudinger/Schwarze, BGB, Neub. 2020, § 320
Rn 44: ex tunc). Im Zeitpunkt der Klageeinreichung war die Klage mangels
vorgerichtlicher Einredeerhebung somit noch begründet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Die
Beklagte hatte durch ihr vorprozessuales Verhalten auch Anlass zur Klage
gegeben.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Nicht anders
als der Schuldner, der auf vorgerichtliche Zahlungsaufforderung sein
Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB nicht ausübt (s. BGH NJW 2016, 572 Rn
20; s.a. BGH NJW-RR 2005, 1005 - juris Rn 6), kann auch der Schuldner
Klageveranlassung geben, der ein rückwirkendes Leistungsverweigerungsrecht
nicht vorgerichtlich ausübt. Daran ändert der Umstand nichts, dass dieser
Schuldner sich wirtschaftlich nicht (bzw. hier: mangels Vorleistung noch nicht)
als leistungspflichtig ansehen muss, weil der Verzug mit Einredeausübung
rückwirkend entfällt. Denn erst die Einredeerhebung ist ein erledigendes
Ereignis (s. zur ähnlichen Lage bei der Verjährungseinrede BGHZ 184, 128 = NJW
2010, 2422 Rn 29; bei der Aufrechnungserklärung BGHZ 155, 392 = NJW 2003,
3134). Maßgeblich für die Klageveranlassung ist daher, ob nach dem
vorgerichtlichen Verhalten des Schuldners mit der Einredeerhebung im Prozess zu
rechnen ist (vgl. BGHZ 155, 392 - juris Rn 21; BGHZ 184, 128 Rn 24).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Vorliegend
konnten die vorgerichtlichen Umstände die Überzeugung, jedenfalls die Vermutung
des Klägers hervorrufen, ohne eine Klage nicht zu seinem Recht zu kommen. Denn
die Beklagte hat sogleich mit Schreiben vom 01.02.2023 den Widerruf bestätigt
und einen Nachweis der Bankverbindung erbeten, „um die Erstattung des
Zahlungsbetrages in die Wege zu leiten“. Auf eine Vorleistungspflicht des
Klägers in Bezug auf die Fahrzeugunterlagen hat sie sich (damit gerade) nicht
berufen. Dennoch hat sie sodann auf die anwaltliche Zahlungsaufforderung vom
16.02.2023 mit Frist von einer Woche nicht reagiert, und auch diese nicht zum
Anlass einer Vorleistungseinrede genommen. Das Verhalten der Beklagten konnte
die Annahme des Klägers begründen, dass sie die Rückzahlung des erheblichen
Vorauszahlungsbetrags ohne sachliche Gründe hinauszögern wollte, ohne sachliche
Einwendungen zu haben oder vorbringen zu wollen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>2)</b>
Angesichts der im Übrigen unstreitig begründeten Zahlungsforderung, die nach
Klageeinreichung von der Beklagten beglichen wurde, entspricht die
Kostentragung der Beklagten billigem Ermessen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>3)</b> Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Wertfestsetzung
erfolgt nicht, da nach GKG KV Nr. 1810 für das Beschwerdeverfahren eine
Festgebühr anfällt.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-53311720649960188832024-02-13T19:02:00.003+01:002024-02-13T19:02:57.950+01:00Baugenehmigung: Nutzungsänderung von Eisdiele in Pizzeria<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg2PjDQDB0r62mAGJZFxMCLzPfh0MLaqP99O-2tuFplin3wdWTpkP2I-WHKhNaZPnUCZ3cb4RZxWJcZhUMwe9Nl1J5zZWAH0Be84i49iQpQOuuMEmj4QmwAWL1G23Dgk3aGqFP3hLZspOENXczOdNJBPrml4JnMw-4ijlmrm-aUcEaq44D2lkougUEXxjdC/s1280/pizzeria-4804753_1280%20(1).tiff" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="853" data-original-width="1280" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg2PjDQDB0r62mAGJZFxMCLzPfh0MLaqP99O-2tuFplin3wdWTpkP2I-WHKhNaZPnUCZ3cb4RZxWJcZhUMwe9Nl1J5zZWAH0Be84i49iQpQOuuMEmj4QmwAWL1G23Dgk3aGqFP3hLZspOENXczOdNJBPrml4JnMw-4ijlmrm-aUcEaq44D2lkougUEXxjdC/s320/pizzeria-4804753_1280%20(1).tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Antragsstellerin betrieb in
einem Wohn- und Geschäftshaus eine Pizzeria. Doch lag für diese Räume lediglich
eine Baugenehmigung für eine Eisdiele aus 1983 vor. Mit Verfügung vom 10.08.2023
(ergangen, nachdem sich Nachbarn über von der Pizzeria ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen
beschwerten) untersagte die Antragsgegnerin den weiteren Betrieb der Pizzeria
und ordnete Sofortvollzug an. Begründet wurde diese Verfügung mit der
ungenehmigten Nutzungsänderung und einer erforderlichen Prüfung im
Baugenehmigungsverfahren mit Blick auf den Brandschutz. Die Antragsstellerin,
die gegen die Verfügung Widerspruch einlegte, beantragte bei dem Verwaltungsgericht
(VG) auch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs,
der zurückgewiesen wurde. Die Beschwerde gegen die Entscheidung wurde abgewiesen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Zutreffend sei das VG davon
ausgegangen, dass der betrieb einer Pizzeria in als Eisdiele genehmigten Räumen
eine Nutzungsänderung iSv. § 2 Abs. 13 NBauO darstelle. Würde die
Variationsbreite einer erteilten Baugenehmigung überschritten, sodass sich die
Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher oder gefahrenabwehrrechtlicher Hinsicht
neu stelle, sei von einer Nutzungsänderung auszugehen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Genehmigung für einen
Gastronomiebetrieb ereilte Baugenehmigung habe eine Variationsbreite, weshalb
nicht jede Veränderung von betrieblichen Abläufen oder der Wechsel des
Speiseangebots einer neuen Baugenehmigung. Diese Variationsbreite würde aber
dann überschritten, wenn das öffentliche Baurecht an die bauliche Anlage in der
neuen Nutzung andere oder weitergehende Anforderungen stelle, also z.B. bereits
bestehende Problemlagen – etwa eine Immissionsproblematik – verschärft würde (so
z.B. bejaht für eine Änderung von einer Cocktailbar in eine Shisha-Bar, VG
Hannover, Beschluss vom 07.08.2023 - 4 B 3754/23 -).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Während der Betrieb einer
Eisdiele typischerweise während der Tageszeit stattfände, würde eine Pizzeria
gerade in den Abendstunden frequentiert. Damit würden andere Fragen des
Immissionsschutzes der Nachbarschaft aufgeworfen. Hinzu käme, dass eine Pizzeria
auf einen mit hohen Temperaturen betriebenen Backofen angewiesen seien, und
damit fragen des Brandschutzes und der Abluftführung aufwerfen würde. Derartige
Fragen würden sich bei dem Betrieb einer Eisdiele nicht in vergleichbarer Weise
stellen, weshalb die Variationsbreite einer für eine Eisdiele erteilten
Baugenehmigung verlassen würde. Alleine der Umstand, dass auch in einer
Eisdiele warme Getränke, Waffeln und andere Backwaren auch angeboten werden
könnten, ändere an dem grundsätzlichen Unterschied nichts. Es könne offen
bleiben, ob die Gefahrenlage bei einer Pizzeria zwangsläufig höher sei als bei
einer Eisdiele. Die erneute baurechtliche Prüfung sei schon durch die
Andersartigkeit der aufgeworfenen Fragestellungen ausgelöst, die durch die für
eine Eisdiele erteilte Baugenehmigung nicht als bewältigt angesehen werden
könnten.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Selbst wenn die gesetzlichen
Anforderungen zu Brandschutz, Abluftanlage und Rauchmeldern eingehalten worden
sein sollten und damit eine Genehmigungsfähigkeit bestehen sollte, würde dies nicht
die formelle Baurechtswidrigkeit, die für sich eine Nutzungsuntersagung
rechtfertige, nicht tangieren. Der Ausnahmefall einer offensichtlichen
Genehmigungsfähigkeit läge hier bereits im Hinblick auf eine aktenkundige
Problematik der gegenwärtigen Abluftführung nicht vor.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Anmerkung:</u></b> Die
Baubehörde wurde auf die Nutzungsänderung wohl erst infolge von Beschwerden
über Lärmbelästigungen aufmerksam. Die Frage der Lärmbelästigung durch
Eisdielen und Pizzerien wurde auch vom OVG thematisiert. Allerdings kann dessen
Annahme zu Änderungen des Immissionsschutzes für Nachbarn nicht tragen. Es kann
nicht davon ausgegangen werden (und dies wird auch nicht vom OVG benannt), dass
die Baugenehmigung für die Eisdiele unter der Auflage erteilt wurde, dass diese
nur tagsüber, nicht auch abends geöffnet sein dürfe; je nach Lage in ländlichen
oder städtischen Gebieten sind auch viele Eisdielen abends geöffnet. Da die
Öffnungszeiten für Eisdielen nur über Ladenschlusszeiten u.ä., die für
Pizzerien und Eisdielen gleich sind, läge hier mithin eine Abweichung für die
baurechtliche Genehmigungsfähigkeit vom Grundsatz nicht vor, da es nicht darauf
ankommen kann, ob die Genehmigungsbehörde von einer abendlichen Schließung (der
Eisdiele) ausgeht, nicht erfolgen muss.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>OVG Niedersachsen,
Beschluss vom 22.11.2023 - 1 ME 123/23 - <o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die Beschwerde der Antragstellerin gegen
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer (Einzelrichter) -
vom 22. September 2023 wird zurückgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die Antragstellerin trägt die Kosten des
Beschwerdeverfahrens.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Wert des
Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.703,40 EUR
festgesetzt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Antragstellerin wendet sich gegen eine bauaufsichtliche Nutzungsuntersagung.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Sie betreibt in
einem Wohn- und Geschäftshaus unter der im Aktivrubrum genannten Anschrift eine
Pizzeria. Für die entsprechenden Räume liegt eine Baugenehmigung aus dem Jahr
1983 zum Betrieb einer Eisdiele vor. Aufgrund von Nachbarbeschwerden über
Lärmbelästigungen untersagte die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 10. August
2023 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den weiteren Betrieb der
Pizzeria und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld an. Zur
Begründung verwies sie darauf, dass die Antragstellerin eine ungenehmigte
Nutzungsänderung vorgenommen habe, die insbesondere mit Blick auf den
Brandschutz einer Prüfung in einem Baugenehmigungsverfahren bedürfe.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Den gegen diese
Verfügung gerichteten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das
Verwaltungsgericht Hannover mit dem angegriffenen Beschluss vom 22. September
2023 abgelehnt. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege die Interessen der
Antragstellerin. Der Betrieb einer Pizzeria in Räumen, die als Eisdiele
genehmigt seien, stelle eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar.
Offensichtlich genehmigungsfähig sei diese neue Nutzung nicht; Ermessensfehler
seien nicht ersichtlich.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Beschwerde
hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß
§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine
Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Zu Recht und
mit zutreffender Begründung sind Antragsgegnerin und Verwaltungsgericht davon
ausgegangen, dass der Betrieb einer Pizzeria in als Eisdiele genehmigten
Räumlichkeiten eine Nutzungsänderung i.S.v. § 2 Abs. 13 NBauO
darstellt. Eine solche liegt vor, wenn die Variationsbreite einer erteilten
Baugenehmigung überschritten wird, sodass sich die Genehmigungsfrage in
bodenrechtlicher oder gefahrenabwehrrechtlicher Hinsicht neu stellt (vgl.
Senatsbeschl. v. 11.5.2015 - 1 ME 31/15 -, NdsVBl 2015, 304 = juris Rn. 12 f.).
Eine für einen Gastronomiebetrieb erteilte Baugenehmigung weist insofern
typischerweise eine gewisse Variationsbreite auf. Nicht jede Veränderung der
betrieblichen Abläufe oder der gastronomischen Ausrichtung - etwa der Wechsel
des Speisenangebots beispielsweise von deutscher zu französischer Küche - wirft
die Genehmigungsfrage neu auf. Die Variationsbreite wird aber dann
überschritten, wenn sich betriebliche Einrichtungen und Abläufe in einer Weise
ändern, dass neu- oder andersartige baurechtliche Problemlagen zu bewältigen
sind bzw. bereits bestehende Problemlagen - etwa eine Immissionsproblematik -
verschärft werden (bejaht etwa für die Änderung einer Cocktailbar in eine
Shisha-Bar VG Hannover, Beschl. v. 7.8.2023 - 4 B 3754/23 -, KommJur 2023, 329
= juris Rn. 59 f.; bestätigt durch Senatsbeschl. v. 22.11.2023 - 1 ME 109/23 -,
n.v.). So liegt der Fall entgegen der Auffassung der Antragstellerin hier.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Während der
Schwerpunkt des Betriebs bei einer Eisdiele typischerweise während der Tagzeit
stattfindet, wird eine Pizzeria gerade in den Abendstunden frequentiert. Damit
stellen sich andersartige Fragen des Immissionsschutzes der Nachbarschaft.
Hinzu kommt, dass eine Pizzeria auf einen mit hohen Temperaturen betriebenen
Pizzaofen angewiesen ist, der Fragen des Brandschutzes und - dies zeigt der
vorliegende Fall anschaulich - der Abluftführung aufwirft. Solche Fragen
stellen sich bei einer Eisdiele nicht in vergleichbarer Weise, sodass - wie
Antragsgegnerin und Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt haben - die
Variationsbreite einer für eine Eisdiele erteilte Baugenehmigung verlassen
wird. Dass auch in einer Eisdiele warme Getränke, Waffeln und ggf. andere
Backwaren angeboten werden, ändert an diesem grundsätzlichen Unterschied
nichts. Die Gefahrenlage mag - das kann offen bleiben - bei einer Pizzeria
nicht zwangsläufig höher sein als bei einer Eisdiele. Das Bedürfnis der
erneuten baurechtlichen Prüfung wird indes schon durch die Andersartigkeit der
aufgeworfenen Fragestellungen ausgelöst, die aufgrund einer für eine Eisdiele
erteilten Baugenehmigung nicht als bewältigt angesehen werden können.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Sollte die
Antragstellerin mit ihrem Vorbringen, die gesetzlichen Anforderungen
hinsichtlich Brandschutz, Abluftanlage und Rauchmeldern würden eingehalten,
geltend machen wollen, die von ihr ausgeübte Nutzung sei jedenfalls
genehmigungsfähig, stellt dies die (formelle) Baurechtswidrigkeit, die eine
Nutzungsuntersagung grundsätzlich rechtfertigt, nicht in Frage. Der
Ausnahmefall der offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit (vgl. zum Maßstab
Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 1 ME 108/19 -, BauR 2020, 1444 = BRS 88 Nr. 90
= juris Rn. 19) ist mit dem Beschwerdevorbringen nicht ansatzweise dargetan und
liegt schon angesichts der aktenkundigen Problematik der gegenwärtigen
Abluftführung auch in der Sache nicht vor.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52
Abs. 1 GKG und entspricht den Überlegungen des Verwaltungsgerichts.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-54211760236951350372024-02-09T18:19:00.004+01:002024-02-09T18:29:23.988+01:00Testamentsvollstreckerzeugnis mit oder ohne Angabe einer Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot ?<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgv8t53WPWRpX0uylGCJVuldFD89geLJ4j4B6hH0H3uGfDhyphenhyphen53pNzSSmNwsnXUljsKaxiwMkdUNWDqWdUZi1J_H3sRW1qswmsjKBGo-mvl1HQLRJCpUx4KQs5713F8uGw1VVmfwUHGXuLhCpIaTZKxsqKlxuHBeXcnq5hRmyLUwsbeDMsFTpJT5k7KwsJI0/s1920/testament-229778_1920.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1373" data-original-width="1920" height="229" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgv8t53WPWRpX0uylGCJVuldFD89geLJ4j4B6hH0H3uGfDhyphenhyphen53pNzSSmNwsnXUljsKaxiwMkdUNWDqWdUZi1J_H3sRW1qswmsjKBGo-mvl1HQLRJCpUx4KQs5713F8uGw1VVmfwUHGXuLhCpIaTZKxsqKlxuHBeXcnq5hRmyLUwsbeDMsFTpJT5k7KwsJI0/s320/testament-229778_1920.jpg" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="margin-top: 12pt; text-align: justify;">Die Erblasserin
ordnete in ihrem Testament Testamentsvollstreckung an und berief zur
Testamentsvollstreckerin die Beteiligte am Verfahren. Diese nahm das Amt an und
beantragte mit notarieller Urkunde die Erteilung eines
Testamentsvollstreckerzeugnisses u.a. mit dem Inhalt, dass sie von den
Beschränkungen des § 181 BGB (Selkbstkontrahierungsverbot) befreit sei. Das Amtsgericht
wies den Antrag mit der Begründung zurück, eine Befreiung von den
Beschränkungen des § 181 BGB wie in einem Testamentsvollstreckerzeugnis nicht
aufzunehmen. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das OLG ab, indem es die
zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses gemäß Antrag der Beteiligten
erforderlichen Tatsachen für festgestellt erklärte (§§ 2368 BGB, 354 Abs. 1,
352e Abs. 1 S. 1 u. 2 FamFG).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das Testamentsvollstreckerzeugnis
sei auf Antrag des Testamentsvollstreckers zu erteilen, § 2368 BGB. Beschränkungen
desselben in der Veraltung des Nachlasses sowie eine Anordnung des Erblassers,
wonach der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten auf
den Nachlass beschränkt sein soll, seien in das Testamentsvollstreckerzeugnis
aufzunehmen. Weiter Vorgabe zur inhaltlichen Gestaltung des
Testamentsvollstreckerzeugnisses enthalte das Gesetz nicht. Allerdings seien im
Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs alle Abweichungen von der
gewöhnlichen Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers anzugeben, soweit sie für
den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten erheblich wären. Dazu würde nicht
nur eine Beschränkung der Regelbefugnis gehören, sondern auch deren
Erweiterung. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">In seiner bisherigen Rechtsprechung
habe der Senat des zur Entscheidung berufenen OLG bisher (auch bei oben
genannten Grundsätzen) eine Aufnahmefähigkeit der Befreiung von den Beschränkungen
des § 181 BGB verneint (z.B. Beschluss vom 15.02.2011 - 15 W 461/10 -). Daran
halte er nicht mehr fest. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Es sei in der obergerichtlichen
Rechtsprechung umstritten, ob eine entsprechende Aufnahme erfolgen kann. Dabei
bestünde allerdings Einigkeit, dass § 181 BGB auf den Testamentsvollstrecker
entsprechend anwendbar sei und der Testamentsvollstrecker vom Verbot von
Insichgeschäfte (entsprechend § 181 BGB, der Abschluss eines Rechtsgeschäfts
für den Vertretenen mit sich selbst) befreit werden könne (BGH, Urteil vom
12.06.1989 - II ZR 246/88 -) vom Erblasser befreit werden könne (BGH, Urteil
vom 12.06.1989 - II ZR 246/88 -). </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Bisher sei der Senat davon
ausgegangen, das Testamentsvollstreckerzeugnis diene als Ausweis der
Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Rechtverkehr mit Dritten und
könne daher bei Insichgeschäften keine Wirkung entfalten. Dem hätten sich die
Oberlandesgerichte Köln, Düsseldorf, München und Saarbrücken angeschlossen.
Andere Oberlandesgerichte (Hamburg, Kammergericht [KG]) hätten demgegenüber
entschieden, dass die Befreiung in das Testamentsvollstreckerzeugnis
aufzunehmen sei. Auch in der Literatur würden unterschiedliche Ansichten
vertreten. Viel Zustimmung habe insbesondere die Entscheidung des KG erfahren. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Auch der Senat würde sich nunmehr
der Ansicht des OLG Hamburg und des KG anschließen und übernehme die
überzeugenden Begründungen derselben. Es sei insbesondere zutreffend, dass die
Frage der Befreiung für den Rechtsverkehr doch bedeutsam sei, da dies dem
Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt und Handelsregister diene. Das
Testamentsvollstreckerzeugnis trage die Vermutung der Richtigkeit in sich und
habe gem. §§ 2368 S. 2, 2365 BGB generell und gem. § 35 Abs. 2 GBO diese auch gerade
gegenüber dem Grundbuchamt. Zudem erfasse § 181 BGB nicht nur das
Insichgeschäft, sondern auch nach § 181 Alt. 2 BGB den Fall der Doppelvertretung
(also hier z.B. bei einem Vertrag die Vertretung des Nachlasses als
Testamentsvollstrecker und die Vertretung des Käufers). <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es würde in diesem Fall ein schützenswerter
Dritter in der Person des weiteren Vertretenen existieren. Bedeutsam könne die
Befreiung auch in den Fällen werden, wenn der Testamentsvollstrecker einen
Dritten bevollmächtigt, den er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien
will. Auch in diesem Fall habe der Dritte ein schützenswertes Interesse an der
Feststellung, ob der Testamentsvollstrecker hierzu befugt ist (so überzeugend
KG, Beschluss vom 12.08.2021 - 19 W 82/21 -). </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>OLG Hamm, Beschluss vom
23.11.2023 - 15 W 231/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Der angefochtene Beschluss wird
abgeändert.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Die zur
Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses gemäß dem Antrag der Beteiligten
vom 16. Mai 2023 (UVZ-Nr. N01/2023 des Notars X. in Y.) erforderlichen
Tatsachen werden für festgestellt erachtet.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>I<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Erblasserin
errichtete drei privatschriftliche Testamente.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">In ihrem
Testament vom 14. Februar 2010 setzte sie die Y. Stiftung mit Sitz in E. als
Erbin ein und ordnete Testamentsvollstreckung an. Zur Testamentsvollstreckerin
zur Abwicklung des Nachlasses berief sie die Beteiligte. Die Erblasserin
befreite die Testamentsvollstreckerin „soweit gesetzlich zulässig, von allen
Beschränkungen, insbesondere denen des § 181 BGB“.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Mit
Einzeltestament vom 17. Oktober 2010 änderte und ergänzte sie das Testament vom
14. Februar 2010.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Am 5. März 2018
errichtete sie unter Aufhebung aller bereits getroffenen letztwilligen
Verfügungen ein Einzeltestament, in dem sie die W. GmbH als Erbin benannte und
die Beteiligte zur Testamentsvollstreckerin berief. Zur Durchführung ihrer
Aufgaben befreite die Erblasserin die Testamentsvollstreckerin „soweit
zulässig, von allen gesetzlichen Beschränkungen, insbesondere denen des
§ 181 BGB“ und ordnete an, dass die Testamentsvollstreckerin in der
Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt ist.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Mit Schreiben
vom 12. April 2023 erklärte die Beteiligte gegenüber dem Amtsgericht -
Nachlassgericht - Essen die Annahme des Amtes als Testamentsvollstreckerin.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Mit notarieller
Urkunde ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16. Mai 2023 (dessen UVZ-Nr.
N01/2023) hat die Beteiligte die Erteilung eines
Testamentsvollstreckerzeugnisses mit dem Inhalt beantragt, dass der
Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass
nicht beschränkt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Mit
dem angegriffenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Erteilung eines
Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgewiesen, weil eine Befreiung von den
Beschränkungen des § 181 BGB im Testamentsvollstreckerzeugnis nicht
aufzunehmen sei. Die Beteiligte hat gegen diesen Beschluss Beschwerde
eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten
dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Senat hat
die Akte Amtsgericht Essen 158 IV 696/23 beigezogen. Er hat die im Testament
vom 5. März 2018 eingesetzten Erbin auf das Recht hingewiesen, als Beteiligte
zum Verfahren hinzugezogen zu werden und Anträge zu stellen. Die im Testament
vom 5. März 2018 eingesetzte Erbin hat erklärt, am Verfahren nicht beteiligt
werden zu wollen und keine Anträge zu stellen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Wegen der
weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der Akte und der
beigezogenen Akten Bezug genommen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>II<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die zulässige
Beschwerde der Beteiligten hat Erfolg und führt in Abänderung des angegriffenen
Beschlusses des Nachlassgerichts zur tenorierten Feststellung (§§ 2368
BGB, 354 Abs. 1, 352e Abs. 1 S. 1, S. 2 FamFG).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die
Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten beantragten
Testamentsvollstreckerzeugnisses liegen vor.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Dem
Testamentsvollstrecker ist gemäß § 2368 BGB auf Antrag ein Zeugnis über
die Ernennung zu erteilen. Gemäß § 354 Abs. 2 FamFG sind
Beschränkungen des Testamentsvollstreckers in der Verwaltung des Nachlasses
sowie eine Anordnung des Erblassers, wonach der Testamentsvollstrecker in der
Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt sein soll, in
das Zeugnis aufzunehmen. Weitere ausdrückliche Vorgaben hinsichtlich der
inhaltlichen Gestaltung des Testamentsvollstreckerzeugnisses enthält das Gesetz
nicht. Nach allgemeinen Grundsätzen sind im Testamentsvollstreckerzeugnis im
Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs jedoch alle Abweichungen von der
gewöhnlichen Rechtsmacht eines Testamentsvollstreckers anzugeben, soweit sie
für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten erheblich sind (vgl.
Erman/Simon, BGB, 17. Auflage, § 2368 Rn. 8; Grziwotz in: Münchener
Kommentar zum BGB, 9. Auflage, § 2368 Rn. 37). Hierzu zählen nicht nur
Beschränkungen der Regelbefugnisse, sondern auch Erweiterungen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Von diesen
Grundsätzen ist das Amtsgericht bei Erlass des angegriffenen Beschlusses im
Grundsatz zutreffend ausgegangen. Das Amtsgericht ist zutreffend weiter davon
ausgegangen, dass ein Testamentsvollstreckerzeugnis nur erteilt werden kann,
wenn es mit dem gestellten Antrag inhaltlich vollständig übereinstimmt (vgl.
nur Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Auflage, § 2368 Rn. 6). Es hat den Antrag
des Beteiligten zurückgewiesen, weil es - wie der Senat in seiner bisherigen
Rechtsprechung - die beantragte Aufnahme der Befreiung des
Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB für nicht
aufnahmefähig gehalten hat.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Senat gibt
jedoch seine bisherige Rechtsprechung (Beschluss vom 23. März 2004,
Aktenzeichen 15 W 75/04, juris Rn. 15; Beschluss vom 15. Februar 2011,
Aktenzeichen 15 W 461/10, juris Rn. 14 a.E.) auf. Sofern der
Testamentsvollstrecker von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist,
ist dies in das Testamentsvollstreckerzeugnis aufzunehmen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">In der
obergerichtlichen Rechtsprechung ist umstritten, ob eine Befreiung des
Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB in ein
Testamentsvollstreckerzeugnis aufgenommen werden kann.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Dabei besteht
im Ausgangspunkt Einigkeit darüber, dass § 181 BGB auf Insichgeschäfte
eines Testamentsvollstreckers grundsätzlich entsprechend anwendbar ist (vgl.
BGHZ 108, 21, juris Rn. 16) und dass der Erblasser ihn von den daraus
resultierenden Beschränkungen befreien kann (BGHZ a.a.O.). Der Senat hat zur
Begründung seiner bisherigen Auffassung ausgeführt, das
Testamentsvollstreckerzeugnis diene als Ausweis der Verfügungsbefugnis des
Testamentsvollstreckers im Rechtsverkehr mit Dritten und könne daher bei einem
Insichgeschäft keine Wirkung entfalten. Dieser Auffassung haben sich die
Oberlandesgerichte Köln (Beschluss v. 21. November 2012, Aktenzeichen 2 Wx
214/12, juris Rn. 15), Düsseldorf (Beschluss v. 14. August 2013, Aktenzeichen 3
Wx 41/13, juris Rnrn. 17 ff, insbes. Rn. 22), München (Beschluss v. 16.
November 2017, Aktenzeichen 34 Wx 266/17, juris Rn. 13) und Saarbrücken
(Beschluss v. 17. Januar 2023, Aktenzeichen 5 W 98/22, FamRZ 2023, 1328, 1329,
zitiert nach juris Rn. 12) angeschlossen. Dagegen haben das Oberlandesgericht
Hamburg (Beschluss v. 5. Dezember 2018, Aktenzeichen 2 W 95/18, juris Rnrn.
23-26) und das Kammergericht (Beschluss v. 12. August 2021, 19 W 82/21, juris
Rn. 14) entschieden, dass die Befreiung eines Testamentsvollstreckers von den
Beschränkungen des § 181 BGB in das TVZ aufzunehmen sei.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Auch in der
Literatur besteht keine einhellige Auffassung (vgl. die jeweiligen Nachweise in
den Entscheidungen des OLG Hamburg und des KG): Viel Zustimmung hat
insbesondere die Entscheidung des Kammergerichts erfahren (vgl. z.B. Anmerkung
Wendt in ErbR 2022, 326 f.; Anmerkung Litzenburger in Fachdienst Erbrecht 2022,
448191, beck-online; Schaub in: Bauer/Schaub, GBO, 5. Auflage, § 52 Rn.
90, Rn. 23a).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Senat
schließt sich unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung der Auffassung des
Oberlandesgerichts Hamburg und des Kammergerichts an und übernimmt die
überzeugenden Erwägungen zur Begründung dieser Auffassung aus den beiden
zitierten Entscheidungen. Insbesondere ist es zutreffend, dass eine Befreiung
des Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB im
Rechtsverkehr von Bedeutung sein kann. Auch bei Insichgeschäften ist es mit
Außenwirkung von Bedeutung, weil es dem Nachweis der Verfügungsbefugnis
gegenüber dem Grundbuchamt und dem Handelsregister dient. Die Vermutung der
Richtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses und seine Nachweisfunktion
gemäß §§ 2368 S. 2, 2365 BGB generell und gemäß § 35 Abs. 2
GBO gilt auch und gerade gegenüber dem Grundbuchamt. Zudem erfassen die
Beschränkungen des § 181 BGB keineswegs nur den Fall des Insichgeschäfts,
sondern auch den der Doppelvertretung nach § 181 Alt. BGB. In diesem Fall
existiert ein schützenswerter Dritter in Person des weiteren Vertretenen.
Ferner kann die Befreiung von § 181 BGB in Fällen der Vollmachtserteilung
durch einen Testamentsvollstrecker Bedeutung erlangen, beispielsweise wenn der
Testamentsvollstrecker seinerseits einen Bevollmächtigten von § 181
befreien möchte. Auch in diesen Konstellationen hat - wie das Kammergericht
überzeugend ausgeführt hat - der Rechtsverkehr ein schützenswertes Interesse an
der Feststellung, ob der Testamentsvollstrecker hierzu befugt ist.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Das
Testamentsvollstreckerzeugnis ist daher antragsgemäß zu erteilen. Der gestellte
Antrag bezeichnet den Inhalt des Testamentsvollstreckerzeugnisses in
Übereinstimmung mit den hierzu getroffenen Anordnungen der Erblasserin aus dem
Testament vom 18. März 2018. Dieses gemäß § 2247 Abs. 1 BGB
formwirksam errichtete Testament ist wegen des darin erfolgten Widerrufs aller
vorangegangenen letztwilligen Verfügungen allein maßgeblich.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Wegen des
Erfolgs der Beschwerde sind eine Kostenentscheidung, eine Wertfestsetzung für
das Beschwerdeverfahren und eine Entscheidung über die Zulassung der
Rechtsbeschwerde nicht veranlasst.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-44305913646337633022024-02-06T19:21:00.000+01:002024-02-06T19:21:03.196+01:00Rückwärtsrangieren mit Anhänger: Haftungsausgleich im Innenverhältnis des Gespanns<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjCXlA8LItaGeXKw_EjjJXVFzEJcFn2jPO6qclYwV2JQg-OtjbvEOaN88KZWg1uHgUSmisGiUGZanYtiw6pPAcPz163thqu8z5T7zGFtILbTtwOcso5FCPD0Ltve74at1ChzRE21Oz-VK6TZRQa-laCLFJqUfaZojOR4Xgk5krooQDYV0QWuQW5Wd1T4Rex/s1280/semi-trailer-534577_1280.tiff" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="960" data-original-width="1280" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjCXlA8LItaGeXKw_EjjJXVFzEJcFn2jPO6qclYwV2JQg-OtjbvEOaN88KZWg1uHgUSmisGiUGZanYtiw6pPAcPz163thqu8z5T7zGFtILbTtwOcso5FCPD0Ltve74at1ChzRE21Oz-VK6TZRQa-laCLFJqUfaZojOR4Xgk5krooQDYV0QWuQW5Wd1T4Rex/s320/semi-trailer-534577_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das Gespann bestehend aus einer
bei der Klägerin haftpflichtversicherten Zugmaschine und einem bei der
Beklagten haftpflichtversicherten Anhänger rangierte rückwärts, wobei es zur
Schädigung eines anderen Fahrzeugs kam. Die Klägerin regulierte den Schaden und
verlangte von der Beklagten einen Innenausgleich, den das Amtsgericht mit 50%
des regulierten Betrages zusprach. Auf die Berufung der Beklagten wies das
Landgericht die Klage ab, die von der Klägerin mit der vom Landgericht
zugelassenen Revision weitererfolgte. Der BGH wies die Revision zurück.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die bei der Klägerin
haftpflichtversicherte Zugmaschine (§ 10 Abs. 1 S. 1 StVG) bilde mit dem bei
der Beklagten haftpflichtversicherten Anhänger ein Gespann (§ 19 Abs. 2 S. 1 StVG).
Da dieses über die Versicherungen für das Zugfahrzeug und für den Anhänger bei
zwei verschiedenen Versicherungen versichert sei, läge eine Mehrfachversicherung
(§ 78 Abs. 1 VVG ) vor.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">§ 19 Abs. 4 S. 2 StVG verpflichte
im Verhältnis der Halter des Zugfahrzeugs und des Anhängers zueinander nur den
Halter des Zugfahrzeugs. Allerdings gibt es davon Ausnahmen, worauf der BGH
auch hinwies: Habe sich durch den Anhänger eine höhere Gefahr verwirklicht als
durch das Zugfahrzeug alleine, hinge die Verpflichtung zum Ausgleich davon ab,
inwieweit der Schaden vorwiegend von dem Zugfahrzeug oder dem Anhänger verursacht
worden sei (§ 18 Abs. 4 S. 3 StVG). § 19 Abs. 4 S. 4 StVG stelle allerdings
klar, dass das Ziehen des Anhängers für sich im Regelfall keine höhere Gefahr
verwirkliche (§ 19 Abs. 4 S. 4 StVG).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die tatrichterliche Beurteilung,
dass vorliegend gem. § 18 Abs. 4 S. 2 StVG die Klägerin als Halterin des
Zugfahrzeugs alleine verpflichtet ist und keinen Ausgleichsanspruch gegen die
Beklagte als Versicherer des Anhängers habe, sei nicht zu beanstanden. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Soweit die Revision geltend
gemacht habe, bei einem „Ziehen“ iSv. § 19 Abs. 4 S. 4 StVG handele es sich nicht
um ein Rückwärtsfahren; der Begriff entspräche der Legaldefinition des § 19
Abs. 1 S. 1 StVG, „…Anhänger, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug
(Zugfahrzeug) gezogen zu werden“, folgte dem der BGH nicht. § 19 Abs. 1 StVG
erfasse unabhängig von der Fahrtrichtung jede Bewegung des Anhängers, mithin
auch ein „Rückwärtsschieben“ durch das Zugfahrzeug. Entscheidend sei lediglich
die abstrakte Bestimmung des Anhängers, prinzipiell an ein Fahrzeug angehängt
zu werden. Eine Gesetzesänderung bezüglich der Anhängerhaftung aus „oder eines
Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden“
in „gezogen zu werden“ statt „mitgeführt zu werden“ habe nach der
Gesetzesbegründung nur sprachliche Gründe gehabt (BT-Drs. 19/17964, S. 13);
eine inhaltliche Änderung sollte damit ausdrücklich nicht verbunden sein. Nach
der Gesetzesbegründung habe der Anhänger dem Zugfahrzeug zu- und untergeordnet
werden sollen, sollte am Fahrzeug hängen und von diesem abhängen (BT-Drs.
19/17964 S. 17).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Auch würde entgegen der Annahme
der Revision sich eine höhere Gefahr des Anhängers nicht dadurch ergeben, dass
sich durch den Anhänger im Rückwärtsfahren eine höhere Gefahr desselben
verwirklicht habe. Zwar sei das Gespann länger und unübersichtlicher als nur
das Zugfahrzeug. Der Regelfall des § 10 Abs. 4 S. 2 StVG solle aber nicht
ausnahmsweise durchbrochen werden. Insoweit würde die Gesetzesbegründung als
Beispiele anführen, dass „der Anhänger im Einzelfall aufgrund seiner
außergewöhnlichen Beschaffenheit (Überlänge, Überbreite, Schwertransporter
etc.) eine besondere Gefahr darstellt“ oder einen technischen Defekt aufweise.
Es könne damit auch auf sich beruhen, dass es sich bei dem Zugfahrzeug um einen
Lkw und dem Anhänger um einen Auflieger gehandelt habe, zumal nicht festgestellt
worden sei, dass sich durch den Anhänger eine höhere Gefahr als durch das
Zugfahrzeug alleine tatsächlich verwirklicht habe (dies verlange aber § 19 Abs.
4 S. 3 StVG).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><u>Hinweis:</u> Die Entscheidung
beruht auf der Gesetzesänderung zu § 78 Abs. 3 VVG und 19 Abs. 4 StVG in der
Fassung des Gesetzes zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im
Straßenverkehr vom 10.07.2020 (BGBl. I S. 1653).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>BGH, Urteil vom 14.11.2023 -
VI ZR 98/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 24. Februar 2023 wird
zurückgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die Klägerin trägt die Kosten des
Revisionsverfahrens.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Von Rechts
wegen</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tatbestand<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Klägerin
nimmt die Beklagte nach einem Verkehrsunfall auf hälftigen
Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Als ein bei der
Klägerin haftpflichtversichertes Fahrzeug mit einem bei der Beklagten
haftpflichtversicherten Anhänger im Jahr 2021 rückwärts rangierte, beschädigte
dieser ein anderes Fahrzeug. Die Klägerin regulierte die Aufwendungen des
Geschädigten in Höhe von 930 Euro.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Das Amtsgericht
hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 465 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf
die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts
abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Entscheidungsgründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Das
Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen
Anspruch aus § 78 Abs. 3 VVG, § 19 Abs. 4 StVG, § 426
BGB. Eine Mehrfachversicherung des Gespanns im Sinne des § 78 Abs. 1
VVG liege vor. Die Klägerin sei Haftpflichtversicherer des Zugfahrzeugs und die
Beklagte sei Haftpflichtversicherer des Anhängers. Das Zugfahrzeug mit dem
Anhänger stelle ein Gespann dar. Beide Versicherer seien dem geschädigten
Dritten gegenüber Gesamtschuldner im Sinne des § 426 BGB und hafteten
deshalb im Außenverhältnis zunächst voll. Der Innenausgleich richte sich
deshalb gemäß § 78 Abs. 3 VVG nach § 19 Abs. 4 StVG. Es
habe sich keine anhängerspezifische Gefahr verwirklicht, die eine Abweichung
von der Regel des § 19 Abs. 4 Satz 2 StVG rechtfertige. Auch das
Rückwärtsrangieren mit einem Anhänger stelle ein Ziehen im Sinne von § 19
Abs. 4 Satz 4 StVG dar, was regelmäßig keine Gefahrerhöhung bewirke.
Zwar umfasse "Ziehen" im natürlichen Sinne nur eine Bewegung nach
vorne. Gegen ein solches Verständnis sprächen jedoch Systematik und Wille des
Gesetzgebers. Anhaltspunkte, welche eine Abweichung von der Regel des § 19
Abs. 4 Satz 4 StVG rechtfertigen könnten, seien nicht vorgetragen.
Die Wertung aus dieser Vorschrift sei als andere Bestimmung im Sinne von
§ 426 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB zu verstehen. Es verbleibe
daher im Innenverhältnis bei der alleinigen Haftung der Klägerin als
Haftpflichtversicherer des Zugfahrzeugs.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die dagegen
gerichtete Revision der Klägerin ist nicht begründet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Das
Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass § 78 Abs. 3
VVG in Verbindung mit § 19 Abs. 4 StVG in der Fassung des Gesetzes
zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom 10.
Juli 2020 (BGBl. I S. 1653) anzuwenden ist, da der Unfall im Jahr 2021
eintrat (vgl. § 65 Abs. 6 StVG).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Die
Beurteilung des Berufungsgerichts, dass im Verhältnis der Klägerin und der
Beklagten zueinander ausschließlich die Klägerin verpflichtet ist, hält
rechtlicher Prüfung stand.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Gemäß § 78
Abs. 3 VVG sind in der Haftpflichtversicherung von Gespannen bei einer
Mehrfachversicherung die Versicherer im Verhältnis zueinander zu Anteilen
entsprechend der Regelung in § 19 Abs. 4 StVG verpflichtet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Das
bei der Klägerin haftpflichtversicherte Zugfahrzeug (§ 19 Abs. 1
Satz 1 StVG) bildete mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten
Anhänger ein Gespann (§ 19 Abs. 2 Satz 1 StVG). Nach den
getroffenen Feststellungen lag eine Mehrfachversicherung (§ 78 Abs. 1
VVG) vor (siehe weiter Senat, Urteil vom 13. März 2018 - VI ZR 151/17, NJW
2018, 2120 Rn. 22; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 - IV ZR 279/08, BGHZ 187,
211 Rn. 9 ff.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Nach
§ 19 Abs. 4 Satz 2 StVG ist im Verhältnis der Halter des
Zugfahrzeugs und des Anhängers zueinander nur der Halter des Zugfahrzeugs
verpflichtet. Dies gilt nicht, soweit sich durch den Anhänger eine höhere
Gefahr verwirklicht hat als durch das Zugfahrzeug allein; in diesem Fall hängt
die Verpflichtung zum Ausgleich davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von
dem Zugfahrzeug oder dem Anhänger verursacht worden ist (§ 19 Abs. 4
Satz 3 StVG). Das Ziehen des Anhängers allein verwirklicht im Regelfall keine
höhere Gefahr (§ 19 Abs. 4 Satz 4 StVG).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>aa)</b> Die
Entscheidung über die Haftungsverteilung ist Sache des Tatrichters und im
Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden
Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich
zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (st. Rspr., zuletzt Senat,
Urteil vom 22. November 2022 - VI ZR 344/21, NJW 2023, 1123 Rn. 11).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>bb)</b>
Danach ist die Beurteilung, dass die Klägerin (Haftpflichtversicherer des
Zugfahrzeugs) im Verhältnis zur Beklagten (Haftpflichtversicherer des
An-hängers) allein verpflichtet ist (§ 19 Abs. 4 Satz 2 StVG),
nicht zu beanstanden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Entgegen der
Auffassung der Revision ist auch das Rückwärtsfahren mit einem Anhänger ein
"Ziehen" im Sinne von § 19 Abs. 4 Satz 4 StVG. Diese
Begriffsverwendung entspricht der Legaldefinition in § 19 Abs. 1
Satz 1 StVG ("[…] eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem
Kraftfahrzeug (Zugfahrzeug) gezogen zu werden […]"). Die Vorschrift des
§ 19 Abs. 1 StVG erfasst unabhängig von der Fahrtrichtung jede
Bewegung des Anhängers (d.h. auch das Rückwärtsschieben) durch das Zugfahrzeug.
Ob der Anhänger beim konkreten Haftpflichtgeschehen gezogen oder geschoben
(z.B. während eines Rangiervorganges) wird, ist nicht relevant. Entscheidend
ist allein seine abstrakte Bestimmung, prinzipiell an ein Kraftfahrzeug
angehängt zu werden (vgl. Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, 27. Aufl.,
StVG § 19 Rn. 28). Vormals hieß es in § 7 Abs. 1 StVG a.F.
bezüglich der Anhängerhaftung auch "oder eines Anhängers, der dazu
bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden". Nach der
Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 19/17964 S. 9, 13) zur Neuregelung der
Anhängerhaftung - nun nicht mehr in § 7 StVG, sondern in § 19 StVG -
hatte die Ersetzung der Wörter "mitgeführt zu werden" durch
"gezogen zu werden" nur sprachliche Gründe. Eine inhaltliche Änderung
sollte damit ausdrücklich nicht verbunden sein (vgl. Bollweg/Wächter, NZV 2020,
545, 549; Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, 27. Aufl., StVG § 19
Rn. 57; zumindest teilweise anders Bauer-Gerland, VersR 2020, 146; siehe weiter
§ 2 Nr. 2 FZV). Für ein abweichendes Begriffsverständnis des
"Ziehen" in § 19 Abs. 4 Satz 4 StVG gibt es keine
Anhaltspunkte (vgl. BT-Drucks. 19/17964 S. 16 f.). Vielmehr stellt die
Gesetzesbegründung darauf ab, dass der Anhänger dem Zugfahrzeug zu- und
untergeordnet ist, am Zugfahrzeug hängt und daher von diesem abhängt (vgl.
BT-Drucks. 19/17964 S. 17).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Anders als die
Revision meint, steht der Annahme eines Regelfalls nach § 19 Abs. 4
Satz 4 StVG im Streitfall nicht entgegen, dass sich im Rückwärtsrangieren
etwa eine höhere Gefahr durch den Anhänger verwirklicht hätte. Zwar trifft es
zu, dass das Gespann länger und unübersichtlicher ist als (nur) das
Zugfahrzeug. Allerdings soll der in § 19 Abs. 4 Satz 2 StVG
bestimmte Regelfall nach der gesetzlichen Regelung nur ausnahmsweise
durchbrochen werden. Die Gesetzesbegründung führt als Beispiele an, dass
"der Anhänger im Einzelfall aufgrund seiner außergewöhnlichen
Beschaffenheit (Überlänge, Überbreite, Schwertransporter etc.) eine besondere
Gefahr darstellt" oder der verbundene Anhänger einen technischen Defekt
aufweist (vgl. BT-Drucks. 19/17964 S. 17; siehe weiter Bauer-Gerland,
VersR 2020, 146, 147; Stadler, r+s 2021, 133, 137). Daher kann auch
dahingestellt bleiben, ob - wie die Revision beiläufig ausführt - es sich beim
Zugfahrzeug um einen LKW und beim Anhänger um einen Auflieger handelte. Im Übrigen
wäre nicht festgestellt, dass sich hier durch den Anhänger eine höhere Gefahr
als durch das Zugfahrzeug allein auch tatsächlich verwirklicht hätte (§ 19
Abs. 4 Satz 3 StVG). Die Revision rügt nicht, dass Instanzvortrag
übergangen worden ist.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-71927003990722707662024-02-04T10:50:00.001+01:002024-02-04T10:50:38.989+01:00Vorsicht beim Vorbeifahren an Müllfahrzeugen - Mithaftung<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhGVQrs-6KvFvQ_B4ejPM0AB3C6Zyce0-97TPe2VbfSyWJRzSvAL3QimZ-13oGy60l7MGjxWW-UaMcCJXziacxAMOWmncGJFlW57se6R2-Rdkd7AwMGDTc9qxik7vAHjxqhcaofhM2CXhs8I7GeArcAfFrq9R4F-Q2kufk1Cc66-5NcrnXSalgz3901aQ6I/s1280/garbage-1472670_1280.tiff" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="853" data-original-width="1280" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhGVQrs-6KvFvQ_B4ejPM0AB3C6Zyce0-97TPe2VbfSyWJRzSvAL3QimZ-13oGy60l7MGjxWW-UaMcCJXziacxAMOWmncGJFlW57se6R2-Rdkd7AwMGDTc9qxik7vAHjxqhcaofhM2CXhs8I7GeArcAfFrq9R4F-Q2kufk1Cc66-5NcrnXSalgz3901aQ6I/s320/garbage-1472670_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das Fahrzeug der Klägerin fuhr an
einem in der Gegenrichtung auf der aus ihrer Sicht linken Straßenseite
stehenden Müllfahrzeug der Beklagten vorbei, welches dort mit laufenden Motor,
laufender Trommel/Schüttung und eingeschalteten gelben Rundumleuchten sowie
Warnblinkanlage stand. Dabei kollidierte sie mit Müllcontainer, der von einem
Mitarbeiter der Beklagten quer über die Straße geschoben wurde. Das Landgericht
gab der auf Schadensersatz gerichteten Klage im Verhältnis einer Haftungsquote
von 50 : 50 statt. Auf die Berufung der Klägerin änderte das OLG das Urteil
dahingehend insoweit ab, als es eine Schadenquote zugunsten der Klägerin von 25%
zu Lasten der Klägerin, 75% zu Lastend er Beklagten annahm. Die von der
Beklagten eingelegte (vom OLG zugelassene) Revision, mit der diese die
Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrte, war insoweit
erfolgreich, als das Urteil des OLG aufgehoben und der Rechtsstreit an dieses
zurückverwiesen wurde.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der BGH reklamierte, dass vom OLG
in die Abwägung der Verschuldens- und Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 2
StVG einen Verstoß der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs nach §§ 1, 3 Abs. 1
StVO nicht eingestellt hatte.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Grundsätzlich habe die Klägerin
einen Anspruch aus § 7 StVG. Die Beschädigung sei „bei dem Betrieb eines
Kraftfahrzeuges iSv. § 7 Abs. 1 StVG erfolgt. Bei Fahrzeugen mit
Arbeitsfunktion sei dazu ein Zusammenhang mit der Bestimmung als eine der
Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine erforderlich. Das
Schadensgeschehen müsse durch das Fahrzeug (mit) geprägt werden. Es müsse sich
um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, für die nach dem Sinn der Haftungsvorschrift
schadlos gehalten werden soll.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Maßgeblich käme es darauf an, dass die Schadenursache in einem nahen
örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder
einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges stünde. Eine Haftung
nach § 7 StVG entfalle bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion entfalle
jedenfalls dann, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle mehr
spiele und sie nur als Arbeitsmaschine eingesetzt würde oder sich die Gefahr
aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis
verwirklicht habe. So läge ein „Betrieb“ auch dann vor, wenn das Fahrzeug, ggf.
mit einer speziellen Entladevorrichtung, entladen würde. In diesen Fällen würde
der Halter auch für die Gefahr dann haften, die das Kraftfahrzeug in dem in
Anspruch genommenen Verkehrsraum für andere Verkehrsteilnehmer darstelle, wobei
nicht dies nicht nur für die Gefahr durch das entladende Fahrzeug gelte,
sondern auch die Gefahr, die von der Entladevorrichtung und dem Ladegut ausgehe
(BGH, Urteil vom 08.12.2015 - VI ZR 139/15 -). Vorliegend handele es sich bei
dem Müllwagen zwar um ein Kraftfahrzeug mit Arbeitsfunktion, doch stünde der
Unfall in einem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung
des Müllfahrzeuges als eine dem Transport dienende Maschine, wobei zur
Erfüllung der Transportfunktion die Mülltonnen zum Fahrzeug zum Entleeren und
wieder zurückgebracht werden müssten. Damit läge eine Zurechnung zu den
Gefahren nach § 7 StVG vor.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Haftungsverteilung nach § 17
Abs. 2 StVG habe aufgrund aller festgestellten, d.h. zugestandenen oder nach §
286 ZPO erwiesenen Umstände zu erfolgen. In erster Linie sei dabei das Maß der
Verursachung entscheidende, ein weiterer Faktor sei das beidseitige
Verschulden.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Da das Entleeren und
Zurückbringen der Müllcontainer zum Betrieb des Fahrzeugs gehöre, begründe ein
unfallursächlicher Verstoß der Beklagten gegen die StVO eine Erhöhung der
Betriebsgefahr des Müllfahrzeugs, was bei der Abwägung zugunsten der Klägerin
zu berücksichtigen sei. Die Privilegierung von Fahrzeugen der Müllabfuhr nach §
35 Abs. 6 S. 1 StVO durch Einräumung von Sonderrechten befreie nicht von den
übrigen Vorschriften der StVO. Hier sei der Beklagten ein Verstoß gegen § 1
Abs. 2 StVO borzuwerfen, da deren Mitarbeiter einen großen, schweren
Müllcontainer quer über die Straße geschoben habe, ohne auf den Verkehr zu
achten. Hätte er ihn nicht geschoben sondern gezogen, wäre das klägerische
Fahrzeug für ihn erkennbar gewesen. In der gefahrenträchtigen Situation sei es
geboten gewesen, den Container zu ziehen, statt ihn zu schieben. Weiterhin läge
eine Erhöhung der Betriebsgefahr für das Müllfahrzeug durch dessen Größe und
der dadurch bedingten Sichtbeeinträchtigung, die sich auf den Unfall ausgewirkt
hätten, vor.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Während insoweit der BGH insoweit den
Erwägungen für das Müllfahrzeug folgte, sah es die Erwägungen dazu nicht als
zutreffend an, demzufolge der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs kein die
Betriebsgefahr des Fahrzeugs erhöhender Verstoß gegen die StVO vorzuwerfen sei.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Bei der Vorbeifahrt an einem im
Einsatz befindlichen Müllfahrzeug sei besondere Vorsicht und Rücksichtnahme
geboten, um die Müllwerker nicht zu gefährden. Zwar gelte der
Vertrauensgrundsatz, dass derjenige, der sich verkehrsgerecht verhalte, auch
damit rechnen dürfe, dass andere Verkehrsteilnehmer den Verkehr nicht durch
pflichtwidriges Verhalten gefährden, solange die sichtbare Verkehrslage keine
andere Beurteilung zulasse. Zu den Ausnahmen vom Vertrauensgrundsatz würden
nicht nur rechtzeitig wahrnehmbare Verkehrswidrigkeiten Dritter zählen, sondern
auch solche die möglicherweise noch nicht erkennbar seien, mit denen aber ein
gewissenhafter Fahrer pflichtgemäß rechnen müsse (BGH, Urteil vom 15.05.1973 -
VI ZR 62/72 -).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Da das Hauptaugenmerk des
Müllwerkers auf die Arbeit gerichtet sei, diese in möglichst kurzer Zeit auf
kurzen Wegen zu verrichten, dürfe der an einem Müllfahrzeug Vorbeifahrende nicht
auf ein verkehrsgerechtes Verhalten des Müllwerkers vertrauen. Mit einem unachtsamen
Hervortreten und einer Bewegung einige Schritte seitlich neben das Müllfahrzeug
müsse er rechnen. Lasse sich ein ausreichender Sicherheitsabstand zum
Müllfahrzeug zur Vermeidung von Gefährdungen hinter dem Müllfahrzeug Hervortretender
nicht einhalten, so sei die Geschwindigkeit gem. §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 StVO so
weit zu drosseln, dass der Vorbeifahrende sein Fahrzeug notfalls sofort zum
Stillstand bringen könne (so bereits für Linienbusse vor Schaffung von § 20
StVO BGH, Urteil vom 10.04.1968 - VI ZR 145/65 -). <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zwar bestünde nicht wie in § 20 StVO für
öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse oder wie in § 3 Abs. 2a StVO für
Kinder, Hilfsbedürftige und ältere Menschen eine besondere Regelung zu einer
Vorbeifahrt an Müllfahrzeugen, doch ergäben sich hier die entsprechenden
Anforderungen aus §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 StVO und den Einschränkungen zum
Vertrauensgrundsatz.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Hier habe der seitliche Abstand zwischen
dem klägerischen Fahrzeug und dem Müllfahrzeug allenfalls rund 50 cm bemessen,
weshalb die festgestellte Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs zu hoch
gewesen sei, um das Fahrzeug notfalls - insbesondere bei einem plötzlichen
Hervortreten eines Müllwerkers, auch bei einem Abstand von unter 5 m zwischen
Fahrzeug du Gefahrenpunkt - zum sofortigen Stillstand zu bringen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Im Rahmen der neuen Entscheidung
durch das OLG sei von diesem im Rahmen tatrichterlicher Würdigung eine neue
Abwägung nicht nur unter Berücksichtigung des Verkehrsverstoßes der Beklagten,
sondern auch der Klägerin vorzunehmen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Anmerkung:</u></b> Das
Urteil des BGH wird künftig die Leitlinie bei Unfällen entsprechender Art bei
Müllfahrzeugen sein. Es fragt sich allerdings, weshalb der Gesetzgeber in §§ 20
und 3 Abs. 2a StVO für bestimmte Fälle Vorschriften schuf, wenn doch – folgt man
der Diktion des BGH – ohnehin über §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit der Einschränkung
des Vertrauensgrundsatzes diese Einschränkung besteht; der BGH festigte damit
seien Rechtsprechung zur Einschränkung des Vertrauensschutzes in seinem Urteil
vom 04.04.2023 - VI ZR 11/21 - (Überqueren der Fahrbahn durch
Fußgänger und Annahme, dieser werde an der Mittellinie stehen bleiben).
Weitergehend wird man wohl kaum diese Entscheidung auf Müllfahrzeuge beschränken
können, da eine ähnliche Situation z.B. im Rahmen von Umzugswagen bei dem Ein-
bzw. Ausladen von Möbeln, bei Getränkelieferanten für das Ein- und Ausladen von
Getränkekisten bestehen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>BGH, Urteil vom 12.12.2023 -
VI ZR 77/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird
das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Februar
2023 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Von Rechts
wegen<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tatbestand<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Klägerin
macht Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend, bei dem eines
ihrer Pflegedienstfahrzeuge beschädigt wurde.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Zeugin M.,
Mitarbeiterin der Klägerin, fuhr mit deren Fahrzeug aus der Gegenrichtung
kommend an einem Müllabfuhrfahrzeug des Beklagten zu 2 vorbei, das mit
laufendem Motor, laufender Trommel/Schüttung und eingeschalteten gelben
Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage in der Straße stand. Dabei kam es zu einer
Kollision des klägerischen Fahrzeugs mit einem Müllcontainer, den der vormalige
Beklagte zu 1, Angestellter des Beklagten zu 2, hinter dem Müllabfuhrfahrzeug
quer über die Straße schob.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Mit der Klage
hat die Klägerin Erstattung der Fahrzeugreparaturkosten nebst vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten und Zinsen verlangt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Das Landgericht
hat der Klage gegen den Beklagten zu 2 unter Zugrundelegung einer Haftungsquote
von 50 : 50 teilweise stattgegeben.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Auf die
Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts
teilweise abgeändert und den Beklagten zu 2 unter Zugrundelegung einer
Haftungsquote von 75 : 25 zu weiterem Schadensersatz verurteilt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte zu 2 die
Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Entscheidungsgründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Das
Berufungsgericht hat die Haftungsquote von 75 (Beklagter zu 2) zu 25 (Klägerin)
damit begründet, dass der Zeugin M. entgegen der Ansicht des Landgerichts kein
Verkehrsverstoß vorzuwerfen sei. Die Klägerin müsse sich deshalb lediglich die
Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs anrechnen lassen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der
Leerungsvorgang von Mülltonnen und hier das Fortschaffen des entleerten
Müllcontainers vom Müllabfuhrfahrzeug gehöre zum Betrieb des
Müllabfuhrfahrzeugs im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG. Der Beklagte zu 1
habe schuldhaft gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, weil er den
Müllcontainer quer über die Straße geschoben habe, ohne auf das nach den
Feststellungen des Sachverständigen erkennbare Fahrzeug der Klägerin zu achten.
Die Privilegierung des § 35 Abs. 6 StVO für Müllabfuhrfahrzeuge
befreie nicht vom allgemeinen Rücksichtnahmegebot des § 1 StVO. Der Zeugin
M. sei kein Verkehrsverstoß anzulasten. Die Beweislast liege insoweit beim
Beklagten zu 2. Zwar sei Müllabfuhrfahrzeugen gegenüber besondere Vorsicht
geboten. Die Annahme anderer Obergerichte, dass an Müllabfuhrfahrzeugen stets
oder zumindest in der Regel mit Schrittgeschwindigkeit und mit einem
Sicherheitsabstand von 2 Metern vorbeizufahren sei, ließe sich aber auf
§ 1 Abs. 2 StVO und § 3 Abs. 1 StVO nicht stützen.
Maßgeblich seien die Umstände des Einzelfalls. Im Hinblick darauf, dass das
Müllabfuhrfahrzeug erkennbar im Einsatz und eine Vorbeifahrt nur mit geringem
Seitenabstand (50 cm) möglich gewesen sei, sei die Zeugin verpflichtet gewesen,
die gefahrene Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren. Dies habe sie getan,
indem sie statt der am Unfallort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h
nur 13 km/h gefahren sei. Eine höhere Geschwindigkeit stehe nicht fest. Die
Geschwindigkeit von 13 km/h sei hier ausreichend gering, zumal der
Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt sei, dass der Unfall bei einer
Bremsausgangsgeschwindigkeit von unter 14 km/h räumlich vermeidbar gewesen
wäre. Dafür, dass die Klägerin nicht zu schnell gefahren sei, spreche auch der
Umstand, dass es für den Beklagten zu 1 auf der Hand gelegen habe, dass ein
etwaig vorbeifahrender Verkehrsteilnehmer ihn und den Müllcontainer zunächst
nicht sehen könne. Hätte der Beklagte zu 1 zunächst geschaut oder etwa die
Tonne gezogen statt sie zu schieben, hätte er die Zeugin womöglich rechtzeitig
gesehen. Auch dies sei bei der Frage zu bedenken, ob der Zeugin ein Verstoß
gegen §§ 1, 3 StVO vorzuwerfen sei. Bei aller gebotenen Vorsicht bei der
Vorbeifahrt an einem im Einsatz befindlichen Müllabfuhrfahrzeug müsse nicht mit
jedwedem Fehlverhalten der Müllwerker gerechnet werden. Es sei nicht erwiesen,
dass die Zeugin den Beklagten zu 1 bereits bei Herannahen gesehen habe oder
dass sie damit habe rechnen müssen, dass ohne Weiteres plötzlich ein
Müllcontainer hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervorgeschoben würde, was ein
Absehen vom Passieren oder zumindest die Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit
geboten hätte.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Auf
Beklagtenseite könne zwar zuzubilligen sein, dass Müllwerker im Einsatz die
Sorgfaltspflichten nicht im gleichen Maße einhalten könnten wie andere
Verkehrsteilnehmer, da sie anderenfalls ihre Tätigkeit erheblich langsamer
verrichten würden. Allerdings stelle sich hier das Verschulden deshalb als
erheblich dar, weil der Beklagte zu 1 einen großen, schweren Müllcontainer
hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervorgeschoben habe, ohne auf den Verkehr zu
achten. Dies sei von vornherein erheblich gefahrenträchtig gewesen. Hinzu komme
eine erhöhte Betriebsgefahr aufgrund der Größe des Beklagtenfahrzeugs, die sich
in Form von Sichtbeschränkungen auch ausgewirkt habe. Hinsichtlich des
Klägerfahrzeugs sei von einer leicht erhöhten Betriebsgefahr auszugehen, die
das Gericht mit 25 % ansetze.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Diese
Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung insoweit nicht stand,
als das Berufungsgericht einen in die Abwägung nach § 17 Abs. 2 StVG
einzustellenden Verstoß der Zeugin M. gegen § 1, § 3 Abs. 1
Satz 2 StVO verneint hat.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Der
Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2 als Halter des Müllabfuhrfahrzeugs ein
Anspruch aus § 7 StVG zu. Dieser steht selbständig neben einem etwaigen
Anspruch gegen den Beklagten zu 2 als öffentlich-rechtliche Körperschaft aus
Art. 34 GG, § 839 BGB. Auf eine subsidiäre Haftung gemäß § 839
Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich der Beklagte zu 2 im Rahmen seiner
Halterhaftung aus § 7 StVG nicht berufen (BGH, Urteile vom 27. Juni 1968 -
III ZR 63/65, BGHZ 50, 271, 273 f., juris Rn. 8, 10; vom 27. Januar 1977 - III
ZR 173/74, BGHZ 68, 217, 221, juris Rn. 21, 31 (Rn. 31 in BGHZ nicht
abgedruckt); vom 13. Dezember 1990 - III ZR 14/90, BGHZ 113, 164, 165, juris
Rn. 5).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Frei
von Rechtsfehlern ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Pkw der
Klägerin "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" im Sinne von § 7
Abs. 1 StVG beschädigt worden ist.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>aa)</b> Nach
ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein Schaden bereits dann "bei dem
Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem
Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit
gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug
(mit)geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem
Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren
handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift
schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der
Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die
Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit grundsätzlich maßgeblich darauf
an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen
Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten
Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (vgl. nur Senatsurteil vom 18.
Juli 2023 - VI ZR 16/23, WM 2023, 2062 Rn. 12 mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Bei
Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es erforderlich, dass ein
Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung
und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht.
Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher jedenfalls dann,
wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle
mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird oder
bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr
eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat. Wann haftungsrechtlich nur noch
die Funktion als Arbeitsmaschine infrage steht, lässt sich nur im Einzelfall
unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden. Dabei ist es unter
Schutzzweckgesichtspunkten von Bedeutung, ob der Arbeitseinsatz auf oder in
örtlicher Nähe zu Straßenverkehrsflächen stattfindet (vgl. Senatsurteil vom 18.
Juli 2023 - VI ZR 16/23, WM 2023, 2062 Rn. 13 f. mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Eine Verbindung
mit dem "Betrieb" des Kraftfahrzeuges i.S.v. § 7 Abs. 1
StVG hat der Senat beim stehenden Fahrzeug auch dann bejaht, wenn das
Kraftfahrzeug in innerem Zusammenhang mit seiner Funktion als Verkehrs- und
Transportmittel - gegebenenfalls mit Hilfe einer speziellen Entladevorrichtung
- entladen wird. Der Halter haftet auch in diesen Fällen für die Gefahr, die
das Kraftfahrzeug beim Entladen in dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum für
andere Verkehrsteilnehmer darstellt. Hierhin fällt nicht nur die Gefahr durch
das entladende Kraftfahrzeug als solches, sondern auch diejenige, die von den
Entladevorrichtungen und dem Ladegut ausgeht (Senatsurteil vom 8. Dezember 2015
- VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 14 mwN für das Entladen von Heizöl aus einem
Tanklastwagen).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>bb)</b> Nach
diesen Grundsätzen ist der Pkw der Klägerin bei dem Betrieb des
Müllabfuhrfahrzeugs des Beklagten zu 2 beschädigt worden. Dieses ist zwar auch
ein Kraftfahrzeug mit Arbeitsfunktion, der Unfall steht aber in einem
haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des
Müllabfuhrfahrzeugs als eine dem Transport von Müll dienende Maschine. Zur
Erfüllung der Transportfunktion sind Mülltonnen zum Müllabfuhrfahrzeug zu
bringen, dort zu entleeren und wieder zurückzustellen. Die Gefahr, die in diesem
Zusammenhang von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere
Verkehrsteilnehmer ausgeht, ist damit dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs
zuzurechnen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Die
vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung gemäß § 17 Abs. 2 StVG ist
nicht frei von Rechtsfehlern.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 17 Abs. 2
StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur
darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände
vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige
Erwägungen zugrunde gelegt hat. Die Abwägung ist aufgrund aller festgestellten,
d. h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände
des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben. In
erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die
Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; ein Faktor bei der
Abwägung ist dabei das beiderseitige Verschulden (st. Rspr., vgl. nur
Senatsurteil vom 17. Januar 2023 - VI ZR 203/22, NJW 2023, 1361 Rn. 29 mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>aa)</b>
Rechtlich nicht zu beanstanden sind allerdings die Erwägungen, mit denen das
Berufungsgericht das unfallursächliche und schuldhafte Verhalten des Beklagten
zu 1 in die Abwägung eingestellt hat. Da das Entleeren und Zurückbringen des
Müllcontainers zum Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs gehört (s. oben a),
begründet ein unfallursächlicher Verstoß des Beklagten zu 1 gegen die StVO bei
dieser Tätigkeit eine Erhöhung der Betriebsgefahr, die im Rahmen der Abwägung
gemäß § 17 Abs. 2 StVG zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen
ist. Wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, befreit die beschränkte
Privilegierung von Fahrzeugen der Müllabfuhr durch die Einräumung von
Sonderrechten in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO nicht von der
Einhaltung der übrigen Vorschriften der StVO (OLG Karlsruhe, r+s 2018, 671 Rn.
16; Rogler in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl.,
§ 35 StVO, Stand 24.10.2023, Rn. 124). Dem Beklagten zu 1 ist ein
schuldhafter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorzuwerfen, weil er nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts hinter dem Müllabfuhrfahrzeug des
Beklagten zu 2 einen großen, schweren Müllcontainer quer über die Straße schob,
ohne auf den Verkehr und das Fahrzeug der Klägerin zu achten, welches für ihn -
hätte er den Müllcontainer nicht vor sich hergeschoben - erkennbar gewesen
wäre. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang auch
die Beurteilung des Berufungsgerichts, es habe für den Beklagten zu 1 auf der
Hand gelegen, dass er und der Müllcontainer hinter dem großen
Müllabfuhrfahrzeug für vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer zunächst nicht zu
sehen waren, und es sei in dieser Situation besonders gefahrenträchtig gewesen,
den Müllcontainer zu schieben statt ihn zu ziehen. Denn so konnte der Beklagte
zu 1 das herannahende Fahrzeug erst spät wahrnehmen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Rechtsfehlerfrei
hat das Berufungsgericht eine Erhöhung der Betriebsgefahr schließlich mit der
Größe des Müllabfuhrfahrzeugs und der dadurch bedingten Sichtbeschränkung
begründet, die sich auf den Unfall ausgewirkt hat.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>bb)</b>
Hingegen tragen die getroffenen Feststellungen nicht die Beurteilung des
Berufungsgerichts, der Zeugin M. sei kein (die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der
Klägerin erhöhender) Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung vorzuwerfen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(1)</b> Wie
das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend gesehen hat, ist von
Verkehrsteilnehmern, die an im Einsatz befindlichen Müllabfuhrfahrzeugen
vorbeifahren, gemäß § 1 StVO besondere Vorsicht und Rücksichtnahme zu
fordern, um Müllwerker nicht zu gefährden. Zwar kann nach dem im Straßenverkehr
geltenden Vertrauensgrundsatz ein Verkehrsteilnehmer, der sich verkehrsgemäß
verhält, damit rechnen, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer den Verkehr nicht
durch pflichtwidriges Verhalten gefährdet. Das gilt aber nur, solange die
sichtbare Verkehrslage zu keiner anderen Beurteilung Anlass gibt (vgl.
Senatsurteil vom 4. April 2023 - VI ZR 11/21, NJW 2023, 2108 Rn. 11 mwN). Zu
den Ausnahmen vom Vertrauensgrundsatz zählen nicht nur solche
Verkehrswidrigkeiten, die der Verkehrsteilnehmer rechtzeitig wahrnimmt oder
hätte wahrnehmen können, sondern auch solche, die möglicherweise noch nicht
erkennbar sind, mit denen ein gewissenhafter Fahrer aber pflichtgemäß rechnen
muss (vgl. Senatsurteile vom 15. Mai 1973 - VI ZR 62/72, VersR 1973, 765, 766,
juris Rn. 13; vom 4. Oktober 1966 - VI ZR 23/65, VersR 1966, 1157, juris Rn.
11; BGH, Beschluss vom 27. Mai 1959 - 4 StR 49/59, BGHSt 13, 169, 173, juris
Rn. 12).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(2)</b> Das
Hauptaugenmerk der mit dem Holen, Entleeren und Zurückbringen von
Müllcontainern befassten Müllwerker ist auf ihre Arbeit gerichtet, die sie
überwiegend auf der Straße und effizient, das heißt in möglichst kurzer Zeit
und auf möglichst kurzen Wegen, zu erledigen haben. Wer an einem
Müllabfuhrfahrzeug vorbeifährt, das erkennbar im Einsatz ist, darf daher nicht
uneingeschränkt auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Müllwerker vertrauen.
Er muss typischerweise damit rechnen, dass Müllwerker plötzlich vor oder hinter
dem Müllabfuhrfahrzeug hervortreten und unachtsam einige Schritte weiter in den
Verkehrsraum seitlich des Müllabfuhrfahrzeugs tun, bevor sie sich über den
Verkehr vergewissern. Auf diese typischerweise mit dem Einsatz von
Müllabfuhrfahrzeugen verbundenen Gefahren hat der vorbeifahrende
Verkehrsteilnehmer sein Fahrverhalten einzurichten. Lässt sich ein
ausreichender Seitenabstand zum Müllabfuhrfahrzeug, durch den die Gefährdung
eines plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden
Müllwerkers vermieden werden kann, nicht einhalten, so ist die Geschwindigkeit
gemäß § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO so weit zu drosseln, dass
der Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen kann
(vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1988, 866, 867 und OLG Karlsruhe, r+s 2018, 671 Rn. 24
mwN: in der Regel Schrittgeschwindigkeit; ebenso LG Münster, ZfSch 2002, 422,
423, juris Rn. 20; Freymann in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., § 35
StVO Rn. 713; für die Vorbeifahrt an einem Linienbus schon vor Schaffung des
heutigen § 20 StVO vgl. auch: Senatsurteil vom 21. Februar 1967 - VI ZR
145/65, VersR 1967, 582, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 10. April 1968 - 4 StR
62/68, NJW 1968, 1532 f., juris Rn. 5; Beschluss vom 27. Mai 1959 - 4 StR
49/59, BGHSt 13, 169, 175, juris Rn. 15 f.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Senat
verkennt dabei nicht, dass der Verordnungsgeber anders als etwa für die
Vorbeifahrt an öffentlichen Verkehrsmitteln und Schulbussen in § 20 StVO
oder für das Verhalten gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen
in § 3 Abs. 2a StVO keine speziellen Regelungen für die Vorbeifahrt
an Müllabfuhrfahrzeugen getroffen hat. Die diesbezüglichen Anforderungen
ergeben sich aber aus § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO und den
oben angeführten Einschränkungen des Vertrauensgrundsatzes. Es ist die typischerweise
zu erwartende besondere Gefährdung von Personen (hier: Müllwerkern), die es
rechtfertigt, besondere Vorsicht in der genannten Art und Weise zu verlangen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(3)</b> Den
dargelegten Anforderungen genügte die vom Berufungsgericht festgestellte
Fahrweise der Zeugin M. nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
kam es zur Kollision des Fahrzeugs der Klägerin mit dem Müllcontainer im
hinteren Bereich des erkennbar im Einsatz befindlichen Müllabfuhrfahrzeugs,
also gerade dort, wo Müllwerker Mülltonnen entleeren und wieder fortschaffen.
Der seitliche Abstand zwischen dem Fahrzeug der Klägerin und dem
Müllabfuhrfahrzeug betrug allenfalls rund 50 cm. In dieser Situation war die
festgestellte Ausgangsgeschwindigkeit von mindestens 13 km/h zu hoch, als dass
die Zeugin M. das Fahrzeug notfalls - das heißt insbesondere vor einem
plötzlich hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerker - sofort zum
Stehen hätte bringen können. Daran ändert die Feststellung des
Berufungsgerichts nichts, dass der Unfall für die Zeugin bei einer
Bremsausgangsgeschwindigkeit von unter 14 km/h räumlich vermeidbar gewesen
wäre. Aus dem insoweit vom Berufungsgericht konkret in Bezug genommenen
Sachverständigengutachten ergibt sich lediglich, dass bei dieser
Geschwindigkeit die Kollision ausgehend von einem Gefahrerkennungspunkt ca.
fünf Meter vor dem späteren Kollisionsort bei der genannten
Bremsausgangsgeschwindigkeit räumlich vermeidbar gewesen wäre. Die Zeugin hatte
aber so angepasst zu fahren, dass sie auch bei Erkennen einer Gefahr in weniger
als fünf Metern Entfernung das Fahrzeug rechtzeitig hätte zum Stehen bringen
können. Abgesehen davon käme ein schuldhafter Verstoß gegen § 1 StVO auch
in Betracht, wenn die Zeugin M. bei einer Geschwindigkeit von unter 14 km/h,
obwohl ihr das möglich gewesen wäre, nicht rechtzeitig reagiert hätte.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(4)</b> An
dem Vorliegen eines Verkehrsverstoßes seitens der Zeugin M. ändert entgegen der
Ansicht des Berufungsgerichts der Umstand nichts, dass auch dem Beklagten zu 1
ein Verkehrsverstoß vorzuwerfen ist. Der Verstoß der Zeugin M. wird gerade
dadurch begründet, dass sie mit einem verkehrswidrigen Verhalten von
Müllwerkern zu rechnen und ihre Geschwindigkeit darauf einzustellen hatte. Zwar
trifft es zu, dass der Beklagte zu 1 dadurch, dass er den Müllcontainer schob
statt ihn zu ziehen, die Gefährlichkeit der Situation insoweit erhöhte, als er
herannahende Fahrzeuge erst später wahrnehmen konnte. Grundsätzlich richtig ist
auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dass es der Vertrauensgrundsatz nicht
gebietet, mit jedwedem Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu rechnen. Mit
einem plötzlich hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerker, der
einen Müllcontainer jedenfalls hinter sich herzieht, war aber auch im
Streitfall zu rechnen. Bereits diese Typik hätte die Zeugin M. veranlassen
müssen, ihre Geschwindigkeit so weit zu drosseln, dass sie ihr Fahrzeug
notfalls sofort zum Stehen bringen konnte. Der unfallursächliche und
schuldhafte Verstoß gegen dieses Gebot wird nicht dadurch in Frage gestellt,
dass es im konkreten Fall nicht der Müllwerker, sondern der von diesem
geschobene Müllcontainer war, der vor das Fahrzeug der Klägerin geriet. Auch
davor soll § 1 StVO schützen. Zudem kann sich auf den Vertrauensgrundsatz
grundsätzlich nicht berufen, wer sich selbst über die Verkehrsregeln
hinwegsetzt (vgl. Senatsurteile vom 4. April 2023 - VI ZR 11/21, NJW 2023, 2108
Rn. 11; vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02, NJW 2003, 1929, 1931, juris Rn. 17;
BGH, Urteil vom 10. April 1968 - 4 StR 62/68, NJW 1968, 1532, 1533, juris Rn.
10). Vor diesem Hintergrund schließt die Schwere des Verstoßes des Beklagten zu
1 gegen § 1 Abs. 2 StVO das Vorliegen des Verkehrsverstoßes der
Zeugin M. an sich nicht aus, sondern ist nur ein im Rahmen der Abwägung gemäß
§ 17 Abs. 2 StVG zu berücksichtigender Gesichtspunkt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>III.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Sache ist
nicht im Sinne von § 563 Abs. 3 ZPO zur Endentscheidung reif, da die
Abwägung gemäß § 17 Abs. 2 StVG - nunmehr unter Zugrundelegung eines
Verkehrsverstoßes nicht nur des Beklagten zu 1, sondern auch der Zeugin M. -
der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts unterliegt.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-28298872798946518372024-01-31T17:48:00.008+01:002024-01-31T17:48:56.039+01:00Haftung für Schaden am Fahrzeug durch Baumstumpf an E-Ladesäule<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhPqET2HBMNXVe0xDxAJiD2PqMEjN4d9l0cVuhYfVmEnNlkOjRfs-4XOMwZKjX3C6R56prmkrMO24ryv_lOfFurleDBjHarXRJ4t4-YB6Rz36lrezo_cjUa3boLZEF1OYNhHDVJFcrYvtOw1ISUVG9VC7bxnWp39m6Z680eVyQfe_gK2QuuuUk-jdG8R1pX/s1280/electricity-611631_1280.tiff" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="1280" data-original-width="960" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhPqET2HBMNXVe0xDxAJiD2PqMEjN4d9l0cVuhYfVmEnNlkOjRfs-4XOMwZKjX3C6R56prmkrMO24ryv_lOfFurleDBjHarXRJ4t4-YB6Rz36lrezo_cjUa3boLZEF1OYNhHDVJFcrYvtOw1ISUVG9VC7bxnWp39m6Z680eVyQfe_gK2QuuuUk-jdG8R1pX/s320/electricity-611631_1280.tiff" width="240" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der Kläger behauptete eine
Schädigung seines Fahrzeugs bei einem Zusammenstoß mit einem Baumstumpf im
Bereich einer Stellfläche neben einer öffentlichen Elektroladesäule, die von
der Beklagten zu 1 auf dem öffentlichen Parkplatz betrieben wurde. Die
Ladesäule grenzte an eine Fläche auf dem zwischen dem Fußweg und der Fahrbahn
gelegenen Grünstreifen an, die als Stellfläche für die öffentliche Ladestation
gekennzeichnet und freigegeben war. Am Ende der Stellfläche befand sich eine
Straßenlaterne (Betreiberin war die Beklagte zu 2), an deren Fuß sich in
Richtung der Ladesäule ein kleiner Baumstumpf befand, der mit Laub bedeckt
gewesen sein soll.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Schadensersatzklage des
Klägers wurde abgewiesen. Den Beklagten obläge keine Verkehrssicherungspflicht
in Bezug auf den Baumstumpf.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Verkehrssicherungspflicht
habe derjenige, der für den Bereich der Gefahrenquelle verantwortlich sei. Er
habe im Rahmen des Zumutbaren diejenigen Maßnahmen zu treffen, dass sich der
Straße in einem Zustand befinde, der ihre bestimmungsgemäße Verwendung so
gefahrlos wie möglich zulasse und die Verkehrsteilnehmer gleichwohl vor
verbleibenden Gefahren der Straße schütze. Bei öffentlichen Straßen wie bei
öffentlichen Parkplätzen richte sich die Sicherungspflicht nicht nur auf die
Verkehrseinrichtung als solche, sondern ganz allgemein auf die Abwehr
derjenigen Gefahren, die den Verkehrsteilnehmern aus ihrer Benutzung drohen
würden. Sie beschränke sich also nicht auf die Parkfläche und deren Zuwege als
solche, sondern beziehe auch Zubehör wie Beleuchtungseinrichtungen mit ein. Bei
Erkennbarkeit von Gefahren im Parkplatzbereich sind selbst ungünstige
Wahrnehmungsbedingungen mit einzukalkulieren, sodann etwa Gegenstände wegen
geschlossener Schneedecke usw. nicht erfasst werden können. Gleiches gelte für
Laub.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Verkehrssicherungspflicht
treffe bei öffentlichen Straßen denjenigen, der die Gefahrenlage durch
Zulassung öffentlichen Verkehrs geschaffen habe. Hier sei der Träger der
Straßenbaulast in der Verantwortung (bei einem Baumstumpf OLG Hamm,
Hinweisbeschluss vom 11.08.2022 – 11 U 184/21 -). Dabei verblieb es auch, wen
dieser dritten Unternehmen konkret durchzuführende Arbeiten übertrage (OLG
Schleswig, Urteil vom 18.06.2015 – 7 U 143/14 -).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Danach seien die Beklagten
hinsichtlich des Baumstumpfes nicht verkehrssicherungspflichtig.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Beklagte zu 1 stelle
Ladesäulen und versorge diese mit Elektrizität. Dadurch erwachse keine
originäre Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Vegetation am angrenzenden
Parkplatz. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass ihr die
Verkehrssicherungspflicht übertragen worden sei oder diese den Baum so
abgeschnitten habe, dass der so verbleiben sei, dass er von Laub verdeckt
worden sein konnte. Auch hafte die Beklagte zu 2 nicht aus §§ 280 Abs. 1m 241
Abs. 2 iVm § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte
zu 1 wegen des Aufstellens und Betreibens der Ladesäule eine Nebenpflicht
treffe, die an der Ladesäule angrenzenden öffentlichen Parkplätze und die an
diese angrenzende Vegetation derart zu überwachen und zu pflegen, dass die
Ladesäule gefahrlos angafhren werden könne.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Beklagte zu 2 betreibe die
öffentliche Außenbeleuchtung. Sie treffe keine originäre Pflicht zur Pflege und
Herrichtung der Flächen um die Straßenbeleuchtung herum. Auch hier habe der
Kläger nicht dargelegt, dass ihr eine Verkehrssicherungspflicht übertragen
worden wäre.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Ob die Stadt als Trägerin der
Wegebaulast eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, könne in dem
Verfahren gegen die Beklagten zu 1 und 2 dahinstehen, ebenso ein mögliches
Mitverschulden des Klägers.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>AG Hamburg-Barmbeck, Urteil
vom 04.04.2023 - 816 C 113/22 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts
Hamburg-Barmbek vom 17.01.2023 (816 C 113/22) wird aufrechterhalten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">2. Der Kläger trägt auch die weiteren
Kosten des Rechtsstreits.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">3. Das Urteil
ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der aufgrund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Beschluss<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Streitwert
wird auf 4.503,57 € festgesetzt, für den Zeitraum ab teilweiser Klagrücknahme
mit Schriftsatz vom 27.09.2022 auf 3.532,19 €.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tatbestand<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Kläger
begehrt Schadensersatz für eine behauptete Beschädigung seines Fahrzeugs beim
Zusammenstoß mit einem Baumstumpf im Bereich einer Stellfläche neben einer
Elektroladesäule am 12.11.2018.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Beklagte zu
1) betreibt das Stromnetz der Hansestadt Hamburg und stellt die
Ladeinfrastruktur der Elektroladesäulen in Hamburg bereit. Die Beklagte zu 2)
ist zuständig für die vollständige Erbringung aller Leistungen zur öffentlichen
Außenbeleuchtung und Verkehrstechnik, insbesondere für Planung, Bau und Betrieb
von Beleuchtungs-, Lichtsignal- und Verkehrstelematikanlagen, die
diesbezügliche Beratung sowie die verkehrstechnische Ausrüstung von
Straßentunneln.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Auch im
Falckweg in Hamburg befindet sich eine Elektroladesäule. An diese Ladesäule
grenzt eine Fläche auf dem zwischen dem Fußweg und der Fahrbahn gelegenen
Grünstreifen an, die als Stellfläche für die öffentliche Ladestation
gekennzeichnet und freigegeben ist. Am Ende der Stellfläche befindet sich eine
Straßenlaterne. Am Fuß dieser Straßenlaterne befindet sich in Richtung
Elektroladesäule ein kleiner Baumstumpf. Hinsichtlich der Örtlichkeiten wird
auf die eingereichten Lichtbilder, Anlage K-FHH 1, Bl. 91 ff. d.A., verwiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Kläger
behauptet, Eigentümer eines Hybridfahrzeugs Audi A3 mit dem amtlichen
Kennzeichen [..] zu sein. Dieses Fahrzeug habe er am 12.11.2018 gegen 19:30 Uhr
im [..] an der Elektroladesäule laden wollen. Um das Fahrzeug anschließen zu
können, sei er an die Ladesäule herangefahren, und zwar auf dem aus seiner
Fahrtrichtung links gelegenen Seitenstreifen. Das Fahrzeug sei dabei von dem
mit Laub bedeckten, unzureichend gekürzten Baumstumpf linksseitig am Schweller
und an der Schwellerverkleidung beschädigt worden (siehe die Lichtbilder,
Anlage K-FHH 1, Bl. 92 d.A.). Der Kläger behauptet in der mündlichen
Verhandlung am 28.02.2023, dass der Baumstumpf regelmäßig zurückgeschnitten
werde, und zwar durch bzw. veranlasst durch die Beklagte zu 2).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Kläger
meint, es sei Aufgabe der Beklagten zu 1), die Nutzbarkeit der Ladesäulen zu
gewährleisten und damit auch regelmäßig den Anfahrschutz zu prüfen. Damit
obliege ihr die Prüfung der Standflächen um die Ladesäulen herum. Die Fläche
müsse so gestaltet sein, dass Fahrzeuge beim Befahren nicht zu Schaden kommen.
Die Beklagte zu 2) sei als Betreiber der Straßenbeleuchtung und der
Ladestationen ebenfalls für die Instandhaltung der an die Straßenbeleuchtung
und Ladestationen angrenzenden Flächen verantwortlich, so dass keine Gefahren
von diesen ausgingen. Diese Verkehrssicherungspflichten hätten die Beklagten
verletzt, weil der Baumstumpf nicht genügend weit herunter geschnitten und mit
Laub bedeckt gewesen sei.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Der Kläger hat zunächst ausweislich der
Anspruchsbegründung vom 20.07.2022 beantragt,<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an ihn, den Kläger, 3.778,15 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2019 zu zahlen,<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an ihn, den Kläger, 725,42 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2019 zu zahlen,<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">3. die
Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 413,64 Euro
an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Mit Schriftsatz vom 27.09.2022 hat der
Kläger die Klage teilweise zurückgenommen und mit seinen Antrag zu 1 - unter
Beibehaltung der übrigen Anträge - nur noch begehrt,<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">die Beklagten
als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 2.806,77 Euro nebst 5
Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2019 zu zahlen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Zur mündlichen
Verhandlung am 17.01.2023 ist der Kläger nicht erschienen, sodass ein
klagabweisendes Versäumnisurteil gegen ihn ergangen ist. Gegen das
Versäumnisurteil vom 17.01.2023, das dem Kläger am 23.01.2023 zugestellt worden
ist, hat der Kläger mit einem bei Gericht am 25.01.2023 eingegangenen
Schriftsatz Einspruch erhoben.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Der Kläger beantragt nunmehr,<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">das
Versäumnisurteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 17.01.2023 aufzuheben und
die Beklagten gesamtschuldnerisch nach Maßgabe des Antrags zu 1 aus dem
Schriftsatz vom 27.09.2022 und der Anträge zu 2 bis 3 aus der
Anspruchsbegründung vom 20.07.2022 zu verurteilen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die Beklagten beantragen,<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">das
Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Beklagte zu
1) meint, sie treffe keine Verantwortlichkeit für die Verkehrssicherheit der
Abstellplätze vor den Ladestationen. Diese obliege den Bezirksämtern. Die
Beklagte zu 2) meint, sie sei ebenfalls nicht für die Pflege und Herrichtung
der die Straßenbeleuchtung umgebenden Flächen zuständig. Das Unfallereignis
falle zudem nach der Darstellung des Klägers in dessen eigenen
Verantwortungsbereich. Den Kläger treffe nach seiner eigenen Schilderung eine
so erhebliche Verantwortung an dem behaupteten Schaden, dass ein - ohnehin
nicht gegebenes - Verschulden der Beklagten zu 2) vollständig zurücktreten
würde. Neben der Betriebsgefahr des Fahrzeugs, die sich der Kläger zurechnen
lassen müsse, habe er sich verkehrsordnungswidrig im Sinne von § 12 Abs. 4
und Abs. 4 a StVO verhalten und entgegen der Fahrtrichtung geparkt, was
die alleinige Ursache für die angebliche Beschädigung gewesen sei.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Hinsichtlich
des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien
nebst Anlagen Bezug genommen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Entscheidungsgründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>I.</b> Der
Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts
Hamburg-Barmbek vom 17.01.2023 ist zulässig, insbesondere rechtzeitig binnen
der Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO erhoben worden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>II.</b> Der
Einspruch hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber
unbegründet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Kläger
verlangt zu Unrecht von den Beklagten zuletzt die Zahlung von 3.532,19 Euro
nebst Zinsen und von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64
Euro nebst Zinsen. Dem Kläger stehen weder Ansprüche aus § 823
Abs. 1, Abs. 2 bzw. § 823 in Verbindung mit § 31 BGB, aus
§ 831 BGB noch aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 in
Verbindung mit § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Der
Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten aus § 823 Abs. 1,
Abs. 2 in Verbindung mit § 31 BGB oder aus § 831 BGB, denn es
fehlt bereits an der Verletzung einer diesen obliegenden
Verkehrssicherungspflicht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Eine
Verkehrssicherungspflicht verpflichtet den, der für den Bereich der
Gefahrenquelle verantwortlich ist und in der Lage ist, die zur Gefahrenabwehr
erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Verkehrssicherungspflicht für
öffentliche Straßen bildet einen Unterfall der allgemeinen
Verkehrssicherungspflicht für Gefahrenquellen. Sie beruht darauf, dass von der
Straße durch die Zulassung des öffentlichen Verkehrs Gefahren für Dritte
ausgehen. Der Verkehrssicherungspflichtige hat daher im Rahmen des Zumutbaren
mit geeigneten Maßnahmen dafür zu sorgen, dass sich die Straße in einem Zustand
befindet, der ihre bestimmungsgemäße Verwendung so gefahrlos wie möglich
zulässt, und die Verkehrsteilnehmer vor gleichwohl verbleibenden Gefahren der
Straße zu schützen (BeckOK BGB/Förster, 65. Ed. 01.02.2023, § 823 Rn. 600
m.w.N.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Inhalt der
Sicherungspflicht richtet sich bei öffentlichen Parkplätzen ebenso wie bei
Fahrbahnen nicht nur auf die Beschaffenheit der Verkehrseinrichtung selbst,
sondern ganz allgemein auf die Abwehr derjenigen Gefahren, die den
Verkehrsteilnehmern aus ihrer Benutzung drohen. Sie beschränkt sich daher nicht
auf die Parkfläche und die Zufahrtswege, sondern bezieht auch „Zubehör”, wie
Beleuchtungseinrichtungen, mit ein. Die Pflicht umfasst räumlich den gesamten
Parkplatz bis zu der dem Verkehrsteilnehmer erkennbaren Grenze.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Bei der
Erkennbarkeit von Gefahren im Parkplatzbereich sind selbst ungünstigste
Wahrnehmungsbedingungen mit einzukalkulieren, sodass etwa Vorsorge dagegen
getroffen werden muss, dass Hindernisse wegen einer geschlossenen Schneedecke,
Dunkelheit oder Nebel nicht rechtzeitig erfasst werden (bei einem Baumstumpf
OLG Hamm, Urteil vom 31.01.2012 - 9 U 143/11, BeckRS 2012, 5480, zitiert nach
beck-online). Gleiches gilt aus Sicht des Gerichts für die Bedeckung mit Laub.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b)</b>
Adressat der Verkehrssicherungspflicht ist bei öffentlichen Straßen derjenige,
der die von der Straße ausgehende Gefahrenlage durch Zulassung des öffentlichen
Verkehrs geschaffen hat und der rechtlich wie praktisch in der Lage ist, auf
diese Gefahrenlage einzuwirken. Die dafür notwendige Verfügungsgewalt besitzt,
wer für die Verwaltung der Straße zuständig ist, mit anderen Worten der Träger
der Straßenbaulast (OLG Dresden, Urteil vom 20. 12. 2000 - 6 U 1889/00, BeckRS
2001, 20633, zitiert nach beck-online; bei einem Baumstumpf OLG Hamm,
Hinweisbeschluss vom 11.08.2022 – 11 U 184/21, BeckRS 2022, 26934, zitiert nach
beck-online; LG Köln, Urteil vom 3.11.2022 - 5 O 94/22, BeckRS 2022, 35733,
zitiert nach beck-online). Selbst wenn die konkret durchzuführenden Arbeiten
auf ein anderes Unternehmen übertragen werden, verbleiben Aufsichts- und
Überwachungspflichten (OLG Schleswig, Urteil vom 18.06.2015 - 7 U 143/14,
BeckRS 2015, 20764, zitiert nach beck-online).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>c)</b> Die
Beklagten sind unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hinsichtlich des
Baumstumpfes neben der Stellfläche an der Ladestation nicht Adressaten der
Verkehrssicherungspflicht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Beklagte zu
1) betreibt das Stromnetz der Freien- und Hansestadt Hamburg (FHH). Dabei
stellt sie auch Ladesäulen zur Verfügung und versorgt diese mit Elektrizität.
Daraus erwächst jedoch keine originäre Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich
der Vegetation der angrenzenden Parkplätze. Auch hat der Kläger nicht
dargelegt, dass die FHH ihre Verkehrssicherungspflicht auf die Beklagte zu 1)
übertragen hat oder der Baum durch die Beklagte zu 1) so abgeschnitten bzw.
gefällt wurde, dass der restliche Baumstumpf so verblieben ist, dass er von
Laub verdeckt sein kann.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Beklagte zu
2) betreibt die öffentliche Außenbeleuchtung. Sie trifft keine originäre
Pflicht zur Pflege und Herrichtung der Flächen um die Straßenbeleuchtung herum.
Auch hat der Kläger nicht dargelegt, dass die FHH ihre
Verkehrssicherungspflicht auf die Beklagte zu 2) übertragen hat. Soweit der
Kläger in der mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen das
Versäumnisurteil am 28.02.2023 erstmals ausgeführt hat, dass der Baumstumpf
noch immer zurück geschnitten werde, was die Beklagte zu 2) durchgeführt oder
verantwortet habe, ist dieser - beklagtenseits bestrittene - Vortrag viel zu
unkonkret und jedenfalls verspätet im Sinne von § 296 ZPO.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>d)</b> Ob
die Freie- und Hansestadt Hamburg als Trägerin der Wegebaulast (§§ 12, 13
Hamburgisches Wegegesetz - HWG) eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat,
kann im hiesigen Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2)
dahinstehen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>e)</b>
Mangels Verletzung einer den Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht
kommt es nicht auf die Frage an, ob den Kläger ein Mitverschulden im Sinne von
§ 254 BGB trifft.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>2.</b>
Darüber hinaus haftet die Beklagte zu 1) auch nicht aus §§ 280
Abs. 1, 241 Abs. 2 in Verbindung mit § 311 Abs. 2
Nr. 2 BGB.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Auch im Rahmen
der vorvertraglichen Haftung hinsichtlich eines Kaufvertrags über sonstige
Gegenstände (für Strom BeckOGK/Wilhelmi, 1.8.2022, BGB § 453 Rn. 179,
zitiert nach beck-online) ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 1) wegen
des Aufstellens und Betreibens der Ladesäule die Nebenpflicht trifft, die an
die Ladesäule angrenzenden öffentlichen Parkplätze und die an diese angrenzende
Vegetation derart zu überwachen und zu pflegen, dass die Ladesäule gefahrlos
angefahren werden kann.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>3.</b>
Mangels Hauptforderung bestehen auch die geltend gemachten Nebenforderungen auf
Zahlung von Zinsen und von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>III.</b> Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>IV.</b> Die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708
Nr. 11, 711 ZPO.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-68679593821399074042024-01-28T19:18:00.003+01:002024-01-29T06:37:00.418+01:00Keine Kostenerstattung des Berufungsgegners bei Berufungsrücknahme ?<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj9M8JmdSzw9KbbMI29qXJHfpy7jkzZjiUWeAmebwLHjzHVKyCGolm9yIVtLRKQZ1I9X9Bh6O9CJdjOS8CK5H1k96JabL2bdT1hyphenhyphenY3izQSSpEHsC8KhR1tKscYWs5DQo-Z6obqURaQJ1EJfoNJxscSiKSIXWBqVKOaRx_J7xTSCbaoBSC6PEH76qGyCb3Mq/s1280/paragraph-736864_1280.tiff" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="745" data-original-width="1280" height="186" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj9M8JmdSzw9KbbMI29qXJHfpy7jkzZjiUWeAmebwLHjzHVKyCGolm9yIVtLRKQZ1I9X9Bh6O9CJdjOS8CK5H1k96JabL2bdT1hyphenhyphenY3izQSSpEHsC8KhR1tKscYWs5DQo-Z6obqURaQJ1EJfoNJxscSiKSIXWBqVKOaRx_J7xTSCbaoBSC6PEH76qGyCb3Mq/s320/paragraph-736864_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der Kläger hatte gegen ein
klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt. Vom Landesarbeitsgericht
(LAG) wurde die Berufungsbegründungsschrift dem Beklagten zugeleitet und gleichzeitig
am 10.10.2022 wurden beide Parteien darauf hingewiesen, dass wegen Nichtwahrung
der Frist Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung bestünden und beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlugn als unzulässig zu verwerfen. Danach meldeten
sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu den Akten (Schriftsatz vom
14.10.2022), mit dem diese die Verwerfung der Berufung wegen Nichteinhaltens
der Berufungsbegründungsfrist beantragten. Vom Kläger wurde – ohne dass ein
Wiedereinsetzungsantrag gestellt wurde – an der Berufung zunächst festgehalten
(Schriftsatz vom 12.10.2022), allerdings dann nach einem weiteren Hinweis des
Gerichts am 03.11.2022 zurückgenommen. Mit Beschluss vom 24.11.2022 wurden dem
Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Beklagte beantragte (unter Geltendmachung
einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 VV RVG) die Kostenfestsetzung
gegen den Kläger. Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück. Dagegen erhob die
Beklagte sofortige Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abhalf und diese
dem LAG vorlegte. Die sofortige Beschwerde wurde vom LAG zurückgewiesen,
allerdings die vom Kläger eingelegte Rechtsbeschwerde zugelassen, der das BAG im
Sinne der Beklagten abhalf.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das Arbeitsgericht habe nicht
verkannt, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine anwaltliche
Tätigkeit entfaltet hätten, die die geltend gemachte Verfahrensgebühr ausgelöst
habe. Die Verfahrensgebührt nach Nr. 3200 VV RVG würde die gesamte Tätigkeit
des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit abgelten,
wozu auch Neben- und Abwicklungstätigkeiten zählen würden. Dazu gehöre auch der
Empfang von Rechtsmittelschriften, § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG, ebenso wenn er
Informationen entgegennehme würde oder mit seinem Mandanten bespreche, wie er
auf das von der Gegenseite eingelegte Rechtsmittel reagieren soll. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Hier sei die Tätigkeit, die noch zur 1.
Instanz zählt, über diese beschriebene Neben- und Abwicklungstätigkeit
hinausgegangen, indem mit Schriftsatz vom 14.10.2022 die Vertretung gegenüber
dem LAG angezeigt und ein Antrag gestellt worden sei.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO habe
die unterlegene Partei, in den Fällen der §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 der
Berufungskläger, die dem Gegner zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen
Kosten zu erstatten. § 91 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 ZPO bildet dazu eine Ausnahme,
als in diesen Fällen von der grundsätzlich gebotenen Prüfung der Notwendigkeit
entstandener Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung abgesehen würde. § 91 ZPO gelte auch für Rechtsmittelverfahren
nach dem Arbeitsgerichtsgesetz, da die §§ 64 Abs. 7, 72 Abs. 6 ArbGG nicht auf
§ 12a ArbGG Bezug nehmen würde.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Allerdings unterliege die
Rechtsausübung in Zivilverfahren (und <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>so
auch in Arbeitsgerichtsverfahren) und die Durchsetzung des Anspruchs aus § 91
Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 ZPO dem aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgeleiteten
Missbrauchsverbot. Dieses gebiete den Prozessparteien, die Kosten ihrer
Prozessführung, die sie im Fall ihres Obsiegens von der Gegenseite erstattet
haben will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer
berechtigten Belange vereinbaren lasse. Ein Verstoß dagegen könne dazu führen,
dass angemeldete (Mehr-) Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren abgesetzt werden,
wobei gesetzlich vorgesehene Wahlmöglichkeiten unberührt blieben(BAG, Beschluss
vom 18.11.2015 - 10 AZB 43/15 -). Auch wenn es für die zweckentsprechend
verursachten Kosten nicht darauf ankäme, dass bei einem Verfahren kein Anwaltszwang
bestünde, könnt allerdings jeder Beteiligte sich eines Rechtsanwalts bedienen,
ohne deshalb Kostennachteile befürchten zu müssen. Maßgeblich käme es nur
darauf an, ob eine verständige Prozesspartei in der gleichen Situation
ebenfalls einen Rechtsanwalt beauftragt hätte, was für einen Rechtsmittelgegner
regelmäßig anzunehmen sei (BAG aaO.). Das hindere allerdings nicht zu
überprüfen, ob die einzelne Maßnahme des Prozessbevollmächtigten zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war. Der
Prüfungsmaßstab richte sich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich
vernünftig denkende Partei im damaligen Zeitpunkt (ex-ante-Sicht) die
kostenauslösende Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte. Entscheidend ist, ob
ein objektiver Betrachter die Sachdienlichkeit bejahen würde.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Wenn die Maßnahme offensichtlich
nutzlos sei, könne die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht mehr als
sachdienlich angesehen werden. Dies sei z.B. der Fall, wenn mit der Zustellung
der Rechtsmittelschrift zeitgleich das Rechtsmittelgericht mitteilt, aus
formalen Gründen eine Verwerfung des Rechtsmittels ohne mündliche Verhandlung
zu beabsichtigen (BAG aaO.). Gleiches gelte, wenn das Rechtsmittelgericht dem
Rechtsmittelführer darauf hinweise, dass die Begründungsfrist für das
Rechtsmittel nicht eingehalten worden sei und dieser darauf nicht reagiere
(BAG, Beschluss vom 15.03.2022 - 9 AZB 26/21 -).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Soweit die anwaltliche Tätigkeit
der Prozessbevollmächtigten der Beklagten alleine die hier in Rede stehende Verfahrensgebühr
nach Nr. 3201 VV RVG auslöste, sei im damaligen Zeitpunkt aus der ma0gebenden
Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei zur
zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen. Durch die Erwiderung
des Klägers vom 12.10.2022 auf den Hinweis des LAG vom 10.10.2022 sei für die
Beklagte eine als risikobehaftet angesehene Situation eingetreten, die geeignet
gewesen sei, die Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten als erforderlich
erscheinen zu lassen. Sie habe damit rechnen dürfen, dass der Kläger das
Berufungsverfahren trotz des Hinweises des Gerichts durchführen würde. In
dieser Situation sei der Beklagten nicht zuzumuten gewesen, den weiteren
Fortgang des Berufungsverfahrens abzuwarten. Der Kläger habe die Ursache für
das Verhalten der Beklagten gesetzt. Es habe dem Kläger oblegen, durch seien
Prozessbevollmächtigten von einer (eventuell) beabsichtigten Berufungsrücknahme
frühzeitig zu informieren und dadurch für Klarheit zu sorgen (BGH, Beschluss
vom 10.04.2018 - VI ZB 70/16 -).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>BAG, Beschluss vom
15.12.2023 – 9 AZB 13/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">1. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten
wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom
18. Juni 2023 - 26 Ta (Kost) 6036/23 - aufgehoben.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">2. Auf die sofortige Beschwerde der
Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. März 2023
- 56 Ca 3247/21 - in der Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom
12. Mai 2023 abgeändert.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">3. Die nach dem Beschluss des
Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. November 2022
- 5 Sa 827/22 - vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden
Kosten werden auf 1.514,26 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 7. Dezember 2022 festgesetzt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">4. Der Kläger hat die Kosten des
Festsetzungsverfahrens zu tragen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">5. Der Wert des
Beschwerdegegenstands wird auf 1.514,26 Euro festgesetzt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>I.</b> Die
Beklagte begehrt im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens die Erstattung von
Rechtsanwaltsgebühren für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten in der
Berufungsinstanz.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Kläger hat
gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. März
2022 - 56 Ca 3247/21 -, das ihm am 8. August 2022
zugestellt worden ist, am 29. Juli 2022 Berufung eingelegt und diese mit
einem am 6. Oktober 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen
Schriftsatz begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Beklagten die
Berufungsbegründungsschrift zugeleitet und beide Parteien unter dem
10. Oktober 2022 darauf hingewiesen, dass wegen Nichtwahrung der Frist zur
Berufungsbegründung Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden. Die
Begründungsfrist sei am 2. August 2022 angelaufen und habe am
4. Oktober 2022 geendet. Es sei beabsichtigt, die Berufung gemäß
§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG
ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Dem
Kläger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 4. November 2022
gegeben.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Kläger hat
mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2022 mitgeteilt, die Auffassung des
Landesarbeitsgerichts nicht zu teilen. Die Berufungsbegründungsfrist habe erst
am 10. Oktober 2022 geendet. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten
haben mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2022 gegenüber dem
Landesarbeitsgericht ihre Vertretung angezeigt und beantragt, die Berufung des
Klägers zu verwerfen bzw. zurückzuweisen. Nach weiterem gerichtlichen Hinweis
vom 17. Oktober 2022 hat der Kläger die Berufung am 3. November 2022
zurückgenommen. Mit Beschluss vom 24. November 2022 hat das
Landesarbeitsgericht dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Mit Antrag vom
7. Dezember 2022 hat die Beklagte für das Berufungsverfahren
Kostenfestsetzung beantragt und - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren
von Belang - eine 1,1-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3201
VV RVG in Ansatz gebracht. Das Arbeitsgericht hat den
Kostenfestsetzungsantrag mit Beschluss vom 24. März 2023 zurückgewiesen.
Es hat der sofortigen Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen und sie dem
Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die sofortige
Beschwerde mit Beschluss vom 18. Juni 2023 zurückgewiesen und die
Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde macht die Beklagte
geltend, die Sachanträge vom 14. Oktober 2022 seien als Maßnahmen zur
zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>II.</b> Die
statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im
Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet. Das
Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die
Beklagte kann vom Kläger die Erstattung ihrer Rechtsanwaltskosten für das
Berufungsverfahren verlangen. Ihre Prozessbevollmächtigten können für ihr
Tätigwerden zumindest eine 1,1-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3201
VV RVG sowie die Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG zuzüglich
Umsatzsteuer beanspruchen. Die Verfahrensgebühr ist entgegen der Auffassung des
Landesarbeitsgerichts auch erstattungsfähig iSd. § 91 ZPO.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Das
Landesarbeitsgericht hat zutreffend unter Darstellung der Senatsrechtsprechung
und der des Bundesgerichtshofs erkannt, dass die Prozessbevollmächtigten der
Beklagten eine anwaltliche Tätigkeit entfaltet haben, die die zuletzt zur
Erstattung verlangte 1,1-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG
ausgelöst hat.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Nach
§ 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren die gesamte Tätigkeit des
Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Zum jeweiligen
Rechtszug gehören dabei auch Neben- und Abwicklungstätigkeiten (§ 19
Abs. 1 Satz 1 RVG). In § 19 Abs. 1 Satz 2 RVG hat der
Gesetzgeber anhand von Regelbeispielen Tätigkeiten aufgeführt, die er als zum
Rechtszug gehörig ansieht. Nach Nr. 9 dieser Bestimmung zählt dazu auch
die Empfangnahme von Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den
Auftraggeber.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Die
Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG entsteht, wenn der Rechtsanwalt
in irgendeiner Weise über die genannten Neben- und Abwicklungstätigkeiten
hinaus im Rahmen der Erfüllung seines Prozessauftrags tätig geworden ist. Eines
nach außen erkennbaren Tätigwerdens bedarf es nicht; es genügt das Betreiben
des Geschäfts einschließlich der Information des Mandanten. Der Rechtsanwalt
hat die Gebühr verdient, wenn er Informationen entgegennimmt oder mit seinem
Mandanten bespricht, wie er auf das von der Gegenseite eingeleitete
Rechtsmittel reagieren soll. Auch die interne Prüfung, ob ein Mandant sich
gegen das eingelegte Rechtsmittel wehren soll, lässt die Verfahrensgebühr
entstehen (vgl. BGH 25. Oktober 2012 - IX ZB 62/10 -
Rn. 11 mwN).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>c)</b> Wenn
der Auftrag des Rechtsanwalts durch Rücknahme des Rechtsmittels endet, bevor
ein Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht worden
ist (vgl. zum Begriff des Einreichens BGH 7. Februar 2018
- XII ZB 112/17 - Rn. 12, BGHZ 217, 287), wird die
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3201 VV RVG auf 1,1 ermäßigt. Dies setzt
voraus, dass der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelgegners aufgrund eines
ihm erteilten Auftrags schon vor der Rücknahme des Rechtsmittels das Geschäft
iSv. Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG betrieben hat
(vgl. BGH 5. Oktober 2017 - I ZB 112/16 - Rn. 13).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>d)</b> Die
Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben Tätigkeiten entfaltet, die über
Neben- und Abwicklungstätigkeiten iSv. § 19 Abs. 1 Satz 2
Nr. 9 RVG hinausgehen, indem sie mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2022
gegenüber dem Landesarbeitsgericht ihre Vertretung angezeigt und beantragt
haben, die Berufung des Klägers zu verwerfen bzw. zurückzuweisen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Die
Kosten der Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind entgegen
der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch in vollem Umfang gemäß § 91
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO erstattungsfähig.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Nach
§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei - und
in den Fällen der §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO der
Berufungskläger - die dem Gegner erwachsenden Kosten zu tragen, soweit
diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
notwendig waren. Für die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts
der obsiegenden Partei regelt § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1
ZPO, dass diese in allen Prozessen zu erstatten sind. Die Vorschrift bildet
insofern eine Ausnahme, als sie für ihren Anwendungsbereich von der
grundsätzlich gebotenen Prüfung der Notwendigkeit entstandener Kosten zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbindet (BGH
7. Februar 2018 - XII ZB 112/17 - Rn. 17 mwN, BGHZ 217,
287; BAG 18. November 2015 - 10 AZB 43/15 - Rn. 18
mwN, BAGE 153, 261).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b>
Allerdings unterliegt die Rechtsausübung im Zivilverfahren und damit auch die
Durchsetzung des Anspruchs aus § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1
ZPO dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>aa)</b> Nach
diesem Grundsatz trifft jede Prozesspartei die Verpflichtung, die Kosten ihrer
Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen
will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten
Belange vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann dazu
führen, dass das Festsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich zu
qualifizieren ist und die unter Verstoß gegen Treu und Glauben zur Festsetzung
angemeldeten Mehrkosten vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren
abzusetzen sind. Gesetzlich eingeräumte Wahlmöglichkeiten bleiben jedoch
unberührt (BAG 18. November 2015 - 10 AZB 43/15 -
Rn. 20 mwN, BAGE 153, 261).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>bb)</b> Die
gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts gelten unabhängig von den
konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursachte Kosten. Ohne
Bedeutung ist deshalb, ob für das einzelne Verfahren Anwaltszwang besteht; eine
Partei soll sich im Prozess grundsätzlich anwaltlicher Hilfe bedienen können,
ohne Kostennachteile befürchten zu müssen. Im Kostenfestsetzungsverfahren nach
§§ 103 ff. ZPO ist daher grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Partei
für das Verfahren einen Rechtsanwalt beauftragen durfte und dies objektiv
notwendig war. Maßgeblich ist allein die Frage, ob eine verständige
Prozesspartei in der gleichen Situation ebenfalls einen Anwalt beauftragt
hätte, was für einen Rechtsmittelgegner der Regelfall ist (BAG
18. November 2015 - 10 AZB 43/15 - Rn. 21 mwN,
BAGE 153, 261).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>cc)</b>
§ 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO hindert andererseits nicht
zu überprüfen, ob die einzelne Maßnahme des Prozessbevollmächtigten zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war.
Prüfungsmaßstab ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende
Partei die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich
ansehen durfte. Abzustellen ist mithin auf die Sicht der Partei in der
konkreten prozessualen Situation und dann zu beurteilen, ob ein objektiver
Betrachter aus diesem Blickwinkel die Sachdienlichkeit bejahen würde. Die
Notwendigkeit bestimmt sich daher aus der „verobjektivierten“ ex-ante-Sicht der
jeweiligen Prozesspartei und nicht nach einem rein objektiven Maßstab (BGH
10. April 2018 - VI ZB 70/16 - Rn. 10; 7. Februar
2018 - XII ZB 112/17 - Rn. 24, BGHZ 217, 287). Danach kann
die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht als zweckentsprechend angesehen
werden, wenn sie offensichtlich nutzlos ist. Dies kann beispielsweise der Fall
sein, wenn dem Rechtsmittelgegner gleichzeitig mit der Zustellung der
Rechtsmittelschrift vom Rechtsmittelgericht mitgeteilt wird, dass aus formalen
Gründen eine Verwerfung des Rechtsmittels ohne mündliche Verhandlung
beabsichtigt sei und deshalb für ihn keine als risikohaft empfundene Situation
besteht (BAG 18. November 2015 - 10 AZB 43/15 - Rn. 22
mwN, BAGE 153, 261). Eine anwaltliche Tätigkeit kann auch dann nicht
notwendig sein, wenn das Gericht den Rechtsmittelführer darauf hinweist, dieser
habe versäumt, sein Rechtsmittel in der dafür vorgesehenen Frist zu begründen,
und dieser weder Stellung nimmt noch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand nach § 233 ZPO stellt (vgl. BAG 15. März 2022
- 9 AZB 26/21 - Rn. 16 nv.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>dd)</b> Die
vorstehend genannten Grundsätze gelten auch für die Rechtsmittelverfahren nach
dem Arbeitsgerichtsgesetz. § 91 ZPO gilt im Berufungs- und
Revisionsrechtszug uneingeschränkt, da es insoweit an einer Bezugnahme in
§ 64 Abs. 7, § 72 Abs. 6 auf § 12a ArbGG fehlt (BAG
18. November 2015 - 10 AZB 43/15 - Rn. 23 mwN,
BAGE 153, 261).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>c)</b>
Danach war die seitens der Prozessbevollmächtigten der Beklagten erbrachte
anwaltliche Tätigkeit, zumindest soweit sie die allein in Rede stehende
ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG auslöste, im
damaligen Zeitpunkt aus der maßgebenden Sicht einer verständigen und
wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei zur zweckentsprechenden
Rechtsverteidigung notwendig. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das
Landesarbeitsgericht die Parteien bereits bei Zuleitung der Berufungsbegründungsschrift
an die Beklagte unter dem 10. Oktober 2022 darauf hingewiesen hat, dass
wegen Nichtwahrung der Frist zur Berufungsbegründung beabsichtigt sei, die
Berufung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 66 Abs. 2
Satz 2 ArbGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig zu
verwerfen. Denn der Kläger hat die ihm vom Landesarbeitsgericht eingeräumte
Gelegenheit zur Stellungnahme genutzt und ist mit Schriftsatz vom
12. Oktober 2022 der Auffassung des Landesarbeitsgerichts
entgegengetreten. Durch die Erwiderung des Klägers auf den gerichtlichen
Hinweis entstand für die Beklagte eine als risikohaft empfundene Situation, die
geeignet ist, das Tätigwerden ihrer Prozessbevollmächtigten als erforderlich
erscheinen zu lassen. Sie durfte damit rechnen, dass der Kläger das
Berufungsverfahren trotz des gerichtlichen Hinweises durchzuführen
beabsichtigt. Da die einem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf ausgesetzte Partei
regelmäßig nicht selbst beurteilen kann, was zur Rechtsverteidigung zu
veranlassen ist, kann ihr in einer solchen Situation nicht zugemutet werden,
zunächst den weiteren Fortgang des Berufungsverfahrens abzuwarten. Der Kläger
hat vielmehr durch seine Reaktion auf den gerichtlichen Hinweis die Ursache
dafür gesetzt, dass die Beklagte Maßnahmen zu ihrer Rechtsverteidigung für
erforderlich halten durfte. Es hätte dem Kläger oblegen, durch seine
Prozessbevollmächtigten die Gegenseite von einer (eventuell) beabsichtigten
Berufungsrücknahme frühzeitig zu informieren und dadurch für Klarheit zu sorgen
(vgl. BGH 10. April 2018 - VI ZB 70/16 - Rn. 14;
7. Februar 2018 - XII ZB 112/17 - Rn. 28, BGHZ 217,
287; 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02 - zu II 3 c der Gründe).
Aus der Sicht einer vernünftig und wirtschaftlich denkenden Partei bestand
daher ausreichender Anlass, durch Anwaltsschriftsatz einen Berufungsgegenantrag
zu stellen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>3.</b>
Aufgrund des von der Beklagten angegebenen abzugsfähigen Vorsteueranteils von
5,81 vH war bei der Festsetzung eine Umsatzsteuer von 13,19 vH
anzusetzen. Die Beklagte hat die hierfür nach § 104 Abs. 2
Satz 3 ZPO erforderliche Erklärung abgegeben. Danach war die beantragte
Mehrwertsteuer ohne weitere Prüfung als vom Kläger zu erstattende Kosten
festzusetzen. Die von der Beklagten geltend gemachten Umsatzsteuerbeträge
könnten mithin nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Richtigkeit ihrer
Erklärung nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO durch entsprechenden
- von dem Kläger zu erbringenden - Beweis bereits entkräftet wäre
oder sich eine offensichtliche Unrichtigkeit der Erklärung aus anderen, dem
Gericht bekannten Umständen, etwa dem Akteninhalt, zweifelsfrei ergäbe (vgl.
BGH 10. Februar 2003 - VIII ZB 92/02 -
zu II 2 der Gründe). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>4.</b> Die
im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kosten sind nach § 104
Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verzinsen. Der Verzinsungszeitraum beginnt mit
dem Tag des Eingangs des Festsetzungsantrags (vgl. BGH 4. November 2020
- VII ZB 37/18 - Rn. 18; 22. September 2015
- X ZB 2/15 - Rn. 10; Zöller/Herget ZPO 34. Aufl.
§ 104 Rn. 6).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>III.</b> Der
Kläger hat die Kosten des Festsetzungsverfahrens zu tragen (§ 91
Abs. 1 ZPO). Gerichtskosten fallen bei einer der sofortigen Beschwerde und
der Rechtsbeschwerde stattgebenden Entscheidung nicht an (vgl. Nr. 8614,
8623 VV GKG).</p>Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-54698201731875553292024-01-25T18:23:00.007+01:002024-01-25T18:55:31.689+01:00Smartphone-Verbot am Arbeitsplatz und Mitbestimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjBcy5vvI4GRrLVcd0cSjp-N4krdbm9ZJs4yLFaquk1LzkYqbdE8jizvmApz9Pm1OAPxY1kY4M8wp95AViQGDEQmtbUjmxc9OGWz4JPEmmTH0g6ZhINi6K5IpRLtUk9N78wmjgdS_XcXrx-GhJNmUAAU8o7AiTp8meUX-0KAMT6Lms_EfvGm6_VtSjmwInN/s1280/office-620822_1280.tiff" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="850" data-original-width="1280" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjBcy5vvI4GRrLVcd0cSjp-N4krdbm9ZJs4yLFaquk1LzkYqbdE8jizvmApz9Pm1OAPxY1kY4M8wp95AViQGDEQmtbUjmxc9OGWz4JPEmmTH0g6ZhINi6K5IpRLtUk9N78wmjgdS_XcXrx-GhJNmUAAU8o7AiTp8meUX-0KAMT6Lms_EfvGm6_VtSjmwInN/s320/office-620822_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Arbeitgeberin wies durch
einen Aushang darauf hin, dass „jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu
privaten Zwecken während der Arbeitszeit nicht gestattet“ und bei Verstößen mit
arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung zu rechnen
sei. Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin vergeblich auf, diese Maßnahme
zu unterlassen und verwies dabei auf ein ihm nach seiner Meinung zustehendes
Mitbestimmungsrecht. Er beantragte beim Arbeitsgericht eine Untersagung,
solange er dem Verbot nicht zugestimmt habe oder seine fehlende Zustimmung
durch einen Spruch der Einigungsstalle ersetzt worden sei. Arbeits- und
Landesarbeitsgericht wiesen die sodann gestellten Anträge ab, da sie hier kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sahen. Die Rechtsbeschwerde
des Betriebsrates gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts wurde vom
BAG auch abgewiesen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1
BetrVG solle der Arbeitgeber nur einvernehmlich mit dem Betriebsrat durchführen
dürfen. Da hier das von der Arbeitgeberin ausgesprochene Verbot nicht unter §
87 Abs. 1 BetrVG fake, sei der Beseitigungs- und Unterlassungsantrag des Betriebsrates
abzuweisen. Ein Mitbestimmungsrecht sei ihm hier nicht eingeräumt. Das
Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG beziehe sich auf Fragen der Ordnung
des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Ein
Ordnungsverhalten sei betroffen, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers auf die
Gestaltung des kollektiven Miteinanders oder die Gewährleistung und
Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs ziele. Das Mitbestimmungsrecht,
so das BAG, soll gewährleisten, dass der Arbeitnehmer gleichberechtigt in die
Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens einbezogen würde. Insoweit würde
das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs.1<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Nr. 1 BetrVG die auf die betriebliche Ordnung bezogene Regelungsmacht
des Arbeitgebers einschränken. Allerdings seien Maßnahmen, die das sogen.
Arbeitsverhalten regeln, nicht mitbestimmungspflichtig; es handele sich dabei
um Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar abgefordert oder
konkretisiert würde (BAG, Beschluss vom 17.03.2015 - 1 ABR 48/13 -). </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Bei Auswirkungen sowohl auf das
Arbeits- und Ordnungsverhalten sei der überwiegende Regelungszweck für die
Einordnung maßgeblich (BAG aaO.), der sich nach dem objektiven Inhalt der Maßnahme
und der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens richte und bei der
eine qualitative Gewichtung unter Berücksichtigung des Einzelfalls vorzunehmen
sei. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die hier benannte Maßnahme der
Arbeitgeberin sollte nach Auffassung des BAG die zügige und konzentrierte
Arbeit der Arbeitnehmer sicherstellen. Die Handys würden über eine Vielzahl von
Funktionen verfügen, die die Aufmerksamkeit der Arbeitnehmer binden würden
(Messengerdienste, Internet pp.). Die Verwendungsarten würden sich dadurch
auszeichnen, dass sie jeweils (eine evtl. kurze) aktive Bedienung bedürften,
was währen der Arbeit unterbleiben solle. Daraus ergäbe sich, dass das Verbot
in erster Linie auf die Steuerung des Arbeitsverhaltens gerichtet sei.
Anweisungen, die wie vorliegend die zu verrichtenden Tätigkeiten zwar nicht
unmittelbar konkretisieren, aber gleichwohl ihre Erbringung sicherstellen
sollen, würden das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betreffen; ausdrücklich
würde an einem ggf. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>anderem Verständnis
im Beschluss des Senats vom 14.01.1986 – 1 ABR 75/83 – (dort zu B 2 c und d der
Gründe) nicht festgehalten. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Unerheblich sei, dass sich das
Verbot auch auf das Ordnungsverhalten auswirken könne. Es sei nicht ausgeschlossen,
dass die Nutzung von Mobiltelefonen während der Arbeitszeit das betriebliche Zusammenwirken
berühre (z.B. da laut Musik abgespielt wird). Alleine die Betroffenheit von
Arbeitsverhalten und Ordnungsverhalten habe aber nicht zur Folge, dass damit
die gesamte Maßnahme auf das betriebliche Zusammenleben und kollektive
Zusammenwirken der Arbeitnehmer gerichtet wäre. Entscheidend sei der
überwiegende Regelungszweck. Dieser läge hier in Form der Untersagung auf der
Steuerung des mitbestimmungsfreien Arbeitsverhaltens. Die Nutzung der
wesentlichen Verwendungsarten, insbes. telefonieren, lesen und versenden von
Kurznachrichten, anschauen von Videos, eine Betätigung des Gerätes erfordere
und die Aufmerksamkeit des Nutzers zumindest kurze Zeit beanspruche. Dadurch
könne es zu unkonzentrierten Arbeiten oder zur mangelnden Erledigung anfallender
Nebenarbeiten kommen. Typischerweise beträfe die Untersagung das Arbeitsverhalten. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>BAG, Beschluss vom
17.10.2023 - 1 ABR 24/22 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die
Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts
Niedersachsen vom 13. Oktober 2022 - 3 TaBV 24/22 - wird
zurückgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>A.</b> Die
Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die
Arbeitgeberin stellt Brems- und Kraftstoffsysteme für Fahrzeuge her.
Antragsteller ist der für ihren Betrieb gebildete Betriebsrat.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">An einigen
Arbeitsplätzen in der Produktion sowie den Bereichen Versand und Wareneingang
kommt es zuweilen - etwa aufgrund eines notwendigen Maschinenumbaus oder
ausstehender Wareneingänge - zu Arbeitsunterbrechungen. Während dieser
Zeiten werden die Arbeitnehmer teilweise von der Arbeitgeberin anderweitig
eingesetzt oder sie sollen - ohne konkrete Anweisung im Einzelfall -
anfallende Nebenarbeiten erledigen. Hierzu gehören zB das Aufräumen des
Arbeitsplatzes oder das Nachfüllen von Verbrauchsmaterial.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die
Arbeitgeberin wies die Arbeitnehmer durch eine im Betrieb ausgehängte
Mitarbeiterinformation vom 18. November 2021 mit der Überschrift „Regeln
zur Nutzung privater Handys während der Arbeitszeit“ darauf hin, dass „jede
Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der
Arbeitszeit nicht gestattet“ sei. Bei Verstößen sei mit arbeitsrechtlichen
Konsequenzen „bis hin zur fristlosen Kündigung“ zu rechnen. Der Betriebsrat
forderte die Arbeitgeberin unter Hinweis auf ein Mitbestimmungsrecht vergeblich
auf, diese Maßnahme zu unterlassen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Betriebsrat
hat in dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren die Auffassung vertreten,
die Arbeitgeberin habe mit der einseitigen Anordnung sein Mitbestimmungsrecht
nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verletzt. Das Verbot betreffe das
Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb. Die Verwendung von
Mobiltelefonen und Smartphones kollidiere nicht in jedem Fall mit der
vertraglichen Pflichterfüllung. Das gelte insbesondere für solche Zeiten, in
denen keine Arbeit anfalle.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Der Betriebsrat hat beantragt,<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu
unterlassen, die Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken
während der Arbeitszeit zu verbieten, solange er dem Verbot nicht zugestimmt
hat oder seine fehlende Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt
worden ist;<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">2.<b> </b>der
Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus
dem Antrag zu 1. ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 Euro
anzudrohen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die
Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat gemeint, das
streitbefangene Verbot unterliege nicht der Mitbestimmung. Es konkretisiere
lediglich die Pflicht der Arbeitnehmer, ihrer Arbeit konzentriert nachzukommen
und betreffe deshalb das Arbeitsverhalten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die
Vorinstanzen haben die Anträge abgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt
der Betriebsrat sein Begehren weiter.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>B.</b> Die
zulässige Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>I.</b> Der
Antrag zu 1. ist nach gebotener Auslegung zulässig.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Mit
dem Antrag soll der Arbeitgeberin untersagt werden, den Arbeitnehmern des
Betriebs (mit Ausnahme der leitenden Angestellten) jede Nutzung von
Mobiltelefonen und Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit zu
verbieten, ohne dass der Betriebsrat diese Maßnahme mitbestimmt hat oder die
fehlende Einigung der Beteiligten hierüber durch Spruch der Einigungsstelle
ersetzt worden ist. Entsprechend dem Anlassfall umfasst das
Unterlassungsbegehren bei gebotener rechtsschutzgewährender Auslegung (vgl.
dazu BAG 28. Juli 2020 - 1 ABR 41/18 - Rn. 11 mwN,
BAGE 171, 340) über den Antragswortlaut hinaus in erster Linie die Beseitigung
des gegenwärtigen - aus Sicht des Betriebsrats
betriebsverfassungswidrigen - Zustands. Zudem erstrebt der Betriebsrat die
Untersagung, entsprechende Anweisungen an die Arbeitnehmer in Zukunft zu
wiederholen (vgl. zum Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch BAG 23. März
2021 - 1 ABR 31/19 - Rn. 84 mwN, BAGE 174, 233).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Der
so verstandene Antrag ist iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
hinreichend bestimmt (vgl. zu den Anforderungen: BAG 22. Januar 2020
- 7 ABR 18/18 - Rn. 14 mwN, BAGE 169, 267;
22. Juli 2014 - 1 ABR 9/13 - Rn. 12). Die
Arbeitgeberin kann eindeutig erkennen, welche Verhaltensweisen sie gegenwärtig
und künftig unterlassen soll, um sich rechtmäßig zu verhalten. Da die Art und
Weise, in der die Arbeitgeberin von ihrem durch Aushang bekundeten Verbot
- für die Arbeitnehmer erkennbar - Abstand nehmen soll, nicht Gegenstand
des Beseitigungsantrags ist, obliegt ihr die Entscheidung darüber.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>II.</b> Der
Antrag zu 1. ist unbegründet. Die Arbeitgeberin hat kein
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>1.</b> In
den Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 BetrVG soll der Arbeitgeber nach
dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers Maßnahmen nur einvernehmlich mit dem
Betriebsrat durchführen können. Verstößt er hiergegen, entsteht ein
betriebsverfassungswidriger Zustand, dem der Betriebsrat durch die
Geltendmachung eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs gegen den Arbeitgeber
und eines entsprechenden Beseitigungsanspruchs entgegenwirken kann (vgl. grdl.
BAG 3. Mai 1994 - 1 ABR 24/93 - zu II B III
der Gründe, BAGE 76, 364). Während der Unterlassungsanspruch auf die
Untersagung künftigen Verhaltens abzielt (vgl. BAG 15. November 2022
- 1 ABR 5/22 - Rn. 21; 8. März 2022 - 1 ABR
19/21 - Rn. 36 mwN), richtet sich der Beseitigungsanspruch darauf,
die unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts eingetretene Lage zu beenden (BAG
23. März 2021 - 1 ABR 31/19 - Rn. 84, BAGE 174,
233).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Die
Voraussetzungen für einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch sind nicht
gegeben. Das von der Arbeitgeberin ausgesprochene Verbot, Mobiltelefone und
Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit zu benutzen, unterfällt
nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b>
Anders als von ihm angenommen, steht ihm kein Mitbestimmungsrecht nach
§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>aa)</b> Nach
§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei Fragen der
Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb
mitzubestimmen. Das Ordnungsverhalten ist berührt, wenn die Maßnahme des
Arbeitgebers auf die Gestaltung des kollektiven Miteinanders oder die
Gewährleistung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs
zielt. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1
Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken
der Arbeitnehmer. Es beruht darauf, dass sie ihre vertraglich geschuldete
Leistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation
erbringen und deshalb seinem Weisungsrecht unterliegen. Das berechtigt den
Arbeitgeber dazu, Regelungen vorzugeben, die das Verhalten der Arbeitnehmer im
Betrieb beeinflussen und koordinieren sollen. Die Mitbestimmung des
Betriebsrats bei diesen Maßnahmen soll gewährleisten, dass die Arbeitnehmer
gleichberechtigt in die Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens einbezogen
werden. Dazu schränkt das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1
Nr. 1 BetrVG die auf die betriebliche Ordnung bezogene Regelungsmacht des
Arbeitgebers ein (BAG 15. November 2022 - 1 ABR 5/22 -
Rn. 23 mwN). Maßnahmen, die das sog. Arbeitsverhalten regeln sollen, sind
demgegenüber nicht mitbestimmungspflichtig. Dabei handelt es sich um solche
Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar abgefordert oder
konkretisiert wird (vgl. BAG 17. März 2015 - 1 ABR 48/13 -
Rn. 22 mwN, BAGE 151, 117).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>bb)</b>
Wirkt sich die arbeitgeberseitige Maßnahme sowohl auf das Arbeits- als auch das
Ordnungsverhalten aus, ist der überwiegende Regelungszweck für die Einordnung
maßgebend (BAG 17. März 2015 - 1 ABR 48/13 - Rn. 22
mwN, BAGE 151, 117). Dieser richtet sich nach dem objektiven Inhalt der
Maßnahme sowie der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens. Dabei
ist eine - qualitative - Gewichtung unter Berücksichtigung der
Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Auf die subjektiven Vorstellungen des
Arbeitgebers kommt es insoweit nicht an (vgl. BAG 17. Januar 2012
- 1 ABR 45/10 - Rn. 22 mwN, BAGE 140, 223).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>cc)</b> Nach
Maßgabe dieser Grundsätze unterliegt die streitbefangene Anordnung der
Arbeitgeberin nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das von ihr ausgesprochene Verbot ist in erster
Linie auf die Steuerung des Arbeitsverhaltens gerichtet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(1)</b> Nach
ihrem objektiven Inhalt zielt die Weisung, während der Arbeitszeit keine
Mobiltelefone oder Smartphones zu privaten Zwecken zu benutzen, darauf ab,
zügiges und konzentriertes Arbeiten der Arbeitnehmer sicherzustellen, indem
mögliche Ablenkungen privater Natur durch die Verwendung dieser Geräte
unterbunden werden sollen. Die genannten Geräte - im allgemeinen
Sprachgebrauch als Handys bezeichnet - verfügen über eine Vielzahl
unterschiedlichster Funktionen, die die Aufmerksamkeit der Arbeitnehmer binden und
sie von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung abhalten oder zumindest ablenken
können. So können neben dem Führen von Telefonaten durch verschiedene
Messengerdienste Sprach- und Wortmitteilungen versendet oder entgegengenommen,
auf die im Internet verfügbaren Inhalte und sozialen Netzwerke zugegriffen,
Filme oder Videos angesehen sowie Musik abgespielt und ggf. elektronische
Spiele gespielt werden. Die genannten - typischen - Verwendungsarten
zeichnen sich dadurch aus, dass sie jeweils eine - ggf. auch nur
kurze - aktive Bedienung des jeweiligen Geräts erfordern. Diese soll
während der Arbeitszeit unterbleiben. Damit ist das von der Arbeitgeberin
ausgesprochene Verbot in erster Linie auf die Steuerung des Arbeitsverhaltens
gerichtet. Auch Anweisungen, die - wie im Streitfall - die zu
verrichtenden Tätigkeiten zwar nicht unmittelbar konkretisieren, aber
gleichwohl ihre Erbringung sicherstellen sollen, betreffen das
mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten (in diesem Sinn auch: von Hoyningen-Huene
Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebs Nr. 10; Hromadka
DB 1986, 1573, 1574). Soweit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
vom 14. Januar 1986 (- 1 ABR 75/83 -
zu B 2 c und d der Gründe, BAGE 50, 330) ein engeres
Verständnis des Begriffs des Arbeitsverhaltens zu entnehmen sein sollte, hält
der Senat daran nicht mehr fest.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(2)</b>
Entgegen der Ansicht des Betriebsrats ist eine andere Beurteilung nicht deshalb
geboten, weil das streitbefangene Verbot Zeiträume mit umfasst, in denen es aus
betrieblichen Gründen zu Arbeitsunterbrechungen kommen kann. Die Arbeitgeberin
ist auch während dieser Zeiten aufgrund ihres Direktionsrechts berechtigt, die
Arbeitsleistung der Arbeitnehmer abzufordern und ihnen bestimmte Aufgaben
zuzuweisen. Darüber hinaus soll die Anordnung sicherstellen, dass die
Arbeitnehmer diese Zeiträume nutzen, um selbständig etwaige Nebenarbeiten
auszuführen. Damit ist insoweit ebenfalls nicht das Ordnungs-, sondern das
- mitbestimmungsfreie - Arbeitsverhalten betroffen. Ob es zu einer
konkreten Beeinträchtigung der Arbeitsleistung durch die Nutzung von Mobiltelefonen
und Smartphones zu privaten Zwecken kommt oder kommen kann, weil gerade keine
Aufgaben zu erledigen sind, ist ohne Belang.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(3)</b>
Unerheblich ist, dass sich das von der Arbeitgeberin ausgesprochene Verbot auch
auf das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer auswirken kann. Zwar ist nicht
ausgeschlossen, dass die Nutzung von Mobiltelefonen und Smartphones während der
Arbeitszeit das betriebliche Zusammenwirken berührt, etwa weil Musik oder
Videos (zu) laut abgespielt werden oder das Führen privater Telefonate andere
Arbeitnehmer stört. Der Umstand, dass eine arbeitgeberseitige Maßnahme nicht
nur das Arbeitsverhalten, sondern - wenngleich in geringem Ausmaß -
auch das Ordnungsverhalten betrifft, hat aber, anders als der Betriebsrat
meint, nicht schon zur Folge, dass damit die gesamte Maßnahme auf das
betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmer
gerichtet wäre (aA DKW/Klebe 18. Aufl. § 87 Rn. 55). Der
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. März 2009
(- 1 ABR 87/07 - Rn. 23, BAGE 129, 364) lässt sich
nichts Gegenteiliges entnehmen, weil dort nicht gleichzeitig das Arbeits- und
das Ordnungsverhalten betroffen waren. Für die Frage, ob eine Maßnahme, die
beide Bereiche berührt, der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegt, ist vielmehr ihr überwiegender
Regelungszweck entscheidend. Im Streitfall liegt der Schwerpunkt der
Untersagung - wie insbesondere ihre Beschränkung auf die Arbeitszeit
erkennen lässt - auf der Steuerung des mitbestimmungsfreien
Arbeitsverhaltens. Die wesentlichen Verwendungsarten von Mobiltelefonen und
Smartphones - insbesondere das Telefonieren, das Lesen und Versenden von
Kurznachrichten, die Nutzung sozialer Medien und das Anschauen von
Videos - erfordern eine Betätigung des Geräts und beanspruchen die
Aufmerksamkeit des einzelnen Arbeitnehmers für eine zumindest kurze Zeit.
Dadurch kann es zu Arbeitsunterbrechungen, zu unkonzentriertem Arbeiten oder
zur mangelnden Erledigung anfallender Nebenarbeiten kommen. Eine entsprechende
Untersagung betrifft deshalb typischerweise und in erster Linie das
Arbeitsverhalten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(4)</b> Für
das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts kommt es zudem nicht darauf an, ob
- wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - eine Nutzung von
Mobiltelefonen und Smartphones als sozialadäquat anzusehen und ein
entsprechendes Verbot mit Blick auf seinen Umfang deshalb individualrechtlich
unzulässig ist oder das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer verletzt. Die
bloße - etwaige - Rechtswidrigkeit einer arbeitgeberseitigen Weisung
begründet weder ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG noch lässt sie dieses entfallen, wenn die tatbestandlichen
Voraussetzungen der Norm vorliegen (vgl. BAG 22. Juli 2008
- 1 ABR 40/07 - Rn. 63, BAGE 127, 146).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(5)</b> Vor
diesem Hintergrund greift auch die vom Betriebsrat erhobene Verfahrensrüge
nicht durch. Von einer näheren Begründung wird daher abgesehen (§ 92
Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564
Satz 1 ZPO).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Der
Betriebsrat kann sein Begehren auch nicht mit Erfolg auf § 87 Abs. 1
Nr. 7 BetrVG stützen. Ein Mitbestimmungsrecht nach dieser Norm ist nur
dann gegeben, wenn eine dem Arbeits- und Gesundheitsschutz dienende gesetzliche
Handlungspflicht des Arbeitgebers besteht, die aufgrund Fehlens zwingender
gesetzlicher Vorgaben betriebliche Regelungen verlangt, um das Ziel des
Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen (BAG 13. September 2022
- 1 ABR 22/21 - Rn. 61; 19. November 2019
- 1 ABR 22/18 - Rn. 28 mwN, BAGE 168, 323). Im
Ausgangsfall fehlt es schon an einer solchen Handlungspflicht der
Arbeitgeberin.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>III.</b> Der
Antrag auf Androhung eines Ordnungsgelds ist dem Senat nicht zur Entscheidung
angefallen. Er ist erkennbar nur für den Fall des Obsiegens mit dem
Unterlassungsantrag gestellt worden. Soweit das Landesarbeitsgericht trotz
Abweisung des Antrags zu 1. über ihn entschieden hat, hat es gegen
§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Sein Beschluss ist aus diesem
Grund zu berichtigen. Die beschwerdegerichtliche Entscheidung ist insoweit
gegenstandslos (vgl. BAG 15. November 2022 - 1 ABR 5/22 -
Rn. 49). Eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedarf es nicht (vgl.
BAG 17. November 2021 - 7 ABR 18/20 - Rn. 28 mwN).<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-43832874969118934592024-01-21T17:52:00.009+01:002024-01-21T18:13:46.088+01:00Erstattung von Gutachterkosten wenn Schadensgutachter und Werkstatt eine Einheit sind ?<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi1i1MD0tBySC9L15l0EGGv5-DEXdRoYkzrcH0kn-GgUbGH8VuCWp2yO040wqnoQj7rCfXkGySNLyxepApEUVXWtAieYZEgztPtCCrSe4jrN8NvZDHQRQg4vzwSE_fmVmvZ-F7eV4OqwQEsdchQDafs4Px4wa-7y2-LEtVov4YlLEL6iQxTqtE6qqHtYvNC/s1280/ai-generated-8367777_1280.tiff" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="964" data-original-width="1280" height="241" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi1i1MD0tBySC9L15l0EGGv5-DEXdRoYkzrcH0kn-GgUbGH8VuCWp2yO040wqnoQj7rCfXkGySNLyxepApEUVXWtAieYZEgztPtCCrSe4jrN8NvZDHQRQg4vzwSE_fmVmvZ-F7eV4OqwQEsdchQDafs4Px4wa-7y2-LEtVov4YlLEL6iQxTqtE6qqHtYvNC/s320/ai-generated-8367777_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Der Kläger hatte
nach einem Verkehrsunfall ein Sachverständigenbüro (eine Gesellschaft bürgerlichen
Rechte [GbR]) mit der Erstellung eines Gutachtens zu den unfallbedingten Schäden
an seinem Fahrzeug beauftragt. Das Gutachten wurde erstellt und mit € 665,26
berechnet, zuzüglich Kosten der Werkstatt für die für die Gutachtenerstellung
zur Verfügung gestellte Hebebühne mit € 184,45. Die Rechnung über € 665,26
wurde von der Beklagten an den Kläger gezahlt. Die restlichen € 184,45 klagte
er ein. Die Beklagte, die Klageabweisung beantragte, erhob Widerklage auf
Rückzahlung der gezahlten € 665,26 mit der Begründung, zwischen dem Sachverständigen
und er Reparaturwerkstatt bestünde Personenidentität. Das Amtsgericht (AG) wies
die Klage ab und gab der Widerklage statt.<o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><o:p> </o:p>Die Haftung der
Beklagten nach §§ 7, 18 StVG iVm. § 115 VVG stand außer Streit. Streitig waren
hier lediglich die Gutachterkosten. Zwar anerkannte das AG, dass die Kosten für
das eingeholte Gutachten zu den Kosten gehören würde, die mit dem Unfall
unmittelbar verbunden seien und deren Vermögensnachteile gemäß § 249 BGB
auszugleichen seien, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des
Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig sei (BGH, Urteil vom
17.12.2019 - VI ZR 315/18 -). Würde das Fahrzeug repariert, diene das Gutachten
eines neutralen Sachverständigen der Kontrolle der von der Werkstatt
angerechneten Kosten durch den Geschädigten und den Schädiger sowie zur
Überzeugung des ersatzpflichtigen Haftpflichtversicherers. Nur wenn sich das
Gutachten nachträglich als ungeeignet erweise und dies vom Geschädigten zu
vertreten sei (z.B. Auswahlverschulden
des Geschädigten), würde dies den Erstattungsanspruch tangieren. Dies sei dann
der Fall, wenn der Geschädigte auf ein Gutachten vertraue, welches nicht frei
sei von dem Verdacht unsachlicher Interessenswahrnehmung (LG München II,
Beschluss vom 16.08.2017 - 8 S 2704/17 -), oder wenn ein Arbeitnehmer des an
der Reparatur interessierten Betriebs oder gar dessen Geschäftsführer bzw.
Gesellschafter als Sachverständiger beauftragt würde (LG Freiburg i. Breisgau,
Urteil vom 25.10.2011 - 9 S 21/11 -).</p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Dass
Amtsgericht sah hier den erheblichen Verdacht einer unsachlichen
Interessenswahrnehmung als gegeben an. Dies leitete es daraus ab, dass dieselbe
GbR Inhaberin sowohl des Sachverständigenbüros wie auch der Reparaturwerkstatt
war. Damit könne das Gutachten seinen Zweck nicht erfüllen, die Kontrolle der
von der Reparaturwerkstatt abgerechneten Kosten und die Überzeugung des
Haftpflichtversicherers zu gewährleisten. Die gelte unabhängig von der Frage,
ob das Gutachten inhaltlich richtig sei. Der Zweck des Gutachtens markiere den
wesentlichen Unterschied zwischen einem bloßen Kostenvoranschlag bei der Reparaturwerkstatt,
weshalb die Erstattungsfähigkeit der Kosten für einen Kostenvoranschlag nicht
zugunsten der Erstattungsfähigkeit der regelmäßig um ein Vielfaches höheren
Kosten eines Gutachtens fruchtbar gemacht werden könnten.</p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Hier treffe den
Kläger auch ein Auswahlverschulden. Er habe zumindest fahrlässig gehandelt und
die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, § 276 Abs. 2 BGB. So
habe er das Gutachten, die Gutachterhilfearbeiten (Hebebühne) und die Reparatur
in einem Formular beantragt, ferner am gleichen Tag in einem Auftragsformular
an de Reparaturwerkstatt erneut Nebenarbeiten für die Erstellung des
Sachverständigengutachtens beauftragt und vorgegeben, dass die Reparatur nach
Maßgabe des Gutachtens erfolgen solle. Diese einheitlichem gemeinsame und
gleichzeitige Auftragserteilung der Arbeiten zur Gutachtenerstellung und Reparatur
habe eine dem Kläger deutlich erkennbare enge Verbindung zwischen dem Sachverständigenbüro
und der Werkstatt aufgezeigt. Das sei auch deshalb für den Kläger erkennbar
gewesen, da das Sachverständigenbüro ausweislich des Gutachtens und die
Werkstatt ausweislich deren Rechnung für die Gutachterhilfe unter der gleichen
Anschrift firmieren würden. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zudem sei
auch der Berater des Klägers ausweislich des Formulars für die umfassende
Auftragserteilung, dessen Nachname auch Teils des Namens der GbR gewesen sei,
die Inhaberin des Sachverständigenbüros sei.</p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Damit hätte der
Kläger erkennen müssen, dass das Gutachten dem Verdacht der unsachlichen
Interessensausübung ausgesetzt sein würde und seinem Zweck der neutralen Schadenskalkulation
nicht erfüllen könne. Auch wenn der Kläger seinen Angaben zufolge
zwischenzeitlich statt der Reparatur eine fiktive Abrechnung verfolgt haben
sollte, bevor er sich wieder zur Reparatur entschieden habe, würde dies das
ursprünglich verwirklichte Auswahlverschulden nicht tangieren können.</p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Im Hinblick
darauf könne der Kläger die Erstattung der € 184,45 nicht verlangen.</p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Die Beklagte
hingegen könne nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB die Rückzahlung der gezahlten
Gutachterkosten von € 665,26 verlange, da diese der Kläger ohne Rechtsgrund
erhalten habe, da der Kläger vorliegend keinen Erstattungsanspruch auf Sachverständigenkosten
(und damit im Zusammenhang stehenden Kosten) habe. Dabei sei unerheblich, ob
die Klägerin die Zahlung an den Kläger oder den Sachverständigen geleistet
habe, da auch im Falle direkter Zahlung an den Sachverständigen dies zugunsten
des Klägers erfolgt wäre (der dem Sachverständigen gegenüber schuldrechtlich
verpflichtet war).</p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b><u>Anmerkung:</u></b>
Das Urteil ist in der Sache zu begrüßen und stellt sich vom Ablauf leider auch
nicht als Einzelfall dar. Immer häufiger werden Kfz-Reparaturwerkstätten mit
Sachverständigen „aus dem eigenen Haus“ angetroffen. Da eine Überprüfung des vom
Geschädigten Sachverständigengutachtens in der Regel durch den Schädiger bzw.
dessen Versicherers durch eigene Begutachtung des beschädigten Kraftahrzeugs nicht
möglich ist, also auf die Grundlagen in dem eingeholten Gutachten abgestellt
werden muss, ist es wichtig, dass eine gewisse Neutralität des Sachverständigen
vorliegt, um seien Befundungen zu Schädigungen pp. überhaupt einer Bewertung
zugrunde legen zu können. An dieser Neutralität fehlt es, wenn der Sachverständige
als Kfz-Werkstattinhaber bzw. Mitarbeiter oder Gesellschafter einer solchen ein
eigenes Interesse an der Reparatur hat und so die Gefahr fehlerhafter
Gutachten, die ggf. infolge erfolgter Reparatur nicht mehr ausreichend geprüft
werden können, besteht. Richtig wird vor diesem Hintergrund vom Amtsgericht
auch davon ausgegangen, dass es auf eine (evtl., gar nicht mehr mögliche)
Prüfung der Richtigkeit des Gutachtachtens ankommen kann, da das dem Erstattungsanspruch
entgegenstehende fehlerhafte Auswahlermessen bereits vor der Gutachtenerstellung
lag.</p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b><u>AG Hanau,
Urteil vom 18.10.2023 - 39 C 30/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">1. Die Klage wird abgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">2. Der Kläger wird verurteilt, an die
Beklagte 665,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz hieraus seit dem 31.05.2023 zu zahlen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der
Kläger zu tragen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">4. Das Urteil
ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten
abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil
insgesamt von der Beklagten gegen ihn vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die
Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tatbestand<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Kläger
begehrt die Zahlung von weiterem Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls,
die Beklagte begehrt die Rückzahlung eines Teils des bereits regulierten
Betrages.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Kläger war
Eigentümer und Fahrer des Pkw, amtliches Kennzeichen: …. Die Beklagte war die
Haftpflichtversicherung des Pkw, amtliches Kennzeichen: …. Am 23.09.2022 kam es
in … zu einem Verkehrsunfall zwischen den beiden Fahrzeugen, für den die
Beklagte dem Grunde nach zu 100 % haftet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Am 26.09.2022
beauftragte der Kläger bei einem Sachverständigenbüro (… GbR) die Erstellung
eines Gutachtens über die unfallbedingt eingetretenen Schäden an seinem Pkw und
bei einer Reparaturwerkstatt (… GbR) die Leistung von Nebenarbeiten für die
Erstellung des Gutachtens sowie die Reparatur seines Pkw. Wegen Einzelheiten
der Aufträge wird auf Bl. 3a f. d.A. verwiesen. Das Sachverständigenbüro
erstellte das Gutachten vom 08.10.2022 (Bl. 5 ff. d.A.) und rechnete seine
Tätigkeit gegenüber dem Kläger mit Rechnung vom 08.10.2022 über 665,26 € (Bl.
36 d.A.) ab. Die Reparaturwerkstatt berechnete dem Kläger für die Nutzung einer
Hebebühne als Gutachterhilfskosten mit Rechnung vom 08.10.2022 insgesamt 184,45
€ (Bl. 15 d.A.). Der Kläger beauftragte vorgerichtlich seine
Prozessbevollmächtigten mit der Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche aus
dem Verkehrsunfall. Die Beklagte zahlte an den Kläger die Kosten gemäß der
Rechnung des Sachverständigenbüros. Im Ergebnis ließ der Kläger seinen Pkw bei
der Reparaturwerkstatt reparieren. Wegen Einzelheiten der vorgerichtlichen
Korrespondenz wird auf Bl. 16 ff., 33, 42 f. u. 69 f. d.A. verwiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Kläger ist
der Ansicht, die Beklagte sei insgesamt zur Übernahme der
Sachverständigenkosten verpflichtet und müsse auch die Kosten für die Nutzung
der Hebebühne übernehmen. Der Kläger behauptet, das Sachverständigenbüro habe
für die Erstellung des Gutachtens die Hebebühne der Reparaturwerkstatt genutzt,
was für die Begutachtung des Klägerfahrzeuges erforderlich gewesen sei. Der
Kläger arbeite nicht im Betrieb der Reparaturwerkstatt. Er habe sich
zwischenzeitlich gemäß Nachricht vom 09.11.2022 im Einverständnis mit der
Reparaturwerkstatt dazu entschieden, die Reparatur nicht zu beauftragen,
sondern den Schaden fiktiv abzurechnen. Erst am 13.11.2022 habe er sich dann
entschieden, seinen Pkw doch bei der Reparaturwerkstatt reparieren zu lassen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Der Kläger beantragt,</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">die Beklagte zu
verurteilen, an ihn 184,45 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem jeweils gültigen EZB-Basiszinssatz seit dem 07.01.2023 zu zahlen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Die Beklagte beantragt,<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">die Klage abzuweisen,<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">sowie widerklagend,</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">den Kläger zu
verurteilen, an sie 665,26 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">Der Kläger beantragt,</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; margin: 0cm 0cm 0cm 1cm; text-align: justify;">die Widerklage
abzuweisen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Beklagte
ist der Ansicht, die im Zusammenhang mit der Gutachtenerstellung entstandenen
Kosten seien wegen einer Interessenkollision zwischen Sachverständigenbüro und
Reparaturwerkstatt nicht erstattungsfähig, was sich aus der Personengleichheit
der beiden Firmen ergebe. Der Kläger habe daher die Gutachterkosten
zurückzuzahlen. Die Beklagte behauptet, das Gutachten sei nicht unabhängig und
unvoreingenommen erstellt worden. Der Kläger sei Werkstattmeister, zumindest
sonstiger Mitarbeiter bei der Reparaturwerkstatt. Dem Kläger sei die
Personenidentität zwischen beiden Firmen bekannt gewesen. Für den Kläger habe
von Beginn an festgestanden, dass sein Pkw in der Reparaturwerkstatt repariert
werden solle.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Wegen weiterer
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Entscheidungsgründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die zulässige
Klage ist unbegründet. Die zulässige Widerklage ist begründet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Kläger kann
von der Beklagten zwar dem Grunde nach aufgrund des Unfalls die umfassende
Zahlung von Schadensersatz verlangen, §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG.
Der Höhe nach muss die Beklagte indes die im Zusammenhang mit der Begutachtung
des Klägerfahrzeuges angefallenen Kosten nicht übernehmen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Dem
Geschädigten steht dem Grunde nach ein Anspruch gegen den Schädiger auf Ersatz
der Kosten eines eingeholten Sachverständigengutachtens zu, denn diese Kosten
gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB
auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur
Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist
(BGH, Urt. v. 17.12.2019 – VI ZR 315/18, juris Rn. 10). Der Geschädigte ist
grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der
Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH, Urt. v. 17.12.2019 – VI
ZR 315/18, juris Rn. 14). Wenn das Fahrzeug repariert wird, dient das Gutachten
eines neutralen Sachverständigen der Kontrolle der von der Werkstatt abgerechneten
Kosten durch den Geschädigten und den Schädiger sowie der Überzeugung des
ersatzverpflichteten Haftpflichtversicherers (LG Freiburg (Breisgau), Urt. v.
25.10. 2011 – 9 S 21/11, juris Rn. 4). Erweist sich das Gutachten nachträglich
als ungeeignet, beeinträchtigt dies den Erstattungsanspruch des Geschädigten
nur, wenn er die Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten hat, ihn also ein
Auswahlverschulden trifft. Letzteres kommt namentlich in Betracht, wenn der
Geschädigte einen erkennbar ungeeigneten Sachverständigen mit der Begutachtung
betraut (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.2.2018 – 1 U 64/17, juris Rn. 11). Dies ist
der Fall, wenn der Geschädigte auf ein Gutachten vertraut, das nicht frei von
dem Verdacht unsachlicher Interessenwahrnehmung ist (LG München II, Beschl. v.
16.08.2017 – 8 S 2704/17, juris Rn. 8) oder wenn ein Arbeitnehmer des an der
Reparatur interessierten Betriebes oder gar dessen Geschäftsführer bzw.
Gesellschafter als Sachverständiger beauftragt wird (LG Freiburg (Breisgau),
Urt. v. 25.10. 2011 – 9 S 21/11, juris Rn. 5).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Vorliegend
besteht der erhebliche Verdacht einer unsachlichen Interessenwahrnehmung.
Dieser ergibt sich daraus, dass dieselbe GbR Inhaberin sowohl des
Sachverständigenbüros, als auch der Reparaturwerkstatt ist. In einem solchen
Fall kann das Gutachten seinen Zweck, die Kontrolle der von der
Reparaturwerkstatt abgerechneten Kosten und die Überzeugung des
Haftpflichtversicherers zu gewährleisten, nicht erfüllen. Dies gilt unabhängig
von der Frage, ob das Gutachten bei objektiver Betrachtung inhaltlich korrekt
ist. Die dargestellten Zwecke eines Gutachtens markieren den maßgeblichen
Unterschied zu einem bloßen Kostenvoranschlag der Reparaturwerkstatt, weshalb
die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Kostenvoranschlags nicht zugunsten
der Erstattungsfähigkeit der regelmäßig um ein Vielfaches höheren Kosten eines
Gutachtens fruchtbar gemacht werden kann.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Den Kläger
trifft ein Auswahlverschulden, denn er hat zumindest fahrlässig gehandelt und
die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, § 276
Abs. 2 BGB. Sein sorgfaltswidriges Verhalten ergibt sich aus folgenden
Umständen: Der Kläger hat das Gutachten, die Gutachterhilfsarbeiten und die
Reparatur gleichzeitig in einem Formular beantragt (Bl. 3a d.A.). In einem am
selben Tag ausgefüllten Auftragsformular an die Reparaturwerkstatt hat er
erneut Nebenarbeiten für die Erstellung des Schadengutachtens beauftragt und
vorgegeben, dass die Reparatur nach Maßgabe des Gutachtens erfolgen soll (Bl. 4
d.A.). Bereits diese einheitliche, gemeinsame und gleichzeitige
Auftragserteilung der Arbeiten hinsichtlich Gutachtenerstellung und Reparatur
haben eine dem Kläger deutlich erkennbare enge Verbindung zwischen dem
Sachverständigenbüro und der Reparaturwerkstatt aufgezeigt. Diese Verbindung
musste der Kläger auch deshalb erkennen, weil das Sachverständigenbüro
ausweislich des Gutachtens (Bl. 5 d.A.) und die Reparaturwerkstatt ausweislich
der Rechnung der Kosten für die Gutachterhilfskosten (Bl. 15 d.A.) unter
derselben Anschrift anzutreffen sind. Schließlich war der Berater des Klägers
ausweislich des Formulars für die umfassende Auftragserteilung, unter anderem
des Reparaturauftrages (Bl. 3a d.A.), Herr …., dessen Nachname auch Teil des
Namens der GbR ist, die Inhaberin des Sachverständigenbüros ist. Angesichts
dieser Umstände musste der Kläger erkennen, dass das Gutachten sich dem
Verdacht unsachlicher Interessenwahrnehmung ausgesetzt sehen würde und seinen
Zweck der neutralen Schadenskalkulation nicht würde erfüllen können. Der Kläger
könnte keine ihm günstigen Rechtsfolgen daraus ableiten, wenn er
zwischenzeitlich anstatt der Reparatur kurzzeitig eine fiktive Abrechnung
verfolgt haben sollte, bevor er wieder zu dem ursprünglichen Reparaturauftrag
zurückgekehrt ist. Ein solcher Ablauf ließe nämlich das einmal verwirklichte
Auswahlverschulden nicht entfallen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Kläger kann
die für eine Nutzung der Hebebühne berechneten Kosten von 184,45 € nicht
erstattet verlangen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Mangels
Bestehens der Hauptforderung besteht auch kein Anspruch hinsichtlich der
Nebenforderungen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die Beklagte
kann gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB die Rückzahlung der bereits für
die Begutachtung regulierten Kosten von 665,26 € von dem Kläger verlangen.
Diesen Betrag hat der Kläger durch Leistung der Beklagten ohne Rechtsgrund
erlangt. Nach obigen Ausführungen kann der Kläger aufgrund des Unfalls keinen
Schadensersatz im Hinblick auf Sachverständigenkosten von der Beklagten
verlangen. Unerheblich ist, ob die Beklagte Zahlung an den Kläger oder an das
Sachverständigenbüro geleistet hat. Hat der Schädiger die
Sachverständigenkosten an diesen gezahlt, kann er gleichwohl den Geschädigten
unmittelbar auf Rückzahlung der Gutachterkosten in Anspruch nehmen, denn die
Zahlung erfolgt – auch wenn sie unmittelbar an den Gutachter erfolgt –
zugunsten des Geschädigten (Wimber, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, 27.
Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 167).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Anspruch
auf die zugesprochenen Zinsen beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die weiteren,
zwischen den Parteien streitigen Umstände können dahinstehen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der Ausspruch
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-61604928148153398262024-01-21T09:37:00.001+01:002024-01-21T09:49:10.999+01:00Sachmangelhaftung: Arglistiges Verschweigen trotz Unkenntnis der Mangelursache<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgRRrJVAy_k2mh9TyrPEB69ezNcBFMyp0IZ178xgt_1JDMU_-9U5fMa7kgjkZ5NRTAGO8kQtjlSygCAtRrxQasYeiJW9snXZwXAltVbwkMUkkPSwGcCPomDXUxud5K1FbjKGF0hrclY6KheR9oHDFMEwXLuK-1VS-AFWjEkZQ2_0xgXBazSOck8-VTjrGpP/s1280/winter-garden-338926_1280.tiff" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="1280" data-original-width="960" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgRRrJVAy_k2mh9TyrPEB69ezNcBFMyp0IZ178xgt_1JDMU_-9U5fMa7kgjkZ5NRTAGO8kQtjlSygCAtRrxQasYeiJW9snXZwXAltVbwkMUkkPSwGcCPomDXUxud5K1FbjKGF0hrclY6KheR9oHDFMEwXLuK-1VS-AFWjEkZQ2_0xgXBazSOck8-VTjrGpP/s320/winter-garden-338926_1280.tiff" width="240" /></a></div><p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Die Kläger
erwarben von den Beklagten mit notariellem Vertrag ein Grundstück mit
Einfamilienhaus; die Sachmängelhaftung wurde ausgeschlossen. Bereits vor dem
Vertragsabschluss war es wiederholt zu Wassereintritten auf die im Maklerexposé
benannte überdachte Terrasse sowohl im Bereich des von den Beklagten selbst
errichteten Kunststoffdaches als auch in dem von dem dachpfannengedeckten
Hausdach überdachten Bereich gekommen, wobei die Beklagten wiederholt
Reparaturen versuchten. Die Kläger leiteten ein selbständiges Beweisverfahren
ein, welches zwei Ursachen für den Wasseraustritt aus den Deckenverkleidungen
ergaben. Die Kläger begehrten die Schadensbeseitigungskosten gemäß dem im
Sachverständigengutachten im Beweisverfahren benannten Kosten sowie weitere
Kosten für eine Notreparatur. Das Landgericht sprach den Klägern einen
Teilbetrag der geltend gemachten (fiktiven) Reparaturkoste und die Kostend er
Notreparatur sowie die anteiligen vorgerichtlichen Anwaltskosten zu. Auf die
Berufung der Kläger sprach das OLG diesen einen weiteren betrag auf die geltend
gemachten Reparaturkosten und anteiligen vorgerichtlichen Anwaltskosten zu. Mit
ihrer Revision begehren die Kläger die weiteren, nicht zugesprochenen
Reparaturkosten, vorgerichtlichen Anwaltsgebühren und die Feststellung der
Ersatzpflicht für sämtliche künftigen Schäden aufgrund der Undichtigkeit.</p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">Der BGH hob das
Urteil des OLG unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses auf. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Zutreffend habe das OLG
festgestellt, dass den Klägern wegen des vereinbarten Ausschlusses der
Sachmängelhaftung in der nach Art. 229 § 58 BGB bis zum 31.12.2021 noch
anwendbaren Fassung gemäß §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1, 3 BGB
zustünde, wenn die Beklagten einen Mangel arglistig iSv. § 444 BGB verschwiegen
hätten. Dies sei der Fall, da die Wassereintritte nach § 434 Abs. 1 BGB a.F.
einen Sachmangel und nicht nur ein Mangelsymptom darstellen würden; das
regelmäßige Eindringen von Wasser stelle sich nicht nur als ein Symptom eines
Mangels, sondern selbst als Sachmangel dar. Ein Mangelsymptom läge nur dann
vor, wenn die Merkmale eines Sachmangels iSv. § 434 Abs. 1 BGB a.F. (noch)
nicht erfüllt seien. So seien Feuchtigkeitsflecken in einem Keller, die auf
einen feuchten Keller schließen ließen, nur ein bloßes Mangelsymptom (BGH,
Urteil vom 16.03.2012 – V ZR 18/11 -).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das OLG hatte eine Arglist der
Beklagten verneint. Dem folgte der BGH nicht. Kläre der Verkäufer den Käufer
eines Hausgrundstücks nicht über Wassereintritte durch ein Terrassendach auf,
handele er arglistig, auch wenn er deren Ursache (nicht) nicht oder nur
teilweise kennen würde.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Arglist verlange Eventualvorsatz;
leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genüge ebenso wenig wie ein
bewusstes Sichverschließen. Arglistiges Verschweigen sei danach dann
anzunehmen, wenn der Verkäufer den Mangel kenne (wobei es ausreichend ist, wenn
er Kenntnis von der Abweichung von einer üblichen Beschaffenheit habe, ohne
dies einem Mangel zuzuordnen) oder ihn zumindest für möglich halte und zugleich
weiß oder jedenfalls damit rechne und billigend in Kauf nehme, dass der Käufer
den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem
vereinbarten Inhalt abschließen würde. Wenn es sich nicht um einen einer
Besichtigung zugänglichen und ohne weiteres erkennbaren Mangel handele, den der
Käufer bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen könne,
müsse der Verkäufer den Käufer aufklären und dürfe sein konkretes Wissen nicht
zurückhalten (BGH, Urteil vom 14.06.2019 – V ZR 73/18 -).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Dabei käme es nur darauf an, ob
der Verkäufer die den Mangel begründenden Umstände kenne, nicht aber (auch)
darauf, dass er daraus den Schluss auf das Vorliegen eines Sachmangels ziehe
(BGH, Urteil vom 12.04.2013 – V ZR 266/11 -). Der BGH wies ergänzend darauf
hin, dass eine entsprechende Offenbarungspflicht zudem auch bei Vorliegen von
Mangelsymptomen bestehen könne, die für den Käufer nicht ohne weiters erkennbar
seien BGH, Urteil vom 09.02.2018 – V ZR 274/16 -). Im Übrigen käme es nicht
darauf an, ob der Verkäufer die Mangelursache kenne oder er nur eine von
mehreren Ursachen kenne. </p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Damit sei vorliegend von Arglist
auszugehen. Die Wassereintritte seien den Klägern von den Beklagten, denen sie
bekannt waren, nicht offenbart. Ob - wie im selbständigen Beweisverfahren
festgestellt – die Ursache nicht nur auf eine Undichtigkeit im Bereich des
Anschlusses des Kunststoffdaches zum Traufbereich des Hausdaches beruhte, sondern
auch auf die durch Abrisse bedingte Undichtigkeit der unter den Dachpfannen
verlegten Folie in den Anschlussbereichen zum Traufbereich und zu den
Dachfenstern zurückzuführen war, sei dabei unerheblich. <o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Auch sei die Revision im Hinblick
auf den Feststellungsantrag begründet. Ob über die geltend gemachten
Zahlungsansprüche eine hinausgehende Haftung der Beklagten in Betracht käme,
sei keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Feststellungsklage.
Die Begründetheit könne in Ansehung der Ausführungen zum Schadensersatzanspruch
nicht verneint werden. Es bestünde auch - schon in Ansehung der durch die
fiktive Geltendmachung des Schadensersatzes
bei Durchführung der Arbeiten zu zahlenden Umsatzsteuer - ein
Feststellungsinteresse, um den Anspruch nicht verjähren zu lassen. </p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;"><b><u>BGH, Urteil vom 27.10.2023
- V ZR 43/23 -</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Auf die
Revision der Kläger wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Hanseatischen
Oberlandesgerichts in Bremen vom 10. Februar 2023 im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als die Berufung wegen der Zahlung weiterer 22.448,97 € (22.200 € +
248,97 €) nebst Zinsen und weiterer außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in
Höhe von 704,48 € nebst Zinsen sowie der Feststellung der Ersatzpflicht der
Beklagten für künftige weitere Schäden aufgrund der Undichtigkeit des Daches
zurückgewiesen worden ist. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Im Umfang der
Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p><b style="text-align: justify;">Tatbestand:</b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Mit notariellem
Vertrag vom 7. Juni 2016 erwarben die Kläger von den Beklagten ein mit einem
Einfamilienhaus bebautes Grundstück unter Ausschluss der Sachmängelhaftung.
Bereits vor Abschluss des Kaufvertrags war es bei Regen wiederholt zu
Wassereintritten auf die in dem Maklerexposé genannte überdachte Terrasse
gekommen, und zwar sowohl in dem Bereich des von dem Beklagten zu 2 selbst
errichteten Kunststoffdachs als auch in dem von dem dachpfannengedeckten
Hausdach überdachten Bereich; der Beklagte zu 2 hatte mehrere Reparaturversuche
an dem Anschluss des Kunststoffterrassendachs zu dem Traufbereich des Hausdachs
unternommen. Im Juni 2017 leiteten die Kläger ein selbständiges Beweisverfahren
ein. Hierbei ergaben sich zwei voneinander unabhängige Ursachen für den
Wasseraustritt aus der Deckenverkleidung in dem bereits von dem Hausdach
überdachten Bereich der Terrasse, nämlich einerseits eine mangelhafte
Abdichtung des Kunststoffdachs zur Hauswand hin und andererseits Folienabrisse
unter den Dachpfannen des Hausdachs in den Anschlussbereichen zum Traufbereich
und zu den Dachfenstern.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Gestützt auf
die Behauptung, die Terrassenüberdachung und das Hausdach seien undicht, haben
die Kläger, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, unter anderem
Klage auf Zahlung der in dem selbständigen Beweisverfahren ermittelten
Schadensbeseitigungskosten in Höhe von insgesamt 32.100 €
(Kunststoffterrassendach: 9.900 €; Hausdach: 22.200 €) sowie weiterer 248,97 €
für eine Notreparatur im Anschlussbereich eines Dachfensters, jeweils nebst
Zinsen, erhoben. Außerdem haben sie die Feststellung der Ersatzpflicht der
Beklagten für sämtliche künftige weitere Schäden aufgrund der Undichtigkeit des
Daches sowie den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen
verlangt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Das Landgericht
hat die Beklagten als Gesamtschuldner unter Klageabweisung im Übrigen zur
Zahlung der in dem selbständigen Beweisverfahren ermittelten Kosten für die
Abdichtung des Kunststoffterrassendaches in Höhe von 9.900 € sowie zur Zahlung
anteiliger außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen,
verurteilt. Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht das
landgerichtliche Urteil abgeändert und den Klägern unter Zurückweisung der
weitergehenden Berufung weitere 1.200 € wegen unzutreffender Angaben zum Jahr
des Einbaus der Dachfenster nebst Zinsen und anteiliger außergerichtlicher
Rechtsanwaltskosten zugesprochen. Mit der von dem Oberlandesgericht
zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgen
die Kläger ihre Anträge auf Zahlung weiterer 22.448,97 € (22.200 € + 248,97 €)
und weiterer anteiliger außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von
704,48 €, jeweils nebst Zinsen, sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der
Beklagten für sämtliche künftige weitere Schäden aufgrund der Undichtigkeit des
Daches weiter.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Entscheidungsgründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Nach Ansicht
des Berufungsgerichts ist die in dem selbständigen Beweisverfahren
festgestellte, schon über Jahre vorhandene Undichtigkeit der unter den
Dachpfannen verlegten Folie zwar ein Sachmangel. Insoweit sei die Klage aber
unbegründet, denn es greife der vereinbarte Ausschluss der Sachmängelhaftung.
Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagten (auch) diesen Mangel
arglistig verschwiegen hätten. Der Wasseraustritt aus der Deckenverkleidung der
Terrasse, der sich als Mangelsymptom darstelle, habe nach dem Ergebnis der
sachverständigen Begutachtung zwei voneinander unabhängige Ursachen. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Soweit das
Landgericht die Arglist der Beklagten im Hinblick auf die eine dieser beiden
Ursachen, nämlich die mangelhafte Abdichtung des Kunststoffdachs im Bereich der
Hauswand, bejaht und der Klage teilweise stattgegeben habe, sei das
landgerichtliche Urteil rechtskräftig. Im Hinblick auf die zweite Ursache,
namentlich die Folienabrisse unter den Dachpfannen, sei dagegen nicht
festzustellen, dass die Beklagten dies für möglich gehalten und billigend in
Kauf genommen, mithin arglistig gehandelt hätten, zumal auch der
Sachverständige die Mängel der unter den Dachpfannen verlegten Folie zunächst
nicht als mögliche Ursache für den Wasseraustritt erkannt habe. Kenne der
Verkäufer Mangelsymptome - wie hier die Wasseraustritte - beziehe sich die
Arglist nur auf diejenigen Mangelursachen, für die ein Eventualvorsatz zu
bejahen sei. Daher könne dahinstehen, ob der in dem selbständigen
Beweisverfahren ermittelte Aufwand zur Schadensbeseitigung im Bereich der
Dachpfannen nicht ohnehin zu hoch angesetzt worden sei. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Der
Feststellungsantrag dagegen sei schon unzulässig. Denn es stehe fest, dass
bezüglich des Hausdaches eine weitergehende Haftung der Beklagten nicht
bestehe, und im Hinblick auf die bei Durchführung der Sanierung des
Kunststoffterrassendachs geschuldete Umsatzsteuer könne sogleich auf Leistung
geklagt werden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Das hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen
Begründung lassen sich die von den Klägern noch verfolgten (weiteren) Zahlungs-
und Feststellungsansprüche nicht verneinen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Die
Revision ist im Umfang der noch gestellten Anträge der Kläger zulässig.
Entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung lässt sich dem
Berufungsurteil nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen, dass das
Berufungsgericht die Revision nur beschränkt auf den (weiteren)
Schadensersatzanspruch in Höhe der (weiteren) Mängelbeseitigungskosten wegen
der Undichtigkeit des Daches zulassen und das Feststellungsbegehren von der
Zulassung ausnehmen wollte.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Nach
der Entscheidungsformel des Berufungsurteils hat das Berufungsgericht die
Revision unbeschränkt zugelassen. Allerdings kann sich die Beschränkung der
Revisionszulassung nach ständiger Rechtsprechung auch aus den
Entscheidungsgründen ergeben (siehe nur Senat, Beschluss vom 29. Januar 2004 -
V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365, 1366 mwN). Sie muss dann jedoch klar und
eindeutig daraus hervorgehen (Senat, Urteil vom 27. Oktober 2017 - V ZR 8/17,
NJW 2018, 1010 Rn. 7 mwN). <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Daran
fehlt es. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen seiner Ausführungen zu
der Wirksamkeit eines Ausschlusses der Sachmängelhaftung bei Verschweigen eines
Mangelsymptoms zugelassen. Daraus ergibt sich nicht mit der erforderlichen
Eindeutigkeit, dass es die Zulassung auf das mit der Revision noch verfolgte
Zahlungsbegehren beschränken und den ebenfalls von der Revision
weiterverfolgten Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche
künftige weitere Schäden aufgrund der Undichtigkeit des Daches hiervon hätte
ausnehmen wollen. Es handelt sich vielmehr (nur) um die Begründung der
Zulassungsentscheidung. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Die
Revision ist auch begründet. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Im
Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass den Klägern
wegen des vertraglich vereinbarten Ausschlusses der Sachmängelhaftung nur dann
ein Schadensersatzanspruch gemäß § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, § 280 Abs.
1, 3 BGB in der hier gemäß Art. 229 § 58 EGBGB noch anwendbaren, bis zum 31.
Dezember 2021 geltenden Fassung zusteht, wenn die Kläger <i>(hier müsste es
richtig „Beklagten“ heißen)</i> einen Mangel arglistig im Sinne von § 444 BGB
verschwiegen haben. Dies ist nach den getroffenen Feststellungen aber zu
bejahen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b>
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts stellen nämlich bereits die
Wassereintritte im Bereich der überdachten Terrasse selbst einen Sachmangel im
Sinne des § 434 Abs. 1 BGB aF und nicht nur ein Mangelsymptom dar. Wird ein
Hausgrundstück mit überdachter Terrasse verkauft und tritt durch das
Terrassendach wiederholt Regenwasser ein, ist dies regelmäßig nicht nur ein
bloßes Symptom für einen Sachmangel; vielmehr begründet bereits die
Undichtigkeit des Terrassendaches selbst den Sachmangel.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>aa)</b>
Unter einem Mangelsymptom sind äußerliche Merkmale eines Mangels zu verstehen,
die auf dessen Vorhandensein schließen lassen (vgl. Senat, Urteil vom 16. März
2012 - V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078 Rn. 26). Von Mangelsymptomen kann also
(nur) gesprochen werden, wenn die jeweiligen Umstände für sich genommen die
Merkmale eines Sachmangels im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB aF (noch) nicht
erfüllen. So begründet etwa nicht jede Feuchtigkeit im Keller einen Sachmangel,
sondern es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei im Einzelnen von
Bedeutung ist, ob das Haus in einem sanierten Zustand verkauft wurde, der
Keller Wohnzwecken diente, welcher Zustand bei der Besichtigung erkennbar war
und wie stark die Feuchtigkeitserscheinungen sind; Feuchtigkeitsflecken, die
auf einen feuchten Keller schließen lassen können, sind daher (nur)
Mangelsymptome (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 2012 - V ZR 18/11, aaO Rn. 14,
26). Ein bloßes Mangelsymptom hat der Senat außerdem für Wasseransammlungen
kleineren Ausmaßes am Fuße einer abschüssigen Einfahrt erwogen, die auf eine
mangelhafte Entwässerungsanlage schließen lassen können (vgl. Senat, Beschluss
vom 15. April 2021 - V ZR 170/20, juris Rn. 10). <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>bb)</b>
Hiervon abzugrenzen sind wiederholte Wassereintritte durch ein Terrassendach
(vgl. auch Senat, Beschluss vom 15. April 2021 - V ZR 170/20, juris Rn. 9 zu
größeren Wasseransammlungen in einer Hauseinfahrt). Denn es entspricht nicht
der üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF) eines mit einer
überdachten Terrasse verkauften Hausgrundstücks, dass ein solches Terrassendach
bei Regen undicht ist. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>cc)</b> Dies
zugrunde gelegt, stellten hier schon die Wasserausstritte aus der
Deckenverkleidung der Terrasse einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB
aF und nicht nur dessen Symptom dar. Das kann der Senat selbst entscheiden, da
es keiner weiteren Feststellungen bedarf.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>c)</b> In
der Folge sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Arglist der
Beklagten rechtsfehlerhaft. Denn die Wassereintritte durch das Terrassendach -
und damit den Sachmangel - haben die Beklagten arglistig verschwiegen. Klärt
der Verkäufer eines Hausgrundstückes den Käufer nicht über Wassereintritte
durch ein Terrassendach auf, handelt er arglistig, auch wenn er deren
Ursache(n) nicht oder nur teilweise kennt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>aa)</b>
Arglist setzt nach ständiger Rechtsprechung Eventualvorsatz voraus. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Leichtfertige
oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt ebenso wenig wie ein bewusstes
Sichverschließen. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(1)</b> Ein
arglistiges Verschweigen eines Mangels im Sinne von § 444 BGB ist danach nur
gegeben, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich
hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt,
dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht
oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Der Verkäufer muss,
sofern es sich nicht um einer Besichtigung zugängliche und ohne weiteres
erkennbare Mängel handelt, die der Käufer bei der im eigenen Interesse
gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann, gemäß seinem Kenntnisstand aufklären
und darf sein konkretes Wissen nicht zurückhalten (vgl. zum Ganzen etwa Senat,
Urteil vom 14. Juni 2019 - V ZR 73/18, ZfIR 2019, 846 Rn. 11). <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>(2)</b>
Hierbei ist allein entscheidend, ob der Verkäufer die den Mangel begründenden
Umstände kennt; nicht relevant ist dagegen, ob er daraus den Schluss auf das
Vorliegen eines Sachmangels zieht (vgl. Senat, Urteil vom 12. April 2013 - V ZR
266/11, NZM 2013, 546 Rn. 14 mwN), zumal im Einzelfall auch eine
Offenbarungspflicht des Verkäufers bei bloßen Mangelsymptomen, die für den
Käufer nicht ohne weiteres erkennbar sind, bestehen kann (vgl. Senat, Urteil
vom 9. Februar 2018 - V ZR 274/16, NJW 2018, 1954 Rn. 27). Ebenso wenig ist
relevant, ob der Verkäufer die Mangelursache kennt (vgl. Senat, Beschluss vom
15. April 2021 - V ZR 170/20, juris Rn. 9) oder ob ihm nur eine von mehreren
Ursachen des Sachmangels bekannt ist. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom
16. März 2012 (V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078 Rn. 22) formuliert hat, dass der
Käufer von dem Verkäufer, der auf Grund eigener Sachkunde oder auf Grund eines
Gutachtens Schlüsse auf den Mangel und seine Ursachen zu ziehen vermag, deren
Mitteilung erwarten darf, ergibt sich daraus nicht, dass ein arglistiges
Verschweigen eines Mangels im Sinne von § 444 BGB nur zu bejahen wäre, wenn
(auch) bedingter Vorsatz hinsichtlich der Ursache(n) des Mangels vorläge. § 444
BGB spricht (nur) von dem „Mangel“ im Sinne von § 434 BGB oder § 435 BGB (vgl.
Senat, Urteil vom 28. Mai 2021 - V ZR 24/20, NJW 2021, 3397 Rn. 8).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>bb)</b> Nach
diesen Maßstäben haben die Beklagten den Sachmangel arglistig verschwiegen.
Denn aus den durch das Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des
Landgerichts ergibt sich, dass sie die ihnen bekannten Wassereintritte den
Klägern, denen sie nicht bekannt waren und auch nicht bekannt sein konnten,
nicht offenbart haben, obwohl die Terrassenüberdachung vor Vertragsschluss
thematisiert worden und für die Beklagten von Bedeutung war. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Ob die
Beklagten die Wasseraustritte aus der Deckenverkleidung der Terrasse selbst
bereits als Mangel im Rechtssinne eingeordnet oder sie ursächlich nicht nur auf
die Undichtigkeit im Bereich des Anschlusses des Kunststoffdachs zum
Traufbereich des Hausdachs, sondern auch auf die durch Abrisse bedingte
Undichtigkeit der unter den Dachpfannen verlegten Folie in den
Anschlussbereichen zum Traufbereich und zu den Dachfenstern zurückgeführt
haben, ist unerheblich.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>3.</b>
Erfolg hat die Revision auch mit Blick auf den auf Feststellung der
Ersatzpflicht der Beklagten für weitere künftige Schäden aufgrund der
Undichtigkeit des Daches gerichteten Antrag.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b>
Entgegen der von dem Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat geäußerten Ansicht haben die Kläger die Abweisung dieses Antrages mit der
Berufung angegriffen und ist die Berufung (auch) insoweit zulässig; die in dem
Berufungsurteil wiedergegebene Begründung, dass es sich bei den eingeklagten
Beträgen um Nettobeträge handele, also die Umsatzsteuer nicht von dem
Zahlungsantrag umfasst sei, bezieht sich darauf (vgl. zur Prüfung der
Zulässigkeit der Berufung durch das Revisionsgericht von Amts wegen u.a. BGH,
Urteil vom 24. Oktober 1988 - II ZR 68/88, BGHR ZPO § 559 Abs. 2 -
Verfahrensmangel, absoluter 3). Damit steht einer sachlichen Prüfung des
Berufungsurteils auch im Hinblick auf den Feststellungsantrag nichts entgegen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Mit
der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht diesen Feststellungsantrag
nicht zurückweisen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>aa)</b> Ob
im Ergebnis eine über den noch geltend gemachten Zahlungsanspruch hinausgehende
Haftung für weitere Schäden im Bereich des Hausdachs in Betracht kommt, ist
keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Feststellungsklage.
Diese kann nach den vorstehenden Ausführungen zu einem grundsätzlich
bestehenden Schadensersatzanspruch der Kläger auch nicht verneint werden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>bb)</b> Auch
das Feststellungsinteresse - nicht zuletzt und gerade mit Blick auf die erst
bei Durchführung der Mängelbeseitigung anfallende Umsatzsteuer - ist gegeben.
Insbesondere müssen sich die Kläger nicht auf eine künftige Leistungsklage, die
zudem in unverjährter Zeit zu erheben wäre, verweisen lassen. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Denn berechnen
die Kläger ihren Schaden, wie hier, zulässigerweise auf der Grundlage der von
dem Sachverständigen ermittelten Mängelbeseitigungskosten „fiktiv“, also ohne
Durchführung der Mängelbeseitigung und damit insbesondere ohne Umsatzsteuer
(vgl. Senat, Urteil vom 12. März 2021 - V ZR 33/19, BGHZ 229, 115 Rn. 11 ff.),
haben sie - schon um der drohenden Verjährung zu begegnen (vgl. dazu BGH,
Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330 Rn. 16) - ein Interesse
im Sinne von § 256 ZPO an der Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige
Schäden (vgl. Senat, Urteil vom 13. Mai 2022 - V ZR 231/20, NJW 2022, 2328 Rn.
26; Urteil vom 9. Februar 2018 - V ZR 274/16, NJW 2018, 1954 Rn. 29).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>III.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;">Das
Berufungsurteil kann nach alledem im Umfang der Aufhebung keinen Bestand haben
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Mangels abschließender Feststellungen zur Höhe des
Schadensersatzanspruchs ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif (§
563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf
Folgendes hin:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Der
Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, § 280 Abs.
1, 3 BGB kann anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht
aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen werden. Den zur
Mängelbeseitigung erforderlichen Betrag hat der Tatrichter gemäß § 287 Abs. 1
ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu ermitteln (vgl.
Senat, Urteil vom 11. März 2022 - V ZR 35/21, NJW 2022, 2685 Rn. 26, 28). <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>a)</b>
Insoweit werden - nach teilweiser Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils -
nur noch die Mängelbeseitigungskosten, die den auf der Undichtigkeit der unter
den Dachpfannen verlegten Folie in den Anschlussbereichen zum Traufbereich und
zu den Dachfenstern beruhenden Wassereintritten zugeordnet werden können, in
den Blick zu nehmen sein. Hierbei wird auch zu klären sein, ob dies, woran das
Berufungsgericht Zweifel hatte, die Abdeckung und Neudämmung der gesamten
Dachfläche einschließt, wie die Kläger geltend machen. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>b)</b>
Entgegen der Revisionserwiderung dürfte es aber auch nicht richtig sein, nur
den Reparaturaufwand für die Abdichtung der Dachflächenfenster im Übergang der
Bleche zu den Dachpfannen anzusetzen. Denn nach den bisherigen Feststellungen
sind die Wassereintritte (auch) auf die Undichtigkeit der unter den Dachpfannen
verlegten Folie in den Anschlussbereichen zum Traufbereich zurückzuführen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Das
Berufungsgericht wird außerdem auf die Gegenrüge der Revisionserwiderung zu
prüfen haben, ob die Kosten der Notreparatur an einem Dachfenster im
Zusammenhang mit der Beseitigung des nicht von dem Ausschluss der
Sachmängelhaftung erfassten Mangels (Wassereintritte durch das Terrassendach)
standen und erforderlich waren.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1cm; text-align: justify;"><b>3.</b> Vor
dem Hintergrund der Ausführungen unter III.1.a) (Rn. 28) wird den Klägern
außerdem Gelegenheit zu geben sein, ihren bislang zu weit formulierten
Feststellungsantrag anzupassen.<o:p></o:p></p><p>
</p>Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-23316581934005402092024-01-17T18:42:00.004+01:002024-01-17T18:42:26.675+01:00Nachtrag zum (Bau-) Werkvertrag und Widerrufsrecht<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg9YlLZWY3IzI2E7MTrILak5CSvA7hmVGVlfl2fu23b5_JarqoLM6Js8x8KuqWs9JgLYnF4CqqZp4AdZzAn6wprMI4HSoKVf8r_Rift7xVTdf6yi2oM3IoaPz2jlMUG9gJBEcAs-0XDh-5T4hoLjtz5cp_d_4uz9JsUZAmV_BCFpMCgxMPms_HM-95Vg2fm/s1280/no-1532838_1280%20(2).tiff" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="853" data-original-width="1280" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg9YlLZWY3IzI2E7MTrILak5CSvA7hmVGVlfl2fu23b5_JarqoLM6Js8x8KuqWs9JgLYnF4CqqZp4AdZzAn6wprMI4HSoKVf8r_Rift7xVTdf6yi2oM3IoaPz2jlMUG9gJBEcAs-0XDh-5T4hoLjtz5cp_d_4uz9JsUZAmV_BCFpMCgxMPms_HM-95Vg2fm/s320/no-1532838_1280%20(2).tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Der Kläger begehrte die
Rückzahlung gezahlten Werklohns. Er hatte mit dem Beklagten einen Werkvertrag
für Innenausbauarbeiten an seinem Privathaus abgeschlossen. Später schloss er
mit dem Beklagten auf der Baustelle Nachträge zu weiteren Arbeiten zu jeweils
festgelegten Preisen; eine Widerrufsbelehrung erfolgte nicht. Der Kläger
erklärte den Widerruf des Vertrages und forderte den gezahlten Werklohn zurück.
Die Klage auf Rückzahlung des Werklohns hatte im Hinblick auf die Nachträge
Erfolg. Das OLG wies die dagegen vom Beklagten eingelegte Berufung zurück.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Nachträge zu einem Werkvertrag,
die (wie hier) eine zusätzliche Vergütung für zusätzliche Arbeiten zum
Gegenstand hätten. Seien selbständige Werkverträge. Sie würden durch Angebot
und Annahme zustande kommen. Daher könnten sie auch unter den Voraussetzungen
der §§ 312v 312g BGB selbständig widerrufen werden. Dabei käme es nicht darauf
an, ob es sich bei dem hauptvertrag um einen Bauvertrag nach § 650a BGB oder um
einen Verbrauchervertrag nach § 650i BGB handele. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Auch wenn die nach dem Nachtrag zu erbringenden
Leistungen nur solche nach dem Hauptvertrag ergänzen würden oder nur solche
zusätzlichen Leistungen beinhalte, die zur Herstellung eines
funktionstauglichen Werks erforderlich seien (§ 650b Abs. 1 BGB), würde an der rechtlichen
Selbständigkeit nichts ändern.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">§ 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB würde für
das Widerrufsrecht nur fordern, dass der vertrag außerhalb von Geschäftsräumen
abgeschlossen sei. Überraschungs- und/oder Überrumpelungsmomente müssten nicht
vorliegen, wobei es auch auf eine konkrete Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers
nicht ankäme.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Gegen nachteilige Folgen eines Widerrufs
könne sich der Unternehmer dadurch schützen, dass er den Verbraucher übers ein
Widerrufsrecht belehrt und ein ausdrückliches Leistungsverlangen des
Verbrauchers vor Ablauf der Widerrufsfrist sich von diesem unter Zeugen bestätigen
ließe,<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>§ 357a Abs. 2 Nr. 1 BGB.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Da der Beklagte nach dem Inhalt
des Vertrages nicht die Lieferung von Waren schuldete, auch wenn es zur
Durchführung der Arbeiten der Materialien bedurft habe, handele es sich
gleichwohl um Werk-/Bauverträge, die dem Anwendungsfall des § 312g Abs. 2 N. 1
BGB (Lieferung von nicht vorgefertigten Waren, die nach individueller Vorgabe
des Verbrauchers gefertigt werden oder auf seine persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten
sind) nicht unterfallen (BGH, Urteil vom 30.08.2018 – VII ZR 243/17 -),</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>OLG Karlsruhe, Beschluss
vom 14.04.2023 - 8 U 17/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><u>A. Beschluss vom 14.04.2023<o:p></o:p></u></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">1. Die Berufung des Beklagten gegen das
Urteil des Landgerichts Mannheim vom 22.12.2022 – 5 O 11/22 – wird einstimmig
zurückgewiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">2. Der Beklagte hat die Kosten des
Berufungsverfahrens zu tragen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">3. Dieser Beschluss und das angefochtene
Urteil sind vorläufig vollstreckbar.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">3. Der
Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.376,41 € festgesetzt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für die Zurückweisung der
Berufung durch Beschluss liegen vor. Die Berufung des Beklagten ist
offensichtlich unbegründet. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche
Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Berufungsgerichts.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Der
Senat hat in dem Hinweisbeschluss vom 20.03.2023 die Gründe für die
beabsichtigte Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522
Abs. 2 ZPO im Einzelnen dargelegt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung
von Wiederholungen Bezug. Die Stellungnahme des Beklagten vom 21.02.2023
rechtfertigt keine andere Beurteilung und gibt nur Anlass zu folgenden
ergänzenden Ausführungen:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a.</b>
„Nachträge“, die - wie im Streitfall - die Vereinbarung einer (zusätzlichen)
Vergütung für zusätzliche Leistungen des Unternehmers zum Gegenstand haben,
sind rechtlich selbstständige Werkverträge, weil sie - wie der Hauptvertrag -
durch Angebot und Annahme zustande gekommen sind. Sie können daher unter den
Voraussetzungen der §§ 312b, 312g BGB (oder den bei zusätzlichen
Leistungen nur selten gegebenen Voraussetzungen der §§ 650i, 650l BGB)
selbstständig widerrufen werden. Für die rechtliche Einordnung von Nachtragsvereinbarungen
als selbstständige Werkverträge macht es keinen Unterschied, ob es sich bei dem
Hauptvertrag um einen Bauvertrag im Sinne des § 650a BGB oder um einen
Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i BGB handelt. Auch der Umstand,
dass Nachtragsvereinbarungen insbesondere dann mit dem Hauptvertrag
„zusammenhängen“, wenn sie die nach dem Hauptvertrag geschuldeten Leistungen
nur ergänzen oder lediglich solche zusätzlichen Leistungen zum Gegenstand
haben, die zur Herstellung eines funktionstauglichen Werks erforderlich sind
(vgl. § 650b Abs. 1 BGB), ändert nichts daran, dass die von den
Parteien getroffene Abrede über den zusätzlichen Leistungsinhalt und dessen
Vergütung - also die Nachtragsvereinbarung - ein selbstständiger Werkvertrag
ist.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b.</b> Nach
dem Gesetzeswortlaut des § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt es für
das Widerrufsrecht nur darauf an, dass der Vertragsschluss außerhalb von
Geschäftsräumen erfolgt ist. Auf eine konkrete Überraschung oder Überrumpelung
kommt es nicht an. Es ist auch nicht erforderlich, dass die
Überrumpelungssituation im konkreten Fall kausal zum Vertragsschluss durch den
Verbraucher geführt hat.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die
Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/12637, S. 49) und der Erwägungsgrund 21
der Verbraucherrichtlinie 2011/83/EU gebieten keine einschränkende Auslegung
des Gesetzeswortlauts. Sie machen im Gegenteil deutlich, dass dem Verbraucher
ein Widerrufsrecht bereits deshalb eingeräumt wird, weil er außerhalb von
Geschäftsräumen „möglicherweise“ psychisch unter Druck steht oder einem
Überraschungsmoment ausgesetzt ist. Nach diesem typisierten Maßstab kommt es
auf eine konkrete Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers im Einzelfall nicht an.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Unternehmer
kann den für ihn nachteiligen Folgen des Widerrufs dadurch begegnen, dass er
den Verbraucher über das Widerrufsrecht belehrt und ein ausdrückliches
Leistungsverlangen des Verbrauchers vor Ablauf der Widerrufsfrist sich von
diesem schriftlich oder in Gegenwart von Zeugen bestätigen lässt (vgl.
§ 357a Abs. 2 Nr. 1 BGB).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>c.</b> Wie
bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt, liegt der Ausschlusstatbestand des
§ 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vor. Auch wenn die von dem
Beklagten eingebauten Materialien nach den planerischen Vorgaben des Klägers
hergestellt und eingepasst wurden, schuldete der Beklagte nach dem Inhalt der
geschlossenen Verträge nicht die Lieferung von Waren, sondern ein
funktionstaugliches Werk, nämlich den Innenausbau des Dachgeschosses des
Klägers. Hierbei handelt es sich um Werkverträge (Bauverträge), die dem
Anwendungsbereich des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht unterfallen
(vgl. BGH, Urteil vom 30. August 2018 – VII ZR 243/17 –, juris Rn. 22 ff.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>d.</b> Der
Widerruf ist aus den im Hinweisbeschluss genannten Gründen auch nicht
treuwidrig.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Die
Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 GKG
i.V.m. §§ 48 GKG, 3 ZPO.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><u>B. Hinweisbeschluss vom
20.03.2023<o:p></o:p></u></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">1. Der Beklagte wird darauf hingewiesen,
dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
zurückzuweisen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">2. Der Beklagte
hat Gelegenheit zur Stellungnahme bis 12.04.2023.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Gründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Berufung
hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil die angefochtene
Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO
beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere
Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine
grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des
Berufungsgerichts. Schließlich erscheint auch die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung nicht geboten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Das
Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 1.909,95 € nebst Zinsen
verurteilt und die Widerklage des Beklagten zu Recht abgewiesen. Die Berufung
zeigt weder eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung noch eine fehlerhafte
Rechtsanwendung durch das Landgericht auf. Der Kläger hat die von dem Beklagten
mit Rechnungen vom 06.04.2021 über 719,95 € (Anlage B 6), vom 19.05.2021 über
1.190 € (Anlage B 7) und vom 01.10.2021 über 6.466,46 € (Anlage B 1.2)
abgerechneten Bauverträge wirksam gemäß §§ 312b Abs. 1 Nr. 1,
312g Abs. 1 BGB widerrufen. Er hat daher gemäß §§ 355 Abs. 3
S. 1, 357 Abs. 1 BGB (in der Fassung vom 20.09.2013) Anspruch auf
Rückzahlung von 1.909,95 €. Dem Beklagten steht hingegen für die mit Rechnung vom
01.10.2021 abgerechneten Leistungen kein Werklohnanspruch gemäß § 631
Abs. 1 BGB zu.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a.</b> Bei
allen drei genannten Bauverträgen handelt es sich um außerhalb von
Geschäftsräumen geschlossene Verträge gemäß § 312b Abs. 1 Nr. 1
BGB. Die über 719,95 € und über 1.190 € abgerechneten Verträge wurden nach den
von der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts mündlich
auf der Baustelle geschlossen. Der (seitens des Klägers bestrittene)
Vertragsschluss über die mit 6.466,46 € abgerechneten Leistungen ist nach dem
Sachvortrag des Beklagten (Schriftsatz vom 01.04.2022, S. 2; I 65), den sich
der Kläger hilfsweise zu eigen gemacht hat, ebenfalls mündlich auf der
Baustelle erfolgt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b.</b>
Soweit die Berufung einwendet, ein Widerrufsrecht gemäß §§ 312b, 312g BGB
bestehe nicht separat bezüglich der Nachträge, diese gehörten untrennbar zu dem
(nicht wirksam widerrufenen) Hauptauftrag, kann dem nicht gefolgt werden. Bei
einem Nachtrag handelt es sich grundsätzlich um einen vom ursprünglichen
Werkvertrag losgelösten Werkvertrag über zusätzliche Leistungen (vgl.
Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. Dezember 2019 – 12
U 114/19 –, juris Rn. 35), der selbstständig widerrufen werden kann
(Grüneberg/Retzlaff, BGB, § 650l Rn. 2; BeckOGK/Reiter, BGB, § 650l
Rn. 49). Dass es sich bei den hier in Rede stehenden Nachträgen auch aus der
Sicht des Beklagten um rechtlich selbstständige Verträge über zusätzlich
beauftragte Leistungen handelt, kommt darin zum Ausdruck, dass der Beklagte
über die Nachtragsleistungen gesonderte Rechnungen erstellt hat. Es geht somit
nicht um einen (unzulässigen) Teilwiderruf eines einheitlichen Bauvertrages,
sondern um den Widerruf von selbstständigen Bauverträgen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>c.</b> Dass
den widerrufenen Verträgen persönliche Gespräche zwischen den Parteien
vorausgingen und im Falle der mit Rechnung vom 01.10.2021 abgerechneten
Leistungen nach dem Vortrag des Beklagten sogar ein schriftliches Angebot
vorlag, so dass der Kläger weder „unter psychischen Druck geraten konnte“ noch
„einem Überraschungsmoment unterlag“, steht der Anwendbarkeit des § 312b
Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht entgegen. Die Verbraucherrechte-Richtlinie
2011/83/EU hat im Vergleich zur früher geltenden Rechtslage den Verbraucherschutz
erweitert und hierbei gerade darauf verzichtet, als Voraussetzung aufzunehmen,
dass der Verbraucher zum Vertragsschluss „bestimmt“ wurde. Für die Geltung des
Widerrufsrechts des § 312g Abs. 1 BGB kommt es nunmehr ausschließlich
darauf an, dass ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag i.S.v.
§ 312b Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt. Entscheidend ist nicht, dass
der Verbraucher im konkreten Fall überrumpelt worden war oder nicht in der Lage
war, eine hinreichend fundierte Entscheidung zu treffen; das Widerrufsrecht
stellt vielmehr ein Schutzinstrument dar, das auf eine typisierte
Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers abstellt. Maßgeblich ist allein die
Vertragsverhandlung oder der Vertragsschluss außerhalb der Geschäftsräume des
Unternehmers (OLG Celle, Urteil vom 12. Januar 2022 – 14 U 111/21 –, juris Rn.
33; Koch in: Erman, BGB, 16./17. Aufl., § 312b Rn. 1 und 17).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>d.</b> Das
Landgericht hat auch die weiteren Voraussetzungen des Widerrufsrechts zu Recht
bejaht. Insbesondere liegt keiner der in § 312g Abs. 2 BGB genannten
Ausschlusstatbestände vor und war das Widerrufsrecht im Zeitpunkt der Ausübung
noch nicht gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB erloschen. All dies
stellt die Berufung auch nicht infrage.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>e.</b> Die
Ausübung des Widerrufsrechts ist auch nicht treuwidrig (§ 242 BGB). Ob die
Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann
regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände
entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten
Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 12. Juli
2016 – XI ZR 501/15 –, BGHZ 211, 105-123, juris Rn. 18). Dass der von dem
Beklagten nicht über das Widerrufsrecht belehrte Kläger Teilabnahmen erklärt
und die Rechnungen vom 06.04.2021 über 719,95 € und vom 19.05.2021 über 1.190 €
bezahlt hat, lässt die Ausübung des Widerrufsrechts nicht rechtsmissbräuchlich
erscheinen. Dass die Rückgewähr der von dem Beklagten erbrachten Leistungen
nicht möglich ist und der Kläger gleichwohl gemäß § 357 Abs. 8 BGB
a.F. (jetzt § 357a Abs. 2 BGB) keinen Wertersatz schuldet, beruht auf
einer bewussten Entscheidung des (europäischen) Gesetzgebers. Die bloße
Ausnutzung der bestehenden Rechtslage zum eigenen Vorteil stellt kein
rechtsmissbräuchliches Verhalten dar. Dass der Kläger keinerlei schutzwürdiges
Eigeninteresse hatte, die Verträge zu widerrufen, hat der Beklagte nicht
aufgezeigt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Der
Beklagte wird darauf hingewiesen, dass die Zurückweisung der Berufung durch
Beschluss die gleichen Gebühren auslöst wie ein Urteil mit Begründung (§ 3
GKG KV Nr. 1220). Wenn jedoch die Berufung zurückgenommen wird, bevor ein
Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ergeht, ermäßigt sich die
gerichtliche Verfahrensgebühr für die Berufungsinstanz nach § 3 GKG KV
Nr. 1222 um die Hälfte.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-54293472132453696732024-01-12T19:41:00.004+01:002024-01-12T19:41:53.072+01:00Streichung der Dankes- und Wunschformel im Arbeitszeugnis nach berechtigten Zeugnisberichtigungsverlangen<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjO2j_ycezaeSgJDlzngthtiR3ZMDFnebMeL47JUja1rjqbCnH0kkD81t1X1nZZQ62UJdbSgOPLr5vb9qyC5rWHhkF_lgzldsx9WCQA9HyoRyLxGEEp5iffpNVsnGv-xCD8wPFwKV8XfNR5NIDXciuP7Dw0PFKKI8n562i7UNC0OkQ3_gR2eprPS48C66o8/s1280/application-2076445_1280.tiff" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="753" data-original-width="1280" height="188" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjO2j_ycezaeSgJDlzngthtiR3ZMDFnebMeL47JUja1rjqbCnH0kkD81t1X1nZZQ62UJdbSgOPLr5vb9qyC5rWHhkF_lgzldsx9WCQA9HyoRyLxGEEp5iffpNVsnGv-xCD8wPFwKV8XfNR5NIDXciuP7Dw0PFKKI8n562i7UNC0OkQ3_gR2eprPS48C66o8/s320/application-2076445_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Muss bzw. wann muss der Arbeitgeber
in einem Arbeitszeugnis eine Dankes- und Wunschformel aufnehmen, mit der er
z.B. sein Bedauern zum Ausscheiden des Arbeitsnehmers zum Ausdruck bringt und
ihm für die Zukunft alles Gute wünscht ? <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Diese Frage stellen sich sowohl Arbeitgeber
als auch Arbeitnehmer immer wieder. Grundsätzlich bedarf es einer solchen oder
ähnlichen Formulierung nicht. Entsprechendes lässt sich nämlich weder aus § 109
Abs. 1 S. 3 GewO ableiten, noch ergibt sich eine derartige Verpflichtung aus
dem in § 241 Abs. 2 BGB verankerten Rücksichtnahmegebot (so BAG, Urteil vom 25.01.2022
- 9 AZR 146/21 -). War damit alles geklärt ? Nein.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Im vorliegenden Fall hatte der
Arbeitgeber am Schluss der von ihm erstellten 1. Fassung des Arbeitszeugnisses eine
entsprechende Formel aufgenommen, indem es dort hieß „Wir danken für ihre
wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für
Ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch
weiterhin viel Erfolg.“ In der Folge forderte die Arbeitnehmerin eine Korrektur
der Bewertung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens. Es erfolgte eine Korrektur
(Arbeitszeugnis 2. Fassung), die aber die Arbeitnehmerin nicht zufriedenstellte
und veranlasste, eine weitere Korrektur vorzunehmen, demzufolge die
Formulierung „Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität…“
heißen u.a. sollte „Frau D. hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit
erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen…“. In
der sodann erfolgten e. Fassung des Arbeitszeugnisses endete dieses mit dem
Satz „Frau D. verlässt unser Unternehmen aus eigenem Wunsch.“ und wurde die Dankes-
und Wunschformel nicht mehr verwandt. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die
Ergänzung des Arbeitszeugnisses um die in der 1. und 2. Fassung enthaltenen
Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das Arbeitsgericht hatte der
Klage stattgegeben. Die Berufung der beklagten Arbeitgeberin wurde zurückgewiesen.
Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen, da die Verweigerung gegen das
arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot verstoße. Das BAG vertrat die Rechtsansicht,
die Beklagte sei gem. § 612a BGB (Maßregelungsverbot) verpflichtet, der
Klägerin die beantragte Schlussformel aufzunehmen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Grundsätzlich habe der
Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel (BAG, Urteil vom
25.01.2022 - 9 AZR 146/21 -). Die Regelungen zum Inhalt eines qualifizierten
Arbeitszeugnisses in § 109 Abs. 1 S. 2 und 3 GewO seien abschließend. Allerdings
würde sich die Abweichung in der Endfassung (3. Fassung) des Arbeitszeugnisses
als Maßregelung iSv. § 612a BGB infolge der Abweichung von den vorherigen
Fassungen als Maßregelung darstellen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">§ 612a BGB bestimme, dass der
Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen dürfe, da
dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübe (BAG, Urteil vom 16.02.1989 - 2 AZR
347/88 -). Verletzte der Arbeitgeber das Maßregelungsverbot, könne der Arbeitnehmer
die Beseitigung der dadurch bedingte Benachteiligung durch den Arbeitgeber verlangen,
wobei der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so zustellen habe, wie er ohne diese
Maßregelung stünde (BAG, Urteil vom 15.09.2009 - 9 AZR 685/08 -). Zwar sei die
verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Arbeitgebers bei der
Auslegung des § 612a BGB zu berücksichtigen, doch würde dieses ihm kein Rehct
geben, eine berechtigte Remonstration des Arbeitnehmers zum Anlass zu nehmen,
das Arbeitszeugnis zu dessen Nachteil zu ändern. § 612a BGB stelle einen
Sonderfall der Sittenwidrigkeit dar, die nicht durch die Grundrechte auf Meinungsfreiheit
(Art. 5 Abs. 1 GG) und Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) in diesem Fall
nicht geschützt sei. Der Anwendungsbereich des § 612a BGB sei auch nicht auf
ein laufendes Arbeitsverhältnis beschränkt, sondern zeige auch ähnlich wie das
Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB nachvertragliche Wirkungen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Die Voraussetzungen des § 612a
BGB lägen hier vor. Nachdem die Klägerin in zulässiger Weise eine Berichtigung
des Arbeitszeugnisses verfolgt habe läge im Fortfall der zuvor verwandten Dankes-
und Wunschformel eine Maßregelung. Genüge das qualifizierte Arbeitszeugnis
nicht den Anforderungen des § 109 GewO, könne der Arbeitnehmer eine
Berichtigung verlangen (BAG, Urteil vom 27.04.2021 - 9 AZR 262/20 -). So sei es
vorliegend gewesen, indem mit „Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter
Qualität…“ hinter der letztlich von der Beklagten verwandten Schlussbewertung „Frau
D. hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt…“
zurückblieb, da nach der ursprünglichen Formulierung der verständige Leser habe
entnehmen müssen, die Arbeitend er Klägerin seien nichts stets „zur vollsten
Zufriedenheit“ der Beklagten erfolgt.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Mit der Änderung der
Schlussformel in der dritten Fassung habe die Beklagte der Klägerin einen Nachteil
zugefügt. Ein Nachteil läge vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleide,
sich seine Situation also nach der Maßnahme durch den Arbeitgeber im Verhältnis
zu der Situation vorher verschlechtert habe. § 612a BGB schütze den Arbeitnehmer
nicht nur vor dem Entzug von Vorteilen, auf die er einen Anspruch habe, sondern
auch vor Nachteilen im Bereich von freiwilligen Leistungen (hier der Dankes-
und Wunschformel) im Zusammenhang mit dem von ihm zustehenden Rechten. Die
Situation der Klägerin habe sich mithin objektiv unabhängig davon
verschlechtert, dass sie ursprünglich keinen Anspruch auf die Dankes- und
Wunschformel hatte. Ein Zeugnis würde durch solche Schlüsselsätze aufgewertet.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Voraussetzung für einen Verstoß
gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB setze voraus, dass das Weglassen
der Formel und der Änderungswunsch der Klägerin ursächlich miteinander
verknüpft seien, also die zulässige Rechtsausübung der Klägerin der tragende
Beweggrund für das Weglassen der Formel sei (BAG, Urteil vom 18.10.2017 - 10 AZR
330/16 -). Nicht ausreichend sei, dass die Rechtsausübung nur den äußeren
Anlass für die Maßnahme biete (BAG, Urteil vom 20.05.2021 - 2 AZR 560/21 -). Bei
einem Motivbündel auf Arbeitgeberseite käme es auf das maßgebliche Motiv an
(BAG, Urteil vom 18.11.2021 - 2 AZR 229/21 -).<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und
damit auch für die Kausalität trage der Arbeitnehmer. Er habe einen Sachverhalt
vorzutragen, der auf eine Kausalität hindeute. Zu einem solchen Vortrag müsse
sich der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen erklären.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Hier habe die Klägerin erklärt,
ihr zweimaliger Änderungswunsch habe die Beklagte zum Weglassen der Dankes- und
Wunschformel veranlasst. Daraus habe das Landesarbeitsgericht rechtfehlerfrei
einen kausalen Zusammenhang gefolgert. Ein dagegensprechender Vortrag sei von
der Beklagten nicht erfolgt. Sie könne nicht damit gehört werden, nach der 1. und
2. Fassung von Umständen gehört zu haben, die eine abweichende Bewertung
rechtfertigen würden.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Damit käme es nicht darauf an, ob
die Klägerin bereits unter dem - alleinigen - Gesichtspunkt der Selbstbindung
der Beklagten in den ersten zwei Fassungen einen Anspruch auf die begehrte
Formulierung habe. Grundsätzlich sei allerdings der Arbeitgeber nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses
gebunden. Von seinen Wissenserklärungen zur Leistung des Arbeitnehmers dürfe er
nur abweichen, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt würden, die eine
abweichende Bewertung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 21.06.2005 - 9 AZR 352/04
-). In gleicher Weise könne der Arbeitgeber an eine ursprünglich erteilte
Schlussformel in Form der Dankes- und Wunschformel für die Zukunft gebunden sein
(im Urteil vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11 – hatte das BAG eine Erweiterung der verwandten
Formel „Für die Zukunft alles Gute“ abgelehnt, da die Formel auf den Ausdruck
der jeweiligen Empfindung beruht und nicht zu einer <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>anderweitigen Verpflichtung führe).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Ob eine Streichung der Formel
bereits wegen einer Selbstbindung des Arbeitgebers in Zeugnis, dessen Änderung
der Arbeitnehmer begehrt, unzulässig ist, bleibt offen.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><u>Anmerkung:</u> Der Arbeitgeber
sollte sich bei Abfassung eines Zeugnisses im Klaren über die Konsequenzen,
insbesondere zur Abänderung durch ihn zum Nachteil des Arbeitnehmers sein.
Nimmt er eine Dankes- und Wunschformel auf, zu der er nicht verpflichtet ist,
sollet er bedenken, dass er diese nicht aus Verärgerung über sonstige Änderungswünsche
des Arbeitnehmers einfach streichen kann.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>BAG, Urteil vom 06.06.2023 -
9 AZR 272/22 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">1. Die Revision der Beklagten gegen das
Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 12. Juli 2022
- 10 Sa 1217/21 - wird zurückgewiesen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">2. Die Beklagte
hat die Kosten der Revision zu tragen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tatbestand<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Klägerin
verlangt von der Beklagten, das ihr erteilte Arbeitszeugnis abzuändern.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Beklagte
beschäftigte die Klägerin vom 15. August 2017 bis zum 28. Februar
2021 zunächst als „Persönliche Assistentin der Geschäftsführung“ und zuletzt
als „Managerin of Administration and Central Services“. Im März 2021 erteilte
sie der Klägerin ein Arbeitszeugnis mit Datum vom 28. Februar 2021
(„erstes Arbeitszeugnis“). Der letzte Absatz des Zeugnisses lautet:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">„Frau D
verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch. Wir danken ihr für ihre
wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für
ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch
weiterhin viel Erfolg.“<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Unter dem
8. April 2021 forderte die Klägerin die Beklagte auf, das Arbeitszeugnis
zu korrigieren und dabei ihr Arbeits- und Sozialverhalten besser zu bewerten.
Das daraufhin geänderte Arbeitszeugnis („zweites Arbeitszeugnis“) enthält den
folgenden Satz:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">„Insgesamt
waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität ...“<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Mit
Schreiben vom 25. Mai 2021 beanstandete die Klägerin diese Passage mit der
Begründung, die positive Aussage werde durch die Verwendung des Wortes
„insgesamt“ unzulässig eingeschränkt. Darüber hinaus verlangte sie unter
Fristsetzung weitere Korrekturen. Die Beklagte änderte das Arbeitszeugnis ein
zweites Mal („drittes Arbeitszeugnis“), das danach wie folgt endet:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">„Frau D hat
ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unseren
Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen. …<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Frau D
verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch.“<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Klägerin
hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihr ein
Arbeitszeugnis auszustellen, das die in den ersten beiden Zeugnisfassungen
erteilte Dankes- und Wunschformel enthalte. Mit der Erteilung des ersten und
zweiten Arbeitszeugnisses habe sich die Beklagte diesbezüglich gebunden. Mit
ihrer Weigerung, das dritte Arbeitszeugnis entsprechend zu korrigieren,
verstoße sie gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.<i><o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Klägerin
hat beantragt,<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">ihr Zug um
Zug gegen Herausgabe der drei bereits erteilten Zeugnisse vom 28. Februar
2021 ein Zeugnis mit dem folgenden Inhalt zu erteilen:<i><o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>„Arbeitszeugnis<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>Frau D,
geboren 1993, ist seit dem 15.08.2017 als Persönliche Assistentin der
Geschäftsführung für unser Unternehmen tätig gewesen. Auf Grund sehr guter
Leistungen war Frau D im Zeitraum 01.10.2019 bis zum 28.02.2021 als Managerin
of Administration and Central Services tätig.<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>Die H GmbH
verwaltet die H Gruppe, welche sich aus 10 Fitnessstudios in B und
Umgebung zusammensetzt. Hierzu zählen die Konzepte H, V und M.<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>Der
Wirkungs- und Verantwortungsbereich von Frau D umfasste im Wesentlichen
die eigenverantwortliche und selbstständige Erledigung folgender Aufgaben:<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Assistenztätigkeit<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>-
Ansprechpartnerin für Geschäftspartner und Mitarbeiter<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Allgemeine Korrespondenz und
Terminmanagement<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Verwaltung und Bearbeitung von
eingehenden Rechtsfällen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Koordination und Administration von
Aufgaben im Rahmen der Eröffnung neuer Fitnessstudios<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Allgemeines Vertragswesen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Bearbeitung des Posteingangs<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Protokollantin während
Führungskräfte-Meetings<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Empfangen von Besuchern<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Nachbereitung von Vereinbarungen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Planung von Veranstaltungen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Vorbereitung von Schulungen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>In Vertretung / Personalwesen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Bearbeitung des Karriere-Postfachs<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Erstellung und Veröffentlichung von
Stellenanzeigen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Bearbeitung von Urlaubsanträgen und
Krankmeldungen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Terminkoordination von
Bewerbungsgesprächen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Korrespondenz mit den Universitäten
und Ausbildungsinstitutionen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Erstellung von folgenden
Schriftstücken:<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>• Arbeits- und Ausbildungsverträge<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>• Nachträge<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>• Kündigungen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>• Abmahnungen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>• Arbeitszeugnisse<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>• Arbeitsbescheinigungen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Pflege der Organigramme<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Korrespondenz mit
Personalvermittlungsagenturen & dem Jobcenter<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Rechtsfälle Personal<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Nachkontrolle der
Aushilfen-Abrechnungen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>In Vertretung / Vertragswesen<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Bearbeitung und Prüfung von
Leasingangeboten<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Korrespondenz mit Leasinggebern<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Überprüfung gestellter Rechnungen zu
den Leasingobjekten<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Bearbeitung von Kündigungen und
Übernahme der Leasingobjekte<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Versicherungen der PKWs und Studios</i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>- Betreuung
des Fuhrparks (TÜV, Reparaturen, Instandhaltung)</i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>Frau D
verfügt über ein äußerst umfassendes und hervorragendes Fachwissen, das sie zur
Bewältigung ihrer Aufgaben stets sehr sicher und erfolgreich einsetzte. Daher
war sie in unserem Hause ein allseits geschätzter Ansprechpartner bei allen
fachlichen Problemstellungen.<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>Durch ihre
schnelle Auffassungsgabe hat sie sich innerhalb kürzester Zeit in den ihr
gestellten Aufgabenbereich eingearbeitet und verfolgte die vereinbarten Ziele
nachhaltig und mit höchstem Erfolg. Frau D war äußerst zuverlässig und ihr
Arbeitsstil war stets geprägt durch sehr sorgfältige Planung und Systematik.
Ihre Arbeitsergebnisse waren, auch bei wechselnden Anforderungen und unter sehr
schwierigen Bedingungen, stets von sehr guter Qualität.<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>Selbst unter
sehr starker Belastung bewältigte sie alle Aufgaben mit äußerster Sorgfalt
sowie in allerbester Weise und war jederzeit bereit, auch zusätzliche
Verantwortung zu übernehmen. Qualität und Quantität der Arbeit von Frau D waren
jederzeit sehr gut. Fristen und vorgegebene Termine kontrollierte sie absolut
selbstständig und hielt diese auch unter schwierigsten Bedingungen ein.<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>Frau D hat
ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unseren
Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen. Gegenüber Vorgesetzten,
Mitarbeitern und Kunden verhielt Frau D sich stets vorbildlich. Sie trug zu
einer hervorragenden und effizienten Teamarbeit bei.<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>Frau D
verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch.<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>Wir danken
ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu
verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute
und auch weiterhin viel Erfolg.<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>B, den
28.02.2021<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>H GmbH<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;"><i>C H<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><i>Gesellschafter
Geschäftsführer“<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Beklagte
hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, das
Maßregelungsverbot binde den Arbeitgeber lediglich im laufenden
Arbeitsverhältnis, gelte aber nicht für Sachverhalte nach dessen Beendigung.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis mit einer Dankes- und
Wunschformel gehabt, weil darin lediglich subjektive Empfindungen zum Ausdruck
kämen. Daher könne sie diese auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht verlangen.
Im Übrigen schließe der Grundsatz der Zeugniswahrheit die Aufnahme derartiger
Schlusssätze aus, wenn sich das subjektive Empfinden des Arbeitgebers nach der
Erteilung eines Arbeitszeugnisses geändert habe.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Das
Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die
Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte
ihr Ziel, die Abweisung der Klage, weiter.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Entscheidungsgründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Der Senat hatte
über die Revision der in der Revisionsverhandlung säumigen Beklagten durch
Versäumnisurteil zu entscheiden. Die zulässige Revision ist nicht begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das
klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die
zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte ist gemäß § 612a BGB
verpflichtet, der Klägerin das Arbeitszeugnis unter Einschluss der begehrten
Schlusssätze zu erteilen. Mit ihrer Weigerung, das Zeugnis mit einer sog.
Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel zu versehen, verstößt sie gegen das
arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>I.</b> Der
Senat hatte durch Versäumnisurteil zu entscheiden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Eine
Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a ZPO) kam nicht in Betracht. Dem stehen
§ 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO entgegen, da
in der Revisionsinstanz bisher keine zweiseitige mündliche Verhandlung
stattgefunden hat (vgl. BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 796/06 -
Rn. 10, BAGE 123, 301).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Das
Versäumnisurteil beruht nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer
sachlichen Prüfung der Klage. Das Urteil wäre inhaltlich ebenso ergangen, wenn
die Beklagte nicht säumig gewesen wäre, sondern eine zweiseitige streitige
mündliche Verhandlung stattgefunden hätte. Ein Versäumnisurteil setzt
begrifflich zwar voraus, dass es gegen die säumige Partei ergeht, aber nicht
auch, dass es inhaltlich auf einer Säumnisfolge beruht (vgl. BAG 8. Mai
2014 - 6 AZR 465/12 - Rn. 15).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>II.</b> Das
Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin von der
Beklagten ein Arbeitszeugnis mit den von ihr begehrten Schlusssätzen verlangen
kann: „Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als
Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen
wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“ Diese Sätze schließen das
erste und das von der Beklagten geänderte zweite Arbeitszeugnis ab. Mit der
Weigerung, das dritte Arbeitszeugnis mit einer entsprechenden Formel zu
versehen, verstößt die Beklagte gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>1.</b> Das
Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass ein Arbeitnehmer aus § 109
Abs. 1 Satz 3 GewO, der den Arbeitgeber zu einer Beurteilung der
Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers verpflichtet, keinen Anspruch auf
eine Dankes- und Wunschformel ableiten kann. Die verfassungsrechtlichen
Vorgaben aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen
es nicht, die Regelung des § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO über ihren
Wortlaut hinaus auszulegen (vgl. im Einzelnen BAG 25. Januar 2022
- 9 AZR 146/21 - Rn. 12 ff.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>2.</b> Auch
das in § 241 Abs. 2 BGB verankerte Rücksichtnahmegebot verpflichtet
den Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer über den von ihm nach § 109
Abs. 1 Satz 3 GewO geschuldeten Zeugnisinhalt hinaus Dank zu bezeugen
und Wünsche für dessen berufliche Zukunft zu formulieren. Die Regelungen zum
Inhalt eines qualifizierten Arbeitszeugnisses in § 109 Abs. 1
Satz 2 und Satz 3 GewO sind abschließend (BAG 25. Januar 2022
- 9 AZR 146/21 - Rn. 21 ff.).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>3.</b> Die
weitere Annahme des Landesarbeitsgerichts, es sei der Beklagten verwehrt, in
dem dritten Arbeitszeugnis von den Schlusssätzen des ersten und zweiten
Arbeitszeugnisses abzuweichen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das
Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Verpflichtung zur
Änderung des Zeugnisses vorliegend aus dem Verbot der Maßregelung (§ 612a
BGB) folgt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>a)</b> Gemäß
§ 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme
nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das
Maßregelungsverbot schützt die Willensfreiheit des Arbeitnehmers (vgl. BAG
16. Februar 1989 - 2 AZR 347/88 - zu III 2 b
der Gründe, BAGE 61, 151). Dieser soll ohne Angst vor einer Maßregelung
durch den Arbeitgeber darüber entscheiden dürfen, ob er die zustehenden Rechte
in Anspruch nimmt oder davon absieht. Hat der Arbeitgeber das
Maßregelungsverbot verletzt, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass die
Benachteiligung durch den Arbeitgeber beseitigt wird. Dabei hat der Arbeitgeber
den Arbeitnehmer so zu stellen, wie er ohne die Maßregelung stände (vgl. BAG
15. September 2009 - 9 AZR 685/08 - Rn. 40).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>b)</b> Die
verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Arbeitgebers ist zwar bei
der Auslegung des § 612a BGB zu berücksichtigen, gibt ihm aber nicht das
Recht, die berechtigte Remonstration des Arbeitnehmers zum Anlass zu nehmen,
das Arbeitszeugnis zu dessen Nachteil zu ändern. Die Norm des § 612a BGB
regelt einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit (vgl. BAG 27. September 2022
- 2 AZR 5/22 - Rn. 14). Weder die Rechtsordnung im
Allgemeinen noch die auf Seiten des Arbeitgebers zu berücksichtigenden
Grundrechte der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und
Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) schützen sittenwidriges
Verhalten im Rechtsverkehr.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>aa)</b> Die
Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die
durch die Grundrechte gezogenen Grenzen zu beachten. Sie müssen die im Gesetz
zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die die
konkurrierenden Grundrechte der verschiedenen Grundrechtsträger beachtet und
unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet. Sind bei der
gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere
Deutungen möglich, verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen
der Verfassung entspricht und die Grundrechte der Beteiligten möglichst
weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Einfluss der
Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen ist
nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle
auslegungsfähigen und -bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen
Vorschriften (BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 -
Rn. 13).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>bb)</b> Bei
der Beurteilung, ob der Arbeitgeber durch ein vorheriges Verhalten derart
gebunden ist, dass er die Formulierung einer gegebenenfalls auf die Gesamtnote
abgestimmten Schlussformel schuldet, sind auf Seiten des Arbeitsgebers die
Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG und seine durch Art. 12
Abs. 1 GG geschützte Unternehmerfreiheit und auf Seiten des Arbeitnehmers
dessen Berufsausübungsfreit (Art. 12 Abs. 1 GG) und
- gegebenenfalls - das aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1
Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>cc)</b> Das
Interesse des Arbeitnehmers, ohne Angst vor einer Maßregelung seitens des
Arbeitgebers die ihm zustehenden Rechte dem Arbeitgeber gegenüber in zulässiger
Weise geltend zu machen, ist unter dem Gesichtspunkt des Maßregelungsverbots
grundsätzlich höher zu bewerten als das Interesse des Arbeitgebers, den von ihm
zuvor selbst gestalteten Zeugnisinhalt in Reaktion auf ein rechtmäßiges
Verhalten des Arbeitnehmers grundlos nachträglich zu ändern. Ein Festhalten an
dem von ihm selbst erstellten Zeugnis ist einem Arbeitgeber nur dann nicht
zuzumuten, wenn sachliche Gründe vorliegen, die ein Abweichen als angemessen
erscheinen lassen. Dies gilt auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen er
mit dem zu beurteilenden Arbeitnehmer eng zusammengearbeitet hat.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>c)</b>
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anwendungsbereich des
Maßregelungsverbots nicht auf das laufende Arbeitsverhältnis beschränkt,
sondern auch nach dessen Beendigung eröffnet, insbesondere im Bereich des
Zeugnisrechts. Ähnlich wie das Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2
BGB (vgl. dazu BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 -
Rn. 23), kann auch die Bestimmung des § 612a BGB nachvertragliche
Wirkungen zeitigen. So hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, das
Maßregelungsverbot hindere den Arbeitgeber daran, vom Arbeitnehmer nicht
beanstandete Teile des Arbeitszeugnisses grundlos über die zu Recht verlangten
Berichtigungen hinaus zu ändern (vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR
352/04 - zu I 3 der Gründe, BAGE 115, 130; siehe ferner BAG
10. Mai 2005 - 9 AZR 261/04 - zu II 3 c der
Gründe, BAGE 114, 320).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>d)</b> Die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 612a BGB liegen im Streitfall vor.
Die Beklagte hat die Klägerin, die ihren Anspruch auf Berichtigung der ihr
erteilten Arbeitszeugnisse in zulässiger Weise verfolgt hat, gemaßregelt, indem
sie darauf verzichtet hat, in das dritte Arbeitszeugnis die zuvor verwendete
Dankes- und Wunschformel aufzunehmen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>aa)</b> Die
Klägerin hat mit dem an die Beklagte herangetragenen Wunsch, das zweite
Arbeitszeugnis zu korrigieren, in zulässiger Weise von ihrem Recht auf
Zeugniserteilung Gebrauch gemacht.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(1)</b> Ein
Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach
Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO entspricht.
Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis iSd. § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO
dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und ist insoweit
Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre
Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der
Arbeitgeber seine Leistung beurteilt. Daraus ergeben sich als inhaltliche
Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und das in § 109 Abs. 2
GewO auch ausdrücklich normierte Gebot der Zeugnisklarheit. Genügt das erteilte
Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer die Berichtigung des
Arbeitszeugnisses oder dessen Ergänzung verlangen (vgl. BAG 27. April 2021
- 9 AZR 262/20 - Rn. 14, BAGE 174, 372).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(2)</b> In
dem zweiten Arbeitszeugnis beschrieb die Beklagte die Leistungen der Klägerin
mit dem Satz: „Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität …“.
Diese Beschreibung bleibt hinter der letztlich von der Beklagten erteilten
Schlussbewertung („Frau D hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten
Zufriedenheit erledigt …“) zurück. Aus der Verwendung des Adverbs „insgesamt“
muss der verständige Leser des Zeugnisses schließen, dass die Klägerin ihre
Aufgaben nicht durchgehend „zur vollsten Zufriedenheit“ der Beklagten versah.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>bb)</b> Mit
der Änderung der Schlussformel in dem dritten Arbeitszeugnis hat die Beklagte
der Klägerin einen Nachteil zugefügt. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu
Recht ausgegangen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(1)</b>
§ 612a BGB schützt den Arbeitnehmer gegen eine Benachteiligung seitens des
Arbeitgebers. Eine Benachteiligung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer eine
Einbuße erleidet, sich also seine Situation nach der Vereinbarung oder Maßnahme
durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu der Situation, wie sie zuvor bestand,
verschlechtert hat (vgl. BeckOK ArbR/Joussen Stand 1. Juni 2023 BGB
§ 612a Rn. 8). Der Nachteil, der rechtlicher oder faktischer Natur
sein kann, ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen; das rein subjektive
Empfinden des Arbeitnehmers, einen Nachteil zu erleiden, reicht nicht aus.
Dabei schützt § 612a BGB den Arbeitnehmer nicht nur vor dem Entzug eines
Vorteils, auf den er einen Anspruch hat. Der Normzweck der Vorschrift, die
Willensfreiheit des Arbeitnehmers bei der Ausübung der ihm zustehenden Rechte
gegenüber dem Arbeitgeber zu schützen, kommt auch im Bereich freiwilliger
Leistungen zum Tragen (vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR
742/00 - zu B I 1 d bb (1) der Gründe,
BAGE 103, 265; 12. Juni 2002 - 10 AZR 340/01 -
zu II 1 a der Gründe, BAGE 101, 312; 28. Juli 1992
- 1 AZR 87/92 - zu II 2 und 3 der Gründe). Diesen
freiwilligen Leistungen ist die Erteilung eines Arbeitszeugnisses, das eine
Dankes- und Wunschformel enthält, gleichzustellen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(2)</b>
Indem die Beklagte die Schlusssätze: „Wir danken ihr für ihre wertvolle
Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren
weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin
viel Erfolg.“, die sie sowohl dem ersten als auch dem zweiten Arbeitszeugnis
beifügte, im dritten Arbeitszeugnis wegließ, erlitt die Klägerin einen
faktischen Nachteil iSd. § 612a BGB. Ihre Situation hat sich unabhängig
davon objektiv verschlechtert, dass sie ursprünglich keinen Anspruch auf ein
Zeugnis mit einer Dankes- und Wunschformel hatte. Denn Schlusssätze, mit denen
der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für seine Mitarbeit dankt und ihm für die
Zukunft alles Gute wünscht, sind geeignet, die Bewerbungschancen des
Arbeitnehmers zu erhöhen (vgl. BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR
146/21 - Rn. 17). Ein Zeugnis wird durch solche Schlusssätze
aufgewertet (vgl. BAG 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 -
Rn. 12, BAGE 144, 103).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>cc)</b> Ohne
Rechtsfehler ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, der
Änderungswunsch der Klägerin und das Weglassen der Schlusssätze seien
ursächlich miteinander verknüpft.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(1)</b> Ein
Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB setzt voraus, dass die
zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund (vgl. BAG 18. Oktober
2017 - 10 AZR 330/16 - Rn. 42, BAGE 160, 296), dh. das
wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist (vgl. BAG
27. September 2022 - 2 AZR 5/22 - Rn. 15). Es reicht
nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme
bietet (vgl. BAG 20. Mai 2021 - 2 AZR 560/20 -
Rn. 26). Handelt der Arbeitgeber aufgrund eines Motivbündels, so ist auf
das wesentliche Motiv abzustellen (vgl. BAG 18. November 2021
- 2 AZR 229/21 - Rn. 28).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(2)</b> Der
klagende Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die
Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang
zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung. Er hat einen
Sachverhalt vorzutragen, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der
Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von
Rechten hindeutet. Der Arbeitgeber muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO im
Einzelnen zu diesem Vortrag erklären (BAG 18. November 2021 - 2 AZR
229/21 - Rn. 28).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(3)</b> Die
Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Klägerin wegen
ihres wiederholten Wunsches, die von ihr zuvor erteilten Arbeitszeugnisse zu
ändern, sanktioniert, ist vom Senat nur eingeschränkt zu überprüfen. Die nach
§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung oder
Nichtüberzeugung des Berufungsgerichts, die zulässige Rechtsausübung des
Arbeitnehmers sei für die benachteiligende Maßnahme des Arbeitgebers kausal,
kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich
widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere
Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 18. Oktober 2017 - 10 AZR
330/16 - Rn. 42, BAGE 160, 296).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>(4)</b>
Danach revisible Rechtsfehler werden von der Beklagten nicht gerügt und sind
auch nicht ersichtlich. Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat
vorgetragen, die Beklagte habe ihre zweimaligen Beanstandungen zum Anlass
genommen, die ursprünglich beigefügte Schlussformel im dritten Arbeitszeugnis
fortzulassen. Den unmittelbaren Zusammenhang der Korrespondenz mit der Änderung
des Zeugnistexts hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei zum Anlass
genommen, den notwendigen Kausalzusammenhang zwischen Rechtsausübung der
Klägerin und Maßregelung seitens der Beklagten zu bejahen. Vortrag, der diesen
Zusammenhang erschüttern könnte, hat die Beklagte nicht gehalten. Insbesondere
hat sie sich nicht darauf berufen, nach der Erteilung der ersten beiden Zeugnisse
von Umständen erfahren zu haben, die eine abweichende Bewertung rechtfertigten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>4.</b> Da
das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen ist, die Beklagte
habe die Klägerin gemaßregelt, braucht der Senat vorliegend nicht darüber zu
entscheiden, ob die Klägerin bereits unter dem - alleinigen -
Gesichtspunkt der Selbstbindung der Beklagten einen Anspruch auf die begehrte
Zeugnisformulierung hat. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber nach den Grundsätzen
von Treu und Glauben an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses gebunden. Von
seinen Wissenserklärungen zum Verhalten oder der Leistung des Arbeitnehmers
kann der Arbeitgeber nur dann abrücken, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt
werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. allg. zur
Selbstbindung des Arbeitgebers BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR
352/04 - zu I 2 der Gründe mwN, BAGE 115, 130). In gleicher
Weise kann der Arbeitgeber - soweit er ursprünglich eine Schlussformel
erteilt hat - an den Ausdruck persönlicher Empfindungen, wie Dank,
Bedauern oder gute Wünsche für die Zukunft, gebunden sein (vgl. BAG 11.
Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 - Rn. 19, BAGE 144, 103).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>III.</b> Die
Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1
ZPO).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Rechtsbehelfsbelehrung<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Gegen dieses
Versäumnisurteil kann die Beklagte innerhalb einer Frist von zwei Wochen
seit Zustellung Einspruch beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1,
99084 Erfurt, einlegen.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-28546096467040684202024-01-09T16:32:00.002+01:002024-01-09T17:24:42.133+01:00Beweis für den Zugang eines Einwurf-Einschreibens<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgCuDP-wSZ6OWRzwt4T-V9mw01MCR-sb0CdOyEFSpbGAe6_8b27YdI094_g4HcNf1_eG7AjEeZppSqCzW2dfkKQzFlmdA0Osi5n-RRnJrqdrFwXFnzmH0zw_czOKeuEGcxUmJkKnzXJ9wWz3NhR-6S17VtXaEEH2XqrayfSHgMuYIGbXjMSfo0cqFiYPBIp/s1280/mailman-8175076_1280.tiff" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1280" data-original-width="1280" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgCuDP-wSZ6OWRzwt4T-V9mw01MCR-sb0CdOyEFSpbGAe6_8b27YdI094_g4HcNf1_eG7AjEeZppSqCzW2dfkKQzFlmdA0Osi5n-RRnJrqdrFwXFnzmH0zw_czOKeuEGcxUmJkKnzXJ9wWz3NhR-6S17VtXaEEH2XqrayfSHgMuYIGbXjMSfo0cqFiYPBIp/s320/mailman-8175076_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Immer wieder stellt sich die
Frage, wie ein Schreiben einem Dritten zugestellt werden kann, dass der Zugang
bei Bestreiten des Erhalts nachgewiesen werden kann. Im vorliegend vom
Rechtstreit vor dem LAG Nürnberg wurde eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses
durch den Arbeitgeber (Beklagter) ausgesprochen worden. Vertraglich war eine
vierteljährliche Kündigungsfrist zum Quartalsende vereinbart gewesen. Mit einem
Einwurf-Einschreiben vom 28.09.2021, welches nach dem Zustellungsnachweis der
Deutschen Post AG am 30.09.2023 in den Briefkasten der Klägerin geworfen worden
sein soll, kündigte der Beklagte zum 31.12.2023. Die Klägerin wandte sich mit
der Klage gegen die Kündigung insoweit, als sie die Feststellung begehrte, dass
durch die Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zum 31.03.2022 aufgelöst worden
sei. Das Arbeitsgericht wies die Klage unter Bezugnahme auf ein Urteil des LAG
Schleswig-Holstein vom 18.01.2022 – 1 Sa 159/21 mit der Begründung ab, dass bei
Übersendung eines Einwurf-Einschreibens und Vorlage des Einlieferungsbelegs
sowie unter Reproduktion des ordnungsgemäß unterzeichneten Auslieferungsbelegs
ein Nachweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schriftstücks beim
Empfänger spreche.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zwar seien fehlerhafte
Zustellungen naturgesetzlich nicht auszuschließen, aber nach der Erfahrung so
unwahrscheinlich, dass ein Anscheinsbeweis gerechtfertigt sei. Da das Schreiben
von einem Bediensteten der Deutschen Post AG eingeworfen worden sei, sei auch
davon auszugehen, dass es zu einer Tageszeit eingeworfen wurde, zu der nach den
gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs mit einer
Entnahme am gleichen Tag aus dem Briefkasten zu rechnen sei.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das LAG wies die Berufung der Klägerin gegen
dieses Urteil zurück, ließ aber die Revision zu, die derzeit bei dem BAG zu 2
AZR 213/23 anhängig ist (Termin dort: 20.06.2024).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Das LAG folgte der Annahme des
Arbeitsgerichts, dass durch die Vorlage der genannten Belge der Beweis des
ersten Anscheins für den rechtzeitigen Zugang des Schreibens bei der Klägerin
spreche (und verwies dabei u.a. auf die Urteil des BGH vom 27.09.2016 - II ZR
299/15 - und des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 12.03.2019 - 2 Sa 130/18 -. Der
erste Anschein spreche auch dafür, dass die Zustellung zu den üblichen
Postzustellzeiten erfolgte, da die Zustellung durch einen Mitarbeiter der
Deutschen Post AG und nicht durch einen anderen Versanddienstleister oder
-boten erfolgt sei; es könne davon ausgegangen werden, <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>dass der Mitarbeiter die Zustellungen im
Rahmen seiner zugewiesenen Arbeitszeiten vornehme; nach der allgemeinen
Verkehrsanschauung sei damit zu rechnen, dass bei Hausbriefkästen eine Leerung
unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten erfolge (BAG, Urteil
vom 22.03.2012 - 2 AZR 224/11 -). Damit würde der Klägerin obliegen, einen
Sachverhalt aufzuzeigen, demzufolge das Kündigungsschreiben außerhalb der
gewöhnlichen Postzustellzeiten in ihren Briefkasten gelangt sei. Anhaltspunkte
für einen späteren Zugang lägen nicht vor, weshalb nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB
der Zugang am 30.09.2021 anzunehmen sei und die vertraglich vereinbaret
Kündigungsfrist mithin eingehalten worden sei.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Anmerkung:</u></b>
Vorliegend ging es nicht um die Frage, ob das Kündigungsschreiben überhaupt
zugegangen ist, sondern ob das vom Mitarbeiter der Deutschen Post AG angegebene
Datum stimmte bzw. der Einwurf tatsächlich in den Briefkasten der Klägerin
erfolgte. Zweifelhaft halte ich die Annahme eines Beweises des ersten
Anscheins. Der Unterzeichner erlebt häufig fehlerhafte Zustellungen, sowohl im
privaten als auch im beruflichen Bereich. So finden sich immer wieder (mindestens
einmal in zwei Wochen) Schreiben im Kanzleibriefkasten, die nicht nur an eine
Dritten adressiert sind, der im gleichen Haus tätig ist, sondern auch gänzlich
andere Anschriften benennen. Privat wird in meinen Briefkasten ständig, im
rechnerischen Schnitt 1,5 mal die Woche, die Post einer anderen Mitbewohnerin
geworfen, wie auch meine Post bei ihr eingeworfen wird, was dazu führt, dass
wir insoweit jeweils mit einer Verzögerung von mindestens einen Tag die Post
empfangen (bei Eingabe auf Google „Fehlzustellungen der Post“ kann man sehr
viele Beschwerden, die sogar Ortsgemeinden zum Tätigwerden veranlassten,
finden). Auch was die Richtigkeit von Angaben der Mitarbeiter der Deutschen
Post AG anbelangt, kann nicht nur im Hinblick auf die Fehleinwürfe nicht
gefolgt werden. So hatte ich den letzten Monaten zwei Zustellungen im Büro, bei
denen vermerkt war, dass niemand angetroffen worden sei und deshalb der Einwurf
in den Briefkasten erfolge – obwohl das Büro von Montag bis Freitag ab
spätestens sieben Uhr bis nach 18.00 Uhr besetzt ist und diese Zustellungen
zwischen Montag und Freitag erfolgten. Beschwerden bei der Post der der
Bundesnetzagentur als zuständig Aufsichtsbehörde bewirken, wie ich feststellte,
nichts. Gleichwohl rate ich dringend an, bei festgestellten Fehlzustellungen
(Sie bekommen ihre Post vom Nachbarn, bei dem der Einwurf erfolgte, oder Sie
erhalten die Post Dritter pp.) dies sowohl gegenüber der Post als auch der
Bundesnetzagentur zu monieren. Kommt es häufig bei Ihnen zu Fehlzustellungen,
können sie damit möglicherweise den Anscheinsbeweis, der hier vom LAG
angenommen wird, entkräften, unabhängig davon, dass ich der Annahme bin, dass
der Anscheinsbeweis im Hinblick auf die Zunahme der Fehlleitungen nicht mehr
greifen kann.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>LAG Nürnberg, Urteil vom
15.06.2023 - 5 Sa 1/23 -<o:p></o:p></u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span></span></b></p><a name='more'></a><b><u><br /></u></b><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><u>Aus den Gründen:</u></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tenor<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">1. Die Berufung der Klägerin gegen das
Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.11.2022, Az.: 4 Ca 4439/21, wird
auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">2. Die Revision
wird zugelassen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Tatbestand<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Parteien
streiten über den Zugang einer ordentlichen Kündigung. Die am 18.06.1986
geborene Klägerin war seit dem 01.04.2021 beim Beklagten zu einem
Vierteljahresbruttoeinkommen in Höhe von € 30.272,70 als Zahnärztin
beschäftigt. Arbeitsvertraglich ist eine vierteljährliche Kündigungsfrist zum
Quartalsende vereinbart worden.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Mit Schreiben
vom 28.09.2021 kündigte der Beklagte das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis zum 31.12.2021. Das Kündigungsschreiben wurde entsprechend
dem Zustellungsnachweis der Deutschen Post AG vom 30.09.2021 (Anlagen B1 und
B2) der Klägerin zugestellt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Mit ihrer am
13.10.2021 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen Klage beantragt die
Klägerin, die Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 28.09.2021 nicht zum
31.12.2021, sondern erst zum 31.03.2022 aufgelöst worden ist. Hinsichtlich des
streitigen Sachvortrags sowie der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand
der arbeitsgerichtlichen Entscheidung mit dem Aktenzeichen 4 Ca 4439/21
verwiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Das
Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 23.11.2022 die Klage abgewiesen. Das
Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme
durch die Beklagte am 29.09.2021 das Kündigungsschreiben zur Post gegeben wurde
und dieses am 30.09.2021 durch Einwurf in den Briefkasten der Klägerin
eingeworfen und damit zugegangen sei. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung
des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 18.01.2022, Az:
1 Sa 159/21, folgt das Arbeitsgericht der Auffassung, dass bei
Übersendung eines Schriftstücks per Einwurfschreiben und gleichzeitiger Vorlage
des Einlieferungsbelegs unter Reproduktion des ordnungsgemäß unterzeichneten
Auslieferungsbelegs ein Nachweis des ersten Anscheins für den Zugang dieses
Schriftstücks beim Empfänger spreche. Der feststehende tatsächliche
Geschehensablauf führe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem
Einwurf der Sendung in das richtige Postfach bzw. den richtigen Briefkasten.
Zwar seien fehlerhafte Zustellungen naturgesetzlich nicht ausgeschlossen, aber
nach der Erfahrung so unwahrscheinlich, dass die Annahme eines
Anscheinsbeweises gerechtfertigt sei. Das Kündigungsschreiben des Beklagten sei
am 30.09.2021 so in den Machtbereich der Klägerin gelangt, so dass diese unter
normalen Umständen am gleichen Tag hiervon hätte Kenntnis nehmen können. So
bewirke der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der
Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei. Dabei sei im
Interesse der Rechtssicherheit eine generalisierende Betrachtung geboten, wenn
für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der
Kenntnisnahme bestanden habe, sei es unerheblich, ob er daran durch Krankheit,
zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert
gewesen sei, den Briefkasten zu leeren, da ihm insoweit eine Obliegenheit
treffe, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu
treffen. Nachdem das Kündigungsschreiben von einem Bediensteten der Deutschen
Post AG eingeworfen sei, sei auch davon auszugehen, dass dies zu den üblichen
Postzustellzeiten erfolgt sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die
Zustellung durch die Deutsche Post AG und nicht durch einen anderen
Versanddienstleister oder -boten erfolgt sei. Es würden keine Anhaltspunkte
bestehen, dass das Schreiben durch die Deutsche Post AG zu einer Tageszeit
eingeworfen worden sei, zu der nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den
Gepflogenheiten des Verkehrs nicht mehr mit einer Entnahme am 30.09.2021 zu
rechnen gewesen sei. Für die Klägerin habe daher noch am 30.09.2021 die
Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Kündigungsschreibens bestanden und sei ihr
daher im Sinne von § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zugegangen. Der
Beklagte habe die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von 3 Monaten zum
Quartalsende eingehalten, so dass die Kündigung vom 28.09.2021 das zwischen den
Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.12.2021 aufgelöst habe.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Das Urteil des
Arbeitsgerichts Nürnberg wurde der Klägerin am 01.12.2022 zugestellt. Die
Berufungsschrift der Klägerin ging beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am
02.01.2023 ein. Die Berufungsbegründungsschrift ging beim Landesarbeitsgericht
Nürnberg am 01.03.2023 innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist
ein.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Nach Ansicht
der Klägerin habe das Arbeitsgericht keine Feststellung getroffen, die die
Feststellung ermöglichen würden, wann nach der Verkehrsanschauung mit einer
Entnahme des Kündigungsschreibens zu rechnen gewesen sei. Das Arbeitsgericht
habe lediglich angenommen, dass das Schreiben wohl zu den üblichen
Postzustellzeiten eingeworfen worden sei. Warum das Gericht zu dieser
Auffassung gelange, bleibe allerdings im Dunkeln. Ebenso bleibe im Dunkeln, was
die üblichen Postzustellzeiten überhaupt sein sollten. Hierzu würden jegliche
Feststellungen fehlen. Auch die pauschale Feststellung, es würde an
Anhaltspunkten fehlen, dass das Schreiben zu einer Tageszeit eingeworfen worden
sein soll, zu der nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten
des Verkehrs nicht mehr mit einer Entnahme am 30.09.2021 zu rechnen gewesen
sei, gehe letztlich an der Sache vorbei. Für den Zugang des
Kündigungsschreibens am 30.09.2021 sei die Beklagte beweisbelastet. Als Beweis
sei lediglich die Reproduktion des Einlieferungsbeleges vorgelegt worden.
Daraus ergäbe sich aber nur der Zustelltag, nicht jedoch die Uhrzeit. Ein
Anscheinsbeweis dahingehend, dass das Einschreiben wohl zu einer Zeit
eingeworfen worden sei, zu der noch mit einer Entnahme am selben Tag gerechnet
werden müsse, ergäbe sich jedoch nach Ansicht der Klägerin aus der bloßen
Vorlage der Reproduktion des Auslieferungsbeleges nicht. Da die Uhrzeit des
Einwurfs aber vollkommen unbekannt sei, könne ein solcher Schluss nicht gezogen
werden. Der Schluss würde nicht auf Erfahrung setzen, sondern auf bloßer
Spekulation beruhen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die Klägerin und Berufungsklägerin stellt
in der Berufungsinstanz folgende Anträge:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Auf die Berufung der Klägerin wird das
Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.11.2022, Az: 4 Ca 4439/21,
abgeändert:</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Es wird
festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch
die Kündigung des Beklagten vom 28.09.2021 nicht zum 31.12.2021, sondern erst
zum 31.03.2022 aufgelöst wird.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Der Beklagte und Berufungsbeklagte stellt
den Antrag:</p><p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm; margin-left: 1.0cm; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-align: justify;">Die Berufung
wird zurückgewiesen.</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Beklagte
verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Auffassung, dass der
Umstand, dass das hier zugrundeliegende Kündigungsschreiben gerade durch einen
Angestellten der Deutschen Post AG nachweislich und unstreitig am 30.09.2021 in
den Briefkasten der Klägerin eingeworfen worden sei, davon auszugehen ist, dass
der Einwurf unter Berücksichtigung der ortsüblichen Postzustellzeiten erfolgt
sei. Wer sonst außer die Deutsche Post AG, neben den jeweiligen
Regionalzustellunternehmen könne ansonsten die ortsübliche Zustellzeit
bestimmen. Die Deutsche Post AG präge durch ihr Postzustellverhalten die
ortsüblichen Postzustellzeiten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Hinsichtlich
der weiteren Einzelheiten wird auf die arbeitsgerichtlichen und im
Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b>Entscheidungsgründe<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Berufung
ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, 2 c ArbGG)
und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden
(§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519,
520 ZPO).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Berufung
ist sachlich nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage der Klägerin zu
Recht abgewiesen, da die ausgesprochene ordentliche Kündigung der Klägerin am
30.09.2021 zugegangen und damit das Arbeitsverhältnis der beiden Parteien zum
31.12.2022 aufgelöst hat. Die Berufungskammer folgt den umfassenden,
zutreffenden und gut nachvollziehbaren Ausführungen im Ersturteil und sieht von
einer rein wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69
Abs. 2 ArbGG).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Im Hinblick auf
das Berufungsvorbringen sind lediglich noch folgende ergänzende Ausführungen
veranlasst:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Wird ein
Kündigungsschreiben per Einwurf-Einschreiben übersendet und legt der Absender
den Einlieferungsbeleg und die Reproduktion des Auslieferungsbeleges mit der
Unterschrift des Zustellers vor, spricht der Beweis des ersten Anscheins für
den Zugang des Schreibens beim Empfänger (siehe BGH vom 27.09.2016
- II ZR 299/15; LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 12.03.2019
- 2 Sa 139/18; LAG Baden-Württemberg vom 28.02.2021
- 4 Sa 68/20 und LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.01.2020
- 1 Sa 159/21). Der Auslieferungsbeleg der Deutschen Post AG mit
der Unterschrift des Zustellers erbringt aber auch den Beweis des ersten
Anscheins für den Zugang des Schreibens zum Zeitpunkt der üblichen
Postzustellzeiten. Die Zustellung erfolgte durch einen Mitarbeiter der
Deutschen Post AG und nicht durch einen anderen Versanddienstleister oder
-boten. Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Mitarbeiter
die Zustellungen im Rahmen seiner ihm zugewiesenen Arbeitszeiten vornimmt. Die
dem jeweiligen Zusteller zugewiesenen Arbeitszeiten prägen damit regelmäßig
auch die ortsüblichen Zustellzeiten. Nach der allgemeinen Verkehrsanschauung
ist damit zu rechnen, dass bei Hausbriefkästen im allgemeinen eine Leerung
unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten erfolgt (BAG,
22.03.2012, 2 AZR 224/11). Der Klägerin obliegt es damit, Sachverhalte
aufzuzeigen, dass das Kündigungsschreiben außerhalb der gewöhnlichen
Postzustellzeiten in ihren Briefkasten gelangt ist. Hierfür bestehen jedoch
keinerlei Anhaltspunkte. Das Kündigungsschreiben ist ihr damit am 30.09.2021 im
Sinne von § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zugegangen. Die vertraglich
vereinbarte Kündigungsfrist von 3 Monaten hat das zwischen den beiden Parteien
bestehende Arbeitsverhältnis damit zum 31.12.2021 aufgelöst. Die Berufung der
Klägerin war zurückzuweisen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>III.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>1.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Kosten des
erfolglosen Berufungsverfahrens trägt die Klägerin (§ 97
Abs. 1 ZPO).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;"><b>2.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
</p><p class="MsoNormal" style="margin-left: 1.0cm; text-align: justify;">Die Zulassung
der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Die Frage,
ob in der hier zugrundeliegenden Konstellation ein Anscheinsbeweis für den
Zugang und dem Zeitpunkt des Kündigungsschreibens besteht, hat grundsätzliche
Bedeutung.<o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3957623831655492403.post-35296769159576385342024-01-07T14:27:00.003+01:002024-01-07T14:27:28.106+01:00Die fakultative bzw. obligatorische Pflicht einer GbR zur Eintragung im Gesellschaftsregister<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjdX2CZHc7WmNBTtSLEsfkM2rduTxzWMtvJ1KFpmOebX7c701nUU1pyRljlPhSI6ki71IzGwviNZS_hCQUtC7s33g0EQhmlEp-HHW7UnqKjvAP_kyEIIlNJzFOChf6NldY7A7noVZxpWMBf77FuPPADCR5vhItB72JIvmMpmDeRwbT3OOOM7Qgb_sZLSNL5/s1280/business-people-593751_1280.tiff" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" data-original-height="904" data-original-width="1280" height="226" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjdX2CZHc7WmNBTtSLEsfkM2rduTxzWMtvJ1KFpmOebX7c701nUU1pyRljlPhSI6ki71IzGwviNZS_hCQUtC7s33g0EQhmlEp-HHW7UnqKjvAP_kyEIIlNJzFOChf6NldY7A7noVZxpWMBf77FuPPADCR5vhItB72JIvmMpmDeRwbT3OOOM7Qgb_sZLSNL5/s320/business-people-593751_1280.tiff" width="320" /></a></div><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Mit dem Inkrafttreten des
Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (ModPeG) zum
01.01.2024 besteht nun auch für die GbR die Möglichkeit zur Eintragung im
Gesellschaftsregister in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat (die nachfolgenden Angaben
zu gesetzlichen Regelungen sind die ab 01.01.2024 geltenden neuen Regelungen
nach dem ModPeG). Eingetragene Gesellschaften müssen den Zusatz “eingetragene
Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ bzw. „eGbR“ zum Namen hinzufügen, § 707a Abs.
2 S. 1 BGB. Mit ihrer Eintragung entstehen weitere Anmeldepflichten, so z.B.
bei einem Gesellschafterwechsel oder einer Sitzverlegung, § 707 Abs. 3 BGB).
Eine Löschung der Gesellschaft im Gesellschaftsregister ist nur bei einer
Auflösung oder Vollbeendigung der Gesellschaft möglich, § 707a Abs. 4 BGB.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Grundsätzlich ist die Eintragung
im Gesellschaftsregister fakultativ. Obligatorisch ist sie allerdings in dem
Fall, dass die Gesellschaft im Grundbuch eingetragen werden soll, § 47 Abs. 2
GBO. Für eine bestehende Grundbesitz-GbR besteht erst zu dem Zeitpunkt die Pflicht
zur Wahrung im Gesellschaftsregister, wenn eine Eintragung im Grundbuch
erfolgen soll, Art. 229 § 21 EGBGB (kann (anderer Ansicht: Servatius,
Gesellschaft bürgerlichen Rechts: GbR, § 713 Rn. 14).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Auch im Falle einer Veräußerung
des Grundbesitzes soll bei einer am 01.01.2024 schon bestehenden GbR die Registrierung
im Gesellschaftsregister vom Grundbuchamt gefordert werden, damit sie dann als
Eigentümer gelöscht werden kann. Auch wenn die Sollvorschrift als
Mussvorschrift anzusehen ist, deren Nichtbeachtung allerdings nicht zur
Unwirksamkeit der Eintragung führt (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl.
2020, Rdn. 53 f), erscheint diese Anforderung als unnötig komplizierend: Handelt
es sich bei der GbR um eine Liquidationsgesellschaft, würde die GbR sowohl im
Grundbuch als auch im Gesellschaftsregister gelöscht.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Allerdings soll eine Änderung des
Namens der bereits zum 01.01.2024 bestehenden GbR oder die Annahme eines
solchen ohne Voreintragung im Gesellschaftsregister im Grundbuch eingetragen
werden (BT-Drs. 19/27635 S. 216 f).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Eine Änderung des
Gesellschafterbestandes (z.B. durch Erbschaft) vollzieht sich formlos und wird
ohne Eintragung im Grundbuch wirksam. Nach der bisherigen Rechtslage wäre das
Grundbuch zu berichtigen und der neue Gesellschafterbestand einzutragen. Dies
wird nunmehr ausgeschlossen, Art. 229 § 21 Abs. 2 S. 1 EGBGB. Nach § 82 GBO,
auf den Art. 229 § 21 Abs. 2 S. 2 EGBGB verweist, ist das Grundbuchamt im Falle
der Änderung des Gesellschafterbestandes gehalten, von der GbR zu verlangen, die
zur Berichtigung notwendigen Unterlagen zu beschaffen, was im Hinblick auf § 47
Abs. 2 GBO bedeutet, dass die GbR eine Voreintragung im Gesellschaftsregister
vornimmt. Damit soll die Eintragung auch von zum 01.01.2024 grundbesitzhaltenden
Gesellschaften aus Anlass von Gesellschafterwechseln (aus welchen Gründen
dieser auch immer erfolgte) durchgesetzt werden (zweifelnd Schroetter, Die
Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach Inkrafttreten des MoPeG in ZfIR 2024, 1,
3).</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Für den Fall der nachträglichen
Voreintragung einer bereits zum 01.01.2024 bestehenden Gesellschaft stellt Art.
229 § 21 Abs. 3 EGBGB klar, dass deren Berücksichtigung keine Berichtigung des
Grundbuches darstellt. Die Eintragung bedarf der Bewilligung der
Gesellschafter, die vor dem 01.01.2024 im Grundbuch eingetragen waren, sowie
der Zustimmung der eGbR, Art, 229 § 21 Abs. 3 S. 2 EGBGB.</p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;">Da die GbR auch ohne eine
Eintragung im Gesellschaftsregister materiellrechtlich existiert, die
Registrierung nur deklaratorisch erfolgt, dürfte sich eine zwingende Zurückweisung
eines Eintragungsantrages bei dem Grundbuchamt ohne vorherige Monierung in
einer Zwischenverfügung gem. § 18 Abs. 1 S. 1 GBO verbieten, sollte keine
Voreintragung im Gesellschaftsregister vorliegen. <o:p></o:p></p><br />Niehus-Winter BlogART / Niehus-Mindhttp://www.blogger.com/profile/14836694153888686138noreply@blogger.com0