Sonntag, 9. August 2015

Gesellschaftsrecht: Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB

Bild: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de
Entweder bereits im Gesellschaftsvertrag aufgenommen der dort als Möglichkeit qua Beschlussfassung vorgesehen: Die Befreiung des oder einzelner Geschäftsführer von der Beschränkung des § 181 BGB. Das OLG Nürnberg hat die nun problematisiert. Zu Recht wird in dem Beschluss des OLG darauf hingewiesen, dass § 181 BGB zwei Fallvarianten erfasst: Zunächst das Verbot des Selbstkontrahierens, darüber hinaus das Verbot der Mehrfachvertretung.

Selbstkontrahieren besagt, dass jemand ein Geschäft mit sich selbst schließt. Mit diesem Verbot soll verhindert werden, dass (hier) der Geschäftsführer in seiner Organstellung für die GmbH mit sich selbst Verträge abschließt (gleich welcher Art). Bei dem Verbot der Mehrfachvertretung ist Grundlage, dass (hier) der Geschäftsführer zum einen in seiner Organstellung für die GmbH handelt, auf der anderen Seite als Vertreter des Vertragspartners auftritt.

Im Hinblick auf das in § 181 BGB normierte doppelte Verbot hält es das OLG Nürnberg für nicht ausreichend, wenn lediglich in dem Gesellschaftsvertrag oder einem Beschluss die Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB enthalten ist. Dies ließe nicht erkennen, von welchem Verbot konkret befreit werden soll. Eine solche Regelung können auch nicht dahingehend ausgelegt werden, der Geschäftsführer solle von allen Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden, wenn sich nicht aus dem Beschluss (oder der gesellschaftsvertraglichen Regelung) dies eindeutig ergibt.

Hinweis: Fehlt bei einer Ein-Mann-GmbH im Gesellschaftsvertrag die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB und ist auch nicht eine entsprechende Beschlussfassung vorgesehen, kann dieser Gesellschafter-Geschäftsführer gleichwohl nach der zuletzt mit Urteil des BGH vom 19.11.1979 – II ZR 197/78 – bestätigten Rechtsprechung  mit sich selbst Rechtsgeschäfte machen. In diesem Fall soll § 181 BGB nicht greifen. Allerdings werden zum Nachweis des Rechtsgeschäfts der Nachweis durch schriftliche Aufzeichnung nach Art, Ort und Datum verlangt, zumindest eine ordnungsgemäße Verbuchung.


OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.02.2015 – 12 W 129/15 - 


Aus den Gründen:

I.
Die Beteiligten begehren die Eintragung der Befreiung ihres Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB in das Handelsregister.
Die Beteiligte zu 1. ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts - Registergericht - Amberg unter der HRB ... eingetragene GmbH. Die Satzung der Beteiligten zu 1. enthält unter anderem folgende Bestimmung:
„§ 5 Geschäftsführung und Vertretung
1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt dieser die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen vertreten.
2. Durch Gesellschaftsbeschluss kann einem Geschäftsführer, mehreren oder allen Geschäftsführern die Befugnis erteilt werden, die Gesellschaft stets einzeln zu vertreten. Ebenso kann allen oder einzelnen Geschäftsführern die Befugnis erteilt werden, die Gesellschaft auch bei Rechtsgeschäften mit dem Geschäftsführer selbst im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten zu vertreten (Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB). (...)“
Zuletzt waren - ohne Hinweis auf eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB - der Beteiligte zu 2. und Herr G... als Geschäftsführer der Beteiligten zu 1. im Handelsregister eingetragen. Die Gesellschafterversammlung der Beteiligten zu 1. beschloss am 17. November 2014 neben der Abberufung des Geschäftsführers G... folgendes:
„Herr S... (...) vertritt als alleiniger Geschäftsführer die Gesellschaft. Eine Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB ist gegeben [Hervorh. durch Senat].“
Auf den Antrag des Notars auf Vollzug der Anmeldung, dass der Geschäftsführer S... von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, wies das Registergericht mit Zwischenverfügung vom 8. Januar 2015 darauf hin, dass eine Eintragung nicht erfolgen könne, da ein entsprechender Beschluss der Gesellschafterversammlung fehle.
Der den Eintragungsantrag stellende Notar legte hiergegen mit Schreiben vom 12. Januar 2015 Beschwerde ein. Der Beschluss des Alleingesellschafters könne nur so verstanden werden, dass der Geschäftsführer S... von § 181 BGB insgesamt befreit sei. Entgegen der Annahme des Erstgerichts enthalte die Bestimmung nicht mehrere Verbote, sondern ein allgemeines Verbot des Selbstkontrahierens.
Das Erstgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich um eine Zwischenverfügung des Registergerichts gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2, § 374 Nr. 1, § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist gemäß § 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG statthaft. Der Notar, der - wie hier - ermächtigt ist, im Namen der Gesellschaft wie auch deren Geschäftsführer die Eintragung in das Handelsregister zu beantragen, ist auch ermächtigt, gegen eine ablehnende Zwischenverfügung namens der Anmeldeberechtigten Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG einzulegen (Heinemann, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 378 Rdnr. 14). Die vom Notar verwendete Formulierung „lege ich Beschwerde ein“ ist dabei ohne Bedeutung (OLG Nürnberg, Beschluss vom 5. März 2010 - 12 W 376/10, MDR 2010, 822). Hat der Notar nicht ausdrücklich erwähnt, in wessen Namen er das Rechtsmittel einlegt, darf im Regelfall unterstellt werden, dass er dies für die Anmeldeberechtigten bzw. -pflichtigen tut. Anmeldeberechtigt ist dabei die Gesellschaft, vertreten durch ihren Geschäftsführer, und daneben der Geschäftsführer, der nach § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 4 Nr. 2, § 78 GmbHG persönlich zur Anmeldung auch hinsichtlich einer Befreiung vom den Beschränkungen des § 181 BGB verpflichtet ist. Es sind daher beide Beteiligte als Beschwerdeführer anzusehen.
2. Die Beschwerde ist aber unbegründet.
a) Entgegen der Ansicht der Beschwerde enthält die Regelung des § 181 BGB zwei verschiedene Verbote: Sie verbietet zum einen das Insichgeschäft und zum anderen die Mehrfachvertretung (vgl. MünchKomm-GmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rdnr. 174). Danach kann ein Geschäftsführer die Gesellschaft nicht bei einem Geschäft mit sich selbst (Insichgeschäft) oder mit einem Dritten, etwa einer anderen Gesellschaft, dessen Vertreter er ist (Mehrfachvertretung), vertreten (MünchKomm-GmbHG/Stephan/Tieves, a.a.O.). Das zur Bestellung der Geschäftsführer berufene Organ kann die Geschäftsführer oder einzelne von ihnen jedoch ganz oder teilweise von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien (MünchKomm-GmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rdnr. 182; Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 35 Rdnr. 133). Möglich ist auch die Beschränkung der Befreiung auf Mehrfachvertretungen (Baumbach/Hueck, a.a.O.). Die Gestattung kann entweder in der Satzung oder durch das Beschlussorgan erfolgen, soweit dafür - wie hier der Fall - eine Grundlage in der Satzung besteht (BayObLG, DB 1984, 1517; BayObLG, MittBayNot 1980, 170; MünchKomm-GmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rdnr. 183). Die Gestattung des Selbstkontrahierens ist eine eintragungspflichtige Tatsache (MünchKomm-GmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rdnr. 194). Bei einer Gestattung durch einen Gesellschafterbeschluss ist dieser einzutragen (U. Schneider/S. Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 35 Rdnr. 173; MünchKomm-GmbHG/Stephan/Tieves, a.a.O.).
b) Das Registergericht hat nach diesen Grundsätzen zu Recht angenommen, dass die Eintragung der angemeldeten generellen Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht erfolgen kann, weil es an einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss fehlt.
Zwar ist der Satz „Eine Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB ist gegeben“ nicht als bloße deklaratorischen Feststellung, sondern als Beschluss, eine solche Befreiung zu erteilen, zu verstehen. Dem Geschäftsführer S... wurde aber nach dem unmissverständlichen Wortlaut des vorgenannten Beschlusses nur eine Befreiung von „der“ Beschränkung des § 181 BGB erteilt. Die Regelung enthält aber - wie bereits ausgeführt - entgegen der Ansicht der Beschwerde zwei verschiedene Beschränkungen. Der Beschluss kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden (§ 133 BGB), dass der Geschäftsführer S... von beiden Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden sollte. Die Beschwerdeführer haben keine hierfür notwendigen sonstigen Umstände der Beschlussfassung dargetan, aus denen ein solcher Wille des Geschäftsführers der Gesellschafterin entnommen werden könnte. Vielmehr spricht gegen einen solchen Willen der vom Erstgericht angeführte Umstand, dass der Geschäftsführer der Gesellschafterin bei einem vorherigen Gesellschafterbeschluss vom 17. November 2014 der C... GmbH zwischen beiden Beschränkungen bewusst differenziert hat, indem er sich selbst eine Befreiung von „den“ Beschränkungen des § 181 BGB und dem Mitgeschäftsführer Hermann G... eine Befreiung von „der“ Beschränkung des § 181 Alternative 2 BGB erteilt hat. Auch in der Satzung der Beteiligten zu 1. wird - richtigerweise - die Formulierung der Befreiung von „den“ Beschränkungen des § 181 BGB verwendet (vgl. § 5 Nr. 2 der Satzung). Das Erstgericht hat daher zu Recht angenommen, dass der beantragten Eintragung ein Vollzugshindernis entgegensteht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat entsprechend § 36 Abs. 3 GNotKG festgesetzt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

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